Prinz Pi

Wir treffen den Prinzen in einem Kreuzberger Straßencafé. Das Wetter ist freundlich, die Menschen flanieren über die Straßen – ein richtiger Frühlingstag. Es sollte der Letzte für längere Zeit sein, doch das wissen die Redaktion und der Künstler zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Am 23. März erscheint Prinz Pis Album "Illuminati", erleuchtet werden bei diesem Release aber nur die, die die CD über den künstlereigenen Onlineshop bestellen. Bei Kaffee und später dann auch Mineralwasser sprach man in gediegener Atmosphäre über genau diese Veröffentlichung, erleuchtete Fans, gruselige Stalker, freie Marktwirtschaft und nicht zuletzt auch darüber, warum Bio-Obst den Kauf von Medikamenten nahezu unnötig macht. Weil der Prinz sich außerdem nicht fotografieren lassen wollte, hat er uns den ein oder anderen Schatz aus seinem Fotoarchiv vermacht und bei der Gelegenheit auch gleich noch kommentiert.

Backstage in Aarau
by Jonathan Mühlhause

Die Nacht meines 30. Geburtstages, zur Feier habe ich mir 333 SDK auf die Arme tätowiert. Kurz vor dem Auftritt ein kleiner Moment der Versenkung.

rap.de: So.
Prinz Pi: Gibt es eigentlich was Neues von Flowin Immo?
 
rap.de: Nein, wir haben nichts mehr gehört. Das ist ein bisschen bedrohlich. Man entwickelt dann auch so einen leichten Verfolgungswahn.
 
Prinz Pi: Ich hatte auch schon öfter so Stalker. Eine war bei uns im Bürogebäude drin. Unser altes Büro war im vierten Stock und dann ging es noch ein halbes Stockwerk höher, da war so eine Feuertreppe, über die du auf das Dach kannst. Auf dem halben Stock war so ein halbmeter hohes Plateau und da saß eine Zeit lang so ein Mädchen, so zusammengekauert. Unser Büro bestand aus zwei Wohnungen und du musstest quasi über den Flur, wenn du in das andere Büro rein wolltest. Im Vorderhaus war irgendwie mal so eine Praxis für Psychotherapie und manchmal sind so Gestalten, die die Therapeutin besucht haben, bei uns durchs Treppenhaus geirrt.

Ich dachte, dass das wahrscheinlich eine davon ist. Und irgendwann, als sie da oben mal einen ganzen Tag saß, meinte ein Kollege von mir zu ihr, was sie da denn eigentlich macht. Sie meinte dann "Ich möchte Prinz Pi nahe sein und seine Präsenz fühlen“ und ja, die ist da immer so rumgehangen. Irgendwann ist sie dann gegangen, aber du hast eben wirklich Angst. Was ist, wenn ich ein Päckchen, wo meine Privatadresse drauf steht, in die Mülltonne schmeiße und sie macht die auf? Das wäre irgendwie strange. 

 
rap.de: Gibt’s da noch andere Geschichten?
 
Prinz Pi: Bei mir gibt’s auf jeden Fall mehrere. Es fing so an, dass ich bei einem Konzert… Also, wenn man so auf Tour ist, dann siehst du die Leute, mit denen du unterwegs bist, ja jeden Tag. Den Soundtechniker, deine Crew und so weiter. Und irgendwann habe ich ein Mädchen begrüßt, was in der ersten Reihe stand, weil ich gedacht habe "Ah, die kennst du doch auch. Die gehört doch auch irgendwie dazu.“. Dann ist mir aber bewusst geworden, dass das gar keine von uns ist, sondern dass ich die schon am dritten oder vierten Abend in Folge sehe. In vollkommen anderen Städten! So fing es an, dass mir bewusst geworden ist, dass es wirklich so Leute gibt, die einem nachreisen und dann wirklich auch so professionell Groupie-mäßig drauf sind.
 
Ich glaube aber nicht, dass es nur einen Groupie-Typ gibt, der dich grenzenlos bewundert, weil du ein Musiker bist. Ich glaube ganz oft, dass es so ist, dass Leute nachvollziehen können, was du sagst und das auf sich selber irgendwie beziehen können. Manche mehr, manche weniger. Und dass das für sie nicht unbedingt so hardcore Groupie-mäßig ist, sondern dass sie einfach sagen "Der Typ hat eine ähnliche Meinung wie ich selber und das finde ich einfach cool. Das muss ein Typ sein, der auf meiner Wellenlänge liegt.“. Das sind dann ja auch Jungs, die sagen "Cool, du sprichst das aus, was ich denke! Cool, dass wir dann jetzt zusammen rumhängen!“.

Normalerweise wenn man solche Leute kennen lernt, trifft man sich auf einer Party oder wo auch immer, spricht miteinander und nach einer Stunde weiß man so grob, wie der andere drauf ist. Und da ist das so, dass das Gespräch quasi von einer Seite schon geführt worden ist, nämlich durch die CD, die alle Leute kennen. Ich fahre auf meinen CDs ja jetzt auch nicht irgendeinen Film, der vollkommen anders ist als das, wie ich so bin, sondern das sind schon meine Gedanken und meine Ansichten von der Welt. 

 
Pi Logo Revisited
by Prinz Pi

Das habe ich mit meinem wieder in der Schublade entdeckten Stabilo gemacht. Eigentlich wollte ich es als Shirt drucken, aber dann sah es mir zu sehr nach Spongebob aus.
 
rap.de: Was mir immer mehr auffällt sind diese ganz klaren Gruppenbildungen, je nachdem welchen Künstler man gut findet. Gerade auch im Internet.
 
Prinz Pi: Ich glaube, diese Internetgeschichte darf man nicht so überbewerten. Die Leute, die im Internet tatsächlich schreiben, sind nur die Speerspitzen. Das sind die Leute, die extrem für oder gegen etwas sind. Aber die anderen 80 Prozent, die nicht ganz so extrem in das ein oder andere gehen, sehen sozusagen keine Veranlassung dazu, was zu schreiben und sind die stille Mehrheit. Es ist ja zum Beispiel auch total fatal, wenn jemand im Internet einen krassen Hype hat, weil der in den Foren rauf und runter diskutiert wird. Aber das bedeutet nicht gleichzeitig, dass seine Konzerte voll sind und seine CDs sich gut verkaufen.

Nimm mal Peter Fox. Der findet im Internet wesentlich weniger statt als andere Musiker, aber das ist der am meisten verkaufende Solokünstler in Deutschland. Eben weil seine Fans nicht diskutieren, sondern seine Musik hören wollen. Und dann gibt es andere Bands, die voll krass diskutiert werden, aber wenn die mal irgendwo ein Konzert geben, geht halt keiner hin, weil das für die Fans vielleicht auch gar nicht so interessant ist.

 
rap.de: Glaubst du das liegt auch daran, wie sehr man sich an einem Künstler reiben kann?
 
Prinz Pi: Ich glaube es gibt einfach unterschiedliche Arten, auf die dich ein Künstler interessieren kann. Ich sammle zum Beispiel Skurrilitäten im Netz. Ich habe ein großes Lager an skurrilen Sachen, die ich im Internet finde und das interessiert mich dann. Dass sind nie Leute, von denen ich mir eine CD kaufen würde, aber die sind halt so schlecht oder eben extrem und verrückt, dass mich das halt voll interessiert. Das ist einer der Mechanismen, wie das Internet funktioniert. Dass Leute eben interessant sind. Aber das, was die Leute so krass berührt, dass sie entweder ein Konzertticket oder eine CD kaufen, sind im Endeffekt nur Leute, die das Rad nicht neu erfinden.

Wer verkauft am meisten? Das sind natürlich Rockbands. Und was machen die? Gitarrenmusik und erzählen über Liebe. Das machen die seit 50 Jahren und das ist nach wie vor die erfolgreichste Musik der Welt. Eine Rockband, die aus vier Leuten besteht und von einer unglücklichen Liebe erzählt. Das ist das Rezept, mit dem du krass viel Musik verkaufst und wahrscheinlich immer verkaufen wirst. Die machen nichts Neues und sind auch für sich nicht interessant, aber die sprechen halt das aus, was die Leute denken.

 

Auf dem Frauenfeld
by Janosch Abel

Das ist das beste Festival der Welt und ich hatte unfassbaren Spaß auf der Bühne. Ganz schön groß die Stage.

 
rap.de: Ist das für einen als Künstler frustrierend, wenn man eigentlich schon immer gerne was ganz Neues machen würde, die Leute das aber vielleicht gar nicht wollen?
 
Prinz Pi: Nee, glaube ich nicht. Wenn du so Avantgarde bist und der Masse immer voraus, dann ziehst du deine Befriedigung ja eben auch daraus, dass dich keiner versteht. Dass du so ein Vordenker bist, den eben noch kein anderer diggen kann und auch deine Fans finden dass dann gerade cool, dass sie zu den wenigen Auserwählten gehören, die diese Art von Musik schon toll finden.
Wenn das auf einmal alle hören, dann ist das für sie gleich nervig. Ich kriege zum Beispiel oft Mails wo Leute schreiben "Ich höre dich jetzt schon seit fünf Jahren und fand deine Sachen immer total cool, aber jetzt hören dich an meiner Schule auf einmal alle und ich finde das nicht mehr so cool. Mach doch mal was dagegen!“. Erst mal kann man dagegen gar nichts machen und du willst ja auch nichts dagegen machen. Wenn die Leute dich auf einmal cool finden, was sollst du dann dagegen haben?
 
Bunkerschönheit
by Prinz Pi

Lange Beine im Bunker, während den Master Sessions zu Illuminati ist ein illustres Pubkikum von Claqueren und Freunden zugegen.

 
rap.de: Also du siehst dich schon als Vordenker, der für einen elitären Kreis von Leuten Musik macht?
 
Prinz Pi: Mhm. Nee, ich sehe mich selber nicht so, aber ich glaube meine Fans sehen mich so. Das ist so der "Geheimtipp-Faktor“. Ich glaube, meine Musik ist ein bisschen so wie Apple Computer. Die werden von der Form nach außen hin leichter verständlicher mit den Jahren, aber das technische Innenleben, die Gedanken und Technologien, die da drinnen stecken, die werden immer komplizierter und verschwurbelter und abgedrehter. Früher war es ja so: Wenn du einen Computer gekauft hast, sah der von außen aus wie ein kompliziertes Gerät und war drinnen auch relativ kompliziert. Heute ist das so, dass das so ein glatter Kasten ist, wo du dir erst mal denkst "Woah, sieht ja voll geil aus, voll schön“. Aber innen drin ist natürlich zehnmal so viel Technik wie vor zehn Jahren. So ist es bei meiner Musik auch. Die Texte sind vielleicht nach außen hin etwas leichter verdaulich, so auf den ersten Blick, aber dafür sind dann auf den dritten Blick viel mehr Sachen reingebaut, als ich das vor fünf oder zehn Jahren gemacht hätte. Das ist vielleicht schon etwas, was sich so mit den Jahren ändert.
 
Nimm dir mal zum Beispiel die Simpsons. Die Simpsons sind halt deswegen so genial, weil halt jede Altersstufe und jeder Bildungsstand darüber lachen kann und selbst irgendwie für so ultra politisch interessierte und intellektuelle Leute sind die Simpsons auch witzig und interessant. Aber die sind halt auch irgendwie für ein sechsjähriges Kind witzig und interessant und keiner hätte irgendwie das Gefühl, dass da jemand irgendwie hochgestochen daherredet, aber keiner hat auch das Gefühl, dass es niveaulos ist. Das ist eigentlich so das bestmögliche. Du sprichst damit jeden an und jeder kann sich das für sich rausziehen was irgendwie wertvoll ist und wenn das dir gelingt irgendwie bei nem Film oder der Musik, dann ist das ne tolle Sache für mich. 
 
rap.de: Es gibt ja auch immer so eine Hardcore Fraktion, die etwas sofort scheiße findet, sobald es eingängiger wird und von mehr Leuten gehört wird.  Hattest du auch mal so eine Phase, so als jüngerer Musikhörer vielleicht?
 
Prinz Pi: Boah ich war voll krass so, auf jeden Fall. Ich war immer so, dassich mir immer Sachen ausgesucht habe, die ultra krass underground waren und die nur ganz wenig Leute kannten und die man immer nur ganz schwierig kriegen konnte und irgendjemand die aus den USA mitbringen musste oder so. Savas war glaube ich mal in LA und hat halt irgendwie so Sachen mitgebacht und hat die dann seiner Crew, den Funkfüchsen, gegeben. Livin Legends und PLC und so. Erst hatte das nur das erweiterte Umfeld und irgendwann hatten das dann in Berlin vielleicht so einhundert, zweihundert Leute. Das war dann wahrscheinlich irgendwie die Zielgruppe von dieser Musik in Berlin, aber jeder, der dazu gehörte, wusste dass das nur ein elitärer Kreis ist. So hat damals ja auch dieses Royalbunker Kassettenbusiness angefangen. Das war was Besonderes, weil man das nur bei einem Mailorder im Internet gekriegt hat und es war Teil von dem Charme, dass die Musik gerade am Anfang noch von so offenkundig schlechter Qualität war. Ich meine jetzt nicht inhaltlich, sondern von der Machart so, das halt irgendwo ghettomäßig aufgenommen, überspielt auf Kassetten sowieso und mit so farbkopierten Covern.
 
Man findet auf jedem Konzert mindestens ein oder zwei Leute, die stehen so ganz alleine hinten in der Ecke, die tanzen auch nicht mit und die kommen dann danach an und sagen dann so: "Ja ich weiß schon, du hast das Konzert nur für mich gemacht und du bist auch voll genervt davon, dass die ganzen anderen Leute auch hier sind“. Dieser Fan würde eigentlich am liebsten alleine mit dir im Raum sein, damit er halt das Gefühl hat, dass er der einzige Mensch auf der Welt ist, für den du diese Musik schreibst und der die auch verstanden hat. Ich war auch mal so jemand, ich kann das nachvollziehen. Für mich verlieren Dinge dann an Wert, wenn auf einmal Leute die cool finden, die ich nicht cool finde.
 
Selbstportrait
by Prinz Pi

Die erste Illustrration in diesem Stil, basierend auf einem Foto von Cem Guenes.
 
Das ist auch für einen Künstler voll komisch, wenn du siehst, was für Leute deine Musik hören. Warum hört so ein Typ, der irgendwie so ganz offenkundig anders drauf ist als du, deine Musik? Wo ist da jetzt die Schnittmenge zwischen ihm und mir?  Wenn Nazis auf meinen Konzerten wären, würde ich zum Beispiel den linken Gruß oder so machen, damit die wissen, wie ich drauf bin.
 
rap.de: Apropos links. Jetzt gibt es gerade in Berlin ja auch eine Art Antifa-Rapszene. Hast du Kontakt zu solchen Leuten oder würdest du dich auch selbst da politisch einspannen lassen? 
 
Prinz Pi: Ja, also ich habe auf jeden Fall Kontakt zu Leuten, die sozusagen sehr links sind und auch so aus diesem Umfeld kommen. Auch schon Teile meiner Familie kommen aus einem 68er, sehr linken, oder auch linksradikalen Umfeld.
 
Viele meiner Freunde sind halt politisch eingestellt, die haben jetzt aber nicht unbedingt einen Antifa Mitgliedsausweis oder so. Aber das sind halt Leute, die irgendwie sehr links drauf sind. Mein alter Nachbar zum Beispiel, den ich kenne, seitdem ich fünf bin. Das war auch so ein Typ, der hat 15 Jahre in so einem Bauwagen gelebt, der war halt so der übelste Punk und hat auch so den ganzen Konsumverzicht mitgemacht. Ich kann das ein Stück weit auf jeden Fall nachvollziehen, dieses Aussteigen wollen aus dieser Gesellschaft. Ich bin jetzt keiner der sagt "Geht raus und zündet Autos an“. Für Graffiti habe ich mich lange Zeit interessiert und das gemacht, das ist ein Stück weit auch eine politische Sache. Dass man den öffentlichen Raum, der sozusagen von irgendwelchen Firmen gekauft wird werbeflächenweise, wieder zurück erobert und halt dem Volk wieder gibt.
 
Aber ich sehe das jetzt auch nicht so eng, dass ich sage, man soll jetzt nichts mehr kaufen und man muss irgendwie auf Konsum verzichten, weil im Endeffekt, wir leben halt in einer freien Marktwirtschaft und diese freie Marktwirtschaft bedingt ja auch unsere politische Freiheit. Und wenn wir diese Marktwirtschaft nicht hätten und Produkte kaufen und konsumieren würden, dann gäbe es auch keine Arbeit und dann gäbe es auch nicht die Meinungsfreiheit, in der wir jetzt leben. Das sind halt so blöde, krass komplizierte politische Sachverhalte, die kann man nicht eben in so einem Interview beschreiben. Ich bin jetzt auch nicht Torch, der irgendwie so der Lehrer ist, der den Leuten erklären muss wie die Welt funktioniert, muss ja auch jeder für dich selber herausfinden. Aber ich finde, man sollte auf jeden Fall dieses westliche Lebensmodell mal in Frage stellen. 
 
Alloinix Siebdruck Plakat
by Prinz Pi

Ein Design für eine befreundete Band, das ich im Tourbus angefertigt habe. Den Stil der Illustration nenne ich Präzisions-Manierismus.

 
Ich würde jetzt zum Beispiel nie was bei Wal Mart kaufen. Ich finde, man sollte auch nicht bei Amazon kaufen, weil Amazon meiner Meinung nach der krasseste Arbeitsplätzevernichter in Deutschland ist. Aber es spricht rein gar nichts dagegen Bücher zu kaufen und zwar so viele wie man kaufen kann. Solange du die im Buchladen bei dir um die Ecke kaufst ist es doch super, da unterstützt du dann wenigstens die Arbeitsplätze. Und wenn du Essen und so weiter kaufst, warum dann beim Essen sparen? Warum dann nicht sein Obst, oder eben seine Wurst und andere Produkte aus der Nähe kaufen, von lokalen Leuten wo du weißt, dass da ein Bauernhof ist, wo du halt jetzt die Eier kaufen kannst, anstatt irgendeinen krassen Lebensmittelkonzern wie Nestlé zu unterstützen? Der Konsum an sich ist nicht das Problem, sondern dass die Leute unter so einer komischen Sparsucht leiden.

Ich fände das viel cooler, wenn die Leute ihr Geld raushauen und das irgendwie in den Kreislauf der Wirtschaft hineingeben. Nicht für irgendwelche LCD Flatscreens, sondern halt für Essen. Das ist so ein Problem der Leute, die sind schlecht drauf, weil sie krank sind. Aber warum sind sie krank? Weil sie sich ungesund ernähren. Und dann geben sie ihr Geld für Medikamente aus und werfen das irgendwelchen Pharmafirmen in den Rachen, statt dass sie sich ein paar vernünftige Lebensmittel kaufen. 

 
rap.de: Ich glaube der Grund für diese Sparen ist aber, dass der Mensch an sich ein Bedürfnis nach Sicherheit hat. Wenn du dein Geld auf der Bank hast, ist es im ersten Moment ja sicherer, als wenn du es irgendwo investierst.
 
Prinz Pi: Ja, aber Sicherheit ist immer auch ein Ausdruck von Angst. Du macht dein Haus sicher, weil du Angst hast, dass du überfallen wirst. Du legst dein Geld sicher an, weil du Angst hast, dass irgendwann kein Geld mehr da ist. Wenn du von Angst gesteuert bist, bist du jemand der reagiert auf etwas, was passiert oder passieren kann, aber du bist nicht jemand der agiert. Darum ist Sparen einfach der Ausdruck von Angst und das muss man irgendwie unterbinden. Was zieht das für eine Nation voller selbstsüchtiger Leute heran, die das, was sie haben, nur für sich selbst anhäufen, anstatt das irgendwie in die Community, in den Kreislauf des ganzen Landes einzuspeisen?
Das ist einfach so typisch deutsches und dummes persönlicher Vorteil Denken. Ich meine, warum soll ich mir irgend so ein krass teures Schloss kaufen, anstatt dass ich mich mit meinen Nachbarn gut verstehe? Wenn ich mich mit meinen Nachbarn gut verstehe, dann passen die auf, dass keiner in deine Wohnung rein geht. Aber wenn sich jetzt jeder in seiner Wohnung einschließt, mit einem krassen Schloss an die Tür, dann ist man doch wie so ein gefangenes Tier, das sich selber in einen Käfig setzt und nur ab und zu mal raus guckt aus seinem Loch. 
 
Im Untergrund in Heidelberg
by Prinz Pi

Unbekannte Schöne, gefunden in den Katakomben unter der Bühne.

 
rap.de: Ist das auch etwas, was du in deiner Musik transportieren möchtest, so ein kollektives Miteinander? Weil du auf der anderen Seite ja auch wieder sagst, du bist der Mann vom Mars und dich dadurch auch so ein bisschen heraushebst, einsam fühlst.
 
Prinz Pi: Klar, ich komm mir hier halt so vor wie auf einem fremden Planeten, wenn ich diese ganzen Leute sehe und wie die alle drauf sind. Alle Leute sind unzufrieden, das ist zumindest mein Eindruck, wenn ich hier über die Straße laufe. Wenn ich über den Alexanderplatz laufe, dann habe ich das Gefühl die Deutschen sind unzufrieden. Aber warum sind wir unzufrieden? Wir sind doch fast das reichste Land der Welt? Immer noch, auch wenn die Zeitungen irgendwas von Wirtschaftskrise schreiben. Ganz klar ist unser Lebensstandart und das Geld, das wir zur Verfügung haben, in den letzten zehn Jahren gestiegen. Alle Restaurants in die du gehst sind ausgebucht. Also wieso haben wir so eine schlechte Stimmung und wieso sind die Leute in Afrika so krass gut drauf? 
 
rap.de: Ich glaube, weil die Leute in Afrika mehr auf’s Überleben fokussiert sind. Die wollen teilweise einfach nur genug zu Essen und zu Trinken haben. Und wenn das grundsätzlich abgedeckt ist, weil es Deutschland ja niemanden gibt, der irgendwie hungern muss oder so, dann schaffst du dir selbst Probleme und es tauchen auch ganz andere Dinge auf, die dich unglücklich machen. 
 
Prinz Pi: Das ist auch was, was wichtig ist für mich, aber ich glaube, dass das Lebensmodell für uns im Westen der Individualismus ist, wo du sozusagen nur dann glücklich bist, wenn du dich selber so krass verwirklichen kannst, wie du es dir wünscht. Ich glaube, das Lebensmodell in vielen anderen Gesellschaften, unter anderem in den meisten Ländern wie Afrika, ist halt das Familienleben und dass du halt dann glücklich bist, wenn du möglichst viel Zeit mit deiner Familie verbringen kannst. Wenn es deiner Familie gesundheitlich gut geht und wenn du daraus dein Glück ziehst, wozu brauchst du dann Geld? Ich meine, von was für einem Geld kannst du dir das kaufen, wenn deine Mutter lächelt, weil sie ihr Enkelkind auf dem Arm hat?
 
Die glücklichsten Menschen leben ja in Indien und Bangladesch, wo diese Familienstrukturen halt einfach am Start sind, wo die Familien viel größer sind und wo die Leute nicht für sich selber leben, sondern für ihre Familie. Die sind glücklich, auch wenn die nicht den Porsche haben und den Flatscreen, die Urlaube wie wir das hier haben, die Sozialversicherung und die Krankenversicherung und so was. Da brauchst du auch keine Altersheime, das gibt es ja in vielen Ländern gar nicht, weil sich die Familien selbst um die Alten kümmern. 
Das ist ja eins der größten Probleme, die es hier in Deutschland gibt, dass wir nicht wissen, wie wir die Renten bezahlen sollen und halt auch die ganze Krankenpflege und die Altersheime. Das sind solche Probleme, die sich die Welt durch ihren krankhaften Individualismus selbst erschafft.
 
Cats
by Prinz Pi

Gesehen bei einer Sängerin im ehemaligen Royal Bunker, heutzutage Base der weltbekannten KIZ Crew.

 
rap.de: Du hast selbst eine Familie, bist aber andererseits in so einer Branche, wo es darauf ankommt, sich selbst zu verwirklichen, du bist Künstler. Widerspricht sich das manchmal so ein bisschen? Du bist ja dann auch viel unterwegs und nicht unbedingt immer zu Hause. 
 
Prinz Pi: Nee, ich bin leider sehr selten zu Hause. Klar, das ist auf jeden Fall ein Konflikt, das ist halt auf jeden Fall nicht optimal. Aber es ist so, dass mir die Gesellschaft nicht die Rahmenbedingungen bietet, in denen ich optimal leben kann. Ich meine, in einer anderen Gesellschaft würde ich gar nicht so den Drang spüren, einfach so krass dagegen zu sprechen, was ich irgendwo sehe.
 
rap.de: Wo würdest du lieber leben? 
 
Prinz Pi: Ich glaube, ich würde am liebsten irgendwo leben wo… Wo würde ich denn am liebsten leben? Ich glaube, ich würde gerne in Schweden leben. Oder in Finnland. Die sind viel kinderfreundlicher. Und dadurch, dass es nicht so viele Arbeitslose gibt, sind die Leute auch nicht so krass darauf fixiert, dass sie ihren Job behalten müssen und dass sie krass viel Geld sparen, falls sie mal arbeitslos werden. Es wird halt viel mehr getan, um das den Leuten zu ermöglichen, ihren Job mit der Familie in Einklang zu bringen, weil da auch einfach die Möglichkeiten vorhanden, sind es zu tun. Da kannst du auch sagen "Ok, ich nehme jetzt als Vater mal ein Jahr, zwei Jahre Auszeit und kümmere mich um meine Familie“ oder so. 
 
rap.de: Würdest du dann in Schweden oder Finnland einen anderen Job ausüben, der dir dann mehr ermöglicht zu Hause zu sein, einfach weil die Rahmenbedingungen besser sind? 
 
Prinz Pi: Ich glaube schon, ja. Ich glaube, wenn mir die Gesellschaft besser gefallen würde, in der ich lebe, wäre ich nicht so krass davon angekotzt. Mich kotzt das halt irgendwie voll oft an, wenn ich sehe wie die Leute hier drauf sind und wie die miteinander umgehen und über was die sich hier so aufregen, das nervt mich einfach voll. 
 
rap.de: Jetzt ist die Gesellschaft an sich aber nichts Starres, sondern wird von den Menschen geformt, die in ihr leben. Bist du denn jemand, der in der U-Bahn mal ein Gespräch mit jemandem anfängt, der neben einem sitzt? Oder jemand, der mit offenen Armen auf Menschen zu geht, die dazu nicht in der Lage sind? 
 
Prinz Pi: Ich glaube schon, dass ich ein kommunikativer Typ bin, der eben auch mal so mit Leuten redet aber ich  bin jetzt auch niemand, der so Free Hugs verteilt und zu den Leuten "Peace, Love and Harmony“ sagt oder so. Ich rede schon viel mit Leuten, aber ich glaube auch nicht, dass ich mir das so anmaßen kann, anderen Leuten meinen Lebensentwurf aufdoktrinieren zu dürfen. Ich kann jetzt nicht zu Leuten hingehen und sagen "Yo, Brother, ich find das jetzt total wack wie du lebst“. 

 

Live in Berlin
by Adam Kubryn

Die Hater haben Recht – ich bin wirklich manchmal abgehoben. Berlin bestes Publikum ever.

 

rap.de: Nee, aber einfach so, dass man sagt "Hey, wir sitzen doch alle in einer U-Bahn und fahren jetzt zehn Stationen zusammen, warum starren wir uns alle wortlos an? Warum unterhalten wir uns nicht?“, oder so "Hey, wo fährst du denn hin?“. 
 
Prinz Pi: Das macht man doch voll oft zwangsläufig, ich unterhalte mich doch dauernd mit Leuten. Zum Beispiel voll oft mit älteren Leuten, weil die sich einfach so über jedes Gespräch freuen. Das ist doch irgendwie voll schrecklich, warum werden so Leute, die zum Beispiel alt sind, nicht mehr als wertvoller Teil der Gesellschaft gesehen? Die haben ein unfassbar großes Wissen und ein Potential. Die Leute freuen sich, wenn sie mal jemand nach ihrem Wissen fragt. Ich gehe zum Beispiel oft gerne in so Second Hand Läden oder so kleine Läden, wo Leute was verkaufen und das halt wirklich mit Liebe machen.

Neulich habe ich mir zum Beispiel neue Boxen für’s Studio gekauft und natürlich kannst du irgendwo hingehen und jemanden finden, der dir irgendwie bei Saturn oder so die neuesten Boxen von einem Großkonzern verkauft. Aber ich gehe liebe in einen kleinen Laden, wo ich jemanden treffe, der ein krasser Liebhaber ist und dafür brennt, was er da verkauft und stundenlang darüber erzählen kann, warum jetzt das eine Ding toll ist und das andere nicht und der vielleicht auch was repariert, wenn mal was kaputt geht, anstatt dass er dir irgendwie was neues andrehen will oder so. Das ist doch voll geil, wenn ich dem Typen dann ein bisschen mehr bezahle, dafür dann aber irgendwie einen "echten“ Menschen unterstützt und nicht den Aktienkurs von irgendeinem Unternehmen um zwei Mikroprozent angehoben habe. 

 
Live in Heidelberg
by Jonathan Mühlhause

Der erste Auftritt in Heidelberg – ich war sofort verliebt in die Stadt mit dem netten Publikum, den Neckarauen und dem reichhaltigen Alkoholangebot im Backstage.

 
rap.de: Aber kann man sich so was nicht nur leisten, wenn man selbst einen gewissen finanziellen Background hat? 
 
Prinz Pi: Nein, es geht ja nicht nur um mehr Geld, was man hier ausgibt. Ich meine, Leute die jetzt billig essen zahlen am Ende, dann wieder drauf, weil sie mehr Medikamente brauchen. Also wenn du zu billig kaufst, dann kaufst du meistens doppelt, es ist halt doch einfach so. Warum können die Leute nicht einfach von Anfang an diese Klugheit besitzen, es geht ja nicht darum in Luxus zu schwelgen und nur noch Kaviar und Hummer zu essen, aber warum sich diesen ekelhaften, fettigen Fast Food Fraß reinziehen? Warum nicht irgendwie was vernünftiges, frisch gekochtes, leckeres, was dich viel nachhaltiger satt macht, was dir viel wertvollere Nährstoffe halt bereit stellt? Was dich weniger dick macht, dir aber mehr Energie gibt? Warum nicht so?
 
Also bei mir war das so, dass ich irgendwie als ich 15 war das erste Mal bei McDonalds einen Burger gegessen habe, weil meine Eltern mir das immer verboten haben. Ich durfte nie Gummibärchen essen wegen den Farbstoffen und so Sachen (lacht). Dann fand ich das aber natürlich, als ich das endlich machen durfte, voll geil, habe aber nach relativ kurzer Zeit gemerkt, dass diese Bio Sachen einfach echt viel besser schmecken. 
 
rap.de: Ein Thema, was bezüglich deiner Person sehr stark diskutiert wurde, war das Interview, dass du dem Splasmag gegeben hast. Hättest du da im Nachhinein Sachen lieber anders gesagt? 
 
Prinz Pi: Ich kann mich an das Interview überhaupt nicht erinnern, weil ich so besoffen war. Das Ding ist, dass ich mich vielleicht nicht so präzise ausgedrückt habe, wie man das hätte machen können. Aber man sollte in so einem Interview auch keine krass komplizierten Sachverhalte abhandeln, wie ich das da irgendwie gemacht habe, aber meine Grundaussage, die ich irgendwie machen wollte ist, dass man in einem Interview nicht immer nur über seine eigene Musik reden muss. Natürlich auch, deswegen wird man ja interviewt, aber ich finde das einfach wichtig, dass Leute, die in einer gewissen Öffentlichkeit stehen, Musiker halt, dass die sich auch mal über vernünftige Sachen auslassen und dass das einfach vollkommen egal ist, dass jetzt Rapper A Rapper B vollkommen kacke findet, oder ob der eventuell die Freundin fickt von Rapper C, das ist doch irgendwie totales Weibergewäsch.

Das ist siebte, achte Klasse Schulhofgewäsch, so was ist doch viel unwichtiger, als dass mal jemand sagt "Pass auf, ich mach Musik, aber ich interessiere mich auch für was anderes als die anderen Rapper, die ich natürlich alle total kacke finde und so.“. Es gibt halt wichtigere Dinge, die man mal bereden kann. Und man muss das auch einfach als Musiker zeigen, dass man sich auch mit so was auseinander setzt. Natürlich kann man das noch mehr ins Detail gehen und natürlich muss man das auch nicht machen und natürlich bin ich nicht derjenige, der da das absolute Fachwissen besitzt, aber ich weiß schon was von dem, was ich erzähle. Wenn sich da jemand drüber aufregt, zeigt das halt einfach das, was man immer erwartet bei den meisten Hip Hop Kids, dass die einfach voll die engstirnigen, dummen, einfältigen Leute sind, denen das irgendwie grad zu weit geht, wenn eben einer mal über was anderes redet, als welche Mutter er von welchem Rapper ficken könnte. Die Leute, die sich für so etwas interessieren, interessieren mich halt null. Und ich will auch nicht, dass die sich für mich interessieren.

 
Live in Stuttgart
by Sascha Haubold

Mal wieder in Röhre bei einem sentimentalen, langsamen Song.

 
rap.de: Dann ist es ja gut, dass wir fast gar nicht von deiner Musik gesprochen haben in diesem Interview. 
 
Prinz Pi: Ja. Wollen wir noch darüber sprechen? Mein neues Album ist awesome, wirklich toll geworden. 
 
rap.de: Ist Basstard da eigentlich drauf, weil er so ein bisschen zu dieser Illuminatensache passt? Man stellt sich immer vor, dass er so in seinem Keller sitzt und alles ist dunkel und geheim. 
 
Prinz Pi: Erst mal muss ich sagen, dass Basstard einer der krassesten Rapper ever ist, der ist ein ganz krass großer Künstler und ich mache ohnehin viel mit ihm. Wir machen ja auch zusammen ein Album . "Gottes Werk und Teufels Beitrag“. (lacht) Basstard ist nicht wegen dieser Illuminatensache dabei. Das Album heißt zwar "Illuminati“, Illuminati heißt ja Erleuchtete, damit können aber auch meine Hörer gemeint sein, weil die eben zu diesem Kreis gehören. Das ist ja auch ein Album, dass dieses Mal für eine relativ kleine Anzahl von den Fans gedacht ist. Ich finde das halt immer wichtig, dass man Dinge auf so vielfache Weise auslegen kann. Ich bin ein sehr großer Nietzsche Fan und bei Nietzsche gibt es so was ja auch oft. Es gibt ja dieses ganz berühmte Zitat von ihm, wo er sagt "Wenn Du zum Weib gehst, vergiss die Peitsche nicht“, und natürlich haben dann die meisten Leute gedacht, man soll irgendwie mit einer Peitsche da hin gehen, um eben notfalls das Weib mit einer Peitsche züchtigen zu können, wenn sie aufmuckt. Aber natürlich kann damit auch gemeint sein, dass man sich immer bewusst sein muss, dass sie einen in der Hand hat. So ist er halt mein Vorbild, dem ich nacheifere mit so vielschichtigen Sätzen, die man auf unterschiedliche Art und Weise auslegen kann. 
 
Mir geht es halt darum, dass so diese ganzen Verschwörungstheorien etwas sind, womit ich mich sehr lange und sehr oft auseinander gesetzt habe, immer mal wieder seitdem ich so 14 bin. Ich finde das immer wieder interessant, dass wenn du den Leuten irgendwas erklärst oder wenn den Leuten irgendwas erklärt wird, dann sagen sie oft "Das kann aber nicht so einfach sein“. Aber statt dass sie sich einfach mit dieser Erklärung zufrieden geben, gibt denen halt jemand so eine Verschwörungstheorie, die so abstrus und wahnwitzig ist, dass sie vollkommen unwahrscheinlich ist und dann glauben sie, dass das auf einmal viel plausibler ist und das halte ich für einen interessanten Mechanismus. 
 
Pflastersteinsonne
by Prinz Pi

Erstmals Sonne gegen Mittag nach eisigen Wintermonaten in Berlin.
 
rap.de: Gut, dann zum Abschluss: Wenn du dir jetzt eine Verschwörungstheorie über deine eigene Person ausdenken müsstest, wie würde die lauten? Damit die Leute was zum spekulieren haben. 
 
Prinz Pi: Prinz Pi ist in Wirklichkeit ein 2,10 Meter großer, chinesischer Kugelstoßer, der zusammen mit einem russischen Programmiergenie einen Roboter kontrolliert, der täuschend echt wie ein 1,78 Meter großer, 30-jähriger Deutscher aussieht, um diese Gesellschaft zu unterwandern.