Wienzeile – Gestalten Gestalten

Bei „Gestalten Gestalten“ handelt es sich um ein Album von acht jungen Männern aus Wien, die sich unter dem Namen Wienzeile formiert haben. Es ist so das typische Album, das ein bisschen lustig sein und Spaß machen soll. Das heißt, man findet viele Battle- und Representertracks, ein paar satirisch aufgezogene Storyteller und auch Partylieder.

Alle Tracks sind mit einem großen Augenzwinkern versehen und werden vorgetragen auf lustigen, mitreißenden, ja teilweise fast tanzbaren Beats, in denen man oldschoolige Samples neben Synthies und auch sogar Scratches hört. Nach dem ersten oberflächlichen Durchhören ist man geneigt zu sagen, dass sich alle Tracks gleich anhören und sich keiner besonders abhebt. Man könnte aber auch loben, dass die Produktion des Albums wie aus einem Guss ist.

Der abstruse, teilweise selbstironische Humor, der sich durch die gesamte Platte zieht, geht dabei so etwas in Richtung 257ers, ist aber weit harmloser. Auch wenn im Pressetext von „humorvollen bis pietätlosen Punchlines“ die Rede ist, „auf die schon so manche zart besaitete Seele verstört reagiert hat.“ Davon habe ich ehrlich gesagt nichts gemerkt, denn das klingt für mich eher alles sehr brav, wahrscheinlich bin ich aber, was das angeht, dann auch nicht so zart besaitet wie die beschriebenen Seelen. Die tatsächliche „Pietätlosigkeit“ des Humors kann man vielleicht mit diesem Bild beschreiben: Die WZ-Jungs spielen die CD ihren Großeltern auf der Couch im heimischen Wienerischen Wohnzimmer vor und diese schlagen bei einigen Zeilen kurz geschockt die Hand vor den Mund, lachen dann aber und freuen sich darüber, was sie doch für aufgeweckte, freche Enkel haben. Ein paar der Zeilen bringen mich selbst auch wirklich ein wenig zum Schmunzeln, zum lachen reicht es allerdings leider nicht.

In den Representer/Battle Tracks kommt der Humor, sofern das denn ein Ziel der Künstler ist, aufgrund der relativen thematischen Freiheit ja gewohntermaßen am stärksten zur Geltung und das ist auch hier so. „Schlagwörter“, „Netlatscheg“, „Gummiboot“ und andere gehen allesamt in diese unterhaltsame Richtung. Der beste Reim bestimmt den Zeileninhalt und so wird sich dann durch den Part gehangelt: „Ich bin ein bluntfressender, dich an die Wand schmetternder, anstrengender, Land sprengender, verdammter Mcee mit Brandy/ der ständig nur kämpft, chillt und Anfänger jagt/ auf meinem Tandem verdammt.“ („Schlagwörter“) oder „Ich bin rappender Bluessänger, WZ-Crewmember/ Was? Was bist du? Du schaust aus wie ein Buchhändler./ Riechst wie ein Kuhmelker, dumm wie ein Schulschwänzer,/ wenn ich mit dir fertig bin, brauchst du einen Blutspender.“ („Netlatscheg“) Ich muss noch mal sagen, diese Herangehensweise und das Produkt klingen so ein bisschen wie die harmlose Version der 257ers auf Ösi-Deutsch, auch wenn die Jungs von Wienzeile diese vielleicht gar nicht kennen.

Alle fünf Rapper benutzen beim Rappen ihren Heimatdialekt, manche mehr, manche weniger. Diese Dialekte laufen ja immer ein wenig Gefahr, für den geneigten Deutschrap Hörer ein bisschen unfreiwillig komisch bis anstrengend zu sein und das bestätigt sich auch bei „Gestalten Gestalten“ – teilweise. Während zum Großteil das Deutsch der Rapper sehr, sehr gut verständlich und unsanstrengend ist, wird es allerdings auf „Nur Ein Gruss“ ganz schlimm. Man möge mir verzeihen, wenn ich jetzt falsch zitiere, aber ich verstehe es einfach nicht: „Wir scheißen auf ackerln,/ wolln feiern und schnackseln,/  wettreihern und schlatzen (?)/ wie Weiber aufbraxeln (?)/ wir zwei haben im Endeffekt die leibendsten (?) Maschen, / wir leben ihn hardcore, den Lifestyle der Atzen“ Hier nimmt der Dialekt dann einfach überhand. Das mag so geplant sein und regionale Hörer werden das sicher sehr feiern, aber da steig ich dann aus und skippe lieber schnell weiter.

Die Storyteller der LP sind alle auf eine bildliche, satirische Art und Weise verfasst zum Beispiel „Televisionen“, in der das Leben eines Fernseh- beziehungsweise Internetjunkies aus dessen Sicht übertrieben glorifiziert und beschrieben und Teilen der digitalen Generation so der Spiegel vorgehalten wird. Sehr gut gelungen. Genauso „Zukunftsvisionen“, in dem die Rapper ihr Leben in einem Jahrzent beschreiben. Als opportunistischer Yuppie, Fleischer, Rechtsanwalt, Beamter, Plutobewohner und so weiter. Auch ganz amüsant, aber irgendwie… ja wie oben schon bemängelt, hier fehlen mir so die richtigen treffenden Punchlines, bei denen ich einfach nur da sitze und erstmal lachen muss. Die fehlen wie gesagt leider auf dem ganzen Album, was schade ist, da das doch anscheinend eine Intention der CD ist: den Hörer zum Lachen zu bringen.

In „Alltagsgeschichten“ wird auf satirische übertriebene Art und Weise von allen Rappern die Machohaftigkeit, kranke Sexfantasien und/oder Frauenfeindlichkeit zelebriert. „Mir scheißegal ob du Jungfrau oder Slut bist, Fakt ist: Du machst nur dein Mund auf, wenn ich abspritz“. Das erinnert wiederum stark an „Ohrfeige“ von K.I.Z.. Ich will nicht unterstellen dass die WZ-Rapper die Idee bewusst kopiert haben, trotzdem ist sowas sehr schade. Denn auch wenn sie es wirklich ganz lustig umsetzen, fehlt mir die Originalität, um den Track wirklich feiern zu können.

„Gestalten Gestalten“ ist insgesamt wirklich ganz unterhaltsam. Es fehlt aber einfach irgendwie das Besondere, das gewisse Etwas, irgendwie klingt das alles ein bisschen bekannt und wie schon einmal dagewesen. Nicht falsch verstehen: Das ist wirklich kein schlechtes Album und rappen können die Jungs auf jeden Fall, aber wie gesagt, das klingt alles noch nicht besonders ausgefeilt, eher so nach in den Kinderschuhen steckend.
Auf dem ganzen Album gibt es einfach leider keinen Track und auch keine Zeile, bei der ich sagen würde: „Wow, krass! Das muss ich mir unbedingt nochmal anhören!“. Zudem sind die Künstler außer einer Ausnahme schwer voneinander zu unterscheiden und auch als gesamte Gruppe könnte ich jetzt keine Eigenschaft nennen, anhand derer man festmachen könnte: „Alles klar! Typisch Wienzeile!“. Es fehlt da einfach noch der Wiedererkennungswert.

Für einmal Durchhören bietet die Platte durchaus Unterhaltung, noch mal in den CD Player schafft sie es allerdings nicht.