Die Atzen

Vor gut einem Jahr saßen wir das letzte Mal mit Frauenarzt und Manny Marc zusammen. Damals standen die beiden kurz vor dem Release ihres ersten Atzenmusik-Albums und freuten sich bereits über die positiven Resonanzen auf die erste Videoauskopplung "Florida Lady"  mit Alexander Marcus. Fast 12 Monate später sind die Berliner dieselben Spaß- und Partymusiker wie zuvor, nur die Rahmenbedingungen haben sich erheblich verändert. Die Atzen sind im vergangenen Jahr zur Club-Sensation geworden und treten nicht mehr hauptsächlich vor feierwütigem HipHop-Publikum, sondern in Großraum-Discos in den Party-Metropolen dieser Welt auf, wenn sie nicht gerade ihren neuesten Charteinstieg begießen oder neue Hits produzieren. Wir trafen uns mit den Musikern im Berliner Olympiastadion, dem Ort, an dem "Das Geht Ab" von den Hertha-Fans zur ultimativen  Gute Laune-Hymne erhoben wurde. Das Gespräch, das dabei heraus gekommen ist, dreht sich allerdings nicht nur um überraschenden Ruhm und reisebedingten Jet-Lag. Frauenarzt und Manny Marc sprachen außerdem über die Zeiten, als sie noch vor einem zehn Mann Publikum standen und von Jam zu Jam getingelt sind. Das Ganze gibt es übrigens auch in bewegten Bildern und zwar im großen rap.de TV Videointerview (bitte klicken).

rap.de: Wir befinden uns gerade im Olympiastadion und es ist unwirtlich kalt. Wärmt euch dieser Anblick hier trotzdem das Herz?

Manny Marc: Hier hat alles angefangen. Na gut. Nicht alles vielleicht, aber hier ist der Startschuss gefallen, könnte man sagen.

Frauenarzt: Es war auf jeden Fall eine große Station der ganzen Strecke.

Manny Marc: Hier haben 72.000 Leute einen Song mitgesungen und der wurde denen nicht unterschwellig aufgedrängt, sondern die haben den von alleine gesungen. 

Frauenarzt: Es war nicht so, dass irgendjemand gesagt haben "Ok, passt auf, das ist jetzt die neue Hymne, das ist jetzt euer Hertha Song, singt den mal jetzt“, sondern die Fans haben den selber für sich entdeckt. 

rap.de: Ich habe diesen Ort mit Absicht gewählt, weil ich eben auch denke, dass hier die große Karriere begonnen hat. Konntet ihr nachvollziehen, wie die Geschichte von diesem Song "Hey, Das Geht Ab“ funktioniert hat?

Frauenarzt: Die Hertha Fans hören halt auf dem Weg zu den Auswärtsspielen alle möglichen CDs und der Song hätte sich so oder so verbreitet. Nicht nur bei der Fahrt zu den Spielen, sondern auch im Sommer auf Mallorca. Das ist so ein Mitgröhl-Ding und dann singen das die Leute halt gerne mit.

Aber hier im Stadion hat es extrem gepasst, weil Hertha in dem Moment halt echt noch am Aufsteigen war und es für die immer weiter nach vorne ging. Die konnten die Meisterschaft schon fast fühlen und Hertha hat einfach mal so einen Song gebraucht. Das war sonst immer so was Trauriges. Frank Zander ist zwar super, aber dass war nie so diese "Ja, wir gewinnen!“-Euphorie.

rap.de: Wusstet ihr, dass sich das geht ab, nicht nur auf Meisterschaft reimt sondern auch auf "Cup“? Also, habt ihr das geplant?

Frauenarzt: Ja. Wir planen alles, jeden Schritt planen wir ganz genau. Wir denken schon ein Jahr voraus, wir sind den Majors überlegen. Nein, natürlich wussten wir das nicht.

rap.de: Aber was war das für ein Gefühl, als ihr das erste Mal gehört habt, dass da Leute im Stadion euer Lied singen, obwohl sie euch gar nicht kennen?

Manny Marc: Das war krass, weil wir ja immer Leute getroffen haben, die uns das erzählt haben.
Dann haben wir gedacht, ok, vielleicht sind das zehn Mann, so eine kleine Truppe. Aber das waren dann echt 4.000 oder 5.000 Mann und das wurden immer mehr, bis es irgendwann eine ganze Kurve gesungen hat. Wir haben dann so Aufnahmen davon auf dem Handy gesehen und dachten "Boah, krass“.

rap.de: Das ist schon ein bisschen geiler, als seinen Song bei Nico Bielefeld im Radio zu hören, oder?

Manny Marc: Ja, natürlich. Das hat viel mehr mit Herz zu tun, das ist ein ganz anderes Feeling. Du freust dich natürlich, dass Leute deinen Song hören, aber die Leute singen den Song, weil sie den gut finden. Deshalb habe ich auch immer gesagt, dass es viel geiler ist, einen Song vor den Fans zu performen, die den geil finden, als Gold zu machen.

Frauenarzt: Das ist auch der Grund, warum wir den Song dann bei diesem Leverkusen Spiel nicht im Stadion performt haben, sondern in der Ostkurve mit den Fans gemeinsam. Wir wollten uns nicht über die stellen, sondern wir sind ganz normale Atzen, wie die anderen auch. Also haben wir uns da ohne Security, ohne gar nichts, reingestellt und das kam auch super an.

rap.de: Das war ja dann auch das größte Publikum, was ihr jemals hattet, oder?

Manny Marc: Am Brandenburger Tor hatten wir noch mehr. Da war eine Millionen! Da hat Helle Stage Diving gemacht hat. Dieses Gefühl, bei einer Million Leute in die Menge zu springen, kennt sonst wahrscheinlich nur Mick Jagger.

Frauenarzt: Ich sag es ganz ehrlich, hier bei den 70.000 Leuten hat man schon die Relationen nicht mehr gefühlt. Man hat es zwar gespürt, aber nicht mehr richtig registriert, das ist zu heftig. Das ist ein ganz krasses Gefühl und du fühlst dich im Endeffekt sehr respektiert, aber es ist schwieriger, vor zehn Leuten zu rappen als vor 10.000.

Im Royal Bunker damals, dem Kreuzberger Keller, sind zehn Leute da gewesen und du musst dich etablieren. Du musst sagen: "Ey, pass auf, hier bin ich. Das ist mein Beitrag, den ich heute Abend mache“ und dann denken alle eine Woche lang drüber nach und freuen sich auf deinen nächsten Beitrag. Entweder du stichst durch irgendwelche Styles, die du machst, positiv heraus, oder durch dein auffälliges Auftreten, aber wenn du verkackst, dann verkackst du und keiner klatscht.

Und hier ist es so, dass du zwar nicht weißt, wie die reagieren, aber die singen das Lied schon, bevor du da überhaupt rauf gehst. Da verschwimmt das dann alles. Du kommst da ja nicht hin, alle Leute sind ruhig und du sagst: "Ok, ich perform jetzt heute meinen Song ‚Das Geht Ab‚“ und alle warten und keiner macht was.

Du kommst raus, die Stimmung ist schon am Kochen und alle sind gut gelaunt.

rap.de: Aber glaubst du, dass man durch diese Schule muss? Klein anfangen und sich dann hocharbeiten?

Frauenarzt: Ich glaube nicht, dass man das zwingend muss, aber die Erfahrung ist schon notwendig. Man kann jetzt nicht vergleichen, wenn man vor 500 Leuten auftritt oder vor 72.000, aber trotzdem ist das schon cooler, wenn man so eine Routine hat.

Allein schon für sich selber, damit du nicht anfängst, in der Luft rumzufliegen und einen Höhenflug bekommst. Allein dafür ist es wichtig, schon mal durch die Scheiße geschwommen zu sein und dir das langsam aufgebaut zu haben, bevor du großen Erfolg hast. Deshalb fallen, glaube ich, auch viele Leute, die heute ins kalte Wasser geschmissen werden, auf einmal einen großen Hype haben und vor großem Publikum auftreten, so schnell wieder runter. 

Manny Marc: Die sehen sich dann als was besseres und denken sich "Ich bin jetzt hier der Star und alle anderen sind… äh… Opfer“. Aber wir wissen, wo das alles herkommt. Wir wissen, dass wir selber die Opfer sind.

rap.de: Als ihr diesen Song geschrieben habt, wusstet ihr da schon, dass das ein Live-Kracher wird?

Frauenarzt: Dieses ganze Atzenmusik-Ding haben wir eigentlich sowieso auf Live aufgebaut.

Manny Marc: Wenn man sich das Album mal anhört: Das ist alles eine Linie und das sind eigentlich alles Live-Kracher. Siehe "Florida Lady“ oder "Ein Ganz Normaler Atze“.

Frauenarzt: Das Ding ist, dass wir da auch mit Erfahrungswert rangegangen sind, eben durch die ganzen 400er, 500er Auftritte, die wir gespielt haben. Auch schon mit diesen ganzen Sachen vorher wie "Pornoparty“. Dadurch haben wir die Live-Erfahrung schon gehabt und wussten, was live gut funktioniert. 

rap.de: Habt ihr eigentlich immer noch so einen Major Hass?

Frauenarzt: Nö, gar nicht. Wir haben auf gar nichts Hass.

rap.de: Aber ihr hattet Hass?

Frauenarzt: Ja, wir hatten Hass.

rap.de: Würdest Du im Nachhinein auch sagen, dass das Aufgrund von Neid oder Verbitterung war?

Frauenarzt: Ich glaube, das hatte was mit Unwissenheit zu tun. Du hast eine bestimmte Vorstellung davon, wie die Industrie läuft und wie das Geschäft läuft und denkst, dass alle nur gegen dich sind und dich unten halten wollen.

rap.de: Aber im Endeffekt merkt man, man braucht eigentlich nur einen guten Song, oder?

Frauenarzt: Oder so. Man ist immer nur selbst dafür verantwortlich, was man aus seinem Leben macht. Du kannst nicht andere dafür verantwortlich machen, wenn du selbst erfolglos bist. Da kannst du dann nicht kommen und rumheulen. Fuck you, Alter! Guck auf dich selbst und dann kannst du deinen Weg gehen.

Ich glaube, dazu muss man aber auch schon etwas älter sein und erst mal erwachsen werden. Ich meine, ist klar: Wenn du als 20-Jähriger irgendwie deinen HippediHop machst, fängst du leicht an, Leute zu hassen. Und wenn du dann noch darauf hörst, was andere so sagen, von wegen Sell-Out, blablabla – dann ist eben alles Kotze.

rap.de: Du warst aber auch mal ein starker Vertreter von Anti-Sellout.

Frauenarzt: Ich bin auch immer noch Anti-Sellout, aber die Sache ist, dass die Leute sich nicht damit beschäftigen, was Sellout ist und was nicht.

rap.de: Und was ist Sellout?

Frauenarzt: Sellout ist, wenn du irgendwas gegen deinen Willen machst und deinen Arsch verkaufst, nur um Erfolg zu haben.

Kommerzieller Erfolg ist ja nicht gleich Sellout. Du bist ja nicht Sellout, nur weil du Platten verkaufst oder einen Hit hast oder weil du ein paar Ausdrücke in deinen Songs weglässt, weil du einfach gerade keinen Bock drauf hast. Es war zum Beispiel nicht abzusehen, dass "Das Geht Ab“ ein Hit wird und wir diesen Erfolg mit Atzenmusik haben.

Wir wollten das ursprünglich ganz normal über Distributionz rausbringen, wie immer, und haben dann halt über Alexander Marcus den Kontakt zu Kontor gekriegt und beschlossen, das über dieses Techno Label raus zu bringen. Damit hatten wir bessere Vertriebsmöglichkeiten und außerdem haben wir gedacht: Mhm, immer nur Spaghetti-Essen jeden Tag? Lass doch mal was Neues machen.

Das Album hätten wir, wie wir es gemacht haben, aber genau so über Distributionz raus gebracht.

rap.de: Es war am Anfang ja auch nicht abzusehen, dass das wirtschaftlich überhaupt erfolgreich wird.

Frauenarzt: Absolut nicht! Aber wenn die Leute dann im Nachhinein kommen und sagen "Ihr habt euch verändert! Das ist kommerziell, blablabla“, dann ist das absoluter Schwachsinn. Natürlich, eine Veränderung ist da, aber…

Manny Marc: … man entwickelt sich ja auch weiter. Man wird ein bisschen erwachsener und so weiter… Das ist doch bei allen so.

Frauenarzt: Aber deswegen ist man doch nicht gleich Sellout! Wenn wir jetzt auf einmal sagen würden, dass wir wirklich Schlagermusik machen dann ok. Aber "Das Geht Ab“ ist kein Schlagersong. Nur weil das plötzlich auf Mallorca Erfolg hat und die jungen Leute keine Lust mehr haben, zu Olaf Henning zu feiern, ist es doch kein Sellout. Deswegen ist es doch kein Schlager.
Natürlich ist es auch Pop-Musik. Wir machen Pop, wir machen Schlager, wir machen Techno, wir machen HipHop – das sagen wir ja auch die ganze Zeit. Wir mixen alles zusammen, wir machen das, worauf wir Bock haben.

Wir haben keine Lust, in irgendeine Schublade gesteckt zu werden. Wir sind jetzt in den Dance-Charts auf Platz Eins mit "Disco Pogo“ und dann ist es eben in dem Moment Dance Musik. Aber frag mal einen etablierten Techno-Musiker, ob das für ihn ein Techno-Lied ist.

rap.de. Man muss zu Deiner Ehrenrettung ja auch sagen, dass Du vor vier, fünf Jahren mit abgeschnittener Armee-Hose und Birkenstock Sandalen auf dem Splash aufgetreten bist. Da dachte auch: Ok, der Mann macht, was er will.

Frauenarzt: So sieht’s aus. So ist es immer noch. Wir machen einfach, worauf wir Bock haben.

rap.de: War HipHop zu eng?

Frauenarzt: Nee, wir sind HipHop im Herzen. Aber ich glaube, viele HipHopper verstehen HipHop falsch. HipHop ist open minded, du musst deinen Kopf öffnen für HipHop.

Wir waren Graffiti-Sprüher früher, wir sind BC, wir sind mit Breakern auf Jams gefahren… Wenn du es so siehst, waren wir richtige Backpacker. Aber wir haben auch Elektro-Schallplatten gesammelt und aufgelegt. Für uns ist HipHop nicht Redman und "Throw your hands up!“ und Joint im Mund.

Rapmusik ist nicht gleich HipHop. HipHop ist so ein Allround-Ding, eine Sache, die du in dir drin hast und fühlst. Rap ist eine Musikrichtung und wir machen Rap. Wir machen Techno-Rap, wir machen Atzen-Rap – wir rappen und dadurch sind wir schon ein Teil von HipHop. Da brauchen wir gar nicht drüber reden. DJ Bobo ist ja auch ein HipHopper.
 

rap.de: (lacht) Ja, ich weiß. Der war irgendwie Breaker oder so.

Manny Marc: Sprüher! Der hat richtig Wholecars gesprüht.

Frauenarzt: Ich habe kürzlich eine DVD von ihm gesehen, wo so alte Aufnahmen von ihm drauf waren. Da war er noch jugendlich und hat gebreakt.

Manny Marc: Richtig mit Trainingsanzug und Stirnband. Er macht das richtig gut! (lacht)

rap.de: Warum sind die Ausdrücke jetzt weg gefallen?

Manny Marc: Weil die Scheiße indiziert wird und man dann die Sachen nicht mehr performen kann. Das heißt, die Musik gibt es nicht mehr. So würde ich das knallhart sagen. Man kann die nicht mehr performen und keine Party mehr mit den Atzen machen.

Trotzdem ist es Eins zu Eins dieselbe Musik.

Frauenarzt: Du musst es so sehen: Auf mich wird schon alleine aufgrund meines Namens mehr geachtet und wenn wir jetzt zusammen Musik machen, dann ist das ja kein Frauenarzt Album. Dann ist es ein Manny Marc und Frauenarzt Projekt und kein Pornorap.

Wenn ich mit Mr. Long ein Album mache, dann ist das wieder was ganz anderes, aber das liegt jetzt auch schon ein paar Jährchen zurück.

Mr. Long macht mittlerweile eine Klamottenfirma oder sonst was, Orgi macht Imbiss Bronko und wir machen Atzenmusik. Jeder geht ja auch weiter und macht das, worauf er gerade Bock hat.

rap.de: Hat Euch dieser Pornostyle gelangweilt? Fragen wir mal so rum.

Frauenarzt: Das ist auch noch so eine Sache. Mein "Dr. Sex“ Album kam raus und dann kommt die Kritik: "Arzt macht immer dasselbe. Titten, Ficken, Muschi, shake dein’ Arsch hier, shake dein’ Arsch da“ und für mich war es auch schon so.

Ich wollte damals ein Album machen und es "Der Partyschreck“ nennen, angelehnt an meinen Lieblingsfilm von Peter Sellers damals. Ein bisschen lustiges Image, mit Konfetti und Party und so. Dann hatten wir aber einen Künstler gehabt, der sehr langweilig war und kein Image hatte und einfach nur gut gerappt hat. 

rap.de: Wer war denn das?

Frauenarzt: Ähm, ich habe seinen Namen gerade vergessen. Der war so unwichtig, dass ich seinen Namen vergessen habe. (Frauenarzt spricht hier von dem Rapper Chucky.)

Im Endeffekt habe ich dann gesagt "Ok, dann kriegst Du dieses Partyschreck-, Atzen-, Trallala-Ding auf die Fresse und ich selber opfere mich noch mal und mach das Frauenarzt "Dr. Sex“ Album.“.

Im Endeffekt kam dann also das Pornoding raus, es war wieder dasselbe wie immer und ich habe mir gedacht, dass ich beim nächsten mal unbedingt das Atzen-Ding durchziehen möchte. Manny Marc hatte auch schon seit langem darauf Bock, weil er davor diese "Sexurlaub“- Sache gemacht hat, was auch nur auf Urlaub und Sex bezogen war.

Wir haben uns dann gesagt, wir wollen das verallgemeinern. Wir wollen nicht Ghetto-Musik sein, wir wollen nicht Porno-Musik machen, sondern einfach Atzenmusik. Da verschwimmt dann alles ineinander. Das Ghetto-Ding, das Party-Ding, das Porno-Ding, das HipHop-Ding.

rap.de: Du hast mir auch mal erzählt, dass es mit den Groupies auch nicht mehr so wahnsinnig interessant war! Hat Dich Dein eigenes Sex-Image genervt?

Frauenarzt: Nee, gar nicht. Man will aber ja auch mal Abwechslung haben. Also, immer nur Sex und Porno ist dann auch langweilig…

Die Sache ist ja so, dass ich auf der einen Seite immer dieses Porno-Rap-Ding gemacht habe, auf der anderen Seite hatte ich aber auch dieses Untergrund-Hardcore-Rap-Ding durchgezogen. Das war, um einen Kontrast zu halten.

Und jetzt, ganz ehrlich, macht mir Musik soviel Spaß wie noch nie zuvor. Und wir machen schon eine lange Zeit Musik. Wir machen das hier echt aus Spaß und Liebe und wer da jetzt irgendwas quatscht, pffff…

rap.de: Habt ihr Feinde? 

Frauenarzt: Nee, es war noch nie so relaxed wie heute.

Manny Marc: Ja, wir haben noch nie so positives Feedback wie jetzt bekommen!

rap.de: Es ist ja auch irgendwie Musik der Liebe.

Frauenarzt: Ja, man kriegt den Respekt auch von allen Seiten. Es ist ja nicht so, dass jetzt irgendwelche Gangsta-Rapper sagen, "Ey, ihr seid Hampelmänner!“ Die wissen ja selbst was wir für einen Background haben und wer wir sind.

Manny Marc: Man kannte sich ja oft einfach nicht und wenn man sich mal getroffen hat, dann merken die Leute schnell: "Ey, die sind ja gar nicht immer so bunt und so!

Frauenarzt: …nicht immer besoffen!

Manny Marc: …, sondern man kann auch normal mit denen reden. Und umgekehrt ja auch, dass man feststellt: "Mann, der ist ja eigentlich echt cool!“ 

rap.de: So richtig hassen geht ja oft auch nur, wenn man sich nicht kennt!

Frauenarzt: Ja, oder wenn man sich kennen lernt, und der Typ ist trotzdem ein Arschloch. Das gibt’s auch. 

rap.de: Aber das ist ja eher selten. So richtige Arschlöcher gibt es ja wirklich ganz selten. (Gelächter) Es gab ja bestimmt auch Leute, die früher gesagt haben: "Ihr macht doch immer die selbe Scheiße, Eure Musik ist einfach nichts wert!“ und die kommen dann jetzt zu Euch und sagen: "Das wussten wir schon immer, ihr seid cool“.

Manny Marc: Ich habe mich eher gewundert, wie viele Leute so ehrlich zu uns waren. Die kamen dann und meinten, "Ihr seid gerade so erfolgreich, ich will unbedingt was mit Euch machen. Das ist zwar eigentlich nicht so unser Ding, aber es läuft ja gut!“. Da gab es echt einige, die das gesagt haben. 

Frauenarzt: Viele sagen aber auch ganz knallhart, dass sie unser altes Zeug nicht gut finden, aber voll auf die neuen Sachen stehen. Aber die sind auch ehrlich. Und die sind mir lieber, als die, die uns jetzt voll labern, uns früher aber ignoriert haben. Ist bei der Presse ja genauso. Aber auf die kann man nicht sauer sein.

rap.de: Ich war schon ein bisschen überrascht, als dieses Atzen-Tagebuch auf bild.de online gegangen ist! 

Manny Marc: Ach, die sind richtig korrekt. Es kommt ja immer darauf an, wie du mit den Leuten umgehst. 

Frauenarzt: Man mag es echt nicht glauben. Entweder bist du cool mit der Bild und spielst mit, oder du lässt es sein. Aber wenn du cool mit denen bist, und mit denen zusammen arbeitest, musst du auch wissen, dass die dich morgen wieder zerreisen können. Aber wenn du es vorher weißt, dann bist du ja auch darauf vorbereitet.

Wenn Du denkst, "Cool, die sind so nett, das sind jetzt meine Freunde!“, dann bist du auch total enttäuscht, wenn die einen Artikel gegen dich schreiben. Als ich diese Gerichtsverhandlung hatte, da stand am nächsten Tag so ein Horrorbericht in der Zeitung. Einen Tag später haben die mich dann aber schon wieder angerufen und wollten was mit uns machen.

Man kann ja nicht auf die sauer sein, die machen nur ihren Job. Das ist halt die Bild. Ist nicht wie bei der JUICE. Wenn die dich in den Himmel loben und danach wieder zerreißen, fragst du dich auch: "Was los mit euch?!“  

rap.de: Ist diese Gerichtsverhandlung, von der wir gerade gesprochen haben, ein Thema für Dich?  Etwas, wo Du vielleicht auch mal politisch aktiv werden könntest? 

Frauenarzt: Nee, Atzen sind unpolitisch und gegen schlechte Laune.

rap.de: Aber es gibt doch bald die Atzenpartei, Basstard wollte doch da was machen…

Frauenarzt: Ja, die gibt es auch bald. Die ist gegen schlechte Laune.

 

rap.de: Aber Du hast doch da auch eine Meinung zu. Seid ihr da zum Beispiel mal in Verhandlung getreten, mit der Bundesprüfstelle, wegen so etwas wie einer Freiwilligen Selbstkontrolle und den entsprechenden Stickern? 

Frauenarzt: Ich habe einfach nicht so den Nerv, mich auch noch damit zu beschäftigen. Wir sind den ganzen Tag auf Tour und arbeiten am neuen Album. Dann kommen die noch von der Seite und boxen dir in die Niere: "Hier Jungs, noch mal Strafe zahlen“.

rap.de Ist dieser Allround-Job jetzt eigentlich ein Schritt in Richtung Bürgerlichkeit? Wobei, es ist ja eigentlich nicht bürgerlich, was ihr gerade macht. 

Manny Marc: Nee, überhaupt nicht. Wobei es ja die Bürger sind, die uns feiern.

rap.de: Wie findet ihr euer Publikum?

Manny Marc: Immer cooler. Das krasse ist ja, dass von den alten Fans alle dabei sind und neue kommen dazu und alle feiern es zusammen. Alle, egal woher sie kommen oder ob sie eine grüne Haut haben. Die haben Hirntot-Shirts an, die haben Atzen-Shirts, haben K.I.Z-Shirts an. Die kommen von überall her und feiern. Geil.

Frauenarzt: Man merkt auch, dass viele Leute zu den Konzerten kommen, die privat ganz andere Musik hören. Die ziehen sich da dann ein Kool Savas-Album rein oder was von MC Bogy und auf den Konzerten lassen die dann die Sau raus. Die können das halt trennen.

Ich sage mal so, dass ist wie in den 90ern. Da gab es N.W.A., mit der Gangsta-Schiene, dann gab es Ice Cube und Public Enemy, das war mehr politisch, und dann gab es auch wieder Digital Underground, Beastie Boys oder 2Live Crew, die eher was lustiges gemacht haben, und die haben sich alle respektiert.

In Deutschland war das halt mehr so eine Entwicklungssache, da gab es halt auch die Hamburger, die Stuttgarter und so was. Aber da kam dieser Party-HipHop-Ding immer nur klamaukig und blöd rüber, ganz komisch irgendwie. Es war nicht real. Und heute verschwimmt es wieder.

So ein komischer Hamburger Klamauk-Rapper hätte nie zusammen gepasst mit einem Berliner Gangsta-Rapper. Heute passt so was alles viel mehr zusammen. Heutzutage kann man als Party-Rapper auch mal mit einem Horror-Rapper featuren, oder mit dem Gangsta-Rapper.

rap.de: Du hast gerade gesagt, dass euer Tagesablauf sehr stressig ist. Ihr macht auch gerade Euer neues Album fertig, oder ist das schon fertig?

Manny Marc: Ja, zu 90 Prozent. 

Frauenarzt: Es wird jetzt noch gemixt und gemastert, am Cover und an der Grafik wird noch rumgefeilt, so was halt. Es steht aber schon im Vorverkauf, die Leute können es schon vorbestellen bei Amazon.

Das wird ein ganz krasses Ding, das wird ja eine Dreier-CD. Wir waren das ganze letzte Jahr auf Tour, wir konnten uns gar nicht vorstellen, dass im Endeffekt soviel Musik zusammen gekommen ist. Wir haben überall Tracks gefunden. 

Manny Marc: Am Ende waren es fast 160 Minuten

rap.de: Also war es wirklich Musik aus Spaß?

Frauenarzt: Ja! Wir haben uns da auch nicht hingesetzt und gesagt: "Ey, wir müssen jetzt ein Album machen und da anknüpfen!“. Wir haben uns richtig gefreut, wenn wir zwischenzeitlich mal in Berlin ins Studio gehen konnten und nicht "Es gibt kein Bier auf Hawaii“ performen mussten. 

rap.de: Ist das Leben stressiger als früher?

Manny Marc: Auf jeden Fall! Im Moment ist es ein 24-Stunden-Job! Es gibt Vorteile und Nachteile! Manches macht Spaß, manches nicht.

rap.de: Was macht keinen Spaß?

Manny Marc: Die Fahrten. Wie mieten uns einen Wagen, kriegen dann echt so eine Bauarbeiter-Karre, wo hinten keine Heizung ist, wo alle frieren.

Und dann kommst du zur Location und da ist auch alles wieder cool, 1000 Leute. Aber die Fahrten sind echt das Schlimmste. Wenn du dann auch noch ein Kack-Hotel hast, dann hast du echt keinen Bock mehr! Und dann noch der Schnee, Baustellen, Stau.

rap.de: Es wird ja auch wieder Sommer. Und irgendwann seid Ihr dann nur noch auf Mallorca!

Frauenarzt: Ey, diese Mallorca-Geschichten waren auch sehr anstrengend! Also, die Parties sind schon echt geil, aber wenn du Mittwoch, Donnerstag, Freitag, Samstag aufgetreten bist und dann wachst du am Sonntag völlig verkatert und benebelt auf und denkst dir: "Scheiße, wir müssen ja gleich noch fliegen!“. Dann kommst du abends auf Mallorca an, wenn du Glück hast, kannst du noch eine Pizza essen gehen im Restaurant, ansonsten musst du nämlich zu Grill Maxe und dir eine Curry-Wurst reinziehen. Dann kannst du dich noch mal für eine Stunde hinlegen und dann musst du auch schon auf die Bühne. Dann, um 3 oder 4 Uhr ist die Show im Rio Palace.

Das Gute ist, dass ich total umswitchen kann, wenn ich auf die Bühne gehe. Dann bin ich voll gut drauf, dann überschwemmt mich richtig die Energie und ich bin voll dabei. Aber danach, wenn du von der Bühne gehst und du weißt, "Ey, ich muss um 12 Uhr aufstehen, weil dann der Flieger zurück nach Deutschland geht!“, dann bist du richtig im Eimer. Wenn dann der Wecker klingelt, denkst du dir echt: "Es kann nicht wahr sein!

Im Flieger bist du völlig fertig und dann fällt dir ein, "Marc, wir müssen ja am Mittwoch schon wieder los!“ 

Manny Marc: Ja und einen Song müssen wir auch noch aufnehmen. Vielleicht schaffen wir ja einen!

Frauenarzt: Aber nicht vergessen. Am Dienstag müssen wir noch zum Finanzamt! (Gelächter)

rap.de:  Ist das Endziel trotzdem eine Finca auf Mallorca?

Frauenarzt: Es gibt kein Endziel, ich habe für mich selber entschieden, dass ich das mein Leben lang durchziehe. Bis ich nicht mehr leb’!

rap.de: Wie dieser Jürgen Drews?

Manny Marc: Der ist jetzt 65! Und macht das trotzdem noch voller Energie, voller Power.

Frauenarzt: AC/DC! Mick Jagger!

Manny Marc: Udo Lindenberg

Frauenarzt: Du siehst, wer Musik macht, weil er das liebt und bei den Leuten, die jetzt aufhören, Musik zu machen, weil es finanziell nicht mehr so gut läuft,  kann man sich ja denken, warum die überhaupt Musik gemacht haben: Nicht aus Spaß.

Die könnten ja auch sagen: "Gut, ich verdien damit kein Geld mehr, ich mach jetzt nebenbei was anderes." Aber zu sagen, "Ich hör auf mit Musik, denn da gibt es nichts mehr zu holen“, dann bist du eben auch kein Musiker.