Bogy

Kein richtiges Album ist es, was uns der Atzenkeeper mit "Der Oldtimer" präsentiert, sondern eher ein Mixtape im klassischen Sinn. DJ Werd stand an den Plattentellern und Bogy hat ins Mic gerapt, was ihm auf der Seele brannte.
Ganz im Sinne eines Mixtapes haben wir denn auch dieses Interview geführt und uns anhand der Tracks durch das Universum des Lankwitzers gehangelt. Dass dieses aus den Höhen und Tiefen einer zerstörten Mittelschicht besteht, dürfte hinlänglich bekannt sein. Wir haben trotzdem nochmal nachgehakt und mit dem Atzenkeeper über abgewanderte Bevölkerungsschichten und über die Träume von Rocky gesprochen. Südberlin 4 Life.

Bogy: Das ist Die Wurzel des Bösen mit Medizinmann und Basstard. Das ungefähr vor einem halben Jahr entstanden. Was soll ich sagen, so wie die Welt leider ist, haben wir das Lied gemacht. Es hört sich für die Leute sehr oberflächlich an, aber ich finde es ist ein sehr intelligentes Lied.
 

rap.de: Was ist daran so intelligent?

Bogy: Intelligent ist vielleicht das falsche Wort. Das ist Straßenmusik, find ich, das ist einfach Realitätsmucke. Das könnt ihr auch als Gangsterrap oder Horrorscheiß abstempeln, aber das ist einfach Realitätsmucke.

rap.de: Wie nimmst Du die Realität wahr? Wir haben uns gerade auf dem Weg hierher überlegt, dass es ja doch ein relativ bürgerlicher Stadtteil ist, dieses Süd-Berlin, mit kleinen Handwerksbetrieben, aber dass natürlich auch die Arbeit, von der Eure Eltern gelebt haben, nicht mehr so richtig existiert.

Bogy: Wir hatten meiner Meinung nach nur sehr wenige gute Lehrer, aber einer davon meinte, dass wir es sehr schwer haben werden. Jeder weiß, legal wird er nie mehr den Standard halten, den seine Eltern gehalten haben. Der ist ja überall am absinken. Ich sag ja, die ganze Schicht hat sich nach unten katapultiert. Also, ich war früher Mittelschicht, gutbürgerlich. War aber mit 17, 18 auch beim Sozialamt dann. Die Unterschicht, die früher wie die schlechte Mittelschicht gelebt hat, ist heute schon richtig an der Armutsgrenze und meine Mittelschicht gibt’s nicht mehr. Ich lebe auch seit 15 Jahren entweder vom Amt oder von irgendwelchen Arbeiterjobs, oder so Sachen, über die man nicht reden kann. Das ist alles um eine Stufe abgefallen. Jeder denkt nur noch an seinen Arsch, jeder muss hustlen. Ich bin ein verwöhntes Kind der 80er Jahre, wir sind einmal im Jahr in den Urlaub gefahren – nach Italien oder so. Weihnachten war alles voll… Die Ersten ziehen hier auch schon weg. Ihr seht dieses Südberlin immer nur so idyllisch,  aber wir wissen, was abgeht. Hier gibt es sowohl arm als auch reich.
 

rap.de: Also diejenigen, die sich noch bewegen können, die noch Arbeit haben, die mobil sind, die ziehen weg und die, die keine Arbeit mehr haben, bleiben hier.

Bogy: Ja, die meisten finden ja auch nichts. Das ist eigentlich alles beschissen hier. Nach außen hin gibt es im Gegensatz zum Norden eine schöne Fassade, aber die Probleme sind die gleichen. Hier ist es halt schwarz-weiß und nicht eintönig.

rap.de: Wie meinst du das mit dem schwarz-weiß?

Bogy: Hier treffen noch Klischees aufeinander, die sonst nicht mehr aufeinandertreffen – außer vielleicht in diesen Multikulti-Bezirken. Hier kann es in einer Straße einer Familie ziemlich gut gehen und der anderen Familie gleichzeitig ziemlich schlecht. Man ist nicht so anonym wie woanders, hier kriegt man das Gefälle zwischen einem Arzt- und einem Arbeiterkind sehr deutlich mit.

rap.de: Ok. Und worin siehst du jetzt die Wurzel des Bösen?

Bogy: Das wurde ja schon in den verschiedensten Schriften festgehalten. Es sind die verschiedenen Todsünden, Gier und Intrigen. Jeder Mensch kennt es im Unterbewusstsein, das Gute, das mit einem redet und das Schlechte. Irgendwelche Gedanken, die nicht gut sind. Jeder hat das Böse in sich. Das ist in jedem Menschen von Grund auf drin und liegt nicht an der Umgebung. Wenn’s nur für essentielle Sachen wäre, dann ist normal, dass jeder töten würde.
Eigentlich haben wir alles. Wir haben Wasser, Essen, Brot, das alles, wir könnten leben, aber man will mehr. Man ist ein Mensch, man ist ein Wichser. Du hast ein gutes Mädchen, sie ist die beste Frau, du fickst eine andere Schlampe – weißt du, was ich meine? Du sagst, man muss immer korrekt sein und selber praktiziert man es nicht.

rap.de: Gut. Nächster Track. “Oldschool Trip“ würde ich gerne hören.
 
 
Bogy: Gut, dann mach mal an. Bin ich auch sehr stolz drauf, dass ich mich´s mal getraut hab. Props an Dre, geiler Beat, den haben wir cool geklaut. Ich mag so was, das drückt das noch mal so aus, so harte Texte und harmonische Beats. Darauf fahr ich ab.

rap.de: Vermisst du die Zeit?

Bogy: Ich vermiss alles von früher, deswegen nenn ich mich Oldtimer, aber man muss nach vorne sehen. Die heutige Zeit ist eben so, wie sie ist, aber na klar, wer vermisst nicht die alte Zeit von früher?

rap.de: Was war denn so geil an der alten Zeit?

Bogy: Ich kam früh mit Hip Hop in Berührung, ich hatte, Gott sei Dank, eine sehr schöne Kindheit. Ich habe da keine Kriegszeit in Erinnerung oder so Sachen. Sind schlimme Sachen passiert, aber auch sehr viel schöne und als man die ersten Sachen wie Breakdance gesehen hat, das war für mich… heute müsste ich zehn Pillen oder so schlucken oder zehn Flaschen exen, um auf so ein euphorisches Level zu kommen.
Und dann das ganze Rap Ding. Da war ja noch kein Geld drin, man hatte nur mit Leuten zu tun, die es gemacht haben, weil sie Spaß dran hatten. Es war eine ganz andere Szene, kann man sagen. Auch mit Graffiti-Legenden wie Chio, Ruzd, Mad, Maxim – ruht in Frieden! Das waren Trainbomber, und die Trains sind auch gefahren.
Das war Berlin man, da waren Banger dabei, die haben gehustlet und nur aus Spaß gesprüht. Da gab es nicht noch nebenbei Aufträge oder so was. Bei den Rappern wurde gecyphert, Rap-Freestyles und es ging nur darum, sich selbst zu representen. In Berlin war das schonungsloser als anderswo.

rap.de: Glaubst Du, die Szene heute zehrt immer noch von dem Ruf der alten Zeit?

Bogy: Auf jeden Fall. Ich will keinen Disrespect an die Crews geben, aber dadurch, dass früher viel mehr Graffitis gemalt wurden, gab es auch viel mehr gute. Bei Rap wäre früher nie einer auf die Idee gekommen, Mainstream-Musik zu machen. So Marktanalyse, welches Image passt und so weiter?
Was auch immer man mir vorwirft, ich rappe heute über genau dasselbe wie früher. Mal so, mal so verpackt, einfach immer das Gleiche.
Wir waren alle im Royal Bunker und es war cool oder im Raphaus, Rap am Mittwoch oder in der Köpi. Das war richtig Rap, das war raw. Ich hasse zwar Amiwörter, aber was soll ich sonst sagen, es war hart.
In einem kalten Raum chillen, schön Weed rauchen, nur Bier, scheiß Kokain war noch nicht  überall… Das war geil.

rap.de:  Wäre es dann nicht einfach schöner gewesen, wenn man HipHop als Hobby betrieben hätte, als irgendwann einen Beruf daraus zu machen?

Bogy: Wär auf jeden Fall eigentlich schöner, aber für mich ist es jetzt trotzdem eine schöne Option. Ich bin Gott dafür sehr dankbar, ich hab immer noch ne Perspektive. Ich glaube, ich wär noch zehn Mal gefrusteter, wenn ich jetzt bei Lidl oder auf dem Bau arbeiten würde.
Ja, ich bin auch mit 16 von der Schule ab, hab dann irgendwann noch mal die mittlere Reife nachgemacht, aber es hat halt nicht geklappt so Gesellschaftsmäßig.
Da war ich dankbar, dass ich als Rapper irgendwann Geld verdienen konnte. Aber meinen Kindern würde ich sagen, dass man besser auch noch mit der Gesellschaft hustlet. Scheiß auf die Gesellschaft, aber wenn man drin ist, dann ist es doch bequemer.
Ich würde ihnen sagen, dass man zweigleisig fahren sollte und auf jeden Fall Referenzen hat. Und natürlich ist es negativ, wenn dich das Blackbook Malen im Unterricht mehr fasziniert als der Unterricht, aber was haben die anderen gemacht? Meine ganze Klasse hat keinen guten Abschluss bekommen, alles Chaoten und im Kopf gefickte.
Wenn ich mir das jetzt so angucke, sind das auch alles total frustrierte Männer. Mich hält der Rapscheiß wenigstens jung. Ich gehe noch rum wie ein Jugendlicher. Ich denke wie ein Kind. Das hält mich jung, das ist ein gutes Gefühl.

rap.de: Du meintest gerade, dass heutzutage das scheiß Kokain überall sei, ist das so?

Bogy: Überall, überall sind Drogen. Früher war das nicht so. Das war nicht so bei den Rapheads. Heutzutage herrscht immer so eine komische Atmosphäre. Viele vertragen die Drogen einfach nicht. Oder Vollsuff war auch nicht immer unbedingt angesagt.
Ich war selber einer, der auch viel Scheiß gemacht hat, aber der Fakt an der ganzen Sache ist, dass es früher nicht um Geld ging. Es ging darum, dass irgendwelche Sachen disrespektiert wurden und dann gab`s auch Schlägereien, aber ist kein Geschäft gewesen.

rap.de: Ich finde ja, dass die Schlägereien oder auch dieses Gewaltpotenzial sogar zurück gegangen sind. Es gab früher doch wesentlich mehr Stress auf den Jams und so.

Bogy: Kommt drauf an. Ich hör immer nur was davon, wenn Partys sind. Mit den Leuten von früher ist immer Chaos, es sind meine Leute, es ist mein Problem. Aber bei diesem Rap Ding weht auf jeden Fall doch ein härterer Wind heutzutage.

rap.de: Aber bei Drogen habt ihr Euch früher ja auch nicht zurückgehalten, oder?
Bogy: Nee, auf keinen Fall! Aber diese ganze Szene ist jetzt verfallen. Es gibt keine Comunity mehr.  Darum geht`s.

rap.de: Aber ich gebe Dir recht, ich habe auch den Eindruck, dass Drogen heute präsenter sind, als jemals zuvor. Gerade Kokain ist leichter zu bekommen.

Bogy: Auf jeden Fall. Überall auf den Straßen. Aber auch Alkohol, guck mal wie früh die Jugendlichen anfangen zu trinken.

rap.de: Wann hast du angefangen?

Bogy: Ich hab mit elf angefangen. Ich bin ein schlechtes Beispiel, aber heute ist es ja in, Alkopops und so – aber egal, ich will nicht immer reden wie ein Opa. Ich bin ein im Kopf gefickter Typ. Wenn jemand Probleme hat, fick ich seine Mutter. Ich schwör`s, ich ess ihn auf, reiß ihm den Kopf bis nach hinten runter. Aber ich denk immer gern zurück an früher, auch wenn ich nur Mist quatsche, das ist meine Welt. Alles in Ordnung. 

Bogy: “H.I.G.Hmat. Das ist Heimat für die Atzen. Das ist schnulziger Scheiß, Alta.
 
rap.de: Das ist Dein Lieblingstrack?

Bogy: Nee, aber jetzt passt er grade gut. Ich musste das Machen. Mein Nachbar hat`s produziert und das Sample angeschleppt.

rap.de: Magst du Münchner Freiheit?

Bogy: Ich verbinde es mit meiner Kindheit. Wo meine Welt noch halbwegs in Ordnung war, wo ich bei meiner Oma war und so was gepumpt habe oder um mich herum wurde es gehört. Ich verbind damit eine bestimmte Zeit.


rap.de: Warum machst Du dann doch immer wieder Lobgesänge auf Drogen?

Bogy: Dicker, weil… Ich mach Musik für mich! Ich bin kein Vorbild oder irgendwas, das ist kein Lobgesang. Aber ist irgendwie ein Teil von mir. Es ist wie bei Frauen. Ich sag, ich fahr ab auf die Drogen, aber jeder, der meine Musik kennt, weiß, dass ich jeden warne.
Außerdem geht es um Joints. Keinem wird gesagt, wenn er die Flasche hebt: “Warum glorifizierst du Alkohol?“. Ich finde, dass Weed eigentlich mit Zigaretten in einer Liga sein sollten.
Das ist so ne Heuchlergesellschaft. Alkohol wird überall verkauft, Weed nicht. Für manche Leute ist dieses Weed auch gut.

rap.de: Für manche ist es aber auch schlecht. Die kriegen Psychosen davon.

Bogy: Auf jeden Fall. Aber ich sag, ich hab 18 Jahre Weed geraucht und wenn ich das mit Leuten vergleiche, die Alkohol getrunken haben, Anabolika genommen haben, exzessiv Kokain oder Heroin genommen haben, die sind alle schon weg.
Also ist Weed, ich will`s nicht glorifizieren, aber Weed ist immer noch eine halbwegs humane Sache. Und wenn toxische Psychosen kommen, das wurde mir immer gesagt, da kann dir kein Arzt helfen.
Die in den ganzen Klapsen und im Maßregelvollzug – zum Teil sind da nette Leute, aber die meisten sind Wichser da, Hurensöhne. In den Psychiatrien sind vielleicht Leute, die es gut meinen. Nicht nur Wichser, aber irgendwie kann dir keiner helfen.
Bei Psychosen kann dir nur Gott helfen oder du selber. Wer nicht an Gott glauben sollte und sich nicht überzeugen lässt, sollte an sich selber glauben, an gute Sachen. Das hängt einfach von den Menschen ab.
Durch Weed verdrängst du nur, aber wenn du durch Alkohol verdrängst ist es viel schlimmer, weil du aktiv wirst. Weed macht passiv. Das ist zwar negativ für den Tagesablauf, zum Beispiel beim Sport, schlechtere Leistung, das Gehirn bringt auch schlechtere Leistung, aber auf jeden Fall hält`s dich ruhig, wie ein Schutzengel. Wenn wir uns jetzt gestritten hätten und du hast gekifft, wirst du zwar auch Tacheles reden, notfalls auch handeln, aber du steigerst dich nicht rein. Im Suff bist du dann primitiv, du quatschst Scheiße, du wirst aggressiv und du handelst. Ich verteufle eher den Suff. Suff und halluzinogene Drogen.

rap.de: Es gibt immer nur zwei Arten von Songs in der Rap Welt. Entweder Lobgesänge auf die Drogen oder es gibt Songs, mit der Aussage: “Lasst die Finger davon“! Hast Du Dir nicht mal Gedanken darüber gemacht, einen normalen Drogenkonsum zu entwickeln? Es ist ja immer nur ganz oder gar nicht.

Bogy: Ich hab mir vorgenommen, gar keine zu nehmen. Es ist ja auch nicht nur ein Rap Problem. Guck dir mal die Techno Szene an, da wird nur passiv konsumiert. Da ist nichts Kreatives. Wenn wir im Studio arbeiten, sind wir meistens clean. Ab und zu wird zwar auch mal ein Joint geraucht, aber Alkohol ist da Tabu oder härtere Sachen.
Guck Dir die Techno Szene an, warum verteufelt man die nicht? Das sind Leute, die resigniert haben. Wir haben wenigstens noch das Kämpferische in uns drin, in unserer Kultur, dass wir auch ein bisschen nachdenken. Wir haben Aktives, nicht nur Passives, nicht nur sich berieseln lassen. Wir beschreiben es nur.
Warum expandiert alles mit Drogen? Weil die ganze Welt scheiße ist und die Leute brauchen Drogen. Aber dann müsste man auf die ganze Welt zeigen. Rap spiegelt das nur wieder. Rap ist immer nur ein Spiegel der Gesellschaft.

rap.de: Hältst Du Rap heute noch für kämpferisch?

Bogy: Auf jeden Fall. Das ist mein Kampf, ich hab zu kurze Arme, um Boxer zu werden. Ich bin zu blöd, um Lehrer zu werden. Polizist kann ich nicht werden, weil ich die viel zu sehr hasse. Jeder macht seinen Kampf. Jeder zieht sein Ding durch und mir gibt`s nun mal Kraft. Also Sport, Religion und Musik. Und Liebe natürlich. Liebe und Hass.

rap.de: Welche Art von Religion?

Bogy: Ach, weißt du, ich glaube an einen Gott. Für mich gibt’s nur einen Gott und ich bin nicht derjenige, der über Religion reden sollte. Ich red schon über so viele Sachen in Interviews, wenn ich jetzt auch noch anfange über Religion zu reden… das mag ich nicht.
Unsere Rapmusik wird falsch verstanden, Religion wird falsch verstanden, alles wird falsch verstanden! Gott will, dass alle Menschen sich lieben, ob das jetzt im Koran steht oder in der Bibel: Liebe Deinen Nächsten! Aber wie gesagt, darüber sollte man nicht reden. Da sollte man handeln.

rap.de: Wir haben jetzt “Seit Jahren“ featuring Akte One und Teterprofil.

Bogy: Teterprofil kenn ich über seinen kleinen Bruder, der seit Jahren Sportskamerad von mir ist und Akte kenn ich ja schon seit Jahren.
Das ist am Anfang so ne Hassliebe gewesen, weißte, weil die Akte und seine Kumpels Streit hatten mit meinen Kumpels. Immer wenn’s um Akte ging, hatten die Streit mit denen. Aber ich war immer gut mit denen.
Man muss das so sehen: Wenn wir Nachbarn wären und ich mit Deinem kleinen Bruder Streit habe, heißt es ja nicht, dass wir uns nicht leiden können auf nachbarlicher Ebene. Ich war mit ihm nie schlecht.

rap.de: Es waren ja auch alte Bassboxxx Zeiten.

Bogy: Eben. Bei Akte kann man vom Artist her nichts gegen ihn sagen. Er ist ein super Graffiti Artist, super Rap Artist und menschlich find ich ihn auch ok. Er hat seine Ecken und Kanten, aber er ist ein guter Junge.

rap.de: So, jetzt der "Mama“-Track?
 
Bogy: Ja, der ist sehr persönlich. Ich finde, der ist sehr gut gelungen. Sehr kitschig, aber das hab ich ja gesagt, das ist mein Geschmack. Ich mag halt kitschige HipHop Beats mit harten Raps drauf.

rap.de: Das hat man ja relativ oft, dass harte Männer kitschige Songs mögen.

Bogy: Ja. Ist ja auch so ein Ying und Yang Ding. Wie ich einen Menschen lieben kann, kann ich ihn später auch hassen oder umgekehrt. Ich finde unsere Sprache ist schon so roh, so kompromisslos und so hart, dass es eigentlich cool ist zum Chillen, wenn’s auf einen soften Beat kommt. Ich mach ja nur das, was ich auch selber gerne höre. In Deutschland nur so Azad-mäßige Sachen oder B-Lash zum Beispiel. Da krieg ich Gänsehaut. Auch bei Azad. Ich fühl diesen Scheiß so krass manchmal. Manche nennen es weichgespült, aber so ist das Leben auch. Wir haben auch weiche Seiten. Ich zeig Dir mal einen Track von mir, wo ich das sehr schön finde, klar Eigenlob stinkt aber…. Mit Djorkaeff produziert. “Sieg“.
 

rap.de: Es ist ja nicht weichgespült. Es ist ja wahnsinnig pathetisch. Das sind so diese Rocky-Positionen. Dieses den Berghochrennen in Zeitlupe und oben stehst du dann da mit erhobenen Armen im Sonnenaufgang.

Bogy: Genau! Das ist was ich mein. Ich bin auf nem scheiß Rocky Trip. No easy way out.

rap.de: Machst du dir das Leben wie einen Rocky Film?

Bogy: Ja, dann wäre ich jetzt mit 30 bei Rocky IV, dann würdest du meinen elektrischen Roboter sehen, der Essen bringt, ich würde meine Corvette fahren, hätte meine Angestellten… Rocky hat nichts Falsches gemacht. Rocky kommt aus der gleichen Scheiße wie ich. Ich hab früh mein Elternhaus verlassen, hab von Sozialhilfe gelebt, dann hab ich scheiß Jobs gemacht, dann hab ich gehustlet, dann kam ich zu Rap… Ich will nach ganz oben, verstehst du? Ich will ganz nach oben, also ist es wie bei Rocky.

rap.de: Rocky ist ja auch dieser Typ, dem es schwer gemacht wird, der auch scheitern könnte.

Bogy: Ja, der scheitert auch, er ist nur der Sieger für die Penner. Intrigen… Es ist ja nur n Film, aber so ist auch Theater und Rap ist ja auch wie Theater. Theater für Atzen oder für unsere Straßenleute. Auf jeden Fall musst du die Sachen dramatischer darstellen als sie sind. Ich muss es extrem darstellen, damit du peilst, um was es geht. So ist unsere Sprache, so ist Rap.

rap.de: Wie weit geht diese Dramatisierung, dieses Darstellen in Deinen Alltag über?

Bogy: Alles was ich rappe fühle ich! Ich mach immer das, was mich beschäftigt, was ich denke. Natürlich, wenn ich über ein Thema schreib, dann kommt das andere zu kurz. Das ist wie bei einem Lehrer, wenn er Geschichte macht kommt eben Mathe zu kurz. Das ist wie bei Frauen. Manchmal vergötter ich Frauen, manchmal mach ich Lieder, wie “gib der eine. Tritt der in den Arsch und schmeiß sie raus“. Aber das ist alles so Ying und Yang.

rap.de: Würdest Du sagen, Du bist ein Mensch der Extreme?

Bogy: Leider schon. Ich probier’s, mir immer abzugewöhnen, aber ich kann nicht anders. Jeder ist in seiner Haut. Ich hab schon immer gefreestylet, schon in der sechsten Klasse habe ich angefangen mit meinem Kumpel rum zu rappen, dann im Cypher, dann noch davor die Battles… da hat jeder das gerapt, was er ist. Tony L hat gerapt, dass er ein Atze aus Heidelberg ist, dass da alles harmonisch ist, dass er Hip Hop liebt, dann Immigrantenhintergrund. Die haben zwar schon Geld gemacht aber das war cool. Alte Schule, die haben Hip Hop gemacht. Dann die Berliner haben ihren Banger Scheiß gerapt, alles extrem aber jeder war so. Erst vor ein Paar Jahren kam ja so, dass diese Marktforschungs- Rapper aufgezogen wurden, diese Fahnen – Rapper.
Aber weißt du, ich hasse keinen. Ich feier alle. Ist alles nur Musik. Trotzdem denke ich: “Lügen haben kurze Beine“ und in Berlin wurde alles auf Authentizität aufgebaut. Nur viele schwimmen jetzt in nem Boot, das sie nicht gebaut haben und essen Brot, das sie nicht gebacken haben.
Ich hab schon immer über so ne Scheiße gerapt, aber das ist eben wie bei Religion, alles kann gut und schlecht gemacht werde.

rap.de: Wir reden ja viel über die Vergangenheit. Machst du dir auch Gedanken was in zehn Jahren ist?

Bogy: Keine Ahnung. Nur Gott weiß das. Ich geb mein Bestes. Vielleicht hab ich Kinder.  Fünf Stück, Alta. Ich hoffe es. Ich hoffe mir geht’s gut.  Vielleicht bin ich geschieden und hab keine Kinder. Das ist wirklich ne komische Frage. Ich sag mal so, ich hab mich in den letzten 15 Jahren natürlich sehr viel weiter entwickelt, aber ich hab mich nicht im Wesen verändert. Ich bin noch der gleiche geblieben wie früher.
Natürlich geht man auch mit der Entwicklung mit. Ich kann nicht das Internet boykottieren, ich kann nicht mehr so abgehen… bei Stress mach ich zwar immer noch das gleiche, aber ich kann jetzt nicht mehr Leute suchen gehen oder so. Früher hat man`s ja auch gesucht, ist mal so rum gelaufen und hat gewisse Sachen provoziert. Aber natürlich ist man weiser, vorsichtiger geworden, trotzdem bin ich immer noch der gleiche.

 

rap.de: Das ist ja auch die Grundaussage von Deiner CD – Der Oldtimer, oder? Zumindest stand das so im Pressetext.

Bogy: Ich seh da keine Grundaussage. Ich hatte Bock, mir nen Haufen Mist vom Herzen zu rappen. Ich hab mich aber nicht angepasst. Bei anderen Leuten fällt es mir schwer, die Alben richtig zu feiern. Ich verurteile das nicht und find`s auch gut. Jeder auf seine Art, aber wir reden ja von Geschmack… Mir wird ja immer unterstellt, nur weil ich mich krass auf einen Geschmack beziehe, dass ich so ein Rap – Nazi wär oder so. Das hat gar nichts damit zu tun. Das Ding ist, mein Geschmack ist der alte Hip Hop Geschmack. Rap und Hip Hop.

rap.de: Sagst du mal noch ein Paar Worte zu DJ Werd.

Bogy: Also, Werd hat mich krass geflasht und fasziniert. Ich hab ihn früher schon beobachtet, wie er live scracht. Ich saß dann so im Studio und das hätten mir nicht mal hundert Drogen geben können. Der Junge hat einfach den gleichen Geschmack wie ich, was dieses Scrachen angeht. Ich saß im Studio und war schon übelst geflasht. Wir haben 10 Stunden gearbeitet. Dem konnte ich das auch antun, weil er auch so’n Nostalgiker ist. Der ist halt auch meine Generation.
Da hast du vorhin einen Wunden Punkt getroffen mit Rocky, He-Man und all dem Scheiß… Ich sag ja sowieso immer, ich hab schon ausgesorgt. Ich brauch gar nicht mehr arbeiten gehen. Ich hab die alte Rakim Platte, die erste Rap-a-Lot Platte, das erste Gang Starr Album das es gab, von 1987 und ich hab eine He-Man und Skeletor Sammlung und die ganzen Rocky Filme. Bei mir läuft voll 80er. Bei Boxen fasziniert mich auch nur die Best of Mike Tyson.

rap.de: Tja, lost in der Vergangenheit.

Bogy: Ach Quatsch. Ich blick in die Zukunft, ich ess gut… Und wir reden auch  nur über Hip Hop. Wenn Du mich zum Beispiel nach Frauen und Vergangenheit fragen würdest… Früher hätt ich gesagt: Alles Nutten! Heute sag ich auch: Wenn man Glück hat, gibt’s vernünftige Frauen! Heute seh ich alles positiver, auch mit Toleranz… Früher war ich ein ganz verunsicherter Mensch und wenn mich einer verunsichert hat, hab ich zugeschlagen. Heute frag ich “wie meinst du das?“.
Ok, beim H-Wort gibt`s immer noch, weil das ist für mich wie anspucken, da musst du was machen, sonst verlierst du dein Gesicht. Aber sonst so, ich hab sehr viel an mir gearbeitet.
 

 
rap.de: Auch mit Therapie?

Bogy: Scheiße, die ficken nur den Kopf. `N fremder Mann kann nicht an dir arbeiten. An diesen Motor da drin, da kommst nur du selbst an dich dran. Das hilft alles nichts, man.
Die Leute mit Problemen müssen selber zu sich finden. Man muss nur kämpfen und sich n Ziel nehmen. Deswegen bin ich wieder zurück zu Hip Hop gekommen.
Ich danke Gott für Hip Hop, genauso wie ich ihn oft dafür verflucht hab. Aber ich danke ihm dafür und für das Talent, das er mir gegeben hat. Das ist meine Kraft. Das macht mir spaß, wie Sport. Nur von Sport kann ich nicht essen. Darum bin ich so dankbar.
Wenn ich nicht diesen positiven Aspekt in meinem Leben hätte, ich glaub, dann wär mir alles scheiß egal.