Culcha Candela

Man kann sie mögen oder nicht. Fest steht, dass Culcha Candela in Deutschland, dank einiger Partytunes, eine steile Karriere hingelegt haben, auch wenn es auf dem splash!-Festival 2008 Pfiffe und Becher regnete. Insofern gehört die siebenköpfige Band wohl nicht zum angesagtesten, was der deutsche Hip Hop Fan im CD Regal stehen hat, aber das kann multiethnischen Gruppen herzlich egal sein.
Gerade eben veröffentlichen die Berliner ihr viertes Studioalbum "Schöne Neue Welt" und aus diesem Grund gab es dann doch ein paar Dinge, die uns interessiert haben, denn schließlich wird da ja auch immer noch gerappt.
Itchyban und Chino standen uns Rede und Antwort, da auch die Interviews innerhalb der Band demokratisch aufgeteilt werden und wie wir mittlerweile wissen, nicht nur die. Willkommen im Land der Graßwurzelbewegung und Basisdemokratie!

 

rap.de: Ihr kommt gerade vom Sport. Welchen Sport machst Du? Immer noch Basketball?

Itchyban: Nee, das schon lange nicht mehr. Wir beide (zeigt auf Chino) haben einen Personal Trainer. Da machen wir alles. Ist ganz geil.

rap.de: Personal Trainer?!

Itchyban: (leicht verlegen) Ja, aber… Sport ist doch nichts peinliches, oder?

rap.de: Nein. Aber Personal Trainer ist ja eher so eine Sache, die man bei Madonna erwartet.

Itchyban: Na ja. Wir machen ja richtig hartes Training mit dem und das ist ja wichtig. Vor allem geht es aber um die Motivation, weil der halt so ein krasser Typ ist und wir ja was erreichen wollen.

rap.de: Du hast auch abgenommen.

Itchyban: Ja. 10 Kilo, durch dieses Training halt.

Chino: Geil ist auch, dass wir den jetzt mit auf Tour nehmen, dass da extra jemand dabei ist, mit dem wir jeden Tag Sport machen.

rap.de: Auf der Tour, diese Auftritte, ist das Schwerarbeit?

Itchyban: Konditionell ist es das eigentlich nie gewesen und jetzt mit dem Training noch weniger, aber es ist eine Konzentrationsarbeit. Wir hatten ziemlich wenig Zeit zum Proben und wir waren eine Woche im Bootcamp, in so einer Halle bei einer Firma, die Bühnen baut und da haben wir geprobt, von sieben Uhr morgens bis sieben Uhr abends. Da muss man sich eben konzentrieren, das hat nicht so viel mit körperlicher Anstrengung zu tun.

Chino: Ich finde auf Tour ist man nach fünf Tagen schon ganz gut erledigt. Das ist auf jeden Fall auch körperlich anstrengend. Nach drei Wochen  haben dann die ersten Beinschmerzen.

rap.de: Sieben Tage proben, von sieben Uhr morgens bis sieben Uhr abends. Das klingt ja schon nach Boyband und richtig eingetaktet.

Itchyban: Wir sind ja auch eine Boyband.

rap.de: Wirklich?

Chino: Auf eine gewisse Art und Weise ist das schon so. Was denen abverlangt wird, sind ja auch Höchstleistungen und wir sind auch auf einem Weg, wo wir sagen, wir wollen das Maximum rausholen und alles geben.

Itchyban: Im Endeffekt machen das wahrscheinlich mehr Leute, als man denkt. Der einzige Unterschied zwischen Boybands und uns ist, dass die wahrscheinlich besser tanzen können und besser singen. Aber rappen können die wahrscheinlich nicht.
Ein dritter Unterschied ist aber viel signifikanter: Wir machen, worauf wir Bock haben, die wahrscheinlich nicht so! Sonst kann uns jeder, der will, Boygroup nennen. Ist auch O.K..


rap.de: Wie viel Spontanität ist dann in so einer Culcha Candela-Show noch drin?

Itchyban: Ähm… Also oft kriegt der Zuschauer ja gar nicht mit, ob das jetzt spontan war oder nicht. Der freut sich dann natürlich und sagt: "Geil, das war ja voll spontan!“. Meistens ist es dann aber einstudiert. Ich bin halt auch ein totaler Kontrollfreak und Perfektionist und ich freue mich einfach, wenn ich weiß, okay, jetzt kommt Applaus, oder jetzt lachen alle. Das finde ich dann total geil.

rap.de: Was passiert, wenn es nicht so funktioniert? Sind das dann die Momente, in denen man sich ärgert?

Itchyban: Ja, unter anderem dauert es dann dadurch halt alles wesentlich länger, weil man alles verlabern muss! Wir wollen ja auch eine basisdemokratische Einigung. (grinst)

rap.de: Ist das so?

Itchyban: Es gibt ja auch Mittel und Wege, um sich durchzusetzen. Prügeln tun wir uns nicht, aber Putin ist ja auch ein lupenreiner Demokrat (Gelächter) und Culcha Candela ist an sich eine lupenreine Demokratie.

rap.de: Kann man sich da überhaupt noch leiden?

Itchyban: Ja, wir haben ja jetzt schon sieben Jahre hinter uns als Band. Ihn (zeigt auf Chino) kenn ich auch schon seit der Schule.

rap.de: Trotz Eurer langjährigen Freundschaft wirkt dieses ganze Projekt Culcha Candela ein bisschen konstruiert. Warum wirkt das so oder trügt mich der Eindruck?

Itchyban: Darüber habe ich auch schon nachgedacht. Wir sind halt für die Leute, schwer zu fassen. Sind die jetzt Reggae, HipHop oder Latin? Ich glaube, dass Künstler wie Jan Delay oder Peter Fox besser greifbar sind. Die sind kompromissloser, in dem was sie tun. Alles was wir machen, ist eine Summe aus uns sieben, sprich ein Ergebnis aus Kompromissen.
Bei uns weiß man nicht, wie viele wir jetzt sind, auf was für einer Sprache wir jetzt singen und wie man den Stil nennt. Wir stehen ja auch in jedem Plattenladen unter einem anderen Genre.

rap.de: Das heißt, dass die Verschmelzung dieser sieben Einflüsse im reinsten Sinne Popmusik ergibt?

Itchyban: Ja. Es ist ja auch nicht so, dass diese sieben Leute immer einhundert Prozent hinter allen Entscheidungen stehen. Das geht auch einfach nicht. Das ist auch noch nie vorgekommen.

rap.de: Es gibt keinen Culcha Candela-Song, der von allen Mitgliedern gleich gerne gemocht wird?

Itchyban: Nein, den gibt es nicht. Das Album, das wir jetzt gemacht haben, ist aber das Album, das von allen Mitgliedern am meisten gemocht wird.
Aber gute Popmusik ist halt auch echt harte Arbeit. Es gibt ja auch wahnsinnig viel schlechte Popmusik.

rap.de: Wie entsteht denn so ein Culcha-Song?

Itchyban: Unterschiedlich. Es gibt jetzt kein festes Schema, aber mehrheitlich sind zuerst die Beats da. "Hamma“ sollte zum Beispiel mal auf ein Mixtape kommen. Wir haben ja auch Mixtapes gemacht, so wie echte Rapper (grinst). Naja, dann haben wir uns da ein Studio gemietet, für 150 Euro, was für uns viel Geld war damals. Und wir haben es dann nicht mehr geschafft, "Hamma“ aufzunehmen. Aber ein paar Leute, die da waren, meinten dann so: "Ey, das ist echt geil, da müsst ihr nochmal dran arbeiten.“
Wir haben das ja auch live auf der Bühne gespielt und die Leute haben uns dann immer geschrieben: "Mann, eure Show, die war ja total hamma-mäßig“ und dann haben wir es auf dem letzten Album gleich als ersten Track produziert.

rap.de: Schreibt ihr alle Texte selbst?

Itchyban: Beim letzten Album haben wir uns bei zwei oder drei Liedern Unterstützung geholt, weil wir teilweise vor lauter Silben beziehungsweise Bäumen den Wald nicht mehr gesehen haben. Aber wir haben uns nicht den ganzen Text von "Hamma“ schreiben lassen, wie es fälschlicherweise bei rap.de behauptet wurde! (lacht)
Aber wir haben einen Silbencoach und bei dem neuen Album haben wir mit demselben Silbencoach sozusagen von Anfang an zusammengearbeitet.

rap.de: In anderen Musikgenres ist das ja absolut üblich, dass ein anderer deine Songs schreibt. Warum ist das im Rap so ein Problem?

Itchyban: Ist das so? Aber doch nur bei Untergrund-Rappern, oder? Soweit ich weiß, schreiben die prominenten Leute in Deutschland ihre Sachen alle nicht selber.

rap.de: Das ist jetzt natürlich eine Diskussion wert.

Itchyban: Nein, ist es nicht. Das ist eine Tatsache und ich finde das auch gar nicht schlimm. Uns zum Beispiel hat noch nie jemand einen kompletten Song angeboten. Wir haben höchstens nach Hilfe gefragt, wenn wir an einem Punkt waren, an dem wir nicht weitergekommen sind. Das hat aber auch etwas mit Ehrgeiz zu tun. Es ist mehr so, als würdest du mit einem Trainer trainieren, der dich zu höheren Leistungen motiviert.


rap.de: Jetzt habt Ihr zwar von diesen Kompromissen gesprochen, trotzdem frage ich mich, warum so ein Album so extrem berechnet klingen muss. Es gibt diesen "Sommer-im-Kiez“-Track, es gibt "Monsta“, der sich ein bisschen wie "Hamma“ anhört, es gibt zwei politische Tracks, die Relax-Songs, diesen Boygroup-Liebes-Track.

Itchyban: Da hast du den absoluten Hass drauf, oder?

rap.de: Naja…

Itchyban: Das Krasse ist ja, dass ich mit dem Mädchen, für das ich die Zeile geschrieben habe, nicht mehr zusammen bin. Die hat jetzt ein ganz schön großes Denkmal gekriegt. Das sind alles wahre Gefühle in dem Track.

rap.de: Das finde ich auch ganz interessant. Inwiefern bringt ihr denn eure Persönlichkeit in die Tracks?

Itchyban: "Sommer im Kiez“ ist zum Beispiel so ein Track, das war mehr so ein Representer und dann kam da so ein Typ mit einem Hut und meinte: "Ey, ich habe da so eine Idee, wir müssen da was anderes draus machen.“

rap.de: Einen Kiez-Sommer-Song, wie er von jeder Berliner Band gemacht wird?

Itchyban: Nicht von jeder Band. Die Berliner sind ja eher so, dass man ins Taxi steigt und sagt, "Man, ist ja geiles Wetter!“ und der Taxifahrer motzt erst mal los: "Boah, is dit heiß. Ick sterbe!“ Und so sind wir halt auch irgendwie.
Eigentlich sollte das so ein "Yo-wir-sind-sieben-Typen-und-laufen-durch-die-Gegend-und-kommen-in-deine-Stadt-Track werden. Etwas, was ich als Rapper total gerne mache, was für die Band aber eher belangloser Dreck ist.

Rap.de: Also, eigentlich so "Wir-brennen-Deutschland-ab-und-ficken-deine-Mutter!“?

Itchyban: Ja, nur ohne Mütter und Brennen. Wir werfen eher Gänseblümchen und mit Wattebäuschen, wie es halt so unsere Art ist.
Aber mit Berechnung hat das nichts zu tun. Wenn wir wüssten, das wir nur auf die und die Knöpfe drücken müssten, um Erfolg zu haben, dann würden wir das öfters und noch viel besser machen. (lacht)

 

rap.de: Wenn man einen Song hört wie "I Like It Like That“, dann besteht die Welt, von der ihr träumt, darin, zu Kiffen, Frei zu haben, Sonne, Hängematte und die Frauen sagen alle"Ja"?

Chino:  Der positive Wind in unserer Musik, das ist fast schon ein bisschen Programm. So haben wir angefangen, Musik zu machen. Wir wollten den Leuten was Gutes mitgeben und denen einfach ne gute Zeit bereiten. Wir sind alle von Grund auf optimistisch eingestellt und deshalb fällt es uns jetzt auch nicht schwer, das in so einer Form zu vertreten.

rap.de: Aber ich würde schon gerne noch mal nachfragen, wie Ihr Euch eine alternative Welt vorstellt. Es gibt ja diesen kritischen Song auf dem Album und dann gibt es "Steh Auf“, der etwas hippieesk dazu aufruft, für eine bessere Welt zu kämpfen. Wie wäre diese bessere Welt? Wie ist der Alternativzustand? Sieht das dann so aus wie in "I like it like that“?

Itchyban: Also was würden wir machen, wenn wir einen Tag Bundeskanzler wären? Definitiv versuchen wir, nicht mit dem Zeigefinger daher zu kommen und zu sagen: "Wir haben die ultimative Lösung.“  Weil die haben wir auch nicht.
Auch bei "Schöne Neue Welt“ machen wir ja klar: wir sind ein Teil von diesen Idioten. Wir sind wahrscheinlich noch diejenigen, die oben auf der Spitze vom Eisberg stehen, mit ner Tröte und die Party machen. Wir sind ja genau so blöd und niemand ist fehlerfrei. Niemand. Aber wir versuchen trotzdem, bewusster zu leben. Und mit Humor glaube ich, kann man auch mehr Leute erreichen, als jetzt schon wieder die x-te schlechte Nachricht zu verbreiten. Dafür gibt es ja dann auch die News.
Wie die Welt aussehen sollte? Ich denke definitiv und darauf können wir uns alle einigen, es sollte mehr Humor geben. Humorlosigkeit ist tödlich.

rap.de: Das kann man aber schlecht staatlich verordnen.

Itchyban: Leider, leider, aber vielleicht nehmen sich auch die Leute an uns ein gutes Beispiel, weil immerhin sind wir ein nicht-staatlich-gefördertes, nicht-subventioniertes Integrationsprojekt, mit Kanaken aus allen Himmelsrichtungen. Wir haben auch unterschiedlichste Sozialisierungen hinter uns, unterschiedliche Sprachen, Kulturen und wir machen seit sieben Jahren erfolgreich Musik zusammen. Friedlich.
Deshalb haben wir auch noch nie einen Antirassismus-Song gemacht, weil wenn man uns anguckt, warum sollen wir dann noch so ein Lied machen? So wie wir, so sieht es in Berlin überall aus.

rap.de: Denkt Ihr an ein bestimmtes Publikum, wenn Ihr eure Songs macht?

Itchyban: Ich denke an Frauen. Frauen sind eine große Inspirationsquelle für mich.

rap.de: Kommen eigentlich genug Frauen auf eure Konzerte oder doch eher nur Mädchen?

Itchyban: Also, persönlicher Geschmack ist da ja nicht unbedingt entscheidend, weil ich suche mir ja meine Frauen nicht im Publikum. Ich fände es sowieso nicht so interessant, wenn ich was mit einer Frau hätte, die mich geil findet, weil ich gerade zwei Stunden lang ins Mikrofon gespuckt habe. Das ist für mich keine Herausforderung. Ich brauche eine Herausforderung.
Aber ich denke schon, dass zu unseren Konzerten selbstbewusste Mädchen und Frauen kommen, die genau wissen, was sie machen und die sagen den Jungs größtenteils, wo es langgeht. Das kommt daher, dass wir auch darauf achten, wie wir über Frauen sprechen.
Mein persönlicher Geschmack… Vor allem, in erster Linie stehe ich auf Humor und dass man sich auch mal mehr als drei Sätze geradeaus unterhalten kann und körperlich… Na ja, viel Liebe braucht halt viel Fleisch.

rap.de: Aber wie ist denn eine Frau, wie sie in "Monsta" beschrieben wird? Eine Frau, vor der Du Angst hast?
 
Itchyban: Kennst Du doch… Wenn du in die Disco gehst und da ist eine Braut, die sieht so krass aus, dass du dich gar nicht mehr traust, sie anzusprechen. Das kennt doch jeder Typ.

rap.de: Das ist mir noch nie passiert…

Itchyban: Jaja. Aber genau um solche Frauen geht es. Frauen, wo es fast schon weh tut, wenn man sie anspricht, weil sie so krass sind.
Aber starke Frauen sind definitiv Frauen, die einen Plan im Leben haben. Die was erreichen wollen. Führungspositionen bei Universal zum Beispiel.
Die meisten von uns haben auch starke Mütter, sonst wären wir ja auch nicht so coole Typen geworden.

rap.de: Dann sollten wir vielleicht mal ein Interview mit Euren Müttern machen.

Itchyban: Könnt ihr gerne machen. Die sind am Start.

Pressefrau: Jetzt bitte langsam zum Ende kommen!

Itchyban: Hallo? Das ist rap.de! Das ist quasi eine einmalige Sache. Weißt du, wie viele Jahre wir darauf gewartet haben? Wirklich jetzt! Da können sich die anderen ja wohl noch gedulden. Also, falls ihr überhaupt noch wollt?

rap.de: Wie viel politische Meinung ist in einem Song wie “Schöne Neue Welt“? Ihr reißt ja da so viele Themen an, aber wie wichtig ist Euch so ein Thema wie “Überwachungsstaat“ oder so verschwörungsmäßig "Jeder hat nen Chip im Kopf“?
 
Itchyban: Wir sind allesamt politisch interessierte Menschen. Obwohl wir gesagt haben, dass wir keine politische oder religiöse Richtung spezifisch unterstützen. Wenn uns irgendeine Partei anfragen würde, ob wie für die auftreten könnten, würden wir das nicht machen, auch wenn wir die Partei vielleicht gut finden. Genauso ist es mit religiösen Institutionen. Aber durchaus ist uns das ernst.
Apropos Verschwörungstheorie, ich finde es gar nicht verschwörungstheoriemäßig, wenn der Typ, der eine entscheidende Rolle im CDU-Spendenskandal gespielt hat, jetzt Innenminister ist und jetzt einen Überwachungsstaat hier einleitet und selber eigentlich ein Verbrecher ist und keiner ihn dafür belangt. Das finde ich schon ganz schön dreist.

rap.de: Jetzt lasst uns mal Tacheles sprechen. Gibt es irgendjemanden, den ihr konkret angreifen würdet? Dadurch, dass ihr in dem Song nur Dinge anreißt, tut ihr auch niemandem weh. Ihr sagt zwar, ihr seid selber auch mitten drin, aber gibt es irgendeinen Angriffspunkt in dieser Gesellschaft?

Itchyban: Die Welt ist ja nicht mehr wie früher. Ich bin in Polen groß geworden, da gab es Kommunismus. Die Welt war schwarz/weiß, da wusstest du, was gut und was böse ist. Heutzutage weißt du das nicht mehr. Heute gibt es einen schwarzen Präsidenten in Amerika. Hallo? Vor dreißig Jahren haben sie die noch an Bäumen aufgehangen, das war eindeutiger Rassismus, heute ist das alles sehr versteckt.
Wir haben nicht mehr so explizite Feindbilder. Was soll ich denn mit  Osama Bin Laden? Es gibt so viele Dinge, die einen ankotzen. Zum Beispiel Nazis, über die könnte man ja schimpfen. Aber die sind zu kacke und zu klein und zu scheiße. Da macht man keinen Song über die, völlig unwichtig.

rap.de: Aber ihr seid doch in verschiedenen Anti-Nazi Aktionen
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Itchyban: Ja, das ist doch auch gut. Weil, das ist etwas Konkretes. Wenn die Nazis Nazi-CDs auf Schulhöfen verteilen, dann machen wir das auch, mit unseren CDs. Das ist ja eine Gegenmaßnahme.

rap.de: Wo ist denn dann der Unterschied zwischen einem Anti-Nazi-Song und einer Anti-Nazi-Kampagne?

Itchyban: Ich würde der NPD niemals so eine große Plattform geben und einen Song gegen die machen. Das wäre viel zu viel Aufwand, ich würde sie ja quasi promoten. Genauso ist es mit Merkel, das passt ja zur Zeit. Eine Kanzlerin, die so konturlos ist, die schwimmt, ohne anzustoßen, durch die Welt.

Chino: Aber die kann mit dem Volk reden, das kann Franky nicht.

Itchyban: Ja, sie ist auf jeden Fall die bessere Rhetorikerin. Trotzdem muss ich sagen, es heißt ja immer:“Haben die feinen Herren Musiker denn nun eine Lösung?“

rap.de: Naja, aber ihr habt einen Song “Steh Auf“ genannt. Das ist eine konkrete Aufforderung. Da frag ich mich wofür denn?

Itchyban: Es ist die Aufforderung zu: "Lass dich nicht hängen!“ Das ist ja was Konkretes. Mach was aus dir, und sei es, dass man so wie wir beide anfängt, Sport zu machen.
Was meinst du, wie viel glücklicher man sich dann fühlt? Mal gesünder essen und bewusster genießen. Wir sind nicht die Politiker, die sagen: “Ich habe die Lösung für das Weltproblem“. Aber wenn auf unseren Konzerten 2.000 Leute unsere Songs hören und am Ende gehen 20 nach Hause und sagen:“Irgendwie stimmt das ja. Das ist voll geil, was ich da gehört habe. Ich schlage jetzt meine Freundin nicht mehr“…, dann haben wir doch einen guten Job gemacht. Dann hat sich was verändert. Das ist, was wir tun können.
Man hat als Musiker eine Verantwortung und deswegen passen wir auch auf, was wir machen. Wenn du eine Mail kriegst, von jemandem, der einen schweren Unfall hatte und er sagt, er habe “Steh Auf“ gehört und hat jetzt neuen Lebenswillen gekriegt, da willst du doch fast heulen, wenn so etwas passiert. Du hast dann Leuten neue Motivation gegeben. Und das ist wunderschön, wenn du sowas erreichst, mit dem, was du machen willst, mit Musik.

rap.de: Geld oder Musik?

Itchyban: Na Musik natürlich. Damit Geld zu verdienen ist zwar auch ein Wunsch, aber damit kannst du ja nicht von Anfang an kalkulieren.
Wir haben zumindest die ersten drei, vier Jahre investiert. Wir haben uns den Arsch abgespielt, auf Bühnen, die kleiner waren als dieser Tisch hier. Wir haben in verpissten Backstages im Schlafsack geschlafen und waren glücklich. Dahin wollen wir aber nicht mehr zurück!

rap.de: Warum nicht? (lacht)

Itchyban: Weil Fünf-Sterne Hotels dann doch besser sind! (lacht)