Afrob

Treffen mit einem Deutschrapurgestein. Viele gibt es nicht mehr, die so wie Afrob das MC Ding durchziehen, ohne Elektro-, Jazz-, oder Kaffehausmusikanleihen. Afrob hält fest an einer Kunstform, die er im Rahmen des Stuttgarter Kolchose Projekts mit Sicherheit zu einem guten Teil mit gestaltet hat. Doch all das ist mittlerweile auch schon fast eine Dekade und Afrobs letztes Album immerhin 4 Jahre her. Viel verändert in der Zwischenzeit. Ist da überhaupt noch Platz auf der Deutschen  Raplandkarte für einen wie Afrob – den Letzten seiner Art? Sebastian und Mo unterhielten sich mit dem Ex-Stuttgarter und Wahlberliner über Comebacks, Veränderungen, Haterism und Politik. Wenn auch das wiederum leicht in die Verschwörungstheorieecke abglitt, so war es doch ein interessantes Gespräch.
rap.de: Okay los geht’s.

Afrob: Okay dann muss ich jetzt ein bisschen ernsthafter sein.

rap.de: Nein, wieso?

Afrob: Also Du bist jetzt mein Feind, der Presse-Mann und Du willst mich jetzt kritisieren mit Deinen Fragen.

rap.de: Ne, auf keinen Fall wir haben nur Standardfragen dabei.

Afrob: War ja nur Spaß. Ich freu mich ja, dass ihr da seid. Ich glaube ihr könntet die einzigen sein, die die Essenz von dem, was ich sage verstehen.

rap.de: Gut. Dein letztes Album ist ja nun auch schon vier Jahre her. Was ist in der Zwischenzeit passiert? Abgesehen von den Filmen und der Arbeit am neuen Album.

Afrob: In den vier Jahren ist schon viel passiert. Nach Hammer“ war es schon schwierig, irgendeinen Punkt zu finden, an dem ich wieder ansetzten kann. Es war ernüchternd für mich nach ASD, also nach so einem Erfolg, dann mit nem Album zu kommen. "Hammer" wurde ja auf jeden Fall den Ansprüchen gerecht, war aber doch schwer vermittelbar gegenüber den Leuten. Ich sag das ja auch in einem Track. Nach "Hammer" lag ich einfach da und hatte keine Ambitionen, direkt noch ein Album zu machen. Dann kam das mit Lisi, auf die Four Music aufmerksam wurde, die wollten das Thema unbedingt machen und da habe ich mich dann auch eingeklinkt. Das hat auch erstmal ungefähr ein Jahr gedauert. Dann war ich zweieinhalb Monate in Haft, das ging ja noch, aber die Zeit danach war relativ schwer, das alles zu verarbeiten. Dann war ich mit Freundeskreis auf dieser FK10 Tour. Das war alles 2007, so dass ich erst 2008 so richtig den Kopf frei hatte, um das neue Album zu starten. Es stand für mich zwar nie in Frage, ein neues Album zu machen, aber ich hatte lange Zeit gar nicht die Muse dazu.

rap.de: In der Zeit, in der Du weg warst, ist ja ziemlich viel passiert im Deutschen Rap. Was ist dein Statement dazu?

Afrob: Das geht natürlich nicht spurlos an einem vorbei. Ehrlich gesagt wird von mir immer erwartet, dass ich das haten würde was zurzeit angesagt ist.

rap.de: Warum?

Afrob: Weiß  ich nicht. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass die Leute von mir immer was Kritisches hören wollen, gegen die Gruppen, die jetzt am Start sind. Aber wer mein erstes Album kennt, und wer "Spektakulär“ kennt, weiß, dass ich schon früher gerne in diese Richtung tendierte. Ich hab auch kein Problem mit Gangsterrap oder den Leuten, die das machen. Was mir am meisten dabei fehlt, ist die Affinität zu HipHop. Ist es jetzt wirklich so geworden wie in Amerika? Gangsters wanna be Rappers and Rappers wanna be Gangsters? Soll auch jeder seine Meinung haben, aber was mich als Rapper stört, ist einfach, dass ich gerne merken würde, dass man sich länger als 2 Wochen mit HipHop beschäftigt hat. Ansonsten finde ich es gut, dass ich diese Entwicklung und besonders den Höhepunkt der Entwicklung nicht persönlich begleitet habe. Denn ich komm jetzt fast wie frisch rüber. Ich fühl mich auch frisch. Ich bin auch frisch. Mir geht es zurzeit wirklich gut. Ich fühl mich wohl, so wie es ist und ich feier Rap in Deutschland, so wie er ist. Eigentlich ist es lächerlich, etwas zu haten, nur weil es nicht deiner Auffassung von HipHop entspricht.

rap.de: Gibt es konkret irgendwelche Leute die du feierst?

Afrob: Also diesen Fard feier ich übel krass. Das neue Album von Snaggah ist hammer. Ich find den Typen als Figur an sich einfach übel geil. Dann hier Fler. Seine letzten zwei Alben finde ich richtig hammer und wenn ich seine Interviews lese oder sehe, muss ich alles revidieren, was ich  je über ihn gedacht habe. Wenn er sagt, er will mehr dieses Rap-Ding machen, dann ist das genau das, was ich meinte: Dass jemand Straßenrap macht und immer noch diesen HipHop Aspekt hat.

rap.de: Du distanzierst Dich ja auch dadurch, dass Du aus einer, sagen wir mal "Anderen Generation HipHop“ kommst. In wieweit lässt sich das mit dem heutigem Business verbinden? Oder in wieweit musst Du Deine eigenen Ideale zurückstellen?

Afrob: Gar nicht. Ich bin musikalisch kein Oldschooler. Ich bin schon wieder eine andere Generation. Dieses Grandmaster Flash Ding habe ich gar nicht miterlebt. Ich bin mit den Leaders of the New School groß geworden. Von daher war ich auch immer jemand, der für den aktuellen Sound ein Faible hatte. Ich denke es ist so, dass ich durch meine Historie die ich zwangsläufig mitbringe, einen klassischen Soundanteile habe. Doch ich sehe zu, dass ich das Album auch topmodern halte. Das sind für mich 80% einer Platte. Das ist auch kein Widerspruch. Ich denke, der Sound ist gut genug, um gegen den Rest zu bestehen. Wenn nicht sogar besser. Tut mir leid, wahrscheinlich bin ich meiner Zeit wieder fünf Jahre voraus.

rap.de: Und trotzdem klingt es nach wie vor nach Afrob.

Afrob: Ja klar. Ich kann das ja auch gar nicht ändern. Ich kann kein anderer Typ sein. Daher kommt auch mein Albumtitel. Ich hör mich immer noch selbst daraus und bringe für mich alles mit was einen Rapper ausmacht. Das ist einfach meine Interpretation von Rap. Dieses klassische, ich komm gerade aus der Schule, mir ist alles scheißegal, let´s do this und lass uns sogar Spaß haben. Das darfst du ja heute gar nicht mehr sagen. “Spaß, wie Spaß? Fick deine Mutter Spaß!“.
Na ja, mir macht Rap nach wie vor sehr viel Spaß und ich hab viel über mich dadurch gelernt. Der letzte Seiner Art eben.

rap.de: Wie kommst du dazu, dich den letzten seiner Art zu nennen?

Afrob: Ich mein ich hab auch überlegt ob ich jetzt mit Crossover mache oder so. Sich neu erfinden. Aber ich konnte diesen Prozess nicht mitmachen. Obwohl ich glaube, dass das gut funktionieren würde, dieses Rock& Rap Zeug, als Projekt kein Thema, aber so als offizielles Afrob Album niemals.

rap.de: Kannst du das, was Samy gerade macht nachvollziehen?

Afrob: Na klar. Bei Samy hat sich das ja auch schon angedeutet. Schon bei älteren Sachen, dass es in der Richtung auf jeden Fall Potenzial gibt. Is aber auch egal was Samy macht oder all die anderen, weißt du? Ich muss das für mich finden. Wie ich mich definiere und wie ich mich von dem abgrenze, was andere Rapper machen?

rap.de: Wobei du ja damals mit Freundeskreis auch schon einen eher musikalischeren HipHop gemacht hast.

Afrob: Ich könnte ja auch ein Gesangsalbum machen. Ich glaube, das könnte ich sogar, aber das ist nicht die Musik, die ich machen möchte. Wenn du das Freundeskreis Ding mit dem vergleichst, was ich danach noch gemacht habe, „Made in Germany“ zum Beispiel. Das Album ist düster, voll in einen Felsen gehauen, weißt du was ich meine? Du bist die ganze Zeit in so einer Kuppel. Und wenn du dann Freundeskreis siehst, dann siehst du auch, dass ich schon immer in eine andere Richtung gegangen bin.

rap.de: Ich sehe das als Nachteil von Heute. Damals gab es eine Menge Leute, die zusammen rumhingen und trotzdem einen unterschiedlichen Sound hatten. Heute klingen viele, die aus demselben Umfeld oder der gleichen Gegend kommen oft sehr ähnlich. Siehst du das auch so?

Afrob: Es gibt einfach keine Szene mehr in diesem Sinne. Das Konzept, dass Leute einander dissen, um selbst Erfolg zu haben, hat leider überhand genommen. Das Leute miteinander ein Problem haben, ist ja kein Thema. So ist Rap ja auch. Wir finden ja auch nicht alles gut, was der andere macht und das kann man auch mal auf einem Track sagen. Wenn das mal passiert, ist das vollkommen okay. Es ist nur schlimm, wenn es notorisch wird und es nur noch darum geht, sich zu dissen und an dem Fame andere Leute hochzuziehen. Das muss ich ja keinem sagen, dass ist ja längst bei jedem Schulhofkind angekommen.
Aber ich finde das jetzt auch nicht zu dramatisch. Es ist auf keinen Fall so, dass ich mir denke: “Oh Gott, deutscher Rap ist am Sack“. Wenn Olli P. auf dem Juice Cover wäre, dann müssten wir uns alle Gedanken machen.

rap.de: Eißfeld hat glaube ich mal gesagt, dass er es gut findet, dass  es schon seit Jahren keinen “Der Wolf“ mehr gab.

Afrob: So siehts nämlich aus. Der Wolf. Hammer dieser Typ. Wie hießen die anderen alle? So was hat heute gar keine Chance mehr. Man muss auch sagen, dass die Majors bei so was gar nicht mehr mitmachen. Diese Ecke haben die komplett zugemacht. Wären die Gangster da nicht angekommen, würden die immer noch solche Leute nachschießen, aber so haben die gemerkt, dass, das nicht mehr geht. Nur noch Hardcore Gangsta Kram.

rap.de: Als ich „Mein Kampf“ gehört habe, kam mir das so vor, als wäre das dein Statement zum Rap Jahr 2009. Hier bin ich wieder und ich hab auch was dazu zu sagen.

Afrob: Nein das finde ich nicht. Mein Kampf beschreibt eher das, was ich eben gerade gesagt habe, meine Kritik am Dissen zum Beispiel. Diesen “Hier bin ich wieder“ Effekt hört man eher auf “Wo sind die Rapper hin“ oder auf “Rosenkrieg“. Ich habe auch nicht das verlangen danach, ein Comeback zu starten, denn ein Comeback ist immer verbunden mit hohen Erwartungen und denen möchte ich mich überhaupt nicht aussetzen.

rap.de: Du sagst auf diesem Song auch, dass “Rolle mit Hip Hop“ Deine schlechteste Platte wäre. Ist das auch ein bisschen ironisch gemeint?

Afrob: Ein bisschen. Es ist natürlich eine gute Platte und für ´99 war das sicherlich ein Super Album. Mich wundert es nur, wenn Leute mir sagen, dass das mein bestes Album ist. Das kann nur jemand sagen, der von Hip Hop keine Ahnung hat oder meine anderen Platten nicht gehört hat.

rap.de: Mit Sicherheit hast du Platten gemacht, die besser produziert waren oder auf denen du technisch besser gerappt hast, aber gefällt Dir z. B. das zweite Wu- Tang Album besser als das Erste.

Afrob: Nein natürlich nicht. Ich verstehe die Leute ja, die sagen, das erste Album wäre das Beste gewesen. Ich sehe das halt nicht so.

rap.de: Fühlst Du Dich ein bisschen reduziert auf “Rolle mit Hip Hop“?

Afrob: Ich fühle mich auf “Reimemonster“, auf diesen Drecksong, darauf fühle ich mich reduziert.

rap.de: Du bist ja aus Stuttgart weggezogen. Wo hast Du Deine neue Heimat gefunden?

Afrob: In Berlin. Das ist zwar jetzt nichts Neues, die Stadt ist mir nicht so fremd. Ich weiß wie der Hase hier läuft.

rap.de: Was hattest Du für Gründe, da weg zu gehen?

Afrob: Es ging halt nicht mehr. Wäre ich da geblieben, wäre ich ein Jahr später wieder in Haft gewesen. Ich musste da weg, bloß abhauen.

rap.de: Fühlst du dich durch Berlin musikalisch anders inspiriert??

Afrob: Heimat ist Heimat. Das ist überall so. Aber Berlin, vor allem die Leute sind extrem inspirierend.

rap.de: Du bist auch nicht der Erste. Fantas, Max Herre, Die Massiven…

Afrob: Die sind alle hier. Ich bin ja der letzte, der aus Stuttgart weggezogen ist. Schowi und Wasi, die sind alle hier.

rap.de: Wie sieht so ein Tag aus bei dir? Arbeitest du?

Afrob: Nein ich arbeite nicht. Ich versuche, meine Tochter so oft zu sehen wie es geht. Ich habe wieder angefangen zu Kiffen. Ich habe ein Jahr aufgehört. Das merkt man auch am Album. Ich hab mit dem Album angefangen ohne zu kiffen und bin dann beim Kiffen zum Kiffer mutiert. Aber die Songs, die mir richtig nahe liegen,… (lacht laut) …sind die Kiffersongs.

rap.de: Nicht die sozialkritischen? Glaubst du, dass andere Einwanderer jetzt durch HipHop leichter Akzeptanz in der Gesellschaft erlangen?

Afrob: Das glaube ich nicht. Ich denke nicht, dass es da einen Zusammenhang gibt. Man muss auch dazu sagen, dass Deutschland vor zehn Jahren, das gibt es so nicht mehr. Wir sind alle angekommen. Alle. Und wer noch nicht angekommen ist, der wird es auch nie. Ich musste es damals, ich hätte nicht in meine eritreischen Comunity zurückkehren können, in meinen Mikrokosmos, das wäre nicht gegangen. Man darf nie vernachlässigen, dass Rap jedem die Chance gibt aufzusteigen und reich zu werden. Man kann es erzwingen, zumindest so, dass du davon leben kannst. Ich rate trotzdem jedem, zur Schule zu gehen. Was würde ich für ein Abitur tun?!?

rap.de: Zu “Hammer“-Zeiten, hast du dieses Eritrea-Hilfswerk gegründet. Machst du das noch?

Afrob: Nein

rap.de: Warum??

Afrob: Weil die Leute dort dachten, ich würde das nur als Promotionfläche nutzen. Und ich hab dann auch nicht versucht, mich da von einer besseren Seite zu zeigen. Ich habe einfach gedacht, ich muss auf anderem Wege das machen, wofür ich mich moralisch verpflichtet fühle.

rap.de: Wie kam es eigentlich zu der Trennung von FourMusic?

Afrob: Das hat sich so ergeben. Das war ein schleichender Prozess, wie eine Ehe. Die Leute mit denen ich jahrelang gearbeitet habe sind gegangen und dazu kam, dass ich einfach alles allein entscheiden wollte, wie zum Beispiel Singles.
Ich war froh über die Single, aber du weißt ja wie Rap ist. Du musst dich immer wieder neu anbieten. Man hat da keinen Bonus, der einen jahrelang trägt, besonders ich nicht. Ich war nie jemand, der wie andere Rapper durch die Szene getragen wurde. Ich war ja so ein Quereinsteiger und hab mir nie die Fanbase aufbauen können, wie viele andere. Und mein erstes Album zum Beispiel wurde von Leuten gefeiert, die nicht die Ur-HipHopper waren aber es trotzdem cool fanden. Deshalb ist es schwierig, wenn einer der Faktoren, die du brauchst, um dich immer wieder anzubieten, dichtmacht. Dann ist der Laden eben abgeschlossen.


rap.de: Ich möchte jetzt in keinen Klischee-Topf greifen, aber du erwähnst schon ziemlich oft Barack Obama.

Afrob: Ja, das hat mich auf jeden Fall inspiriert, besonders die Vorwahlen und Debatten. Ich fand es unglaublich verwunderlich, dass ein halber Afrikaner aus der ersten Generation da hingeht und Präsident wird und dass das bei all den anderen, die seit Generationen in diesem Land leben und den Mechanismus verstehen, nicht funktioniert. Und der schafft das nur mit Pathos. Obwohl Hillary in der Sache an sich schon klüger war. Ich hätte auch eher sie gewählt, wenn die beiden hier zur Wahl gestanden hätten. Was ich auch sehr lustig fand, war das die Texaner gesagt haben ‚I rather vote for a nigger than for a woman!’ (lacht). Er ist ein Phänomen aber ich hype ihn jetzt nicht, oder so.

rap.de: Wird er trotzdem was bewirken?

Afrob: Ach der ist gefickt. Der hat halt kein überschüssiges Budget und kann einfach keine Geschenke verteilen. Der schauspielert ja auch nur, das ist ja nur Theater.

rap.de: Also siehst du das schon kritisch?

Afrob: Solange du die Banken in Amerika nicht kontrollierst, kontrollierst du nichts. Er ist halt eine coole Erscheinung und bewegt die Welt und ich glaube auch, so ein Aufstand wie im Iran wäre ohne ihn nicht möglich, aber mehr nicht.

rap.de: Siehst du durch ihn Veränderungen im Friedensprozess im nahen Osten?

Afrob: Nein. Da kann ich mir nichts vorstellen.

rap.de: Beschäftigt dich das Thema?

Afrob: Mich beschäftigt diese Ungerechtigkeit. Das ist ein langes Thema. Dieses Prinzip Israel/Palästina das lässt sich auch im Großen spiegeln: Der Imperialismus, die Angelsachsen und die Dritte Welt. Und der Terrorismus – das ist alles ein Ding. Das, was die Israelis gerade machen, haben vor ihnen schon die Engländer, Franzosen, Spanier und wie sie alle heißen mit den Dritte Welt Ländern gemacht. Wo fangen wir da an, wenn die sagen: „Wir haben Anrechte auf Palästina!“? Das mag zwar stimmen, aber du kannst doch Leute, die da 2.000 Jahre gelebt haben, nicht einfach so vertreiben. Das muss doch jedem Menschen klar sein. Und klar, ich kann das nachvollziehen, das die denen, nach dem Holocaust irgendwo Land geben mussten, aber wo ist das Land für die Kurden? Und wo ist das Land für die vielen anderen Völker die auch verfolgt werden? Wo ist der Schutz für Tibet? Wo ist, wo ist, wo ist…?  Es geht darum, dass da Menschen eines hoch entwickelten Landes da einmarschieren und unverhältnismäßig Leute töten.  Und wenn ich als Vater sehe, dass Männer ihre toten zweijährigen Babys umhertragen, dann verlier ich auch die Fassung.
Man redet immer von Terrorismus, aber es ist doch klar, dass diese Männer dann Sachen in die Luft sprengen in ihrer Verzweiflung. Die Kindersterblichkeit in diesen Ländern liegt bei zwei Millionen jährlich. Zwei Millionen Kinder verrecken da jedes Jahr, nur weil sie kein Aspirin, Penicillin, kein Antibiotikum haben und die auf der anderen Seite haben alles.
Es ist einfach ungerecht. Und was meinst du, warum die Engländer bei jedem Krieg der Amerikaner dabei sind? Nicht weil sie das richtig finden, was die Amerikaner machen, sondern weil sie wissen, sie haben es selber verkackt: Indien, Iran, Palästina, Sri Lanka, Afghanistan und über die afrikanischen Staaten brauchen wir gar nicht erst zu reden. Da haben sie die Leute kolonisiert, ausgebeutet, ausgeraubt, fast ausgerottet, versklavt und ihr Reichtum beruht auf der Armut dieser Leute. Und das, was sich die Industrieländer mit Blut ergaunert haben, müssen sie jetzt auch mit Blut wieder verteidigen. Einfach weil sich die sogenannten ‚Terroristen’ denken, ihr habt uns Jahrhunderte lang gefickt, jetzt kommen wir und ficken euch.

rap.de: Siehst Du eine Möglichkeit, diesen Konflikt zu lösen in den nächsten Jahren oder Jahrzehnten? Ist eine Auflösung der Ungerechtigkeit realistisch?

Afrob: Ich glaube nicht, dass wir das noch miterleben werden. Man muss darauf hoffen, aber so wie es zur Zeit ist, mit den Leuten, die da am Zuge sind, geht das nicht. Wie sollen denn Liebermann und die Hamas miteinander reden? Man kann vielleicht drei oder vier Generationen warten, bis alle tot sind, aber jetzt gerade geht das nicht.
Weißt du wie viele Palästinenser in Israel leben? Es gibt dort genauso viele Palästinenser wie im Gazastreifen und die leben dort in Flüchtlingslagern! In ihrem eigenen Land! Überleg dir mal, die Franzosen würden kommen und sagen das hätte alles irgendwann mal ihnen gehört und sie wollen jetzt da leben ohne den Wohlstand zu teilen. Also bitte, das sieht doch jeder, dass das ungerecht ist. Oder die Tatsache, dass die dort einlaufen und einen ganzen Häuserblock oder die Straße hochjagen, weil da ein Terrorist lebt, kann doch nicht verhältnismäßig sein. Dass da Kinder und Familien beim Schlafen oder Grillen am Strand getötet werden, einfach umgebracht, das zeigt man hier gar nicht. Das muss doch mal einer sagen können, ohne dass du Antisemit bist. Was soll ich denn, als Afrikaner sagen, wenn mir einer von  sechs Millionen ermordeten Juden erzählt? So what? Sklaverei?! Wie viele Leute sind dabei draufgegangen?! Stehen wir jetzt etwa unter Denkmalschutz? Wenn jemand sagt: „Den Robert Mugabe in Simbabwe finde ich eine Katastrophe“, dann sage ich doch auch nicht: „Du bist ein Rassist“. Wenn ich dann sage: „Israels Politik ist eine Katastrophe“, dann bin ich eben auch kein Antisemit. Excuse me! Sollen wir jetzt einen Wettbewerb machen ‚Who suffers more?’? Ne, tut mir leid. Und dass kein Deutscher sich traut, das so zu schreiben, kann ich schon nachvollziehen, aber es muss auch mal gesagt werden und ich sage es. Das ist mir auch egal, wenn dann der Mossad kommt und irgendwo in Berlin eine U-Bahn entgleist. Die machen so was, glaub mir. Da liegst du dann nicht mit einem Kopfschuss irgendwo im Bad, wo jeder weiß „Oh ja der ist erschossen!“
Alter, die machen ganz andere Sachen. Was ich da schon alles gehört habe…Und nicht nur irgendwelche Stories. Wenn man viel Druck gegen Israel macht, muss man aufpassen. Und das ist nur die Hälfte von dem, was ich dazu zu sagen hätte.
Dieses Israel/Palästina- Ding ist genau die gleiche Scheiße, die wir schon die ganze Zeit erleben. Aber Terrorismus ist scheiße. Kein Selbstmordattentat ist cool. Du gehst in eine Pizzeria und siehst da Kinder und jagst dich da in die Luft, ich meine, was soll das?

rap.de: Ich denke das uncoole an dieser Sache sind nicht nur die Attentate selber, sondern dass da irgendwelche Leute sitzen und den armen Menschen irgendwas erzählen und die am Ende vielleicht noch ein bisschen Geld dafür kriegen…
 
Afrob: Ja, aber dass die überhaupt bereit sind, das zu machen! Der Extremismus auf beiden Seiten muss einfach weg, sonst wird es da niemals Frieden geben. So viel dazu. Ich glaube ich spreche da vielen Leuten echt aus der Seele, einfach schon weil es keine plumpe Kritik ist, sondern weil ich erzähle, was da passiert ist und wie ungerecht das ist.
Langweile ich euch?

rap.de: Nein, überhaupt nicht. Aber lass uns mal wieder über Musik sprechen. Ihr habt einen Track gemacht „ASD Comeback“, wie sieht es damit konkret aus?

Afrob: Ich hab keine Ahnung. Müssen wir uns alle überraschen lassen. Ich hab ja geschrieben, ich schreibe an einem Happy End. Also wir sind da relativ cool und ich denke mal, wenn wir die Zeit haben, machen wir das. Ansonsten – who knows?

rap.de: Okay dann…

Afrob: Es ist niemals zu spät noch mal in sich zu gehen!

rap.de: Ach so eine noch. Hast du auch selber wieder Beats gemacht? Machst du überhaupt noch Beats?

Afrob: Nein. Leider nicht. Ich hab irgendwann mal gemerkt, das ist zu viel Aufwand, das schaff ich nicht, um dort hinzukommen, wo ich hin will. Warum soll ich auch? Ich hab doch hier mit Rocky, meinem Produzenten ein Genie, weißt du?! (lacht)
Und die Jungs machen wirklich viel bessere Beats als ich. Die zwei Beats auf „Made in Germany“, die ich produziert habe, sind keine Weltklasse-Beats, aber sie sind sehr persönlich, deshalb funktionieren die auch.

rap.de: Also der „Afro-Asiate“ ist auf jeden Fall auch mein Lieblingstrack.

Afrob: Ja, der ist auch Diva. Ist auch lustig wie der entstanden ist. Ich hatte nur dieses Streichersample und ansonsten nichts und einen Tag vor der Aufnahme habe ich gesagt „Ey das geht irgendwie nicht. Ich muss da noch was machen!“  Ich schwöre, ich sehe diese indische Platte, pack das Ding da drauf, leg die Nadel auf die Platte und direkt „ding, ding, ding …“ Das ist ja nicht mal richtig geloopt. Einfach nur getriggert, zack läuft durch. Fertig. (rappt den Text) Ich hab da aber auch alles gesagt. Mein Gott. Mit 23 so ein Album zu machen… Excuse me

rap.de: Würdest du das immer noch als Meilenstein beschreiben?

Afrob: Das war mein bestes Album. Mit Abstand!

rap.de: Vielen Dank für das Gespräch.