Interview mit MC Bogy

 

Untergrundlegende. Auf keinen anderen trifft dieser Begriff so zu wie auf MC Bogy. Wobei das natürlich Segen und Flucht zugleich ist. Einerseits der unumstößliche Status, andererseits die immer noch begrenzte Reichweite. Aber Bogy nimmt’s wie es kommt. Unzufrieden wirkt er nicht, als ich ihn in seiner Wohnung in Lankwitz besuche. Ein Kumpel steht schon in der Küche und brutzelt ein leckeres Abendessen. Es gibt Jakobsmuscheln und Rinderfilet. Nobel geht die Welt zugrunde…

Wir sind hier, weil du dein neues Album „Biographie eines Dealers“ am Start hast. Erstmal ist das ja wieder ein sehr konkreter Titel im Vergleich zum letzten Album, „Scarface Matrix“. Dieses Mal ist es konkret auf dich bezogen, und nicht nur der Titel – mir scheint das ganze Album dreht sich viel um deine Vergangenheit.

Genau, ich bin sehr tief in die Thematik reingegangen, auch von einer anderen Sichtweite. So ein bisschen von außen, ich hab einen Seelenstriptease gemacht und bin sehr ins Innere reingegangen. So deepe Tracks hab ich noch nicht gemacht und deswegen ist es „Biographie eines Dealers„.

Was genau hat dich dazu gebracht gerade jetzt so ein deepes Album zu machen?

Was heißt gerade jetzt? Das Album ist seit fünf Jahren in Arbeit. Es ist mein Meisterwerk. Haben wir fünf Jahre dran gesessen, mit Supa Funk und B-Lash und haben den Sound gesucht, gefunden, gemacht. Wir haben hart dran gearbeitet. Das ist mein musikalisches Meisterwerk.

Wenn du sagst, ihr habt am Sound zusammen gearbeitet – wieviel Einfluss kam denn von dir selbst?

Das war ganz anders als sonst. Sie haben mir auch geholfen mit den Hooks, haben mir geholfen beim Schreiben, das heißt nicht geholfen, sondern wir haben eher Kompromisse gefunden wegen den Texten, den Punchlines. Ja, wir haben hart dran gearbeitet, der Traum ist in Erfüllung gegangen. Es ist so entstanden wie ich es wollte.

(Ruf aus der Küche)

Ey man, wir machen Interview grade, Bro, was sollen die Atzen von mir denken, wenn du mich beleidigst aus der Küche?

Woran habt ihr euch bei dem Sound orientiert? Was waren da so die Eckpunkte?

Die haben mich manchmal mit Stevie Wonder-Alben vollgequatscht. Spaß. Supa Funk hört Prince und sowas, der hat den Sound geführt. B-Lash ist sehr retromäßig mit seinen Beats unterwegs. Ist perfekt, genauso wollte ich es haben. Den Sound für die 90er, auch für die neuen Atzen, der Straßensound, den die Straßenatzen gerne hören. Mir war es bewusst, dass ich damit kein großes Publikum fange, weil die Texte nicht Mainstream und die Beats zu soft sind für diese Schiene. Aber ist mir scheißegal, ich hab nur gutes Feedback, hab Leute stolz gemacht und ich bin stolz darauf, dass dieses Album entstanden ist. Das Baby ist so entstanden und genauso wollt ich es haben – ich bin zu 100% zufrieden mit dem Endprodukt.

’ne große Bezugsgröße ist auch G-Funk, oder?

Ja, na klar, sowieso.

Findest du, dass diese Beats dir mehr Raum geben für deine Texte?

Ich rapp auf alles gerne, aber das hab ich mal gebraucht, weil nicht viele können das und ich wollte mal ’n Album machen, zu dem die Atzen mal runter kommen können, weißte, wie ein Joint. Da sind auch Banger drauf, na klar, aber ist viel ruhiger Shit zum Entspannen. Ist genug Krieg da draußen, Negativität und so. Ich wollte auch mal die Liebe ein bisschen spiegeln.

Die negativen Seiten sparst du ja auch nicht aus.

Natürlich, ich glorifiziere ja nichts. Ich hab ja schon immer die Musik gemacht, weil ich das war . Nicht: ich hab nicht den Lifestyle bekommen, weil ich gerappt hab, wie die meisten Rapper, die werden es dann, weil sie drüber rappen. Bei mir war es vorher schon so, ich hab diese Vergangenheit – was soll ich sonst bewältigen, wenn nicht meinen eigenen Kram? Ich rede über mich, ich sag nicht, was meine Atzen gemacht haben. Ich rapp‘ von dem Scheiß, den ich gemacht hab.

Wie sehr ist denn das für dich Vergangenheit, das ganze Zeug?

Du, bei mir wurde vor zwei Monaten wieder die Wohnung gestürmt. Du kommst nicht da raus. Wie ein Zeiger an der Uhr, es kommt immer wieder zurück. Du wirst immer wieder an deine Vergangenheit erinnert. Ich feier mich nicht da drauf, auch wenn jetzt wieder einige sagen, guck mal der Wichser glorifiziert das noch, aber die können mich alle am Arsch lecken, weißte. Ich wurde nur in die Welt reingeboren, ich bin kein Vorbild. Ich bin ein abschreckendes Beispiel und der realste MC, den Berlin hat.

Da würde glaub ich niemand widersprechen.

Na, das muss man sich selber einfach mal zugestehen.

Du sagst, du wurdest da reingeboren. Hattest du jemals die Wahl, da auszusteigen?

Nein, in diese Welt wirste reingeboren. Ich war jung und wurde reinkatapultiert in das System. Ich hab bald gemerkt, dass ich auch nur geboren wurde, um für die Oberen zu arbeiten. Wenn du es jung durchschaut hast, rebellierst du, willst aber trotzdem einen gewissen Lebensstandard haben. Also heuchelst du erstmal, weil du die guten Seiten davon haben willst. Als ich Autoschieber war durfte ich noch gar nicht Auto fahren, hatte aber immer Jeeps und Jaguars am Start. Und ja, ich liebe den miesen Scheiß, jeder weiß, was ich meine, Mann, der West-Berliner Lifestyle.

Also gibt es aus deiner Sicht einfach keinen Ausweg?

Großer, ich hab meine Führungsaufsicht, ich darf nicht mehr Security machen. Ich darf keinen Kampfhund haben, der Ort hier darf immer durchsucht werden, die brauchen nicht mal ein Befehl. Das hier ist ein gefährlicher Ort, durch meine Führungsaufsicht. Das ist so, ich würde es ja gern ändern, aber wenn es grade zu Ende ist, kommt der nächste Scheiß. Großer, ich will echt nicht immer so tun als würde ich es suchen, aber kommt halt oft. Gibt halt viele Problematiken und so.

Was war denn bei dir der Knackpunkt, dass du überhaupt in diesen Lifestyle rein gekommen bist?

Ich glaube der Knackpunkt war, dass ich Probleme im Elternhaus hatte, die ich selber mit reingebracht habe. Dann waren Hausdurchsuchungen und so, dann war viel Ärger, Jugendknast glaub ich dann auch ein paar Wochen, viel Ärger mit meiner Mom. Und auf einmal hatte man alles verkackt. Kein Abschluss, du hast vom Sozialamt gelebt. Ey Mann, man hat hier in Lankwitz Kinder gesehen, die hatten mit 18 ein besseres Auto als dein Vater vor der Tür und sind drei mal im Jahr in Urlaub fahren. Wir haben immer gesagt, ich und meine Brüder, wir sind arm. Meine Mutter meinte immer, ihr spinnt. Sie hatte recht, wir haben gesponnen! Wir hatten ein Reihenhaus, jeder hatte sein eigenes Zimmer. Aber das ist überhaupt so, diese westliche Welt. Wettrüsten, Statussymbole und so. Deshalb sag ich auch, ich wurde da reingeboren, ich hab die Welt nicht gemacht.

Das Problem ist also deiner Meinung dieses Streben nach Wohlstand?

Na, nie zufrieden zu sein. Guck mal, wie viele mir sagen würden, guck mal wie arm der lebt. Aber mir geht’s doch so gut. Guck mal, ich hab doch alles. Viele Sachen vom Wohlstand gefallen mir auch gut, zum Beispiel gutes Essen. Ich bin immer voll dazwischen. Wenn noch alles Natur wäre, könnte man jagen gehen, die Felder bepflanzen, aber das geht halt nicht. Betonwälder  – und da muss man sehen, wo man bleibt.

Und was würdest du jemanden raten, der jetzt vielleicht auch vor diesen ganzen Entscheidungen steht?

Na, erstmal den jungen Leuten, ihre Skills zu schärfen, auf jeden Fall Bildung mitnehmen, Ausbildung machen, beim Sport eifrig sein. Und wenn man keine Ausbildung hat und in der Zeit nix macht, dass man wenigstens im Sport fit bleibt, bereit ist, sich zu bilden und sich mit der Welt auseinander setzen, nicht dem alten Muster folgen von den Vorgängern, die viel falsch gemacht haben.

Und dann kann es klappen mit einer besseren Welt?

Das wird glaub ich nie klappen, Bro, weil es immer zu viele schlechte Menschen gibt. Aber man kann seine Welt verbessern. Weißt du, ich bin Rapper, ich kann meinen Rap verbessern in meiner Rapwelt, mein Umfeld, meine Crew, meine Atzen, in der Hood – aber sonst? Wie kann ich in Afghanistan oder in der Wüste was erreichen? Man muss vor seiner Tür anfangen. Ich will nicht über Politik reden, da kriege ich schlechte Laune. Wir haben gerade gut gegessen, Olli.

Auf dem Album hast du dieses Thema ja auch nicht groß angeschnitten dieses Mal.

Nein, gar nicht. Ich will auch Musik hören die entspannt. Auch mal die rosarote Brille aufsetzen und chillen. Will nicht mit so ’ner Scheiße die ganze Zeit meinen Kopf ficken.

Wie guckst du denn heute so auf die Sachen, die du früher gemacht hast?

Bin ich stolz drauf, hör ich gerne.

Ich meine jetzt nicht nur musikalisch, sondern auch das, was du so gemacht hast. 

Ohne A wäre nicht B. Ohne das Gute wäre nicht das Böse. Ich wäre sonst nicht der, der ich jetzt bin und ich bin zufrieden damit, was ich jetzt für ein Mensch bin. Mit vielen Sachen in meiner Vergangenheit war ich nicht zufrieden und hab ich dann sein lassen oder geändert. Man arbeitet an sich. Ich bin mit mir selbst im Reinen. Ich hab immer noch meine Leidenschaft und bekomm immer noch ein bisschen Cash. Also ist doch allet jut. Ich liebe die Musik, meine Fans lieben die Musik, ich bin zufrieden mit dem, was ich habe. Sollen die erstmal erreichen, was ich habe, dann können die reden. Zeig mir acht Soloalben, 26 BC-Releases an der Wand. Ich liebe diesen Rapscheiß, Bro, ich werde immer rappen. Selbst wenn ich nur zwei CDs verkaufe. Olli kauft eine und ich die andere –  dann sind schon zwei CDs verkauft. (lacht)

Wie siehst du diesen ganzen Zirkus, inzwischen wird ja teilweise relativ viel Geld mit Rap verdient und es wird auch viel geredet, über Verkaufszahlen und Charts.

Viele von denen prostituieren sich da für Geld. Ich nehme die Leute auch gar nicht ernst, weil die Leute, die hohe Verkaufszahlen haben, sind nicht unbedingt die Leute, die ich als MC stark finde.

Was macht einen starken MC für dich aus?

Dass er Wissen hat und auch als Person jemand ist, der was Gutes preisgibt. Du musst von dir was preisgeben, das ist ein guter MC. Natürlich brauchst du auch Skills, aber nicht diese Reimzählerei und so. Das ist einfach so wie beim Boxen. Hauptsache, der geht K.O.. Es ist egal wie du es geschafft hast.

Verfolgst du auch Newcomer? Gibt es Ambitionen, Leute bei NMK zu signen?

Nee, ich muss mich um mich selber kümmern. Mein Partner Ghazy 030 bringt jetzt sein Album über NMK raus. Aber das ist Partnerschaft, das kann man nicht signen nennen. Das ist eine Bruderschaft. Man kann keinen vor dem Ertrinken retten, wenn man selber am Ertrinken ist. Ich probiere mich durchzuhauen, Ghazys Album durc zuhauen und dann mal gucken, was passiert. Weißt du, was soll ich denn noch machen, Olli, die lassen mich nicht oben rein, die Wichser! Für die bin ich zu krank, ein roher zu Diamant, zu reines Dope, die lassen mich nicht oben ran. Was soll ich noch machen? Ich kann die 36 Stunden mit Musik zubomben, wenn ich mal einen von denen kidnappe. Dem setz ich Kopfhörer auf, dann muss er meine Mucke hören. Dann setz ich ihn unter Drogen und dann kommt er raus und macht bei Sony eine Revolution mit meinem Album. Viel Spaß! Fick die Industrie, Mittelfinger an die Industrie!