Blumio

So richtig leicht haben es Gimmick Rapper ja nicht gerade. Denkt man zum Beispiel an Supernatural, jenes amerikanischen Freestyletalent, das dadurch glänzte, sämtliche amerikanische Rapper kopieren zu können. Oder Sentino, der mit seiner Strategie alle Rapper in sich zu vereinen um zu behaupten, er sei Deutscher Hip Hop. All diese Karrieren sind gefloppt, wenn es darum ging, mit einer eigenständigen Künstlerpersönlichkeit an den Start zu gehen. Auch Blumios erster überregionaler Aufschlag gelang ihm mit seinem Parodie und Imitationsvideo "Lieblingsrapper" und man müsste befürchten, dass ihm mit seiner Soloplatte, dem "Yellow"-Album, das am Freitag den 19. Juni erschienen ist, ein ähnliches Schicksal erleidet. Nun hat Blumio aber mit "Rosenkrieg", der ersten Singleauskopplung, einen extrem eigenständigen und künstlerisch wertvollen Ansatz in Sachen Rap Musik vorgelegt, der definitiv überrascht hat. Insofern hat es sich auf jeden Fall gelohnt, den deutsch-japanischen Musikwurzeln des Düsseldorfer MCs nachzugehen.


rap.de: Das Asher Roth-Interview in der neuesten JUICE beginnt mit der Frage: “Kann ein Rapper zu sympathisch sein“? Und mit dieser Frage würde ich das Interview auch gerne beginnen.

Blumio: Aha, meine Außenwirkung hältst du also für sympathisch? Ja okay, ich bin halt generell ein Mensch der gerne grinst. Ich lache gerne und erzähle gerne Witze. Meine Lieblingsfilme sind auch alles Komödien, aber zu sympathisch wäre scheiße. Es ist ja nichts Schlechtes. Es gibt ja auch Rapper die sagen so im Text: “Was geht ab ihr Fotzen?“ und da fühl ich mich auch irgendwie beleidigt. Und deswegen sag ich “Was geht ab liebe Leute, wie geht´s euch?“ Ich denke, die Leute mögen so was auch lieber. Also meine Fans.

rap.de: Dein Logo ist dieses stilisierte Japan-Männchen. Was möchtest du damit transportieren?

Blumio: Etwas Einfaches, leicht greifbare Klischees. Die Leute mögen es einfach. Du kennst das ja. Wenn du in Deutschland zum Beispiel "TV Total“ guckst und es ist irgendwas mit Polen, kommt immer sofort die Assoziation zu "Klauen“, was ich jetzt natürlich nicht gutheiße, aber das ist ein tiefbehaftetes Klischee. Und bei Japan denken die Leute eben an Schlitzaugen, Lächeln, und die Farbe Gelb. Das ist einfach so ein einfaches Logo, was man überall in seine Schulheftchen malen kann oder überall an die Wand. Es ist halt einfach, gelb und auffällig.

rap.de: Wie siehst du deine Chancen auf dem Rap-Markt? Also rein finanziell gesehen, sind da unsympathische Rapper erfolgreicher? Und abseits davon, bist du ja Musiker, also worum geht es dir mehr?

Blumio: Um das Geschäftliche oder das Musikalische? Also fangen wir mal an mit dem unsympathisch/sympathisch Ding. Ich glaube, unsympathische Rapper sind nicht so unsympathisch für ihre Fans, die sind nur unsympathisch für ihre “Gegner“. Die Leute mögen Feindbilder. Und da die auf deren Seite sind, also die Fans von denen und dann praktisch auch diese Feindbilder haben, ist das so diese negative Art von Sympathie. Und ich hab ja keine Gegner, ich bin halt praktisch dieser Pazifist, ne? Ich geh nicht auf die Bühne und sage "Streckt die Mittelfinger nach oben für irgendetwas“, obwohl es ja auch Spaß machen kann, gegen etwas zu sein. Auf Demos zu gehen und so. Vielleicht wollen die Leute ja auch nur Feindbilder haben, weil die im Moment keinen Diktator haben, gegen den sie sich auflehnen können. Aber dieses unnötige Feindbild machen ist halt wirklich nicht mein Stil. Ich versuche einfach, die Leute zu unterhalten. Rap ist ja auch nicht ausgeschöpft. Nur weil Rapper das und das machen, heißt das ja auch nicht, dass man das immer so machen muss. Es gibt ja auch kein Patentrezept für Erfolg. Außerdem gibt es auch Leute wie Outkast, die sympathisch wirken und erfolgreich sind, aber ich will mich ja auch nicht auf meine Sympathie reduzieren. Ich will hauptsächlich mit lustigen Geschichten mit irgendwelchen einfachen Bildern, grafisch oder videotechnisch irgendwie anders zu sein und die Leute unterhalten. Und wenn die Leute mich dazu noch sympathisch finden, ist es doch besser, als wenn mich die Leute auf der Straße beschimpfen. Was auch vorkommt.

rap.de: Die eigentliche Frage war denke ich, ob jemand, der zu sympathisch ist, auch zu wenig Profil hat. Ich glaube, diese Abgrenzungstaktik der Rapper gegen ihre Feindbilder verschafft ihnen und ihren Fans ein gewisses Profil. 

Blumio: Aber zum Beispiel jetzt, wo es viele Abgrenzungs-Rapper gibt, grenzt man sich ja wiederum von denen ab. Denn es gibt ja genug Leute, die das gerade nicht mögen. Ich lese auch oft in Foren oder bei YouTube den Satz: “Endlich mal einer der nicht auf Gangster macht“. Wenn zu viele Gangster- Rapper gibt, ist das ja auch wieder Mainstream. Das, was ich jetzt mache, ist ja auf einmal was ganz anderes und wenn ich das jetzt höre, bin ich was Besonderes. Also bin ich mit meiner Nettigkeit ja schon gegen das Harte.

rap.de: Möchtest du auch gegen das Harte sein? Da gab es in der Vergangenheit ja schon mehrere Versuche. F.R. mit "Rap braucht Abitur“ zum Beispiel.

Blumio: Ich halte das gegen etwas zu sein als einzige Aussage für zu schwach, das bringt nichts. Es gibt ja viele Rapper, die einfach nur andere dissen, aber deren eigene Musik ist scheiße und die haben keinen Erfolg. Wenn du Leute disst, also gegen etwas bist und etwas Kreatives dazu tust, dann hast du auch Erfolg damit. Ich bin ja jetzt nicht gegen irgendwas, aber meine Musik ist ja schon gegensätzlich zu dem, was gerade passiert. Von daher sehen mich die Leute vielleicht als Gegenpol dazu. Ich propagiere ja jetzt nicht nur Liebe, sondern mach auch kleine Geschichten aus meinem Leben oder verrückte, fiktive Dinge. Bringe geile Musik, Gesang, Rap, kleide mich gut und das ist natürlich auch sehr wichtig. Die Idee hinter dem "Antigewaltsong“, ist ja auch, einfach mal das Gegenteil von dem zu machen, was Leute sonst so machen, um Aufmerksamkeit zu erregen.

rap.de: Also der Titel stand vorher? 

Blumio: Ich fand es einfach interessant einen Song zu machen, wo sich jemand mal nicht damit brüstet, anderen auf die Fresse zu schlagen. Irgendwelche Straßenkämpfe haben vielleicht was mit dem Image zu tun aber ich find das jetzt nicht so für die Musik förderlich. Ich bin ja auch kein Mensch, der Gewalt befürwortet. Auch wenn du jetzt mit Manuel in den Ring steigen möchtest.

rap.de: Das hat ja nichts mit Gewalt zu tun. Das ist Sport.

Blumio: Weiß ich nicht, für die Leute ist das das gleiche.

rap.de: Es gibt da schon einen Unterschied. Wenn er in einer Spielothek sitzt und mir Schläge androht, dann ist das Gewalt. Wenn ich sage: “Können wir machen, aber in einem sportlich fairen Wettkampf.“, dann ist das Sport. Und der Unterschied ist mir wichtig, denn ich bin auch gegen Gewalt.

Blumio: Boxen ist Boxen.

rap.de: Darüber kann man sich natürlich streiten.

Blumio: Ich hab ja auch früher als Kind Kampfsport gemacht. Taekwondo bis zum braunen Gürtel.
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rap.de: Aber da geht es auch darum den Gegner zu treffen. Unter sportlich fairen Bedingungen.

Blumio: Ja klar, aber ich weiß nicht. Für mich ist es trotzdem Gewalt. Gegen die hab ich ja auch nichts, aber sich in dem Rap-Kontext zu treffen und sich zu schlagen, ob das jetzt im Ring ist oder auf der Straße, macht für die Leute nicht so den Unterschied.

rap.de: Jetzt kann man ja sagen, dass die Welt voller Gewalt ist. Siehst du das auch so?

Blumio: Absolut. Wir sehen ja was gerade im Iran passiert oder in machen Familien! Alles voller Gewalt!

rap.de: Dann ist die Auseinandersetzung mit Gewalt in Raptexten ja auch gar nicht so abwegig und die sportliche Auseinandersetzung ist halt eine Möglichkeit, damit umzugehen.

Blumio: Na ja, ich meine, die Leute, die sich jetzt im Boxverein anmelden, machen das ja auch nur, um gefährlicher zu wirken, "Oh Yeah, ich bin jetzt im Boxverein, damit ich euch besser boxen kann, ich mach das auch auf der Straße, also kommt mir besser nicht zu Nahe“ Wenn Gewalt zu deren Musik gehört, dann von mir aus. Ich will ja auch nicht sagen, dass ich komplett gegen Gangstarap bin. Ich bin ja für Meinungsfreiheit, jeder soll machen können, was er will. In Amerika kann ein Kanye auch was mit Young Yeezy machen, und das funktioniert. Ich hätte ja auch nichts dagegen, mit Farid Bang was zu machen. Das fände ich definitiv interessant.

rap.de: Wie viele Instrumente beherrschst du?

Blumio: Ich bin Hobbymusiker, ich spiele in meinem Kopf. Aber ich kann den Flohwalzer und habe mal früher Blockflöte gespielt.

rap.de: Ich frage nur, weil du in die in diesem einen Video an einem Klavier sitzt

Blumio: Ach so, bei "Intro“. Nee, da spreche ich nur in den Vocoder rein. Aber wo wir gerade bei dem Musikalischen sind: Ich finde es halt sehr schade, dass im deutschen HipHop das Musikalische so kurz kommt. Ich finde einfach, dass zuviel Show gemacht wird und zu wenig Musik. Show ist gut, aber die Musik sollte nicht dabei auf der Strecke bleiben.

rap.de: Was sind deine musikalischen Einflüsse?

Blumio: Vor allem Rusbeh (Produzent von Blumio, Anm.d.Verf.), der mir 20 Jahre Musikgeschichte voraus ist. Der zeigt mir halt Platten und Bands, ältere Musik. Dafür kann ich mich auch immer mehr begeistern, egal ob das jetzt die Beatles sind oder Queen. Auch so schwarze Musik aus den 70ern oder KRAFTWERK. HipHop-mäßig feier ich eigentlich alle, die etwas Neues und Innovatives machen. Timbaland oder Kanye, Eminem fand ich früher auch geil, genauso wie Jay-Z.

rap.de: Wo siehst du deine Zukunft in dieser Musikwelt? Mit welchem Publikum? Mit welcher Struktur?

Blumio: Immer als Gegenteil zu Stillstand. Wenn ich mich selber langweilen würde, würde ich was anderes machen.

rap.de: Auch wenn du dabei Erfolg haben würdest?

Blumio: Hm, also wenn ich damit Erfolg haben würde, dann würde ich vielleicht darauf achten, ein paar erfolgreiche Elemente in meine neuen Sachen einzubauen. Man muss ja auch wirtschaftlich denken. Aber ich würde trotzdem was Neues ausprobieren. Ich werde jetzt ja auch nicht von heute auf morgen Gangstarapper, so krass wird die Veränderung für die Leute ja auch nicht. Aber wenn du irgendwas machst, was den Leuten gefällt, dann kannst du dass ja auch nur eine begrenzte Zeit ausreizen. Irgendwann sind die Leute gelangweilt.

rap.de: Die Fantastischen Vier machen jetzt auch seit 20 Jahren dieselbe Musik und sind erfolgreich damit.

Blumio: Das würde ich jetzt so nicht sagen, die haben sich ja auch immer wieder neu erfunden. Ein anerkannter Musiker zu werden und damit Geld zu verdienen, das ist natürlich auch mein Ziel.

rap.de: Welchen Stellenwert in deiner Erwerbstätigkeit nimmt das Musik machen ein?

Blumio: Erst mal kam ja ein gewisser Bekanntheitsgrad durch “Lieblingsrapper“. Ich kann überall in Deutschland rumlaufen und die Leute, die sich ein bisschen mit Hip Hop auskennen, erkennen mich auch. Nur sind das halt keine Fans. Auch wenn ich zwei Millionen Klicks auf Youtube hatte, sind das ja keine Fans, sondern Leute, die den Song einfach lustig fanden. Dadurch sind die Leute aber vielleicht auf meine Musik aufmerksam geworden, vorher hat sich die ja niemand angehört. Jetzt komme ich mit meinem ersten Soloalbum und von den Leuten, die sich das jetzt kaufen, weiß ich, dass das richtige Fans sind. Gerade überlege ich, wo ich bin und wo ich stehe. Die Videos kommen ja sehr gut an, auch ohne jemand zu dissen. Das ist schon mal nicht schlecht.

rap.de: Wer hat die Ideen zu den Videos gehabt?

Blumio: Zu "Antigewaltsong“ und "Rosenkrieg“?  Die Ideen geben ja eigentlich die Songs schon vor. Da waren auch viele Zufälle im Spiel. Bei “Antigewaltsong“ sind wir einfach losgezogen und haben das Video gedreht. Da waren zum Beispiel diese Skaterkids, die ein Autogramm haben wollten, worauf wir gesagt haben, dass sie mitmachen sollen. Wir hatten da auch ein bisschen Glück, aber alle Leute, die in diesem Video vorkommen, sind enge Freunde von mir.

rap.de: Jetzt finde ich es für einen Rapper, der so gut andere Leute nachmachen kann und in der Lage ist, so einen Gimmicksong zu machen, oftmals so, dass seine eigene Musik gar nicht wahrgenommen wird. Hast  du das auch so empfunden?

Blumio: Am Anfang, als es diesen Hype um “Lieblingsrapper“ gab, kamen wirklich viele, die meinten, dass das cooler war, als das was ich sonst mache. Allerdings kennen viele Leute, die “Antigewaltsong“ geil finden, “Lieblingsrapper“ gar nicht. Momentan kann ich mich nicht beschweren, denn es ist noch keiner angekommen und hat gesagt, “Lieblingsrapper“ ist geiler.

rap.de: Supernatural konnte auch immer sämtliche Leute nachmachen und war eine richtige Freestylekanone, aber für sein Album hat sich dann niemand interessiert. Sentino hat ja auch mal dieses “Ich Bin Deutscher Hip Hop“ Video gemacht und hat früher auch hart nach Savas oder Samy Deluxe geklungen, ist dann aber auch gefloppt.

Blumio: Was soll ich jetzt dazu sagen. Es ist einfach schwer, besser zu sein als “Lieblingsrapper“, weil das ein sehr unterhaltsamer Song ist und er diesen "Wow!“-Effekt hat. Es hat mich aber auch angespornt, denn Songs wie “Rosenkrieg“ und “Antigewaltsong“ fallen komplett aus dem Rahmen und sind vielleicht auch der Grund, warum mein Album so geil geworden ist, wenn ich mich hier selbst kurz lobend erwähnen darf. “Lieblingsrapper“ schön und gut, aber was ich jetzt gemacht habe, kann sonst auch keiner.

rap.de: Wie ist der “Rosenkrieg“ Song entstanden, denn der ist ja schon wirklich außergewöhnlich, auch von seiner Musikalität her.

Blumio: Zunächst hatte ich die Idee und den Songtitel. Ich dachte mir, Frau und Mann, Rosenkrieg, das wäre doch super lustig.

rap.de: Man muss ja auch erst mal eine weibliche Stimme kriegen, die das umsetzten kann, denn das ist ja keine Soul/R´n´B Stimme, sondern das klingt nach Oper.

Blumio: Also von Zemine wussten wir ja schon, dass sie singen kann, sie hat Don Tone einfach über MySpace angeschrieben. Die Hook singt aber Yvonne und das ist eine richtige Opernsängerin. Wie gesagt, wir wussten einfach, dass sie singen kann und sie hat ja mit “Rush Hour“ auch schon Erfahrung gesammelt. Wir haben den Beat dann erst mal grob zusammen gebastelt, dann hat der Jürgen noch seine Streicher drunter gepackt und dann haben wir erst mal so ein kleines Brainstorming abgehalten. Meinen Text habe ich dann in relativ kurzer Zeit geschrieben und so ist der Song entstanden. Wir sind dann auch zusammen in die Gesangskabine gegangen und teilweise habe ich sie mir richtig gepackt. Wir haben uns wirklich ein bisschen gezofft und sie hat mich sogar am Hals gepackt. Ich glaube, sie hatte zu der Zeit auch ziemlichen Liebesstress und deswegen hat das von der Emotion sehr gut gepasst und das kommt denke ich auch rüber. Die Hook ist wie immer sehr schön und eingängig.

rap.de: Im Video ist ja auch eine schauspielerisch einigermaßen ansprechende Leistung zu sehen. Hast du dahingehend irgendwelche Ambitionen? Rapper wollen ja immer Schauspieler werden.

Blumio: Ganz ehrlich? Ja! Ich habe aber das Problem, dass Asiaten im Film immer Touristen, Kung Fu Kämpfer oder Geschäftsmänner sind. Manche arbeiten noch im China Restaurant.Wenn ich aber auf meine Generation schaue, dann arbeiten die meisten bei Promotion Agenturen, Modelabels oder sind ganz normale BWL Stundenten. Andere studieren Philosophie oder arbeiten auf dem Bau. Wir arbeiten ja nicht nur in Sushi und Chinarestaurants.
 
rap.de: Gibt es eine Beziehung zwischen dir und der asiatischen Community in Deutschland?

Blumio: Ich merke schon, dass viele Asiaten sich mit mir identifizieren und meine Musik auch mögen. Ich habe ein Snippet mit Video hochgeladen, das vom Japantag in Düsseldorf ist. Da kommen dann sämtliche Asiaten oder Japan Fans und verkleiden sich wie irgendwelche Manga Figuren. Als Jugendlicher identifiziert man sich natürlich mit Leuten, die einem ähnlich sehen, allerdings würde ich mir meine Freunde nie nach irgendwelchen ethnischen Minderheiten aussuchen. Ich habe türkische, arabische, persische, deutsche und asiatische Freunde. Wer nett ist, ist mein Freund.

rap.de: Jetzt gibt es in Asien aber eine große Rivalität zwischen den einzelnen Ländern und gar nicht diese “Wir sind alle gleich“ Mentalität. Ist das in Deutschland anders? Versteht man sich tatsächlich mit anderen Asiaten besser?

Blumio: Man sagt ja, dass es wegen dem zweiten Weltkrieg noch eine Feindseligkeit zwischen Japan und Korea oder Japan und China gibt. Gerade auch alte Menschen haben damit noch zu kämpfen und irgendwie hab ich auch Verständnis dafür. Was im zweiten Weltkrieg von Japan aus gelaufen ist, ist wirklich eine Schande, auch wenn das viele Politiker nicht wahr haben wollen. In Deutschland wird immer viel über den zweiten Weltkrieg geredet und das man das auf keinen Fall vergessen kann. In dieser Hinsicht habe ich da großen Respekt davor, dass man diese Vergangenheitsbewältigung hier so intensiv betreibt. Es ist auf jeden Fall so, dass man die eigene Schuld, die natürlich immens ist, auf sich nimmt und versuch aufzuarbeiten, auch wenn es für das Image schädlich ist, was in Japan meiner Meinung nach noch zu wenig getan wird. Von daher verstehe ich das schon, wenn ältere Menschen immer noch etwas feindselig sind, aber bei den Jüngeren sehe ich das eigentlich nicht. Eine der besten Freundinnen meiner Mutter ist zum Beispiel Koreanerin. Viele Fans von mir sind Koreaner. Das liegt auch daran, dass für viele hier alle gleich sind. Es gibt Koreaner, Japaner, ach das ist doch eh alles das Gleiche. Deshalb entwickelt man wahrscheinlich dieses asiatische Gefühl.

rap.de: Das interessiert mich natürlich schon. Weil das auch eine sehr spezielle Einwanderergruppe ist, die sich durch eine ziemlich extreme Assimilation auszeichnet. Ich glaube, dass Asiaten weniger Probleme haben, schnell in einem neuen Land erfolgreich zu sein, als andere Immigranten. Auch wirtschaftlich.

Blumio: Also, ich will jetzt nicht sagen, dass das an der Erziehung liegt, aber die werden auch ein bisschen gedrillt. Insbesondere was das Lernen angeht. So war meine Mutter ja auch, aber ich war ihre große Enttäuschung. (lacht) Meine Schwester war da immer ein bisschen besser und deshalb habe ich da auf jeden Fall sehr viel Ärger und Prügel kassiert. Am Anfang war ihr das glaube ich ein bisschen peinlich, aber mittlerweile hat sie das akzeptiert. Aber ich kenne das schon aus meinem Bekanntenkreis, dass die Leute da sehr hinterher sind, Abitur zu machen und sich zu bilden, wobei ich nicht sagen will, dass Nicht-Asiaten das nicht machen. Aber wirtschaftlich gesehen, so von der Einstellung her, glaube ich schon, dass viele Chefs eher etwas gegen Araber und Türken haben, als gegen einen Japaner. Was jetzt aber das Rassistische angeht, glaube ich, dass ich mehr Probleme hatte, als jemand aus einem anderen Land – dadurch, dass es eben in Deutschland nicht so viele Japaner gibt. Sachen wir "Schlitzauge“, "Jackie Chan“ und so weiter sind wirklich Sprüche, die ich früher jeden Tag zu hören bekommen habe.

rap.de: Wie bist du damit umgegangen?

Blumio: Am Anfang wollte ich auf die losgehen, aber irgendwann habe ich dann drauf geschissen. Das ist auch so eine Art Erwachsenwerden. Irgendwie willst du es denen zeigen, aber im Endeffekt sind sie einfach nur dumm. Mittlerweile glaube ich auch, dass die Leute immer offener gegenüber der asiatischen Kultur werden. Dass Asiaten eben nicht nur diese akribischen Arbeiter sind, oder mit China-Restaurants oder Jackie Chan assoziiert, sondern mit Tokio als moderner Stadt und mir vielleicht auch so ein paar andere Bilder gezeigt werden. Dass wir eben nicht nur die dummen Schlitzaugen sind.

 

rap.de: Hast du das Gefühl, dass es da so gewisse Vorurteile auch innerhalb der Hip Hop Szene gibt?

Blumio: In der Hip Hop Szene eigentlich nicht. Klar gibt es da auch Rassismus, aber eher dann, wenn es um Disstracks geht. Wenn Leute zum Beispiel Kay One dissen, dann sagen die auch immer "Thainutte“ oder "Schlitzauge“. Das finde ich nicht ok, das ist richtig scheiße. Das ist für mich absoluter Rassismus, aber abgesehen davon finde ich so was in der Hip Hop Szene eigentlich gar nicht. Die Leute beneiden mich teilweise um meine asiatische Herkunft, weil ich dadurch etwas Besonderes bin.

rap.de: Wie ist denn eigentlich dein Verhältnis zu Japan? Bist du da oder hier in Deutschland geboren?

Blumio: Ich bin in Deutschland geboren, aber bis zur dritten Klasse in die japanische Schule in Düsseldorf gegangen. Zu Hause bei mir wurde immer japanisch gesprochen und bis auf die letzten vier Jahre war ich auch immer regelmäßig in Japan. Ich gucke mir auf Youtube auch immer lustige Comedysendungen aus Japan an. (schmunzelt) Das steckt einfach alles in mir, deshalb kann ich das auch nicht leugnen. Ich habe da auf jeden Fall einen starken Bezug zu.

rap.de: Wenn ich mir zum Beispiel die japanische Industrie angucke, dann denke ich immer, dass das total verrückte Menschen sein müssen, die ganz anders leben als ich. Wenn du nach Afrika gehst, denkst du dir auch, dass die Leute da anders drauf sind, aber da sieht es eben auch anders aus als hier.

Blumio: Das Besondere an Japan ist ja diese Diskrepanz zwischen Tradition und Moderne. Für Fortschritt sind die immer zu haben und wollen auch immer alles verbessern. Die adaptieren irgendwelche Autos und Techniken und versuchen dann, das zu verbessern. Deshalb ist ja Toyota so weit vorne, das ist alles hart erarbeitet. Aber genau so steckt in ihnen dieses Traditionelle, Respekt vor den Älteren und so. In jeder japanischen Familie.

rap.de: Aber in welchem Geisteszustand lebt der durchschnittliche Japaner? Sieht er sich als Sandkorn in einem…

Blumio: (unterbricht) Das ist ja das, was man leicht denkt. Leute als Masse zu sehen und ihnen vielleicht sogar menschliche Züge abzusprechen. Wenn man irgendwo so eine Menge von Japanern steht und irgendetwas Schreien hört, vergisst man leicht, dass das eigenständige Menschen sind. Klar gibt es andere Umgangsformen, aber die grundmenschlichen Bedürfnisse nach Liebe, Spaß, Bestätigung und so weiter, sind in jedem drin. Ich kenne sowohl von Japan als auch von Deutschland positive und negative Seiten, aber wenn wir hinter all diese Vorurteile gucken, stellen wir fest, dass wir alle intelligente Menschen sind. Das habe ich, um mal auf die Musik zurück zu kommen, auch in meinem neuen Video "Hey Mr. Nazi“ gesagt.

rap.de: Könntest du jetzt also auch einfach ein paar Jahre in Japan leben?

Blumio: Nein, glaube nicht. Also zumindest nicht in Tokio. Das ist alles so viel, diese Menschenmassen auf engem Raum… Außerdem will ich irgendwie einzigartig sein, weißt du? Ich genieße auch diesen Exotenbonus, den ich in Deutschland habe, und in Japan habe ich irgendwie Angst, in der Masse zu versinken.

rap.de: Wenn du hierher für alle eine japanische Eigenschaft importieren könntest, welche wäre das?

Blumio: Respekt. Das fehlt mir hier in Deutschland sehr. Jetzt mal so ein ganz billiges Beispiel: Was die Leute zum Beispiel unter Youtube-Videos schreiben von wegen "Dieser Hurensohn“, "Ich ficke seine Mutter“ und so weiter – das will ich ja auch nicht von meinen Fans, dass die so was schreiben. Man sollte sich schon untereinander respektieren und in Japan merkt man einfach, dass da ein Grundrespekt voreinander da ist.

rap.de: Welche deutsche Eigenschaft würdest du dir in Japan wünschen?

Blumio: Auf jeden Fall Fußball! (lacht) Manchmal denken Japaner auch zu viel nach. Da würde ich mir mehr dieses plumpe, praktische aus Deutschland wünschen. Dieses Direkte. In Japan ist sehr viel nur Oberfläche, aber manchmal wäre etwas mehr Oberfläche in Deutschland auch ganz gut.

rap.de: Wie würdest du dich technisch im deutschen Rap einschätzen?

Blumio: Ich achte schon auf Technik. Dass die Reime gut klingen, dass die Stimme gut klingt, dass der Flow gut klingt… Bei manchen liegt da eben mehr der Fokus drauf, bei manchen weniger. Es ist leichter, technisch gut zu sein, weil dann eigentlich egal ist, was du sagst. Wenn du eine Story hast, die du von vorne bis hinten in deinem Kopf fertig konzipiert hast und dann noch aufs Blatt bringen musst, ist es schwieriger, da auch noch einen guten Flow rein zu bringen. Bei manchen Songs achte ich mehr drauf, bei manchen weniger, an sich zähle ich mich aber schon zu den besseren Rappern in Deutschland.

rap.de: Wie bist du zu Rap gekommen?

Blumio: Eigentlich durch Rockmusik. Die erste CD, die ich mir gekauft habe, war von Body Count und dann habe ich erst erfahren, dass Ice-T auch Rap macht. Dafür habe ich mich dann begeistern können, habe immer mehr und mehr gehört und dann war ich dem verfallen.

rap.de: Wie geht es jetzt weiter mit dir?

Blumio: Das "Yellow“-Album ist draußen und wir haben ein Label und einen Internetshop gegründet. Ich will weiterhin Musik machen, weiterhin die Leute unterhalten und damit den größtmöglichen Erfolg erzielen. Nach oben sind da keine Grenzen. Ich lebe auch noch nicht komplett von meiner Musik, sondern studiere alibitechnisch. Ich sag aber nicht was, sonst kommen die Leute da hin. Eine Sache möchte ich übrigens noch zu Internetdownloads sagen: Für mich sind solche Leute keine Fans. Ich verachte Leute, die mich mögen und das machen sogar mehr, als die, die mich gar nicht mögen. Die geben für das, was sie lieben, noch nicht mal Geld aus. Vielleicht haben manche durch solche Aussagen Angst, ihre Fans abzuschrecken, aber ich finde das unmöglich. Ich als Musiker sehe das nicht ein, dass jemand meine Musik klaut. Es gibt mir nur dann eine Befriedigung, wenn die Leute meine Musik kaufen und den Wert davon zu schätzen wissen. Das wollte ich nur noch mal sagen.