Woroc

Mitten unter der Woche, an einem sonnigen Nachmittag treffen wir uns mit Woroc. Das Mellowvibes Büro, die labeltechnische Heimat des Produzenten, liegt in dem Teil der Hauptstadt, der in Broschüren sehr gerne als "Mitte" bezeichnet wird, eigentlich aber schon zu Wedding gehört. Der gebürtige Kroate veröffentlichte vor kurzem seine erste Doku-DVD "24 Stunden in Berlin" und produzierte auch fleißig für das ein oder andere demnächst erscheinende Album. So zum Beispiel für das kommende Release von MOK sowie das Kollegah und Farid Bang Kollabo-Projekt "Jung, Brutal, Gutaussehend". All das sind definitiv Gründe, mit dem Mitdreißiger zu sprechen. Wer sich also schon immer für die Besonderheiten der Rap City Berlin in all ihren Facetten, sowie Kreativitäts-schluckende Winterdepressionen interessiert hat, ist mit dem folgenden Interview mehr als bedient.

rap.de: Du hast eine DVD namens “24 Stunden in Berlin“ raus gebracht. Warum?

Woroc: Ich hatte schon vor vier fünf Jahren eine Idee für einen Kurzfilm beziehungsweise eine DVD, aber ich konnte mich nicht richtig entscheiden. Die ganze Zeit war es auch schwer das zu realisieren, weil ich das Label und die Vertriebe gewechselt habe. Hier bei Mellowvibes Records habe ich jetzt aber meine Ruhe gefunden und deswegen habe ich das jetzt umgesetzt.

rap.de: Was war der Grundgedanke hinter der DVD? Du hast gerade gesagt, dass du das schon immer machen wolltest, aber was war die Intention hinter dem Projekt?

Woroc: Jetzt kommen die komplizierten Fragen. Die Idee dahinter ist einfach, dass ich morgens wach werde, mir eine Kamera schnappe und wahllos irgendwelche Leute anrufe mit denen ich in Berlin zu tun habe, diese spontan treffe, die Kamera drauf halte und schaue, was sie zu sagen haben. So ist die DVD entstanden. Es ging von morgens bis in die Nacht hinein, insgesamt 21 Stunden. Eigentlich müsste die DVD "21 Stunden in Berlin“ heißen, sie heißt jetzt aber "24 Stunden in Berlin“.

rap.de: Du hast also quasi einen ganz normalen Tag in deinem Leben dokumentiert?

Woroc: Nein, so war es auch nicht. Ich habe die Leute einfach angerufen und gefragt, wo sie sind. Manche sind gerade erst wach geworden, andere waren gerade einkaufen und wieder andere kamen von einem Auftritt. Wenn sie Zeit hatten, dann bin ich zu ihnen gefahren oder wir haben uns irgendwo getroffen und dann habe ich einfach die Kamera drauf gehalten. Das interessante daran ist, dass die Leute nicht gewusst haben, dass ich sie filmen werde.

rap.de: Gibt es denn so eine große Dissonanz zwischen dem, was die Leute in ihrer Musik erzählen und deren realem Leben?

Woroc: Ja klar, die gibt es auf jeden Fall. Der eine sagt zum Beispiel, dass er einen dicken BMW fährt, eine Breitling trägt und sowieso der Überpimp ist und in Wirklichkeit fährt er dann einen Golf 1, wobei er nicht mal Geld für Benzin hat. Die Leute, die die DVD gucken, müssen selbst entscheiden, wie die Leute wirklich drauf sind. Nicht jeder gibt sich so wie er ist.

rap.de: Auf der DVD werden ja auch immer die Videos der jeweiligen Künstler eingespielt und da sieht man unter anderem auch Szenen vor einer Parkgarage mit teuren Autos.

Woroc: Du meinst Jasha und El- MO, oder? Letztlich muss das aber jeder selbst wissen, was er von sich zeigt und was nicht.

rap.de: El- MO spricht aber kurz darauf darüber, wie hart es ist, von Hartz 4 zu leben. Das widerspricht sich ja auch.

Woroc: Aber das ist letzten Endes das Problem der Künstler, wie die sich nach außen hin darstellen, wie die ihre Musik verkaufen wollen und wie die wirklich leben. Auf der DVD geht es aber auf keinen Fall darum, die Künstler irgendwie negativ darzustellen, sondern darum zu zeigen, wie die Leute wirklich drauf sind. Ich wollte auch auf jeden Fall diese klassische Interview Situation vermeiden, deshalb habe ich den Leuten auch keine Fragen gestellt. Ich habe die Leute einfach gefragt, ob sie was Interessantes zu sagen haben und dass ich das gerne für eine DVD verwenden würde. Was die Leute dann gesagt haben, hat jeder selbst entschieden. Mir liegt es aber absolut fern, irgendjemand auf der DVD bloß zu stellen, zumal ich mit allen Künstlern freundschaftlich und auch geschäftlich zu tun habe.

rap.de: Auf der DVD steht unter anderem, dass die darauf vertretenen Rapper repräsentativ für die Berliner Hip Hop Szene stehen. Nun sind darauf aber vorwiegend Künstler vertreten, mit denen du direkt zu tun hast und größtenteils auch schon zusammengearbeitet hast. Stehen diese Künstler wirklich repräsentativ für die Berliner Hip Hop Szene?

Woroc: Natürlich repräsentiert die DVD nicht alles. Wenn du dir die Szene in Berlin anschaust, dann hätte ich ja 10 DVDs machen müssen, um alle drauf zu haben. Man kann die ganzen Leute ja auch nicht totschweigen. Wenn jemand rappt und auch rappen kann, dann gehört er meiner Meinung nach zur Szene. Um die Berliner Szene wirklich repräsentieren zu können, hätte ich aber wie gesagt 10 DVDs aufnehmen müssen. Ich hätte bestimmt noch 50 weitere Leute zusammen gekriegt mit denen ich cool bin, aber es hatten auch nicht alle Leute Zeit. Manche hatten Auftritte und viele waren zu der Zeit einfach nicht in Berlin.

rap.de: Welche Leute die drauf sind, stehen denn für welche verschiedenen Rapstile in der Berliner Szene?

Woroc: Das kann ich so genau gar nicht sagen. Das variiert ja auch immer hinsichtlich der Aussagen der Leute. Manche sind heute noch Gangsta-Rapper, morgen schon Mainstream und am nächsten Tag dann sozialkritisch. Insgesamt machen die Rapper, die auf der DVD sind, aber alle eher straßenlastige Musik. Daher kommt auch der schwarz/weiß- Look, denn ich wollte schon, dass die Optik den Leuten entspricht. Ein MC Basstard ist halt ein MC Basstard. Der rappt seinen Horrorshit. Massiv macht Straßen/Gangsta Musik. MOK ist auch drauf, der ja sehr für sein Rumgedisse bekannt ist. Auf der anderen Seite habe ich auch Leute wie Joe Rilla drauf, die meiner Meinung auch harten Hip Hop machen, aber jetzt nicht explizit für die Straße stehen, sondern eher eine gute Mischung aus Straße und Mainstream machen. Darüber hinaus sind noch Leute drauf wie Jasha, DOA 21, der auch keinen Straßen-Hip Hop macht, Colos und Dissput und noch tausend andere Leute.

rap.de: Würdest du sagen, dass die meisten Leute, die in Berlin rappen, diese Straßenschiene fahren?

Woroc: Ja schon, aber das ist auch das Problem. Alle fahren diesen Film, weshalb das Thema erstens mittlerweile ausgelutscht ist und zweitens sehr viele Leute zu Wort kommen, die mit der Straße nichts zu tun haben, sondern meines Erachtens zu viele Filme gekuckt haben und jetzt einen auf Gangsta-Hip Hop machen Nach außen hin wirkt es auf jeden Fall so, dass jeder MC der aus Berlin kommt, automatisch ein Gangsta ist, was ich sehr schade finde. Es ist auf jeden Fall schade für Leute wie Liquit Walker, der auch auf der DVD ist, dass die automatisch mit diesen Gangta-Sachen verbunden werden, nur weil die aus Berlin kommen. Man muss ja nur mal bei euch auf die Seite schauen. Wenn man sich irgendein Video anschaut oder irgendeinen Song anhört, der aus Berlin kommt, dann schreiben da gleich irgendwelche Pisser, dass das doch sowieso für den Arsch ist, dass das doch wieder nur so ein Möchtegern aus Berlin wäre. Problematisch bei der ganzen Sache ist einfach, dass die Leute, die nach außen hin Berlin repräsentieren, sich nicht so geben wie sie sind, weshalb die meisten denken, dass in Berlin jeder ein Eierkopf ist. Die Leute wiederum, die eine kriminelle Vergangenheit haben, das schon seit Jahren machen und ein Recht haben, solche Musik zu machen, werden einfach nicht mehr ernst genommen.

rap.de: Es nimmt ihnen ja keiner das Recht, solche Musik zu machen, aber würdest Du sagen, dass jemand, der bildhaft darüber rappt Leute zu erschießen, nur das Recht dazu hat, wenn er wirklich schon mal jemanden erschossen hat?

Woroc: Man muss da schon die Unterschiede betrachten. Wenn jemand darüber rappt, wie er Leute erschießt, dann habe ich damit kein Problem, denn jeder kann ja machen was er will. Es geht einfach darum, dass die eine bestimmte Gegend oder Stadt repräsentieren, die deswegen in den Dreck gezogen wird. Dadurch, dass es einfach so viele gibt, die jetzt solche Musik machen, fallen wir negativ auf und ich bin einfach der Meinung, dass jemand, der das nicht lebt, auch nicht darüber quatschen sollte. Mir persönlich gefällt es nicht, wenn jemand zwei Tage in U- Haft war und dann erzählt, er war im Knast, hat einen Riesenschwanz und dicke Eier.

rap.de: Du hast in einem anderen Interview schon gesagt, dass es dir wichtig ist, dass jemand 100% authentisch ist.

Woroc: Auf jeden Fall. Es ist eigentlich völlig egal welchen Stil jemand hat, aber wenn er sich für einen bestimmten Stil entscheidet, dann sollte er auch dazu stehen. Oft ist es einfach so, dass gerade Leute die solche Musik machen, den ganzen Tag zu Hause sind, das Telefon abgeschaltet ist und die nie zu finden sind, wenn es wirklich Stress gibt.

rap.de: Musik ist aber doch in erster Linie Kunst. Wenn jemand qualitativ hochwertig eine Geschichte erzählt und einfach ein guter Rapper ist, hat er dann keine Daseinsberechtigung?

Woroc: Es hat alles eine Daseinsberechtigung. Aber es ist schon ein Unterschied, ob jemand eine Geschichte gut erzählt und der Rap gut verpackt ist oder wenn jemand die ganze Zeit nur erzählt, wie krass er ist und dabei den Takt nicht mal trifft. Das ist dann auch keine Kunst mehr für mich.

rap.de: Mit welchen Hip Hop Künstlern bist du aufgewachsen?

Woroc: Run DMC, Public Enemy und solche Sachen.

rap.de: Fehlt dir so was aktuell?

Woroc: Absolut. Hip Hop wird wahrscheinlich auch nie wieder da hinkommen. Durch diese ganze Bling Bling Kacke ist doch alles gefickt. Das letzte Grandmaster Flash Album, was ich mir gegeben habe, war auch absoluter Schmutz. Was für ein Scheiß Album. Hast Du es gehört? So ein Schmutzalbum habe ich lange nicht mehr gehört. Ich war richtig enttäuscht. Ich höre mir diesen Typen nie wieder an, obwohl ich mal ein Fan von ihm war. Er hätte einfach nicht versuchen sollen, den Nerv der Zeit zu treffen. Dieser Mann ist Oldschool und so ein Album hätte er auch machen müssen.

rap.de: Vielleicht wollte er sich künstlerisch weiterentwickeln.

Woroc: Das kann sein, aber meinen Geschmack trifft das nicht.

rap.de: Du arbeitest ja aber auch innerhalb der Szene. Ist es nicht schwierig für dich, mit den ganzen Leuten zusammen zu arbeiten, wenn du von der Szene ziemlich abgeturnt bist?

Woroc: Ich bin nicht von der Szene abgeturnt. Von den Leuten mit denen ich arbeite, bin ich auf keinen Fall abgeturnt. Diese Leute, für die ich produziere, sind für mich auch authentisch. Die meine ich nicht mit dem, was ich vorhin gesagt habe. Mit den Leuten, mit denen ich zusammenarbeite, macht es ja Spaß zu arbeiten. Meine Arbeit macht mir Spaß.

rap.de: Du hast auch viele Tracks für “Jung, Brutal, Gutaussehend“ produziert, dem Kollabo-Album Von Kollegah und Farid Bang. Jetzt ist Kollegah aber jemand, der, ein sehr übertrieben dargestelltes Zuhälter Image verkörpert, das aber auf eine raptechnisch sehr anspruchsvolle Weise tut, nur ist das eben nicht 100% authentisch.

Woroc: Das muss der Junge selbst wissen, ob er authentisch ist und zu dem steht, was er sagt. Es kommt auch darauf an, ob er von sich selbst behauptet, dass er authentisch ist. Er ist jemand, der das auch alles sehr gut verpackt. Mir geht es eher darum, dass jemand sein Image gerne verpacken möchte, das aber nicht hinbekommt, weil er nicht mal den Takt trifft. Das macht für mich den Unterschied zwischen Kunst und Kacke aus. Meines Erachtens ist Kollegah nicht kacke. Ob  alles stimmt, was er erzählt, kann ich nicht beurteilen, weil ich noch nie bei ihm in der Hood war und nicht weiß wie er so tickt, aber das was er rappt und wie er das macht, finde ich auf jeden Fall nicht kacke, deswegen respektiere ich das, auch unabhängig davon, dass ich zu dem Album Beats beigesteuert habe. Kollegah respektiere ich so oder so.

rap.de: Gibt es Leute, mit denen Du nicht zusammen arbeiten würdest?

Woroc: Da gibt es eine ganze Menge, die ich aber alle nicht nennen werde. Das wissen nur die Leute mit denen ich zusammen arbeite. Im Grunde bin ich aber mit fast allen gut gestellt.

rap.de: Stimmt es in diesen Fällen menschlich nicht oder bist du musikalisch nicht von ihnen überzeugt.

Woroc: Da spielt beides zusammen. Es gibt Leute, hinter denen ich musikalisch einfach nicht stehen kann und bei anderen stimmt einfach die zwischenmenschliche Chemie nicht. Ich muss auf jeden Fall mit jemandem zusammensitzen können, um ihn aufzunehmen. Wenn jemand ein Hurensohn ist, dann kann ich mit dem nicht aufnehmen, aber die wenigen, mit denen ich nicht klar komme, kann ich an einer Hand abzählen.

rap.de: Seit wie vielen Jahren machst du schon Musik?

Woroc: Hip Hop mache ich jetzt seit sechs bis sieben Jahren. Davor habe ich Trance produziert.

rap.de: Wie kam es zu dem Umschwung auf Hip Hop?

Woroc: Ich war schon immer Hip Hopper. Es gab damals einfach sehr viele Möglichkeiten Trance zu produzieren und darüber bin ich dann zufällig in das Musikgeschäft rein gekommen. Früher hatte ich keine genaue Vorstellung davon, was ich machen möchte. Das hat sich erst geändert, als ich aus dem Krieg gekommen bin. Davor habe ich einfach alles gemacht, was Geld bringt.

rap.de: Es gibt ja momentan sehr viele Leute, die sich darüber beschweren, dass sie mit ihrer Musik kein Geld verdienen, sich aber weigern arbeiten zu gehen und die Musik als Hobby anzusehen.

Woroc: Das sind alles Träumer. Wenn du essen musst, dann musst du Geld verdienen. Ich kann mich ja auch nicht hinsetzten und sagen, ich möchte gerne Präsident von Deutschland werden, obwohl ich weiß, dass ich nie Präsident werde, weil ich die Grundkriterien dafür nicht erfülle. So ist das auch mit der Musik. Wenn du wirklich Musik machen willst, dann musst du sehr viel Disziplin haben und bestimmte Wege gehen und dann verdienst du auch irgendwann Geld damit.

rap.de: Kann man heutzutage überhaupt noch Geld verdienen in der Musikbranche?

Woroc: Nicht mehr soviel wie früher, aber noch gibt es Käufer. Natürlich gibt es auch jede menge Gesocks, das downloadet, aber es gibt noch ein paar Leute, die Musik kaufen.

rap.de: Denkst Du, dass man als Produzent wirtschaftlich aktuell besser dasteht als als Rapper, weil man einfach mehr Möglichkeiten hat, in anderen Musiksparten zu arbeiten.

Woroc: Rapper können ja auch anfangen zu singen. Man kann sich als Rapper ja auch weiterbilden und zum Beispiel Schauspieler werden. Produzieren ist auch ein bisschen komplizierter als Rappen. Als Rapper hast du deine Texte, die zwar auch kompliziert sind, kommst ins Studio und klatscht die hin. Du hast ja Zeit, um deine Texte zu schreiben. Der Produzent muss aber hinterher alles zusammenfügen und garantiert für die Qualität. Es gibt Tracks, an denen sitze ich sieben Tage lang, nur um die Relation aufzuzeigen. Die Gewichtung, was den Verdienst betrifft, ist jedenfalls nicht ausgeglichen.

rap.de: Sleepwalker sollte einen Workshop in der Arche in Hellersdorf geben, allerdings hat sich niemand dafür gefunden, weshalb er sich furchtbar aufgeregt hat. Zum einen weil ihn niemand mehr kennt und zum anderen, weil sich scheinbar niemand mehr dafür interessiert, wo die Beats herkommen. Siehst du das ähnlich? Würdest du dir mehr Aufmerksamkeit für Produzenten wünschen?

Woroc: Nein, ganz im Gegenteil. Ehrlich gesagt, würde ich in den Interviews, die ich gebe, gerne nur über die DVD reden. Die ganzen Fragen zu meiner Person sind mir eher unangenehm. Ich scheiße jedenfalls auf die Aufmerksamkeit für Produzenten. Ich produziere ja nicht, um mich in den Vordergrund zu drängen, sondern weil ich mich im Hintergrund aufhalten möchte, sonst würde ich ja mit den Künstlern aufs Cover gehen. Mir ist es jedenfalls egal, ob ich den nötigen Respekt dafür bekomme. Heute macht sowieso jeder was er will und die Jugendlichen sind nicht mehr zu belehren. Ich habe es ehrlich gesagt fast aufgegeben.

rap.de: Aber ist es für Leute, die selbst zuhause in ihrem Keller Beats bauen, nicht interessant, etwas über die Produzenten zu erfahren?

Woroc:  Das glaube ich nicht. Die Kids sind doch  alle verdammt schlau geworden. Was willst du denen denn noch übers Produzieren erzählen, die wissen doch schon alles. Das ist doch die Mentalität heutzutage. Jeder ist der Größte, der Beste, der Schlaueste, egal ob in künstlerischer, krimineller oder sexueller Hinsicht. Alle sind die Krassesten. Die haben ein Teil, größer als das vom Esel, mit dem sie jede Olle bumsen. Wenn die aber ein Mädchen auf der Strasse nur anschaut, dann trauen sie sich nicht mal zurück zu schauen.
 
rap.de: Flüchten sich gerade solche Leute auch in ihre Rapwelt, weil man sich da zumindest textlich ausleben kann?

Woroc: Das ist eine ganz schwere Frage. Ich kann das auch gar nicht beurteilen, denn ich bin ja kein Rapper. Es kann aber definitiv sein, dass Leute, die ansonsten nichts zu sagen haben, im Rap ihr Sprachrohr gefunden haben. Ich will das auch gar nicht weiter vertiefen, sonst fühlen sich irgendwelche Leute noch angepisst und mein Manager bekommt morgen tausend E- Mails von irgendwelchen Eierköpfen.

rap.de: Ist es in Berlin schwierig solche Sachen zu sagen, weil immer eine gewisse Anspannung und Aggression vorherrscht?

Woroc: Man muss da denke ich differenzieren. Es gibt Leute die können mit Stress und es gibt Leute, die keinen Bock mehr auf Stress haben, nicht nur körperlich, sondern auch psychisch. Ich versuche mich gerade komplett davon fern zu halten. Ich habe keine Lust mehr auf Diskussionen mit irgendwelchen Leuten, die irgendwas falsch verstehen und denken, dass sie der Boss in ihrer Straße sind, weil sie zwei Straßen weiter vielleicht auch noch was zu sagen haben. Seid alle wie ihr wollt. Macht was ihr wollt, knallt euch gegenseitig ab, aber lasst mich da bitte raus. Ich habe meine Sachen schon hinter mir. Ich habe eineinhalb Jahre Krieg hinter mir, über Knast bis Strasse und ich will damit einfach nichts mehr zu tun haben. Ich mache nur Musik. Ich war eineinhalb Jahre im Kriegseinsatz, davon acht Monate an der Front und das hat mit gereicht. Deshalb lache ich so viele auch aus, die behaupten sie wären so krasse Gangster. Scheiß auf das alles, das ist sowieso alles Kindergarten hier.

rap.de: Wieso ist das gerade in Berlin so?

Woroc: Das hat sich so entwickelt. Diese Cordon Sport-Picaldi-Generation hat sich einfach raus kristallisiert, was auch nicht schlecht ist. Das ist ja nur ein Modestil. Es hat halt einfach überhand genommen. Jeder, der der deutschen Sprache mächtig ist, fängt an zu rappen, weil er glaubt, dass da das große Geld zu holen ist, wodurch alle die wirklich was zu sagen haben, in den Schmutz gezogen werden. Dieses ganze Youtube/Myspace-Ding hat auch alles gefickt. Jeder der was sagen möchte, kann das im Internet tun und es gibt genügend Leute, die sich das reinziehen und denen dadurch Bestätigung geben, egal ob sie das belächeln oder nicht. Diese Leute denken sich dann "Krass, ich habe so viele Klicks, ich muss ja interessant sein“ und so bauen die sich ihre kleine Welt auf. Größtenteils sind das aber auch echt alles Leute ,die nicht rappen können. Ich habe das ja selbst bei dem Contest, den ich gemacht habe, gesehen. Da haben Leute Tracks eingeschickt, wo ich mich gefragt habe, wer um Gottes Willen denen denn gesagt hat, dass sie rappen können. Das ist wirklich katastrophal. Ich bin selbst wirklich ein schlechter Rapper. Ich habe ein Album gemacht und eingesehen, dass das einfach scheiße klingt und Rap nichts für mich ist. Ich fülle wenn es sein muss mal einen Refrain, falls jemand nicht da ist, damit ich weiter arbeiten kann. Das ist kein Ding, aber wenn man nicht dafür geschaffen ist, dann sollte man was anderes machen, nur peilen das manche Leute einfach nicht.

rap.de: Ich glaube, dass die Darstellung vieler Rapper, dass man damit sehr schnell, sehr viel Geld verdienen kann, daran auch mit schuld ist. Ein Mikrofon kostet nicht so viel und die nötigen Programme kann man herunterladen, deshalb denken wahrscheinlich viele Jugendliche, die zuhause was aufnehmen, dass sie das nächste große Ding werden.

Woroc: Du hast es erfasst, aber es gehört halt ein bisschen mehr dazu, als sich ein Mikrofon für 100 Euro zu kaufen, ein paar Programme runter zu laden und über einen schlechten Beat drittklassig zu rappen. In Wirklichkeit gehört sehr viel mehr dazu. Das fängt mit einer guten Produktion an und geht über Promoarbeit und Highclass-Videos weiter   Selbst wenn du das alles gemacht hast, garantiert das noch lange nicht, dass es auch wirklich klappt. Es gibt so viele Leute, die schon lange dabei sind und sich richtig reingehängt haben, die am Ende trotzdem feststellen, dass das alles nichts bringt. Es ist sehr schwer geworden heutzutage, auch wenn es noch was zu holen gibt. Man muss einfach aufpassen was man macht, denn der Markt ist überschwemmt.



rap.de: Was wäre den musikalisch das nächste große Ding im Rap?

Woroc: Ich muss immer aufpassen was ich sage, weil viele Leute sehr sensibel damit umgehen, was ich sage. Es gab auf jeden Fall jemand, denn ich richtig gut fand und den ich auch richtig gefeiert habe. Daraufhin habe ich ihn zu mir geholt, denn ich hatte wirklich Bock mit ihm zu arbeiten, aber der verkauft trotzdem nicht viele CDs. Ich sage mir dann immer, wenn der es nicht schafft, obwohl er ein guter Rapper ist und einen coolen Style hat, wie soll es dann weitergehen? Ich rede jetzt die ganze Zeit von Dissput. Dissput und Colos sind meine Jungs, die ich richtig gut finde und wenn das selbst mit denen nicht klappt, dann weiß ich auch nicht so recht weiter.

rap.de: El- Mo hat auf der DVD gesagt, dass er sich von Bushido wünschen würde, dass er mehr Berliner unterstützt.

Woroc: Aber der pusht doch auch Berliner. Der hat doch gerade erst Fler zu sich geholt.

rap.de: Fler ist aber schon ein fertiger Künstler.

Woroc: Er hat doch auch schon mit anderen Berlinern gearbeitet. Hengzt war doch auch bei ihm und irgendjemand anderen aus Berlin hat er doch auch zu sich geholt. Vielleicht feiert er zurzeit einfach keine Berliner. Man muss ja nicht jeden Berliner mögen, nur weil man aus Berlin kommt.

rap.de: Du glaubst also nicht daran, dass man städteintern zusammen halten muss?

Woroc: Nein, natürlich nicht. Warum sollte man das müssen? Wenn mir jemand sagt, dass  ich nur mit Berlinern zusammen arbeiten darf, dann gebe ich da einen Scheiß drauf. Jeder ist erwachsen und jeder kann machen was er will. Wenn Bushido irgendwelche Leute aus Buxtehude signen will, dann soll er das doch machen, das ist sein gutes Recht. Vielleicht sieht er in anderen Städten einfach Leute mit größerem Potenzial, die besser rappen könne und mit denen er mehr Geld verdienen kann. Ich finde das völlig legitim. Letzten Endes machen wir das ja auch alle um ein bisschen Geld zu verdienen. Ich mache das ja hauptberuflich, von daher kann ich mich schlecht hinstellen und sagen, so ich arbeite jetzt nur noch mit Berlinern, deshalb kriegen Jonesmann und Azad keine Beats mehr von mir. Die Berliner bringen mir auch nicht immer Geld, deshalb muss ich die manchmal beiseite schieben und erst mal mit jemand anderem Tracks machen. 

rap.de: Die Frage, woher man kommt, spielt im Hip Hop ja eine größere Rolle als in anderen Musikrichtungen.

Woroc: Ja, das ist schon so ein Hip Hop Ding. Dieses ganze "Meine Hood, meine Jungs, meine Gang, ich repräsentiere meine Gegend“ – das ist genau die Mentalität, die sich verbreitet hat. In Maßen ist das ja auch alles cool. Ich habe das ja selbst jahrelang gemacht und stehe weiterhin zu Berlin, zu meinem Bezirk und zu den Leuten, mit denen ich früher in einer Gang war. Irgendwann kommt man aber an einen Punkt im Leben, wo alles dunkel ist und in diesem Moment muss man eben den Schalter suchen, sonst bleibt alles dunkel. Diese Leute suchen den Schalter aber erst gar nicht, weil es ihnen egal ist, dass es dunkel ist.

rap.de: Glaubst du, dass man bestimmten Regionen eine gewisse Rapattitüde zuordnen kann?

Woroc: Nein, heutzutage nicht mehr. Mittlerweile sieht man im Internet doch maskierte Jungs aus jeder Stadt rum rennen. Ich finde die Entwicklung in diese Richtung einfach beschissen. Ich habe das ja selbst jahrelang gemacht, aber es gibt mittlerweile so viele, die diese Schiene fahren und die das damit getötet haben

rap.de: Du beschränkst dich ja produktionstechnisch auch nicht nur auf Deutschland.

Woroc: Nein, warum sollte ich mich nur auf Deutschland beschränken? Ich arbeite gerade mit einem Jungen aus Polen zusammen, der schwer im Takt ist. Ich mache Musik und ich feiere ja nicht nur deutschen Hip Hop. Letzten Endes bin ich von amerikanischem Hip Hop zu deutschem Hip Hop gekommen, warum sollte ich also hier hängen bleiben? Ich werde natürlich immer deutschen Hip Hop machen, solange bis ich ihn nicht mehr hören kann, aber ich möchte mich da nicht festlegen.

rap.de: Gibt es für dich als Produzenten irgendwelche hörbaren Unterschiede oder Trends zwischen Produktionen aus Deutschland und Amerika?

Woroc: Alles was aus Amerika kommt, wird ja hier umgesetzt. Diese Autotune-Kacke macht ja hier auch jeder.

rap.de: Ich habe irgendwo gelesen, dass Kid Cudi wohl bei dir angefragt hat.

Woroc: Wir haben da insgesamt sechs Beats hingeschickt und jetzt schauen wir mal, was passiert.

rap.de: Wie gehst du vor, wenn du einen Beat machst? Hast du immer schon eine bestimmte Melodie im Kopf?

Woroc: Das ist unterschiedlich. Größtenteils habe ich eine Melodie im Kopf und baue dann einen Takt, indem ich eine bestimmte BPM-Zahl eingebe. Danach spiele ich die Melodie ein. Oft entstehen auch ganz gute Melodien, wenn ich einfach ein bisschen rum klimpere. Zurzeit baue ich aber ganz schlechte Beats, denn ich bin gerade nur mäßig kreativ. Ich bin im Moment an einem absoluten Tiefpunkt angelangt, was die Kreativität betrifft. Vielleicht kriege ich wieder meine kriegsbedingte Winterdepression.

rap.de: Außerdem planst du für diesen Sommer noch einen Spielfilm.

Woroc: Das ist richtig. Ich sage jetzt schon seit Jahren, dass er diesen Sommer kommt, aber es ist immer sehr schwer, das auch zu realisieren, weil man umdisponieren muss und da mehrere Leute mitspielen müssen, aber wir machen einen Film, das stimmt. Es wird ein Hip Hop Film, in dem Dissput die Hauptrolle spielt. Mittlerweile bin ich auch schon wieder ein bisschen abgeturnt den Film zu machen, weil es zurzeit einfach so viele gibt, die Filme mit Hip Hoppern machen. Ich habe einfach zu lange gewartet. Das ist immer so bei mir. Ich habe immer so viele Produktionen am Laufen und in der Zwischenzeit realisieren andere Leute Ideen, die ich auch schon hatte. Der Film  wird aber eher in die Richtung “Pusher“ gehen.

rap.de. Aber so was hat doch aktuell noch niemand gemacht.

Woroc: Eigentlich nicht, aber ich bin gerade auch so ein bisschen abgefuckt, weil ich so unkreativ bin und nicht so aktiv bin, was neue Ideen betrifft. Ich habe auch noch viele Produktionen am Laufen, die ich abschließen muss, von daher werde ich gerade ein wenig aufgehalten.

rap.de: Wenn man sich so wie du gerade in einem kreativen Tief befindet, aber trotzdem davon leben muss, wie reagiert man als Künstler darauf?

Woroc: Ich leiste immer sehr gute Vorarbeit. Es gibt viele Produkte, die ich noch in petto habe, deshalb trifft es mich nicht so hart, wenn ich mal zwei Monate nicht aktiv bin. In den zwei Monaten bringe ich dann trotzdem meine fünf Alben raus und da kommt schon was zusammen.

rap.de: Gibt es irgendwelche konkreten Vorbilder, an denen du dich anfangs orientiert hast?

Woroc: Das einzige Vorbild, das ich konkret nennen kann, ist Dr. Dre. Dre ist ein Überproduzent und macht einen sehr guten Sound. Er ist auch ein Vorbild für viele Produzenten, weil er einer der Wenigen ist, die wirklich sehr gut produzieren und einen richtig guten Sound hinbekommen.

rap.de: Glaubst du, dass "Detox" jemals erscheint?

Woroc: Ich glaube nicht daran, aber ich hoffe es. Ich denke das größte Problem von Dre ist einfach, dass er ein krasser Perfektionist ist und das hält ihn einfach auf.