Fiva

Auch wenn wir hier an der Grenze zu Polen relativ wenig von all den Aktivitäten mitbekommen, denen Fiva MC so nachgeht, ganz ging das Erscheinen der neuesten Platte namens "Rotwild" doch nicht an uns vorbei. Neben Radioshows in München und Österreich zeichnete sich Fiva in den letzten Jahren als Buchautorin und Spoken Word Slam Poetin aus. Doch so ganz konnte sie ihre alte Liebe zur Rap Musik dann doch nicht vergessen und  schließlich ist nach eigenen Aussagen selbst das große Kollaboalbum mit Melbeatz noch lange nicht zu den Akten gelegt. "Das kommt… irgendwann 2040" erklärte sie gegen Ende des Interviews, das im Übrigen auch vorzüglich als Radioshow funktioniert hätte. Warm, herzlich und voll von guten Gefühlen.

rap.de: In deinem Pressetext steht, dass du Teil dieser HipHop-Szene bist. Seit wann bist du dabei?

Fiva: Also, ich rappe aktiv seit 1999. Und seit 1995 hör ich deutschen Rap, vorher eher so was aus Amerika. Und dann kam halt Feierwerk und Die Klasse von `95, und das fand ich echt super. Auch David Pe war für mich eine Offenbarung. Heute könnte ich mir das wahrscheinlich auch nicht mehr geben, damals fand ich das aber total toll. Und ich bin auch ein Riesenfan von Aphroe und von RAG sowieso. Der hat mir damals auch die Vinyl von "Stille Post“ geschenkt!

rap.de: Echt, ich bin auch ein großer Fan von denen. Du wusstest schon, dass die Platte auf knapp 500 Stück limitiert ist?

Fiva: Na klar, haben die mir zum Abschied geschenkt, als ich mit denen auf Tour war. Naja, und ich hatte das irgendwie schon vorher auf Kassette und da dachte ich mir, das willst du auch machen. Aber das hat echt vier Jahre gedauert, weil ich so ein Schisser bin. Alle haben bei uns gefreestyled und ich saß daneben und fand das so toll, aber ich hab mich einfach nicht getraut. Und dann bin ich von Zuhause ausgezogen und da war mir manchmal langweilig und dann habe ich mich in die Küche gesetzt und bei diesem RAG-Tape immer zum Anfang gespult, wo er noch nicht rappt und habe dann Freestylen geübt. Und dann bin ich dann zum Basti (DJ Radrum) und habe ihm gesagt, "Du, ich kann jetzt rappen“ Und er hat sich das angehört, und es war ihm so peinlich, und er meinte "Hmmm, das können wir bestimmt auch irgendwie anders ausprobieren“. Dann hat er mir Beats gegeben und dann ging’s richtig los. Dann waren wir im Flava Club im München, das war so ein Freestyleclub, und haben da gerappt. Und dann bin ich auch ziemlich schnell mit MC Rene auf Tour gegangen, ich kannte ja "Renevolution“ und fand das so gut.

rap.de: Echt? Ich fand das voll scheiße. Als Freestyler fand ich den auch gut, aber auf Platte? Nee, da konnte der nie halten, was er vorgelegt hat.

Fiva: Ja, ich bin ja mit "Ein Tape namens Bernd“ auf Tour gegangen. Au-Pair-Mädchen aus Lettland und so. Ich hatte drei Lieder und sonst nichts und habe dann auch gleich gelernt, live zu spielen

rap.de: Und warum habt ihr es dann nicht weiter in die großen Hallen geschafft? Das hört sich ja ein bisschen an wie der Karrierestart von Jay-Z.

Fiva: So fühle ich mich auch tagtäglich. Wir waren bei Buback, haben dann da "Spiegelschrift“ rausgebracht. Und da war ja auch kein einziger Hit drauf, selbst mit dem besten Willen nicht. Aber das war genau die Art von Musik, die ich machen wollte. Ich war da auch schon beeindruckt von diesen HBO-Geschichten, von Def Poetry Jam. Diese Nas-Sachen. Und ich wollte auch so etwas machen, etwas erzählen. Ich hatte auch da schon gar nicht mehr das Gefühl, wirklich Lieder zu machen, sowie die Beginner, die man nachsingen konnte. Und das war auch Buback damals klar, dass damit nicht das große Geld zu verdienen ist, weil ich immer ein sehr eigensinniger Mensch bin. Wir waren immer der gesunde Mittelstand und der ewige Support, wir waren dann ja auch mit Fettes Brot auf Tour und das war auch in Ordnung. Ich weiß, dass sich nicht jeder meine Musik anhören kann, und ich weiß auch, dass wir nicht gerade dem Bild entsprechen, das man so von Rap hat. Wir verkaufen ja auch trotzdem ganz gut, aber ich weiß nicht wie viele von den Hörern Rapfans sind. Wir haben vor Biohazard gespielt und da sind die Leute durchgedreht, das war wirklich super. Ich weiß jetzt aber nicht, wie es werden würde, wenn ich jetzt vor sido spielen würde, aber ich glaube auch nicht, dass die sich für mich interessieren. Ich bezweifle auch, dass mich welche von denen kennen. Ich habe ja noch nicht mal so eine München-Fanbase, wenn ich durch München laufe, brüllen die da nicht jetzt "Yo, Fiva“. Also, ich habe schon Fans, aber die sind überall in der Welt verstreut, aber es muss sie geben, denn ich habe im ersten Monat von "Rotwild“ 2000 Platten verkauft. Und uns wundert das ja selber. Nicht weil wir das so scheiße finden, was ich da mache, sondern weil es uns wundert, dass das sich noch heutzutage so verkauft. Diese Fans müssen uns auch echt treu geblieben sein, weil wir nie viel Werbung in den Printmedien gemacht haben, viel Radiowerbung natürlich, aber sonst haben wir das eher so stiefmütterlich behandelt.

rap.de: Wirst du eigentlich auch im Tagesprogramm gespielt, so richtig Mainstream?

Fiva: Ja, natürlich. Jeden morgen bei Jam FM in der Morning Show! (lacht) Nein, aber wir werden schon gespielt, auch wenn ich sagen muss, dass ich selbst das etwas stiefmütterlich behandle. Ich weiß, dass wir viel in Österreich bei FM 4 gespielt werden, wo ich zwar arbeite, was aber auch nichts mit Kollegenrabatt oder so zu tun hat, weil die so etwas sonst gar nicht machen. Wir waren da auch Platte der Woche, aber man kann das echt nach verfolgen und es ist ja auch kein Geheimnis, dass wir da arbeiten. Ich verstehe, dass das nach außen so aussieht, aber die Chefs würden das niemals tun. Ansonsten haben uns schon viele Studentenradios gespielt, die übrigens nicht nur Indierock spielen, und wir machen viel online. Im Endeffekt schicken wir was wir haben immer an unsere Online-Kontakte raus, müssten uns aber wahrscheinlich viel mehr dahinter klemmen und die tausend Leute zurückrufen und fragen, ob sie’s schon gekriegt haben und ich weiß nicht, ob’s mir da an Biss fehlt oder an Interesse, aber es läuft auch so und ich muss mich da nicht irgendwo reinsetzen.

rap.de: Und du machst dieses Label komplett mit Pressearbeit und so weiter?

Fiva: Ja, mit Radrum zusammen. Wobei ich fairer Weise sagen muss, dass er in letzter Zeit viel mehr macht als ich. Zum Vertrieb zum Beispiel könntest du mich jetzt gar nichts fragen. Wir machen das bestimmt nicht alles richtig und allen, die zu uns neu aufs Label kommen, sagen wir auch, was wir machen. Wir sehen uns als Plattform und können ein bisschen was für die Produktion tun, finanziell vor allem. Wir können die wenigen Kontakte, die wir haben, anfixen und sagen so und so ist es, wir machen ein bisschen Promo, weil wir keine Promoagentur haben, und das können wir dir bieten. Ich wollte ja auch nie ein Label machen, weil ich mir immer dachte, dass es wahnsinnig schwierig sein muss, Menschenware zu vermarkten und mit den Enttäuschungen und Erwartungen der Künstler umzugehen. Aber wir gehen da jetzt mit einer sehr gesunden Einstellung ran und sagen ja auch immer gleich, was bei uns möglich ist und was nicht. Es läuft auch und bisher haben wir wie gesagt mit keinem Minus gemacht, wobei wir natürlich auch nicht so groß kalkulieren und zehntausend Alben von einem pressen, den wir bei uns raus bringen. Somit haben wir im schlimmsten Fall genullt und das lässt uns entspannt sein.

rap.de: Das heißt aber auch, dass ihr keinen Verdienst habt, oder zahlt ihr euch Gehalt aus?

Fiva: Das ist ja in dem Sinne auch nicht unser Hauptjob. Alles, was wir verdienen, hauen wir wieder ins nächste Release rein, wobei wir uns natürlich auch ein paar Mal im Jahr ein bisschen was auszahlen. Aber das ist auch nicht viel… Nein, man kann es nicht Verdienst nennen, wir haben keinen Verdienst. Wir werden nicht bezahlt, es ist die Liebe zum Hip Hop, die uns dazu bringt. Wir rechnen die Arbeitsstunden und alles aber schon mit ein. Ich habe auch eine Ausbildung zur Kauffrau gemacht, bevor ich studiert habe, ich weiß also, wie das funktioniert (lacht). Aber es läuft.

rap.de: Das ist schön, man hört bei anderen ja immer, dass es nicht so gut läuft.

Fiva: Wir sind aber auch ziemlich vorsichtig. Bei anderen kriegst du vielleicht ein schönes Video und das sind Dinge, die wir gar nicht machen können. Oder du kriegst halt eine Platte, die sich 47 mal aufrollt und schillert und wo dann noch eine Blume raus springt, wenn du sie öffnest. Das kriegst du bei uns nicht, das können wir alles nicht zahlen. Wir sind froh, wenn wir jetzt von "Rotwild“ Vinyls pressen, das ist echt schon so ein Ding, wo wir uns denken "Boah, geil“. Das ging auch erst jetzt, weil wir ganz viele Anfragen hatten und eben geguckt haben, was wir machen können. Wir spielen jetzt echt viel, später im Jahr geht’s dann noch mal auf Tour und da haben wir dann die Vinyls für die Leute dabei, die Bock drauf haben.

rap.de: Bist du damit zufrieden, wie es gerade läuft?

Fiva: Ja, auf jeden Fall. Ich würde natürlich gerne wesentlich mehr verkaufen, auch aus dem Grund, dass mehr Leute davon mitkriegen, weil ich glaube, dass das schon vielen gefallen würde. Ich habe ja auch viel nebenbei gemacht und mich nicht nur auf eine Rapkarriere fokussiert, von daher darf ich mich gar nicht beschweren. Mittlerweile darf ich so coole Sachen machen und mit so guten Leuten zusammenarbeiten, dass es eigentlich gar nicht mehr besser geht. Ich kann mir auch gar nicht mehr vorstellen, mit dem Rappen aufzuhören, das dritte Album kann auch nicht das Letzte sein. Also ja, ich bin damit echt zufrieden.

rap.de: Du hast auch eine Show bei dem österreichischen Radiosender FM4. Wohnst du in Wien?

Fiva: Auch. Ich habe jede Woche eine Sendung in Wien, die ich nicht immer live mache, aber in Zukunft wird sie zweistündig sein und deshalb habe ich eine Wohnung in Wien – eine ganz kleine. Ich habe ja auch in München eine Sendung, bei Bayern 3. Das bayerische Pendant dazu quasi. Das ist eine Interviewsendung, bei der ich mit Leuten rede und sie Platten mitbringen. Das Leben ist eine Scheibe. Es ist wirklich großartig, man liest alles aus den Platten der Menschen heraus, da bin ich mir sicher. Ich nehme auch einfach Platten zum Ponyhof (Fiva’s Radioshow auf FM4, Anmerkung der Redaktion) mit, lege die auf und erfinde Geschichten zu ihnen und den dazugehörigen Persönlichkeiten, wenn ich nicht weiß, wer sie sind. Eigentlich ist mir das auch egal, ich mag nur die Musik.

rap.de: Was ist mit den Büchern, die die Menschen lesen?

Fiva: Das ist auch gut, da könnte ich mir auch vorstellen, dass das was aussagt. Wobei ich manchmal auch Scheiße wie dieses "Vollidiot“-Buch lese, mir andererseits aber niemals ein Modern Talking Album kaufen würde.

rap.de: Man kauft sich also bei Platten keine Scheiße?

Fiva: Nee, glaube ich nicht. Modern Talking würde ich höchstens für den Ponyhof kaufen, um dann in der Sendung irgendwie cool zu erklären, warum ich diese Scheiße besitze. Die Leute sollen natürlich auch immer Sachen mitbringen, die sie früher mal gekauft haben, und da hat ja jeder irgendwas ganz Furchtbares.

rap.de: Was war dein schlimmster Kauf?

Fiva: Boah, das war irgendwas mit Schweinen. Diese Single mit den drei kleinen Schweinchen und dem Wolf. Ich weiß es gar nicht mehr, ich kann es dir gar nicht sagen. Das war auf jeden Fall ganz schlimm. Und diese Platte von den Scorpions, aber das ist echt schon lange her. Ich dachte damals irgendwie, dass man sich unbedingt diese Scorpions-Platte kaufen muss, ich weiß gar nicht warum. Damals war ich Elf und das Cover war irgendwie gemalt und so ein bisschen abstrakt. Die Platte habe ich auf jeden Fall noch. Aber irgendwie finde ich es auch gut, von denen eine Platte zu haben, ich habe auch eine Genesis Platte. Ich höre sie mir nicht mehr an, aber ich finde es schön, dass ich sie habe.

rap.de: Hast du das Gefühl, dass die Liebe zur Musik verloren geht? Das habe ich so ein bisschen aus deiner Bemerkung bezüglich Musik aus dem Internet rausgehört.

Fiva: Vielleicht bin ich da auch ein bisschen intolerant, meine Vorgabe für meine drei Radiosendungen ist im Moment auch, dass ich jede Platte besitzen muss, von der ich ein Stück spiele. Ich weiß allerdings nicht, wie lange ich mir das noch leisten kann. Das könnte schwierig werden auf Dauer. Ich kaufe die mir auch selbst und lasse mich nur von Leuten bemustern, die mir das anbieten. Ich bin zwar eine sehr geschäftstüchtige Dame, aber bei so etwas frage ich selten. Viele Platten kaufe ich mir echt gerne, aber es gibt sowieso immer mehr Leute, die mich bemustern. Ich finde, ich verdiene mir das auch zunehmend. Ich mache super Sendungen und dann rufen die Leute eben an und wollen mich bemustern. Ich komme vielleicht aus einer anderen Generation, aber Freunde von mir haben iPods und da 800 Alben drauf und wissen aber gar nicht genau, was sie da alles drauf haben. So etwas macht mich verrückt, da dreh ich durch, das kann ich echt nicht aushalten. Ein Album besteht doch aus so viel. Wie die Songs angeordnet sind und so weiter, das muss man doch wirklich kaufen. Die Qualität, die man vom Sound des Musikers erwartet, ist so hoch, dass diese ganze "Do It Yourself“-Bewegung im Rap meiner Meinung nach nicht so gut funktioniert. Ich kann mich nicht daheim hinstellen und das alles aufnehmen und die Leute finden es dann cool, wie irgend so eine Elektro-Trash Band. Also brauche ich Geld und das kriege ich eben nur, wenn ich was verkaufe. Das Mastering muss ich bezahlen, auch wenn die einem mittlerweile Preise machen, die viel humaner sind als früher. Mich ärgert es so wahnsinnig, dass sich die Leute keine CDs mehr kaufen.

rap.de: Wie stellt man sich das vor in München. So dieses dörfliche: Der Fleischer, den man kennt, der Bäcker und dann auch der Plattenladen?

Fiva: Gibt’s ja kaum noch in München. Es gibt das "Resonanz“, das ist super. Da kommst du halt rein und es heißt gleich "Ey, guck mal, ich hab hier noch vier Platten. Hör dir die mal an!“. Ansonsten kaufe ich sauviele Platten und CDs übers Internet und suche da auch immer rum. Ich weiß auch nicht alles und es ist der Wahnsinn, wie viele blaue und blinde Flecken es da bei mir noch gibt. Ich gucke aber auch immer nach Plattenläden, wenn ich woanders bin. In Wien zum Beispiel, oder hier in Berlin, da habe ich gestern einen gefunden, der total super ist. In der Kastanienallee glaube ich und es gab alles für einen Euro. Da habe ich mir dann ein paar Sachen gekauft, Kool And The Gang und so.

rap.de: Wo siehst du denn eigentlich deine Zukunft? Das klingt ja schon alles sehr ambitioniert.

Fiva: Ich denke da jetzt gar nicht so drüber nach, ich mache einfach weiter wie bisher. Ich schreibe gerade am zweiten Buch – ich habe ja schon eins geschrieben, das waren so Sprechtexte – und das sind jetzt Kurzgeschichten. Das wird Ende des Jahres abgegeben und kommt dann zur Leipziger Buchmesse raus. Na ja, dann will ich das unbedingt mit dem Radio machen, allerdings nicht unbedingt als Nina Sonnenberg, die die Morning Show moderiert, sondern so in dem Rahmen wie jetzt. Und ich habe schon viele Ideen fürs neue Album. Ich könnte jetzt nicht sagen, dass ich mit 35 Radiomoderatorin sein möchte. Ich könnte mir keins dieser Dinge allein vorstellen. Rapperin sowieso nicht, weil sich das sicherlich finanziell auch gar nicht tragen würde, andererseits könnte ich es mir aber auch gar nicht vorstellen, nicht mehr mit dem DJ auf die Bühne zu gehen. Ich finde das auch immer lustiger, je älter ich werde. Ich meine, das ist die erste Sache, bei der ich so lange dabei geblieben bin, außer der Schule. Da musste ich aber auch dabei bleiben und jetzt muss ich noch meine Doktorarbeit schreiben.

rap.de: Was hast du studiert?

Fiva: Soziologie. Das ist auch super. (lacht) Voll hippiemäßig, ich finde immer alles super. Das war aber wirklich ein tolles Studium, auch, weil man nicht so oft hin musste. Es ist ein totaler Luxus, aber wirklich ein tolles Fach. Gott sei Dank musste man damals keine Studiengebühren zahlen – hätte ich auch gar nicht gekonnt.

rap.de: Als ich mir dein Album angehört habe, habe ich mich gefragt, wie man so etwas live rüberbringt. Wie wird das vorgetragen? Das ist ja jetzt auch nicht unbedingt der Abgeh-Hip Hop.

Fiva: Das wird live sehr unterschätzt. Ich freestyle ja als eine der wenigen viel und auch wirklich gut und wir haben eine sehr schnelle Show, bei der viel passiert. Auch von den Beatwechseln her. Es ist auf jeden Fall nicht so, dass du irgendwo rum sitzt und dir die Geschichten des Rotwildes im Jazzclub anhörst. Ich spiele in ganz normalen Clubs, in Österreich vor 500, in Deutschland vielleicht vor 250 Leuten. In Berlin kenne ich mich nicht so aus, aber in München hat man das Problem, dass es da eigentlich gar keine Clubs mehr gibt. Die Leute finden die Shows aber auf jeden Fall super. Ich habe gute Laune auf der Bühne, meine Texte sagen viel aus und dann passiert halt auch ganz viel mit Freestyle. Ich meine, hör dir mal ein Damion Davis Album an. Ich konnte mir das live auch nie vorstellen und dann habe ich den mal gesehen und das war so gut, dass ich danach nicht mehr auf die Bühne gehen wollte. Ich hoffe, dass die Leute nach meinen Konzerten auch so ein Gefühl haben. (schmunzelt)

rap.de: Bist du manchmal frustriert?

Fiva: Jetzt eigentlich nicht mehr. Es war zwischen dem ersten und zweiten Album natürlich nicht einfach, als wir dann plötzlich von Buback weg waren. Es war jetzt nicht so, dass ich aus Hamburg weg bin und es war der schönste Tag meines Lebens, aber frustriert? Nein, dafür darf ich zu viel machen. Ich bin alles andere als ein Hippie, aber ich habe wirklich Demut vor dem, was ich machen darf. Ich bin das einzige Mädchen bei mir in der Familie, das überhaupt Abitur hat, ich war schon überall und habe alles sehen dürfen und das ist echt super, weil wir nie im Urlaub waren. Und dann habe ich auch noch Geld dafür bekommen, verstehst du? Für andere mag das jetzt vielleicht total komisch klingen, aber für mich war es der absolute Hammer. Und nach zehn Jahren ist es immer noch so, das soll mir mal einer nachmachen! Die anderen haben vielleicht die größeren Gagen bekommen und die größeren Hallen gespielt, aber ich mache es immer noch. (lacht) Schreib das mal ein bisschen cooler hin, sonst klingt das so, als wäre ich ein Dinosaurier. Der Udo Lindenberg des Rap. Der Weibliche.

rap.de: Glaubst du, du durftest es besser machen, weil du ein Mädchen bist?

Fiva: Ach, auf die Frage habe ich die ganze Zeit gewartet. Du bist wirklich spät dran mit der Mädchen-Frage.

rap.de: Die Frage drängt sich nur bei dem Punkt auf, als du meintest "Ich hatte drei Songs, konnte freestylen und wurde mit auf Tournee genommen“. Das wäre ja jetzt keinem Jungen passiert.

Fiva: Weiß ich nicht, die nehmen sich sowieso andauernd mit auf Tour. Die sind vorher in irgendwelchen Crews und kommen dann mit. Überleg mal, wo Schnabel überall mit dabei war. Weißt du, es gibt einfach Leute, die in irgendwelchen Crews sind und deshalb immer als Vorband spielen und das war ich halt wirklich nie. Ich war in keiner Crew.

rap.de: Wie kam der Kontakt mit Rene überhaupt zustande?

Fiva: Die haben auch im Flava Club gespielt und haben mich freestylen gesehen. Das kann ich wie gesagt wirklich gut, wobei ich damals noch naiver, lockerer und deshalb vermutlich besser war. Ich arbeite sauviel und ich glaube, dass die Leute das auch einfach merken. Ich liefere Qualität und habe mich aber auch nicht groß verändert. Natürlich hoffe ich, dass ich besser geworden bin, aber ich habe mir beim zweiten Album dann nicht plötzlich ein Cap übergehauen und jetzt bin ich dann plötzlich nackt. In dem Sinne bin ich immer gleich und darauf verlassen sich die Leute einfach. Das kann man jetzt als Stagnation bezeichnen oder einfach als immerwährende Konstanz. Ich bin mir sicher, dass bei diesem Album viele Leute sagen "Diese Oldschool-Scheiße kann ich mir nicht mehr anhören!“, aber ich finde es halt immer noch so geil und will genau das machen! (lacht)

rap.de: Beobachtest du die Konkurrenz, oder ist dir das eigentlich egal? Ich meine, wir haben im deutschen Hip Hop große Männer vom Oldschool-Hip Hop und Freestyle zum Bling Bling und wieder zurück gesehen. Auch in den letzten Monaten.

Fiva: Auch in den letzten Wochen. Ich finde das immer schade und das ist auch dieses berühmte zweite Album-Ding. Das haben viele Künstler, dass sie zuerst etwas machen, worauf man total einsteigt und beim zweiten Album denkt man sich dann "Was ist denn bitte jetzt los? Was ist in den letzten zwei Jahren passiert, wo ich nicht dabei war?“ Ich kriege das alles schon mit, aber auch nicht zu sehr, sonst würde ich mich die ganze Zeit ärgern. Nicht so schlimm, aber bei Leuten, die ich immer toll fand oder bei jungen Künstlern, von denen ich mehr erwartet hätte, macht mich das manchmal so ein bisschen traurig. Ich habe ja in einer Zeit angefangen, wo voll viele schon richtig viel Geld verdient haben. So in 2000, 2001 war Hamburg ja richtig groß und wo sind diese Leute denn jetzt teilweise? Ich finde das schade und würde manche von denen gerne wieder sehen.

rap.de: Du hast da was ganz interessantes gesagt mit dem, dass die Künstler deine Erwartungen enttäuschen. Die sagen dann aber wiederum "Ja, ich enttäusche deine Erwartungen, aber ich mache das, was ich will.“ Wie siehst du das, wenn Leute mit dieser Haltung auf dich zukommen? Fühlst du dich deren Erwartungen verpflichtet?

Fiva: Nein, weil die, glaube ich, das erwarten, was ich sowieso mache. Viele hätten sich jetzt zum Beispiel gewundert, wenn ich plötzlich Elektrobeats genommen und versucht hätte, darüber zu rappen. Das ist ja voll originell und macht auch keiner im Moment. Das wäre eigentlich klassisch gewesen: Wenn ich jetzt irgendein Elektroalbum nehme, es "Neosonstwas“ nenne und darüber heize. Ich möchte jetzt nicht sagen, dass ich das schlecht finde, aber es gibt einfach Sachen, bei denen ich weiß, dass ich sie nie können werde. Deshalb werde ich auch kein krasses Battlerap-Album machen, obwohl ich glaube, dass ich sehr gut schreiben kann. Mir würde da einfach der Ergeiz und der Biss fehlen, irgendjemanden zu dissen oder zu battlen.  Ich glaube, es würde einfach scheiße werden. (lacht) Ich halte mich damit aber auch nicht auf, weil ich es nicht brauche. Genau so wenig wie mit Dreifachreimen irgendwo drüber zu holzen. Ich verstehe bei ganz, ganz vielem die Berechtigung, aber es gibt mir einfach nichts. Und da vertrauen mir die Leute auch irgendwie mit ihren Erwartungen, sonst würde ich nicht konstant so viele Platten verkaufen. Ich glaube aber zum Beispiel auch, dass ich in den letzten Jahren gelernt habe, mehr Lieder zu machen. Die würden dann bei irgendwelchen Poetry-Shows a capella auch gar nicht funktionieren. Es ist auch gar nicht so einfach und es interessiert mich einfach total, das mit Rap zu verbinden.

 

rap.de: Was mich jetzt gewundert hat war, dass sich die Lieder oft sehr, sehr ähnlich anhören und du auch eine ähnliche Ansprechhaltung hast. Warum ist in deinen Raps so wenig Emotion?

Fiva: Findest du von der Delivery, vom Ausdruck her? Ich glaube, das kann ich live einfach besser als auf Platte und das ist auch etwas, woran ich auf jeden Fall arbeiten muss.

rap.de: Dann habe ich mich aber wiederum auch gefragt, warum man daran arbeiten muss. Nas hat mit "Illmatic“ ein total emotionsloses Album gemacht, was aber trotzdem absolut großartig ist. Er ist nicht dabei, er sagt nur, was er sieht. Hochgradig emotional, aber mehr wie ein Spiegel.

Fiva: Findest du? Also, die Kritik, die ich mir selber gebe, ist, dass es oftmals sehr professionell klingt, dass ich mittlerweile eben sehr gut sprechen kann. Manchmal hätte ich lieber, dass ich… Ich kann es dir nicht anders sagen, dass ich eben nicht so professionell spreche. Ich finde es bei anderen gut, wenn sie laut und wütend werden. Das kann ich nicht, dafür habe ich auch nicht die Stimme, aber ich würde trotzdem gerne etwas Eigeneres haben. Das fehlt mir manchmal noch in der Stimme. Das ist gar nicht so einfach, daran arbeite ich aber gerade auch. Wenn ich einen Beat höre, dann kaue ich die Buchstaben regelrecht, damit sie sehr sauber rauskommen. Ja, sauber trifft es ganz gut.

rap.de: Das Gefühl habe ich bei dir auch bei Worten. Dass du sie so lange bearbeitest, bis du nicht mehr darüber stolperst. Ist das so?

Fiva: Ja, gerade das Wort "sowieso“ hat mich sehr lange beschäftigt. Das ist ein ganz wichtiges Wort finde ich. Viele Leute sagen mir, dass es sie total nervt, dass ich das immer wiederhole, aber ich finde es richtig super. Ich habe mich jetzt bei diesem Album auch das erste Mal getraut, voll viel zu wiederholen. Bei "Kopfhörer“ war ich viel zu lyrisch und poetisch. Dieses Mal habe ich mich getraut und dabei hat mir der Flip auch sehr geholfen, das war eine super Zusammenarbeit mit dem. Der hat auch einfach ein Gespür dafür, was man rausnehmen kann und ja, ich bandele sehr gerne mit Wörtern an. Ich tue nichts lieber, als U-Bahn zu fahren und den Leuten zuzuhören, was sie so sagen. Was ja eigentlich keine schöne Art ist. Oder ich lese auch gerne Zeitschriften wie das Angel-Magazin, weil da Wörter drin vorkommen, mit denen ich ja nie arbeiten würde. Ich finde, es gibt so großartig viele Wörter, die man noch nicht kennt – das ist toll. Zum Beispiel wusste ich nicht, dass es nicht nur das Wort "erhängen“, sondern auch "erhenken“ gibt. Aber ich kenne mich im Henkerbusiness auch nicht so aus.

rap.de: Es gibt ja auch "ausbeinen“.

Fiva: Das ist sogar eine Berufsbezeichnung! Es gibt "Ausbeiner“ und "Kopfschlachter“. Das habe ich in so einer Metzgerzeitschrift gelesen.

rap.de: Wir befinden uns jetzt ja auf einem sehr bildungsbürgerlichem Niveau. Nun hat Rap in Deutschland damit ja ein kleines Problem. Findest du das schade?

Fiva: Es gibt ja leider wenige Alternativen. Es ist bestimmt so, das viele mit Studentenrap oder Bildungsbürgerrap nicht viel anfangen können, aber das war ja nicht immer so! Das war damals voll cool, das man nebenbei noch was macht. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich aus München komme. Man müsste da einfach für mehr Verständigung sorgen. Ich finde diesen Gangsterrap überhaupt nicht schlimm, solange das jetzt keine ganz fiesen sexistischen Beschimpfungen sind und ich finde diese Musik auch superspannend. Ich gebe ja auch Workshops für Kinder, die die Hauptschule nicht geschafft haben und die machen die besten Texte, die ich je gelesen habe, weil das auch eine ganz andere Sprache ist. Die sind halt direkt, die kauen keine Wörter und lesen auch nicht die Angelzeitung. Da ist auch nicht alles orthographisch richtig, aber es ist halt sehr stimmig. Das ist real. Ich würde gerne vielmehr zusammen machen, das einfach öffnen. Die Kids an der Hauptschule respektieren mich ja auch, obwohl ich nicht Bushido heiße. Ich interessiere mich ja auch für die und gebe denen Ratschläge. Ob die das dann auch so machen, ist ja letztendlich ihre Sache. Ich zieh die alle hoch (lacht)

rap.de: Würdest du gerne?

Fiva: Nee, um Gottes Willen. Ich habe ja schon gesagt, ich übernehme Verantwortung, aber es ist schwierig bei mir. Da bin ich zu sehr Mutti. Mir tut es dann alles so schnell leid, und es gibt Dinge, die man ja dann auch nicht beeinflussen kann.

rap.de: Die eigene  Motivation zum Beispiel. Ob man ins Studio geht oder nicht.

Fiva: Na, das sind Sachen, die ich sowieso erwarte. Nur wenn dann etwas da ist, was ich selber gut finde, und dann sagt mir jemand "Entschuldige bitte, das ist totale Scheiße“, dann wüsste ich nicht wie ich auf so was reagieren soll, da bin ich ein viel zu emotionaler Mensch für. Ich sehe dann den Künstler vor mir, der sich da ins Studio gestellt hat, das alles gemacht hat, ich selbst finde das Endprodukt auch total gut und muss dann noch damit hausieren gehen. Alleine das fällt mir schon total schwer. Und wenn ich dann eine blöde Antwort bekommen würde, dann würde ich mich einfach viel zu sehr aufregen. Und damit tue ich dem Künstler nichts gutes, wenn ich mit so aufführen würde. Ich wäre wohl die schlechteste Promoagentin der Welt.

rap.de: Wie funktionieren deine Raptexte geschrieben?

Fiva: Das sind eigentlich reine Sprechtexte. Also, ein paar würden auch als Rap funktionieren, weil einfach ein Flow drin ist. Die meisten Lyriker würden wahrscheinlich sagen, was ist denn das für ein Scheiß. Aber es funktioniert wirklich gut. Ich bin auch viel mit dem Buch unterwegs, habe da ein anderthalbstündiges Bühnenprogramm, wo ich dann zwischen den Texten auch ein bisschen spiele. Ich bin dann auch richtig unterwegs damit, ich war erst grade beim Theater in Jena, bald bin ich in Mainz. Das ist auch eine ganz andere Welt, da habe ich auch gelernt, mich ein in die Wörter zu verbeißen. Es ist dann etwas anderes, als wenn dann der Beat läuft, in den du dich so reinlegen kannst. Da kannst du dann einfach so loslegen und musst nicht auf den Beat warten, aber das kann auch gefährlich sein. Ich bin auch gespannt, wie die Kurzgeschichten werden. Ich habe nämlich festgestellt, dass es ganz schön viel Arbeit ist, so eine Kurzgeschichte zu schreiben.