Black Milk

Solche Künstler mag ich. Sie sind da, sie lassen nicht auf sich warten, trinken "total exotische" Tees und liefern anschließend eine astreine Live-Show ab.  Die Rede ist hier Black Milk a.k.a. Curtis Cross aus Detroit, der sich trotz seiner erst 25 Lenze auf dem Buckel, anhört wie ein alter Hase im Buisness. Mit Produktionen für Slum Village, Pharao Monch und Lloyd Banks,  zahlreichen Kollaborationen und erfolgreichen Solo LPs wie "Popular Demand" oder "Tronic" machte der junge Gentleman von sich reden. Trotz häufiger Besuche in Europa, verstärkt auch in Deutschland, gab es die Berlin-Premiere doch erst am 25.03. im Cassiopeia und bei der Gelegenheit, dachten wir uns, wir schauen uns mal an, was sich hinter dieser attraktiven Gestalt aus Michigan so verbirgt.

rap.de: Mir ist aufgefallen, dass du sehr oft in Deutschland auftrittst. Magst du es hier so sehr oder hast du das Gefühl, der europäische bzw. deutsche Markt ist wichtiger als der amerikanische?

Black Milk: Sie buchen mich halt sehr oft. Veranstalter in Deutschland buchen mich, sie scheinen mich zu mögen und jedes mal wenn ich hierher komme, bekomme ich eine Menge Liebe von den Leuten. Die Shows sind immer geil, die Crowd hat immer eine krasse Energie. Jetzt wo du mich drauf ansprichst, fällt mir auch auf, dass ich hier auch öfter bin als in anderen europäischen Ländern.

rap.de: Hast du generell das Gefühl, dass das deutsche Publikum mehr Respekt für Künstler hat? Besonders die Old School Legenden werden hier ja sehr verehrt.

Black Milk: Auf jeden Fall. Die Menschen in den U.S.A. sind verwöhnt und verzogen. Sie haben nicht mehr so viel Respekt vor der Kunst.

rap.de: Ach so. Ihr seid verwöhnt und wir kriegen nur die Reste hier oder wie?

Black Milk: lacht Nein. Drüben kennen die meisten Leute die Rapper aus ihrer Gegend oder noch aus der Zeit bevor sie Rapper waren. Für die ist es eine stinknormale Sache, kein großer Deal. Hier ist das so, dass es was Besonderes ist und wenn man dann kommt, dann unterstützen es viele Menschen und kommen in Scharen zu den Shows. Sie wissen die Musik mehr zu schätzen, vor allem, wie du schon gesagt hast, die Old School Heads. In den U.S.A. wird nur der gehypt, der grade am besten verkauft. Da wird die Kunst eher konsumiert als gefördert.

rap.de: Siehst du was von den Städten wenn du hier hin kommst? Was ist deine Lieblingsstadt hier in Deutschland?

Black Milk: Leider ist das meistens so, dass wir ankommen, ins Hotel gehen, uns etwas ausruhen, dann zum Soundcheck gehen, auftreten und wieder abhauen. Ganz ehrlich, ich hatte noch nie die Chance als Tourist hier zu sein. Ich kann dir noch nicht mal eine Stadt beim Namen nennen. (lacht) Ich glaube Köln war ganz cool, aber ich kann mich nicht mehr dran erinnern und in Berlin bin ich zum ersten Mal. Glaube ich. Dreht sich zu seinem DJ "Waren wir schon mal in Berlin?“ – Der DJ schüttelt den Kopf. Aber in Köln hatte ich eine wirklich gute Zeit.

rap.de: Dann hast du noch nie den Kölner Dom gesehen, oder das Brandenburger Tor oder ein Gebäude, das dich interessiert hätte?

Black Milk: Ich komme mir etwas dumm vor gerade, vielleicht solltest du mir mal sagen, was ich mir reinziehen sollte, denn alles was ich sehe, sind Hotelzimmer, Clubs und die Leute, die zu den Shows kommen. Es ist echt schade, aber meistens haben wir gar keine Gelegenheit, uns etwas umzuschauen und mal ein paar Fotos zu schießen.

rap.de: Hast du ein deutsches Lieblingsessen?

Black Milk: Das ist auch wieder so eine Sache. Ich esse hier immer etwas, was nachts noch aufhat und in den meisten Fällen ist es ein Dönerladen, also esse ich Döner.

rap.de: Gibt es ein bestimmtes Essen, das du vermisst, wenn du in Europa bist?

Black Milk: Geht so. Zu hause esse ich oft bei McDonalds und das gibt es ja hier auch. Also eigentlich nicht. Außer Orientalisches Essen, das fehlt mir manchmal. Eins meiner Lieblingsgerichte ist auf jeden Fall Hähnchen-Schawarma.

rap.de: Ist dir klar, dass du das hier hinterher geschmissen bekommst?

Black Milk: Nein. lacht Bisher noch nicht.

rap.de: Es gibt auf jeden Fall eine Menge Libanesen in Berlin und ein paar haben auch kleine Restaurants und so. Oh Mann, du hast echt noch nicht viel gesehen!

Black Milk: Ich mach mich auf die Suche. Das wär’ geil. Mist, jetzt habe ich schon wieder Döner bestellt.

rap.de: Was mir aufgefallen ist, ist dass du deine Finger überall im Spiel hast. Innerhalb eines Jahres machst du Produktionen für andere, für dich selber, du bist immer beschäftigt. Will man dran bleiben, um seinen Stil zu wahren? Will man nicht mal eine kreative Pause, um etwas ganz neues zu kreieren?

Black Milk: Wenn ich arbeite und Projekte mit anderen mache, dann denke ich nicht darüber nach. Mir ist es nicht wichtig, dass Leute denken, ich sei pausenlos beschäftigt oder so. Ich bin einfach immer im Studio. Das ist ganz natürlich für mich. Ich mache Beats, ich mache Tracks, ich entscheide was ich damit mache und wohin die Beats kommen. Entweder behalte ich sie oder ich gebe sie eLZih oder jemandem, zu dem mein Beat passt. Andererseits ist es auch so, dass man heutzutage auch als Underground Act, seinen Namen im Gespräch halten und Präsenz zeigen muss.

rap.de: In deinen letzteren Produktionen hast du mehr Elektro-Sounds und Instrumente mit einfließen lassen. Was hat dich dazu inspiriert?

Black Milk: "Popular Demand" hatte viele Soul Chops und grimey Beats. Ich wollte einfach was Anderes machen, was Neues, wie eben auf "Tronic". Ich will nie, dass zwei Projekte sich ähnlich sind. Ich will, dass sie verschieden klingen und dafür muss man eben frische Elemente hinzufügen. Ich wollte "Tronic" einen ganz bestimmten Vibe verleihen und das funktionierte mit Instrumenten und Electronika. Ich habe viel ausprobiert, letztendlich war es die Mischung, die es ausgemacht hat.

rap.de: Wer inspiriert dich als Produzent?

Black Milk: Eigentlich die etwas älteren Produzenten, wie Pete Rock, Premier, J Dilla, Timbaland, aber auch Just Blaze. Jeder hat seinen individuellen Style. Ich bewundere technisches Können genau so sehr wie Typen, die aus einem Boom-Bap-Beat den größten Hit zaubern können.

rap.de: Wer inspiriert dich als Emcee?

Black Milk: Die meisten MCs aus Detroit, Eminem, eLZhi, Royce Da 5´9´´, alle mit denen ich zusammenarbeite, um ehrlich zu sein. (Lacht) Ich weiß nicht, ob das so ist, weil ich schon eine ganze Weile mit ihnen arbeite oder weil es meine Heimatstadt ist, aber für mich sind das die besten MCs.

rap.de: Was war die bisher inspirierendste musikalische Erfahrung, die du gemacht hast?

Black Milk: Gute Frage. Vor kurzem ist etwas passiert, was mir auf jeden Fall einen unglaublichen kreativen Schub gegeben hat und mich gleichzeitig sehr geehrt hat. Mary J. Blige singt auf einen meiner Beats mit KRS-One und Buckshot. Das sind drei Legenden auf einem meiner Beats. Das ist eine Ehre. Sie sendeten mir die MP3 mit Mary drauf und sie klang wie die alte Mary von früher. Das war wirklich überwältigend für mich.

rap.de: Herzlichen Glückwunsch!

Black Milk: Danke.

rap.de: Hip Hop hat sich sehr gewandelt, Rapper sehen anders aus, es findet eine Fusion zwischen Techno und Rap statt. Bringt das einen Drang zur Veränderung mit sich? Hat man Angst nicht hinterher zu kommen?

Black Milk:
Nein, ich mache mein Ding. Ich höre auf mein Gefühl. Sich wohl zu fühlen während man etwas macht, bedeutet, dass es richtig ist. Ich ziehe an, was ich will, ich schaue mir an, was es gibt und schließe mich dem an, was ich befürworten kann. Niemals werde ich versuchen jemand zu sein, der ich nicht bin. So was geht immer in die Hose. Ich bin immer der gleiche Mensch, ob auf der Bühne oder privat, ich gehe meinen Weg, mache meine Musik und die, die folgen sind cool und die, die es nicht tun auch.

rap.de: Ist dir dein eigener Stil wichtiger als Erfolg? Oder würdest du dich zu einem gewissen Grad auch formen lassen?

Black Milk: Ich würde sagen, ein Erbe weiterzuführen und daraus meinen eigen Sparte zu formen ist wichtiger als der kommerzielle Erfolg. Vielleicht wäre es cool Major gesignt zu sein, aber ich habe keine Eile, denn ich mache, was ich liebe, ich reise in der Welt rum, ich  mache was ich will und wie ich es will und mir geht es finanziell gut. Viele Indie-Artists würden gerne so leben wie ich, denke ich, denn es gibt kaum Unterschiede zu einem Major-Artist. Außer, dass die Radio-Airplay bekommen und ihre Videos auf MTV laufen, aber ich bekomme Unterstützung und sehr viel Liebe von meiner Fanbase und das ist das Allerwichtigste.

rap.de: Wie gehst du mit dem Wandel in der Industrie um? Ist es überhaupt noch wichtig oder von Bedeutung unter Vertrag zu sein?

Black Milk: Grundsätzlich schon. Die Musikindustrie ist so verrückt momentan. Unabhängige Musiker und Major-Artists erreichen eine Art Gleichgewicht momentan. Es gibt gesignte Künstler, die 300.000 Alben verkaufen, bei so was denke ich mir, "Mann, das hättest du auch alleine schaffen können." Dafür braucht man nicht bei einem Major zu sein. Klar gibt es Jay-Z und Eminem, oder Kanye, die bestimmen können, wann ihre Sachen veröffentlicht werden, aber das sind Ausnahmen. Der Rest betet, dass das Album rauskommt, dass sie dich für Shows buchen und all so was.

rap.de: Der Wandel bringt niedrige Verkaufszahlen mit sich, aber dafür muss der Fokus zwingend wieder mehr auf Qualität gerichtet werden, d.h. man muss mehr touren und man sollte live mehr zu bieten haben. Gehst du auch bewusster an Live-Auftritte ran als vorher?
 
Black Milk: Absolut. Ob man nur MC ist, ob man nur seinen DJ mit hat oder eine ganze Live-Band, man muss seine Performance auf eine höhere Stufe bringen. Du musst dir was einfallen lassen, dass dich von anderen Künstlern unterscheidet. Ein perfektes Beispiel sind The Roots. Ihre Live-Show ist wirklich dope, wenn nicht eine der besten im Hip Hop. Sie sind kreativ, sie sind talentiert und kombinieren dies perfekt. Man kann nicht mehr einfach nur hoch auf die Bühne und los rappen. Ich will meine Shows irgendwann mal unerreichbar machen, ich will, dass die Leute immer wieder gerne zu meiner Show kommen wollen. Daran arbeite ich noch, aber so sollte eine Show sein. Sie sollte das Publikum jederzeit wieder holen können und noch doper als das Album sein.

rap.de: Wie sähe für dich der ultimative Erfolg aus?

Black Milk: Der ultimative Erfolg? Um ehrlich zu sein, will ich eine größere Fanbase, aber unter den gleichen Bedingungen wie jetzt. Also ich könnte für den Rest meines Lebens unabhängig bleiben, aber wenn ich mehr Fans hätte, die mich richtig gut finden und loyal sind, dann wäre ich glücklich. Es muss nicht die ganze Welt sein, aber sagen wir, es sind ein paar 100.000 für die ich der ultimative Künstler bin, dann wäre das mein ultimativer Erfolg. Ich will einfach Musik machen, zeitlose Musik und meine Zeit frei einteilen. Wenn ich zehn oder 15 Jahre später noch meine Musik überall hören kann, dann wäre das dope. Es ist mir wirklich wichtig Musik zu kreieren, die nicht nur den gegenwärtigen Zeitgeist trifft, sondern etwas Besonderes hat, das den Menschen länger als ein Jahr später gefällt.

rap.de: Du bist ja auch noch jung, aber hörst dich nicht an wie ein Newcomer. Die meisten Newcomer bringen einen komplett anderen Style, der teilweise seltsam ist und fremd. Wie gefallen dir neuere Sachen?

Black Milk: Ich sehe immer mal hier und da im Internet Namen auftauchen, aber irgendwie zieht es an mir vorbei. Ich finde die meisten auch seltsam und kann mir ihre Namen nicht merken und sie auch nicht gut auseinander halten. Sie sind sich nicht nur optisch, sondern auch akustisch sehr ähnlich. Ich kann dir nicht sagen, ob mir einer gefällt, oder ob ich sie für unnötig halte, weil sie mir jetzt gerade auch nicht einfallen. Ich versuche gerade irgendeinen Namen in Erinnerung zu rufen, aber mir fällt keiner ein. Blu ist von all den neueren Jungs wohl der einzige, der ein guter Lyricist ist. Mit ihm habe ich mich schon in Kontakt gesetzt und wir wollen auch auf eine Kollabo hinaus. Ich glaube, er ist der beste MC an der Westküste im Moment. An jemand anderes kann ich jetzt nicht denken. Denkt jetzt nicht, dass ich hate. Ich hate nicht. (lacht). Mein Geschmack ist Kaviar. Wenn ich jemanden gut finde, dann muss er übertriebenen Flow haben, übertriebenen Style, übertriebene Beats. Ist es nur ein kleines bisschen weniger als übertrieben, dann ist es cool, aber es beeindruckt mich nicht.

rap.de: Wer beeindruckt dich?

Black Milk: Leute wie Ghostface, Jay-Z, Pink Floyd, MF Doom, Eminem auf jeden Fall.

rap.de: Der alte oder der neue Jay-Z?

Black Milk: Beide. Natürlich ist der alte Jay-Z lyrischer. Aber er hat einen derartigen Status, in dem er sich zurück lehnt und checkt, was die Leute so machen und wenn er Bock hat, erhebt er sich und geht wieder ins Studio, nur um zu zeigen, dass er es einfach drauf hat.

rap.de: Was könnte der nächste Trend im Hip Hop werden nach der Techno/Rap-Ära.

Black Milk: Du meinst, nach der Hipster-Ära?

Gelächter

rap.de: Das sind ja nicht alle. Manche sind einfach nur Nerds.

Black Milk: (lacht) Ja, okay. Also nach dem Nerd-Movement? Dann kommt das Detroit-Movement. Ich finde Detroit klingt wirklich gut. Die Beats, die MCs, ich glaube in Detroit bildet sich gerade ein sehr guter Kreis. Es war schon immer da, mit Leuten wie Slum Village, Dilla, Guilty Simpson, mir und vielen anderen, aber jetzt treten wir an die Front. Es wird Arbeit kosten, aber wir müssen der Welt zeigen, dass man sich nicht mit Detroit anlegen sollte.

rap.de: Kennst du Paul Celan?

Black Milk: Nein, ich denke nicht.

rap.de: Er hat ein Gedicht geschrieben, das heißt "Die Todesfuge".

Black Milk: Wow, mich hat letztens schon mal jemand gefragt bei myspace. Willst du mich fragen, ob ich meinen Namen daher habe?

rap.de: Ja genau. Die erste Zeile in dem Gedicht ist "Schwarze Milch der Frühe, wir trinken sie abends (…)". Aber das hat sich dann wohl erledigt.

Black Milk: Das ist echt verrückt, dass du mich das jetzt auch fragst. Aber ich habe mir den Namen einfach eines Tages ausgedacht. (lacht) Einfach so. Grundlos. Tut mir leid.

rap.de: Warst du da auf Drogen?

Black Milk: (lacht) Nein. Ich war 16 oder 17 und habe verschiedene Namen auf ein Stück Papier geschrieben. Black Milk gefiel mir am besten, also wurde ich Black Milk. Ich wusste der Name sticht heraus, 50% der Leute werden ihn lieben, 50% werden ihn hassen,  100% werden ihm Aufmerksamkeit schenken. Nimmt einen Schluck Pfefferminztee mit frischer Minze. Setzt das Glas angewidert ab und fragt mich:  Was ist das für ein ekliges, grünes Zeug in meinem Tee?

 

rap.de: Frische Pfefferminze. Nana-Tee.

Black Milk: Ach so. Oh das ist sweet. Dope.

Gelächter.

rap.de: Was bedeutet der Name Black Milk heute?

Black Milk: Es ist meine Marke. Wenn du an schwarze Milch denkst, dann denkst du "ekelhaft, das will ich nie trinken" und so sind auch meine Beats und mein Style – sie sind nasty. Bisher funktioniert es.

rap.de: Letzte Frage. Gibt es eine Frage, die du bisher in jedem Interview vermisst hast?

Black Milk: Ich mag diese Frage und ja, die gibt es. An sich finde ich immer einen Weg, das zu sagen, was ich gerne mitteilen würde, aber Leute fragen mich nie Dinge über meinen musikalischen Hintergrund und ob er von meiner Familie kommt. Also, ob ich musikalische Onkel, Tanten oder Eltern habe. In meiner Familie macht jeder Musik, sie singen wirklich gut. Verdammt gut. Manche meiner älteren Cousins sind auch Produzenten. Einer meiner Cousins ist der Gitarrist von Q-Tip, der mit der Glatze, der auch im "Gettin Up" – Video drin ist. Ich weiß gar nicht warum ich ihn beschreibe, denn Q-Tip hat nur einen Gitarristen. Lacht

rap.de: Geile Sache. Ja, dann freue ich mich sehr auf deine Show und bedanke mich.

Black Milk: Sweet. Viel Spaß!