Dizzee Rascal

Sechs Jahre ist es nun schon her, als Dylan Mills b.k.a. Dizzee Rascal sein erstes Album "Boy In Da Corner" veröffentlichte. 2003 war der junge Mann gerade mal 19 Jahre alt und wohnte noch in einer Sozialsiedlung im East-Londoner Stadtteil Bow. Was passiert mit einem einfachen Jungen nach drei Erfolgsalben, mehreren bedeutenden Musikpreisen, wie dem "Mercury Music Prize", Touren in aller Herren Länder und einem vierten Album im Gepäck? Was bedeuten ihm die Menschen, die ihn bis hierher begleitet haben und was denkt er über jene, für die er angefangen hat Musik zu machen? Um das herauszufinden begaben wir uns auf die weite Reise zur Universal Music Group, um uns von den Antworten des bekanntesten Grime-Rappers der Welt überraschen zu lassen. Auf jeden Fall trafen wir einen hochsensiblen jungen Mann, der seinem Ruf als schwieriger Interviewpartner einigermaßen Ehre machte, obwohl ab und zu auch mal gelacht werden durfte.

rap.de: Du warst ja nun schon öfter in Deutschland, hast auch beim Splash! Festival letztes Jahr gespielt, dieses Jahr wirst du wieder da sein.

Dizzee Rascal: Ja, ich war hier schon etliche Male. Letztes Jahr bin ich aber nur in einem der Zelte aufgetreten, dieses Jahr spiele ich endlich auf der Hauptbühne.

rap.de: Ah, Hauptbühne ja? Wie kommt’s?

Dizzee Rascal: Es war letztes Mal schon fett. Es ist ein gutes Festival, die Energie war grandios. Immer wenn ich in Deutschland auftrete, ist es super. Außerdem hatte ich die Chance Ice Cube zu sehen, er ist ja auch aufgetreten.

rap.de: Ist er einer deiner Favoriten?

Dizzee Rascal: Ich weiß nicht, ich mag ihn auf jeden Fall. Er ist ein O.G., ein Original und es war krass ihm zusehen, in seinem Alter und mit dem Status, den er hat. Er ist ein erfolgreicher Schauspieler, ein Film-Produzent und ein legendärer Rapper, er ist massiv unterwegs. Es war krass ihn dort oben auf der Bühnezu sehen. Alles junge Menschen, die ihm zugeschaut haben und trotzdem diese krasse Energie.

rap.de: Hast du ihn da zum ersten Mal live gesehen?

Dizzee Rascal: Ja. Auf jeden Fall. Ich war sehr beeindruckt. Ich dachte nur, wenn ich 40 bin, möchte ich auch so drauf sein.

rap.de: Hast du da noch andere Künstler gesehen, die dich beeindruckt haben?

Dizzee Rascal: Nein, leider hat die Zeit nicht gereicht. Ich bin vom Hotel, zum Auftritt und zurück zum Hotel, mehr oder weniger. Ich freue mich auf dieses Jahr.

rap.de: Hoffen wir mal, dass das Wetter auch mitspielt. Was ich gerne machen würde, ist ein paar Jahre zurück gehen, ins Jahr 2003. "Boy In Da Corner“ kam raus und du wurdest mit dem Mercury Music Price ausgezeichnet. Journalisten tummelten sich vor deiner Haustür, aber du kamst nicht raus. In einem späteren Interview hast du folgendes gesagt:

"My head’s all over the place. People have been telling me it’s like the most prestigious award. I’m starting to understand it more and more as I wake up. I’m getting more and more aware of what’s going on now. I’m very very very very happy about it, but it’s a bit much, because I wasn’t expecting it. I didn’t expect it to get this much coverage, because it’s grimy and the kind of audience it was aimed for isn’t a massive audience. I always put people with my kind of background first. It’s just amazing that it’s reached so many people.“

Dizzee Rascal: Daran kann ich mich nicht mehr erinnern. Es ist zu lange her. Weißt du wie viele Interviews ich seit dem gegeben habe? Ich kann mir vorstellen, dass ich so was in die Richtung gesagt habe.

rap.de: Naja, irgendwas wird dir davon bestimmt in Erinnerung geblieben sein, wenn du so reagiert hast. Hat dich der Erfolg von damals eingeschüchtert?

Dizzee Rascal: In erster Linie bin ich in einer Siedlung mit Sozialwohnungen groß geworden in einem Council Estate in East London. Da gab es keine Kamerateams vor der Haustür oder Fotografen, das war da absolut unvorstellbar und anormal. Die wollten ohne Interviews nicht mehr gehen, also musste ich letztendlich raus und welche geben. Es war echt etwas verrückt. Es war wirklich verrückt.

rap.de: Was du sofort klargestellt hast, war ja, dass du es für die Leute mit deinem Hintergrund gemacht hast. Wer sind diese Leute?

Dizzee Rascal: Alle, die auch hier in Sozialsiedlungen aufgewachsen sind. Leute wie ich eben. Ich kannte damals auch nichts anderes, wenn ich ehrlich bin. Klar, war ich auch mal woanders, aber ich bin aus dieser Rave-Szene, ich wurde in dieser Szene bekannt und die Leute, die da auch waren, waren Leute aus der Hood oder so ähnlich. Aber offensichtlich war ich in der Lage, mich gut genug zu artikulieren und somit erreichte ich viele verschiedene Menschen.

rap.de: Hat dich das denn irgendwie gestört oder war das eine gute Sache, dass du auf einmal Zuhörer von überall her hattest?

Dizzee Rascal: Nein, ich war absolut glücklich darüber. Ich meine, man versucht immer so offen wie möglich zu sein, aber letztendlich prägen dich die Leute, denen du tagtäglich in die Augen siehst, die die du entertainst.

rap.de: Wer sind jetzt die Leute, für die du Musik machst?

Dizzee Rascal: Es sind schon noch die gleichen Leute, aber es sind halt mehr. Ich wusste, dass ich mit dem Album viele Leute erreicht habe und somit, sind es immer noch die Leute, mit denen ich aufgewachsen bin plus die ganze Welt. Ich war schon überall auf der Welt. Außerdem mache ich Musik für Festivals, ich mache gerne Musik, die auf Festivals gut klingt, also sind es alle Menschen. Jeder.

rap.de: Du hast dein erstes Album "Boy In Da Corner“ genannt. Nur einige Jahre später, kam dann ein Album mit dem Titel "Showtime“ raus. Das ist ein großer Schritt. Was ist in diesen Jahren passiert?

Dizzee Rascal: Ich bin verdammt noch mal berühmt geworden, Mann, das ist passiert! "Boy In Da Corner“ war ein Album mit Geschichten aus der Perspektive eines Jungen an der Straßenecke und der ganze Bullshit. Dieser Junge bekommt auf einmal so viel Aufmerksamkeit und die Chance zu zeigen, was er kann, also alle beobachten dich. Deshalb "Showtime“. "Maths & English“ war dann so das Album auf dem ich manifestiere, was ich gelernt habe. Jeder Albumtitel reflektiert, wo ich mich gerade in meinem Leben befinde.

rap.de: Du wurdest von drei Schulen geschmissen, richtig?

Dizzee Rascal: Von einer bin ich gegangen und bei einer durfte ich nur zu den Prüfungen, aber nicht in den Unterricht.

rap.de: Warum bist du von der Schule geflogen?

Dizzee Rascal: Ich habe den Unterricht gestört und ich war gewalttätig. Das war’s eigentlich schon.

rap.de: Gewalttätig deinen Mitschülern oder deinen Lehrern gegenüber?

Dizzee Rascal: Gewalt ist Gewalt, oder? Mein Gott, was soll’s, ich habe ein paar Leute zusammengeschlagen, es ist wie es ist. Ich bin jetzt 24, damals war ich zwischen 12 und 16 Jahre alt und da, wo ich herkomme, ist das keine Seltenheit. Es war schon krass, dass ich von drei Schulen geflogen bin, aber ich habe diese Zeit damals trotzdem, musikalisch betrachtet, sehr produktiv genutzt.

rap.de: In dieser Zeit gab es auch einen Lehrer, der dich aufgefangen hat, richtig?

Dizzee Rascal: Er hat mich nicht aufgefangen. Er war mein Musiklehrer und ich war verliebt in Musik. Wir hatten in seinem Klassenraum ein separates Zimmer, in dem die Computer waren, es war ein bisschen wie ein kleines Studio, man konnte darin auch aufnehmen und alles. Ich wollte immer da rein, vor der Schule, in den Pausen, nach der Schule, jederzeit. Und er hat es mir erlaubt. Das ist so sein Teil in der Geschichte. Ich habe ihm ein Big Up gegeben im Inlay des Albums und die Presse hat es irgendwie so dargestellt, als hätte er mich gerettet. Ist schon cool, whatever.

rap.de: Also, hat er gar keine große Rolle gespielt, deiner Meinung nach?

Dizzee Rascal: Er hat seine Rolle, aber er musste mich ja schließlich nicht in diesen Raum lassen. Keiner hat ihn gezwungen. Aber die Motivation und alles kam von mir. Er hat mir nicht beigebracht, wie man Musik macht oder irgendwas, das konnte ich schon und ich war den anderen Kids in diesem Punkt voraus. Das war auch der Grund, warum er mich dieses kleine Studio überhaupt benutzen ließ.

rap.de: Ein weiterer Punkt, den du mal in einem Interview erwähnt hast ist, dass du auf keinen Fall die Message verbreiten willst, das Entertainment Business holt irgendjemanden aus der Hood.

Dizzee Rascal: Ja, auf jeden Fall. Ich habe diesen Weg gewählt, was nicht heißt, dass es der einzige Weg ist.

rap.de: Ja, aber tust du auch was dafür? Unternimmst du etwas um den Kids mit dem gleichen Hintergrund unter die Arme zu greifen?

Dizzee Rascal: Es gibt so ein Programm in dem Stadtviertel aus dem ich komme, eine Sommer-Uni, da bin ich als Kind auch hin gegangen. Man kann dort kreative Dinge lernen und machen, du kannst dort Sport machen und wenn es da eine besondere Veranstaltung gibt, dann komme ich vorbei und zeige den Kids dort Liebe und unterstütze sie, wenn ich kann. Ich habe auch an einer Kampagne mitgewirkt, die sich um suizidgefährdete junge Männer kümmert, denn ich hatte selber auch einen Freund, der Selbstmord beging. Ich habe für diese Kampagne letztes Jahr ein Video gedreht. Ich hatte einen Track, den habe ich aber auf keinem Album und dazu haben wir dann das Video gedreht, das sie dann benutzt haben.

rap.de: Gibt es in deinem Leben Vorbilder, denen du nacheiferst?

Dizzee Rascal: 2Pac, Snoop Dogg, all diese Typen, die von den meisten Leute da draußen als schlechter Einfluss bezeichnet werden, aber für mich waren sie diejenigen, denen ich nacheifern wollte.

rap.de: Was glaubst du, warum halten die meisten diese Menschen für einen schlechten Einfluss und warum waren sie es für dich eben nicht?

Dizzee Rascal: Es sind nun mal Gangsta-Rapper gewesen, deswegen. Sie sprechen über Sachen, die man nicht als vorbildlich bezeichnen würde, aber zu der Zeit, in der Phase in der ich mich befand, waren das die Leute, die über die wirklich wichtigen Dinge redeten. Vor allem 2Pac, er hat sehr leidenschaftlich über Dinge gerappt, die als Kind für mich zählten.

rap.de: Hattest du keine Vorbilder in der englischen Szene?

Dizzee Rascal: Ich mochte Wiley und D Double E zu der Zeit sehr gerne. Mit D Double E von den Newham Generals arbeite ich jetzt eng zusammen. Die Newham Generals sind auch auf meinem Label gesigned, Dirtee Stank Records, ihr Album kommt im Mai. Damals waren sie Drum’n’Bass MCs, all meine Vorbilder waren immer Musiker.

rap.de: Weil sie Musiker waren oder hast du als die Personen, die sie waren verehrt?

Dizzee Rascal: Na, sie waren halt Musiker, aber sie haben über Dinge geredet, mit denen ich mich identifizieren konnte. Sie hatten den gleichen Background wie ich. Deshalb mochte ich sie. Ich mochte aber Rock’n’Roll und Heavy Metal. Ich mochte Guns N’ Roses. Ich wollte so sein wie Slash, mit den langen Haaren und dem Zylinder. Gelächter
Ich habe ihm das auch einmal gesagt und er wollte es nicht glauben. Aber so war es. Er war irgendwie mehr der Frontmann, als Axl. Ich mochte die Frontmänner, so wollte ich sein, so wie Kurt Cobain.

rap.de: Coole Sache. Ich mein, du bist ´85 geboren, oder?

Dizzee Rascal: `84.

rap.de: In jedem Fall warst du sehr jung, als diese Jungs erfolgreich waren.

Dizzee Rascal: Ich war jung, aber MTV spielte diese Sachen ja trotzdem.

rap.de: Ja, das ist mir schon bewusst.

Dizzee Rascal: Ach so. Gut.

Gelächter

rap.de: Deine erste Single "I love you“ handelte teilweise von jugendlichen Schwangeren. Hast du auch von diesem Paar gehört, ich glaube er ist 12 und sie ist 19 oder so, die jetzt auch ein Kind haben. Die sind auch aus England und England hat eine unfassbar hohe Rate an solchen Fällen. Was hat dich persönlich dazu bewegt, dieses Thema anzusprechen.

Dizzee Rascal: Nun, zumal etwas, dass ich kenne und etwas, dass ich selber erfahren habe. Aber ich möchte nicht darüber reden.

rap.de: Nutzt du deine Plattform, um etwas dagegen zu unternehmen?

Dizzee Rascal: Nein. So weit geht das bei mir nicht. Eigentlich war ich nur frech auf diesem Song. Ich wollte einfach frech sein, aber scheinbar ist das ein Thema, das viele Menschen bewegt, es ging fast in eine politische Richtung. Das ist die Macht der Musik, nicht wahr? Ich muss sehr leidenschaftlich darüber gerappt haben, aber letztendlich war ich bloß frech, wenn du die Wahrheit hören willst.

rap.de: Aber es ist doch wirklich ein großen Thema, für das es sich lohnt seine Plattform zu nutzen.

Dizzee Rascal: Ich könnte mit meiner Plattform vieles tun und alles mögliche versuchen, zu verbessern. Der Song ist alt, ich tue was ich kann. Mein Gott.

 

rap.de: (etwas müde) Yep. Wie auch immer. Du arbeitest sonst an sehr vielen verschiedenen Sachen und mit sehr unterschiedlichen Leuten aus verschiedenen Genres. Hat deine Musik ein Genre?

Dizzee Rascal: Ja, das ist mein Ding. Ich versuche so experimentell wie möglich zu sein. Ich will Musikstile mischen und sehen, was dabei passiert, was dabei rumkommt und wie man zum nächsten Level kommt. Ich will das nächste Level erreichen, das nächste Gebiet erobern.

rap.de: Du hast als East-Londoner Grime-Head angefangen und wenige Jahre später einen Dancefloor-Füller, den NME-Award gewonnen für die Single "Dance Wiv Me". Ist das ein Weg, den du dir bereitet hast, oder ist es so gekommen?

Dizzee Rascal: Wie gesagt, mochte ich schon immer verschiedene Musikstile wie Drum’n’Bass, Heavy Metal, Rock, Dancehall, House und ich verstehe diese Richtungen auch alle. Ich komme zwar aus der Grime-Szene, auch wenn das damals nicht so hieß, es war einfach eine Musikszene. Ja,  es kam vom Garage, aber es war einfach eine Piratensender-Szene. Es waren die Medien, die es so nannten, nachdem sie sahen, was wir da machen. Ich wollte einfach meine Interpretation dieser Musikstile machen, um zu sehen, wie das klingt. Jeder große Künstler behauptet, er hätte kein Genre, es ist Klischee aber es ist wahr.

rap.de:  Hat dich der NME von Anfang an unterstützt, oder warst du eher überrascht, dass du der jenige warst, den sie wollten?

Dizzee Rascal: Die sind ziemlich eklektisch und haben wirklich viel mit Musik zu tun, nicht so wie andere Magazine, die das nur behaupten und eigentlich nur sensationsgeil sind. Das Verrückte war nur, dass sie "Dance Wiv Me" anfangs nicht so mochten. Sie dachten sogar, dies sei mein Ende, aber letzten Endes haben sie es anerkannt.

rap.de: Wenn man sich “Boy in Da Corner“ anschaut und vergleicht mit “Maths & English“, dann ist ersteres  ja schon ein wenig düsterer.

Dizzee Rascal: Ja, um einiges dunkler, aber das Album, das ich jetzt raus bringe,  mein viertes Album, ist das glücklichste, fetteste und frechste Album, das ich je gemacht habe. Es ist nicht mehr diese hardcore Tour, es ist jugendfreier als alles andere.

rap.de: War der Weg von Album zu Album eine Art Therapie?

Dizzee Rascal: Ja schon! Meine Gedanken sammeln und sie in eine Reihenfolge zu bringen, dass ist ja schon irgendwie eine Therapie. Aber andererseits versuche ich damit eher, Leute zum Lachen zu bringen, sie etwas fühlen zu lassen. Es ist also eher für andere, als für mich selbst. Das ist mir eine der wichtigsten Aufgaben.

rap.de:  Irgendwas ist aber mit dir passiert, vielleicht deine Einstellung gegenüber Menschen allgemein, auch deinem Publikum gegenüber.

Dizzee Rascal: Ja ich denke schon, dass ich toleranter geworden bin gegenüber verschiedenen Typen von Menschen, weil ich von so vielen verscheiden Leuten umgeben bin. Ich war aber auch nie jemand, der nur mit Schwarzen abhing. Ich hing mit Weißen, Chinesen…wem auch immer. Ich meine, ich hatte einen Freund in jeder Ecke, in jeder Lebenslage und ich denke diese Einstellung habe ich mir beibehalten. Ich war jetzt schon in Australien, Neuseeland, Japan, überall in Europa, Deutschland. Jetzt verstehe ich die Menschen viel mehr und versuche ihnen was zu bieten.

rap.de: Was war der bisher interessanteste Ort an dem du warst?

Dizzee Rascal: Ich denke Japan war strange. Das ist, als würde man einen anderen Planeten bereisen. Wenn ich jetzt in Europa reise, dann sehe ich immer noch die Gemeinsamkeiten mit England. Berlin zum Beispiel ist ein Ort, an dem ich auch Leben könnte und gut drauf klar kommen würde. Aber ein Ort wie Japan, der ist sehr anders.

rap.de Was ist der Unterschied zum japanischen Publikum?

Dizzee Rascal: Naja sie stehen und schauen zu, dabei sind sie allerdings nicht gelangweilt. Das ist glaube ich, ihre Art Respekt zu zeigen. Sie gehen erst ab wenn der Song zu Ende ist.

rap.de: Ist es nicht schwer vor einer Gruppe von Menschen zu performen, die einfach nur still da steht und zuschaut?

Dizzee Rascal: Ja, das passiert. Weil eigentlich möchte ich, dass Leute ihren Verstand verlieren. Was ich auch krass finde, ist, dass sie meistens gar kein Englisch sprechen. Das ist etwas, an das ich oft denke. Die Leute verstehen doch gar nicht, was ich sage, aber sie raffen mich und den Style.

rap.de: Das ist doch das Lustige an Japan. Ich denke sie sind sehr interessiert an der westlichen Kultur und sehr offen dafür.

Dizzee Rascal: Ja stimmt, sie wollen immer wissen, was in der Welt so geschieht und sie haben schon unzählige Trends gesetzt, sei es technologische oder kulturelle oder auch im Bereich der Mode.

 

rap.de: Oder wenn man zum Beispiel zu Dance Contests geht, da hast du immer auch japanische Breaker, das ist Standard.

Dizzee Rascal: Ja, die haben ihre Finger überall mit drin und sind ziemlich gut. Wie die Deutschen auch, sie sind auch sehr gründlich, bei dem was sie tun.
 
rap.de: Hast du schon mal japanische Dancehallcontests gesehen?

Dizzee Rascal: Nein, das nicht, aber ich hab Elephant Man Videos gesehen und der hat ja auch ein paar japanische Tänzerinnen. Sie sind so gut wie die anderen auch. Vielleicht ist es nicht das Gleiche, aber auch Gwen Stefanis Tänzerinnen, die Harajuku-Girls sind krass, ich liebe es, wie die abgehen.

Rap.de: Das ist ja eher eine Style-Sache. Sie fungieren eher als Musen, oder?

Dizzee Rascal: Nein, nein, die können richtig tanzen. Die meinen es ernst.

rap.de: Ich hab die noch nie tanzen sehen.

Dizzee Rascal: Schau dir noch mal einige Videos an. Sie setzt die Tänzerinnen nicht nur dazu ein, um sich zu amüsieren, oder um selbst besser auszusehen, sondern auch weil sie gut tanzen können.

rap.de: Ich habe neulich diese japanischen Dancehall-Tänzerinnen gesehen und fand es sehr witzig. Japanerinnen mit Dauerwelle und Perücken.

Dizzee Rascal: Das sind japanischer Hood-Girls. (Gelächter.) Man hat überall, wo man hingeht arme Menschen und gewisse Viertel und diese Mädchen kommen von dort und sind wirklich gut.

rap.de: Du solltest dir wirklich mal japanische Dancehallcontest angucken!
 
Dizzee Rascal: Okay, das werde ich auschecken.

rap.de: Du sagtest ja du bist musikalisch gewachsen und gereift und hast auch deine Einstellung gegenüber Leuten geändert, könntest du dir dann vorstellen noch mal mit deinem alten Kollegen Wiley zusammen zu arbeiten?

Dizzee Rascal: Das brauch ich nicht.

rap.de. Warum nicht? Nicht mal, wenn er dich darauf ansprechen würde und dich fragen würde, ob ihr was zusammen aufnehmen könntet und einfach wieder Roll Deep sein?

Dizzee Rascal: Ich brauche es nicht. Es geht mir gut.

rap.de: Siehst du ihn als guten MC an?

Dizzee: Ja natürlich. Das ist er.

rap.de: Aber du würdest trotzdem nichts mit ihm machen?

Dizzee Rascal: Nein.

rap.de: Würdest du mit ihm in Kontakt bleiben?

Dizzee Rascal: Ich habe keinen Kontakt zu ihm, seit sechs oder sieben Jahren. Ich hab ihn in dieser ganzen Zeit vielleicht einmal unter vier Augen gesehen.

rap.de: Und wie war das?

Dizzee Rascal: Er sah nicht so aus als hätte er ein Problem. Ich sagte: “What’s up bruh?“ und dann ging es weiter. Das war’s!

rap.de: Also würdest du trotzdem, obwohl du gewachsen bist, die ganze Sache nicht auf ein anderes Level bringen wollen?

Dizzee Rascal: Ich habe es doch jetzt schon zu einem Level gebracht das fern ist von dem, was er und ich jemals zusammen geschafft haben. Wir haben ja gar nicht so viele Songs zusammen gemacht. Wir sind zusammen bei Piratenradiosendern und auf ein paar Raves aufgetreten und sonst haben wir nur zwei Songs zusammen gemacht. Ob die Leute es nun glauben wollen oder nicht, was meine Karriere angeht, habe ich alles alleine geschafft. Ich hab mein erstes Album ganz allein gemacht.

rap.de: Machst du deine Beats noch selber?

Dizzee Rascal: Ja, einige. Bei dem Album, an dem ich gerade arbeite, habe ich die wenigsten Beats gemacht, jemals. Die hauen aber dafür richtig rein.

rap.de: Und wer hat die anderen Beats gemacht?

Dizzee Rascal: Cage hat viele davon gemacht, Footsie hat einen gemacht, ich habe Arbeiten von Aaron LaCrate drauf, der steht für die ganze Baltimore Szene und Armand van Helden der meine Hauptsingle produziert hat.

rap.de: Siehst du auch diesen Trend kommen, Rap mit Techno und House zu mischen?

Dizzee Rascal: Ich habe viel House gehört und diesen Einfluss hörst du auf meinem Album. Ich mag diese Szene wirklich sehr. Sie besteht aus glücklichen Leuten. Das war das erste mal, dass ich eine Szene sah, in der es keine Gewalt oder schlechte Vibes gibt.

rap.de: Ich sehe halt, dass sich vor allem viele amerikanische Künstler immer mehr mit dem Mix von Rap mit Minimal oder Techno beschäftigen, es aber als etwas Neues ansehen.

Dizzee Rascal: Ich denke viele Hip Hop Heads haben ihre Einstellung dem gegenüber geändert. Die Hip Hop Fans mussten auch einfach andere Musikrichtungen akzeptieren und sich auf Musik einstellen, die sie zum Tanzen bringt. Denn darum geht es doch letztendlich. Ich glaube der Hip Hop der letzten Jahre, hat eine Tanzpause nach sich gezogen. Ein Hip Hop Club ist einer der bewusstesten Orte, an denen du sein kannst. Man ist sich darüber bewusst, wie man aussiehst, wer dich anguckt, ob du den richtigen Gesichtsausdruck trägst, wie du dich bewegst. Du bist also nicht frei. Auf House Partys sind die Leute voll drauf, auf irgendwelchen Drogen oder sie sind besoffen, sie haben Gesichtsentgleisungen, aber sie gehen ab. Es ist ihnen egal. Das ist es worum es beim Hip Hop am Anfang ja auch ging.

rap.de: Ich finde, soweit ich mich erinnern kann, hatte die UK Rap Szene schon immer gemixte Beats, die aufgrund ihrer Schnelligkeit an Techno erinnerten. Jetzt tut man so, als wäre es etwas vollkommen Neues, dabei vergisst man, dass es das schon immer in England gab. Ärgert dich das oder freust du dich darüber, dass es nun weltweites Ansehen bekommt?

Dizzee Rascal: Ich bin für die Musik als Ganzes. Ich gehöre nicht zu diesen “Fuck Amerika-UK-MCs-Stand up“- Musikern . Eigentlich beeinflust England Amerika mehr als man denkt. Ich weiß, dass mein Album “Boy in Da Corner“ sehr gut in der Musikindustrie angenommen wurde, von großen Leuten, von denen du dir niemals vorstellen könntest, dass die das Album kennen. Da sieht man diesen Einfluss auch.

rap.de: Aber du bist glücklich über die Entwicklung der Musik, hin zu glücklicherer, positiverer Musik?

Dizzee Rascal: Definitiv. Es ist ja immer noch gemein und fies. Aber man kann halt auf eine Houseparty gehen und dort meine Musik spielen. Ich bin glücklich, darüber, dass ich eine Position in meinem Leben habe, die es mir erlaubt solche Sachen zu veröffentlichen.

rap.de: Wann können wir dein neues Album erwarten?

Dizzee Rascal: Hoffentlich im Juni.

rap.de: Hast du noch irgendwelche abschließenden Worte für die Leser?

Dizzee Rascal: Ja! Besucht mich auf dem Splash! Festival und Big Up an alle meine deutschen Fans. Kauft mein Album, das wird “Tongue and Cheek“ heißen! Das ist exklusiv, das habe ich bis jetzt noch niemandem gesagt. Respect.

rap.de: Danke für das Interview.