Frauenarzt und Manny Marc

Kurz hinterm U-Bahnhof Alt-Tempelhof. Es sieht ein bisschen nach englischer Vorstadt aus. Im Hintergrund rauscht die Autobahn. Gegenüber das Rollfeld des letzten innerstädtischen Flughafens. Tempelhof darf nicht sterben. Wir sind in einer Art Industriegebiet. Im ersten Stock, direkt über einem Autoschilderservices, ist der Sitz von Atzenmusik. Büro, Studio und Chill Area, oder wie man das auch immer nennen mag: Lounge vielleicht. Natürlich war der Laden früher ein Puff. Aber ein ganz ein ekliger. Zumindest haben Frauenarzt und Manny Marc noch jede Menge ausländischer Pässe von illegal eingeschleusten Damen hinter den Tapeten und in Mauerritzen gefunden. Ein bisschen verschimmelt muss es auch gewesen sein, bevor die Jungs Hand angelegt haben. Schön war es nicht, aber genau das richtige um ein Imperium zu gründen. Das Imperium von Elektro Rap. Atzenmusik heißt der neue Sampler, der in diesen Tagen, in die Läden kommt und wenn „Florida Lady“, die aktuelle Single, ohne jegliche CD-Veröffentlichung in die Charts einsteigt, dann könnten wir mit dieser Compilation noch ein kleines Wunder erleben. 

rap.de: Ich glaube, dass ihr schlauer seid, als ihr euch präsentiert.

Manny Marc: Das kann schon sein. 

rap.de: Darf ich dir eine persönliche Frage stellen?

Manny Marc: Nur zu.
 
rap.de: Was sind deine Eltern von Beruf?

Manny Marc: Mein Vater ist Hotelier und meine Mutter ist auch so in der Branche tätig.

rap.de: Also die haben ein eigenes Hotel.

Manny Marc: Ja. Genau. Hier in Berlin, in Tempelhof.

rap.de: Kann man den Namen dazu nennen?

Manny Marc: Nee, ich hatte das Problem schon mal. Dann sind wirklich da Leute vorbeigekommen und haben meinen Vater genervt von wegen „Kann ich ein Autogramm von Manny Marc bekommen“ und so. Die dachten wirklich, ich steh’ da jeden Tag.
 
rap.de: Dein Vater sollte die Manny Marc-Lounge einrichten.

Manny Marc: Ja, mit der Bassboxxx Suite. Kommt und trefft eure Idole. Hier kommt auch manchmal K.I.Z. vorbei oder sonst wer.

rap.de: Man könnte ja auch so eine Hip Hop Stadtrundfahrt machen. Göbentraße das alte Aggro Berlin Büro. Mittenwalderstraße das original Royal Bunker Freestylecafé. Man könnte in den Wild Style Shop nach Haselhorst fahren und Ben könnte den Reisegruppen Prozente aufs Merchandising geben.

Frauenarzt: Ja und in die Mariannenstraße könnte man fahren. Da war früher das Bassboxxx Studio.

rap.de: Da wo wir uns einmal getroffen haben, als du mich gefragt hast, was ich hier in der Gegend zu suchen habe? (alle lachen)

Frauenarzt: Ja. Die alten Zeiten.

rap.de: Ja. Hahaha. (lacht gequält)… das war witzig! Ich habe Dich ja sogar mal gedisst in einem Song.

Frauenarzt: Ich hab dich auch gedisst.

rap.de: Hast du dich eigentlich darüber geärgert.

Frauenarzt: Ne. Ich fand das witzig.

Manny Marc: Ich wollte das sogar mal auf ein Mixtape packen.

rap.de: Aber seit den alten Zeiten bis heute hat sich ja einiges verändert. Kontor-Records ist die neue Heimat.

Manny Marc: Hamburg sozusagen.

rap.de: Ja. Aber vor allem das Label von Scooter. Frage liegt auf der Hand. Wie kommt’s? Wie ist die Geschichte?

Frauenarzt: Ich kann dir ja mal die Platte zeigen, da ist so ein Kreis, da steht ein Name drin, Alexander Marcus. Mit dem wir den Hit "Florida Lady“ gemacht haben und durch den sind wir auch an Kontor gekommen.



rap.de: Chartplatzierung? Gab es eine?

Frauenarzt: Ja. Platz 89 in der ersten Woche, aber es gibt keine offizielle CD im Handel. Es gibt nur die Platte und iTunes. Das war’s. Es war gar nicht unser Ziel, in den Charts zu sein. Wir wollten einfach nur ne Platte und ne Single haben und dann kam n Anruf, „Ey ihr seid in den Charts!“ und wir so „Cool, warum nicht.

rap.de: Aber wie seid ihr nun zum Label gekommen?

Frauenarzt: Wie schon gesagt über Alexander Marcus, wir haben halt  überlegt, mit dem was zu machen, weil wir den lustig fanden. Dann haben wir den angeschrieben und er war auch sofort dabei und wir haben zwei Songs aufgenommen. Einer ist auf unserem Album, einer auf seinem und dann waren Kontor auch sofort interessiert. Wir sind dann nach Hamburg gefahren und waren erst mal ein bisschen skeptisch, aber bei denen war wirklich eine coole Atmosphäre. Es ist jetzt auch kein Major- sondern ein Independent Label, das gleich mit offenen Karten gespielt hat. Somit sind wir schnell ins Geschäft gekommen.

rap.de: Alexander Marcus sieht nicht unbedingt so aus, als würde er auf einer Porno-Party abfeiern. Wie hat denn da die Zusammenarbeit geklappt?

Frauenarzt: Es ging ja auch mehr um Musik. Es ging jetzt nicht so um die Texte oder die Inhalte. Er hatte ja auch Lieder wie "Papaya“ und "Sei Kein Frosch“, die uns inhaltlich gar nicht angesprochen haben, aber musikalisch passt das einfach zusammen. Er ist der King of Elektrolore, wir machen Elektro-Rap und das hat einfach perfekt zusammengepasst.  Er hat unsere Musik auch gefeiert.

rap.de: Andere Berührungen mit Major Labels waren aber nie so erfolgreich, oder?

Frauenarzt: Das Interesse war da, aber man muss da ja auch auf’n Punkt kommen und wissen, was man will. Ein „Ja“ ist ein „Vielleicht“, es geht immer hoch und runter und oft reden alle aneinander vorbei. Außerdem war das Interesse an dem Künstler Frauenarzt immer viel größer, als das Interesse an Atzenmusik als Produkt an sich.

rap.de: Wobei Frauenarzt jetzt auch eine breitgefächerte Persönlichkeit ist. Ich sag mal Atzenmusik, Gyni der Gynäkologe, Labelbetreiber, der relativ ernsthaften HipHop rausgebracht hat, wie das Megaloh Album, dann Hooligan-Rap mit den Bielefelder Boys… Was ist Frauenarzt jetzt?

Frauenarzt: Der Name ist erst mal ein Stempel. Frauenarzt ist Pornorapper und eigentlich auch nicht. Frauenarzt ist Musikliebhaber, der Musik liebt. Egal, was für Musik. Ich bin Musiker und daher mach ich keine Schubladen für die Musikstile. Wenn mir Megaloh gefällt, und ich Bock hab, für Megaloh und Sprachtot ein Album zu produzieren, dann mach ich das auch. Und wenn mir ein pöbelnder Hooligan gefällt und der auch Bock hat, seine Meinung zu sagen, dann ist das auch kein Problem.

rap.de: War es euch schon immer wichtig, mit vielen anderen Leuten zusammenzuarbeiten?

Frauenarzt: Ja, schon immer. Das ist eine Sache, für die wir auch immer schon bekannt waren. Ob das jetzt Bielefelder waren, Bassboxxx sowieso, da waren wir ja eine Riesentruppe. Es macht auch mehr Sinn, dass man zusammen an einer Sache arbeitet als nur so für sich. Das Problem war bei Bassboxxx nur, dass wir keine richtige Führungskraft hatten, stattdessen jeder diese Kraft sein wollte. Und du kannst nun mal kein Label mit fünf anderen zusammen führen. Und vor allem nicht wenn du zehn Künstler hast und fünf führen wollen. Zwei oder drei sind perfekt.

rap.de: Aus Bassboxxx hat sich dann aber auch schon die Trademark Frauenarzt entwickelt, aber das war ja auch mehr so eine Produktionsschmiede. Da kamen fast monatlich Sachen raus. Wie am Fließband, oder?

Frauenarzt: So war das auch. Wir haben da ohne Ende rausgekloppt. Wir waren die ganze Zeit im Studio und wenn wir 12 Lieder gemacht haben, dann kamen auch 12 Lieder raus. 18 Lieder gemacht, 18 raus… Raus, raus, raus. Aber ich habe ja auch verkauft. Man konnte wirklich noch gut verkaufen, da man diese breite Masse an Rappern in der Öffentlichkeit noch nicht hatte.

rap.de: Ist es manchmal anstrengend für euch, wenn ihr die Entwicklung heute seht? Dauernd was Neues, die ganze Zeit irgendwelche Veröffentlichungen im Internet…

Manny Marc: Es hat sich nun mal alles komplett verändert. Heute kann man keinen Track mehr rausbringen und Geld damit verdienen. Manche Leute denken, sie haben das krasseste Album, sie haben Azad drauf, den drauf und den drauf und denken, sie verkaufen mindestens 5000 CDs, aber im Endeffekt passiert da überhaupt nix. Pustekuchen. Ist vorbei die Zeit mit Verkaufszahlen.

Frauenarzt: Der Typ kann auch der beste Rapper der Welt sein, es ist egal. Da kannst du auch noch so krasse Triple-Rhymes machen, die wollen lieber ein Machtwort hören. Das verkauft sich.

rap.de: Aber die Zeit hat auch irgendwann aufgehört. Du hast dich mehr auf dich konzentriert.

Frauenarzt: Es geht. Eigentlich ging es schon die ganze Zeit noch so weiter. Wir haben eine zeitlang dieses Ghetto Musik–Ding gemacht, wo wir uns gedacht haben, wir wollen mehr Sachen machen, die nicht zusammenpassen. Zum Beispiel eben Megaloh und Sprachtot. Eigentlich wollten wir mit dem Ghetto Musik-Ding 35 Alben in einem Jahr raus hauen. Den Plan haben wir sogar noch. Der Vertrieb hat den auch gekriegt und zugesagt und mittlerweile haben wir jetzt noch vier oder fünf Alben, die wir noch nicht raus gebracht haben.

Manny Marc: Wir haben scharfe Alben da. Wir haben noch ein B-Tight und Smoky-Album, einen Ghetto Musik-Sampler, der eine Doppel-CD ist, was von den Freakfotzen

rap.de: (lacht) Stimmt es eigentlich, dass die eine von den Freakfotzen nicht mehr mitmachen durfte, weil ihr Vater plötzlich entdeckt hat, wie sie sich im Internet nennt?

Frauenarzt: Nee, aber die Story ist ähnlich. Sie hat ein bisschen Angst davor gehabt, dass alles rauskommt und deshalb ist sie nicht mehr dabei. Die waren zu dritt, jetzt nur noch zu zweit, aber das Album wird trotzdem rauskommen.

rap.de: Sie war nicht hart genug gegenüber ihrer Familie. Für Rap muss man eigentlich schon bereit sein, die Familie zu opfern, oder?

Frauenarzt: Seine Familie sollte man eigentlich nicht opfern, für nichts.

rap.de: Ok, aber Ghetto Musik an sich habt ihr dann eingestellt?

Manny Marc: Ja, total. Wir waren da irgendwie abgelenkt. Das war nicht unser Image, nicht unsere Musik, das war eigentlich ein Jahr lang einfach nur ausprobieren.

Frauenarzt: Wir haben ja zeitgleich als Solokünstler trotzdem unser Ding gemacht. Er "Sexurlaub“ und ich "Dr. Sex“, aber was wir als Label und Geschäftsmänner versucht haben, ist eben nicht aufgegangen. Das hat nicht funktioniert und weder Anklang bei den Atzen, noch beim Hip Hop-Publikum gefunden.

rap.de: Hat es euch eigentlich geärgert, dass ihr jahrelang keine Anerkennung von der Szene und von den Magazinen bekommen habt?

Frauenarzt: Das ist ja immer noch so. Wenn ich jetzt mal Klartext reden darf, sind wir immer noch dazwischen. Wir sind sehr erfolgreich, haben sehr viele Fans, machen die Konzerte voll und sind schon lange dabei und müssen trotzdem darum kämpfen, dass wir mal einen ein-, zweiseitigen Bericht in irgendeinem Magazin bekommen. Wir sind ja auch nur die Atzen und werden immer nur wie Clowns dargestellt.

Manny Marc: Auf dem Aufkleber hier zum Beispiel, haben wir das JUICE-Logo drauf. Wir pushen die schon seit vier, fünf Jahren und die haben noch nie was über uns gebracht. Über mich sowieso nicht und über Frauenarzt einmal oder so. Mit den Hip Hop-Medien hat man wirklich zu kämpfen, weil die das nicht anerkennen und da keinen Bock drauf haben.

Frauenarzt: Obwohl wir bei den Konzerten mit unseren eigenen Händen JUICE-Poster aufgeklebt haben. einfach so. Wir dachten uns, wir helfen denen, eine Hand wäscht die andere, aber es kam nichts.

rap.de: Jetzt seid ihr ja so ein bisschen dazwischen. Ist die Elektrowelt anders?

Frauenarzt: Ja, das meinte ich vorhin. Wir sind in so einem Schlauch zwischen Elektro und Hip Hop. Die Techno-Szene erkennt uns nicht an, weil die uns in einen Topf mit Bushido, Massiv und Sido werfen und die da keinen Bock drauf haben. Und die Hip Hopper denken sich „Na ja, die sollen mal ihren Techno-Rap da machen.“ Irgendwie balancieren wir da direkt auf dem Mittelstreifen.

rap.de: Das Tragische ist ja, dass Elektro und Hip Hop momentan jeder macht.

Frauenarzt: Weißt du, was das Schlimme an der Sache ist? Die Sache ist, dass die Leute das früher voll scheiße gefunden haben und immer meinten, dass wäre der letzte Dreck.

Manny Marc: Savas zum Beispiel auch. Nichts gegen ihn, der hat einen Techno-Rap-Track gemacht. Das war direkt als erster Track auf einer JUICE-CD drauf.

rap.de: Ich bin total schockiert!

Manny Marc: Ja, ich auch! Das war ein Remix, aber trotzdem.

Frauenarzt: Ich glaube, dass alle auf diesem Film sind, liegt auch ein bisschen daran, dass alle irgendwas Neues machen wollen. „Die Verkaufszahlen sinken, das Interesse ist nicht mehr so da, wir müssen jetzt was Neues machen!“ Aber das ist ein großer Fehler von den Leuten. Die gehen in irgendeine neue Ecke und dann kommen ganz komische Sachen bei raus. Irgendwelche komischen Drum’n’Bass-Mixe mit Doppelreimen, das klingt dann mehr nach Industrial-Hip Hop-Experimental-Musik und das ist natürlich ein bisschen schade.

Manny Marc: Auf einmal feiern die das und finden das voll geil, aber früher haben sie immer gesagt „Boah nee, auf keinen Fall!“ Aber es muss ja gar nicht Elektro sein. K.I.Z. sind auch das beste Beispiel dafür, dass es nicht unbedingt schnell sein muss. Die machen normale Hip Hop-Musik und die Leute kommen auf die Konzerte und gehen ab. Das hat immer was Eigenes. "Pogen“ zum Beispiel war ein ganz krasses Lied. Diesen Style verbinde ich auch sofort mit K.I.Z.

Frauenarzt: Die ganzen Leute, die jetzt Elektro machen, werden aber auch merken, dass das eigentlich gar nicht so ihr Ding ist. Jeder hat ja auch einen eigenen Musikgeschmack.
Wir konzentrieren uns bei jedem Album eigentlich darauf, wie das Lied dann live rüberkommen wird. Das ist für uns ein ganz wichtiger Faktor, auch wenn es oft danach klingt, dass man sich nicht so richtig viele Gedanken gemacht hat.

Manny Marc: Der Geheimtipp an alle Labels ist aber, dass die Leute mehr Trash hören wollen. Die alten Tape-Sachen, dieses Untergrund-mäßige. Nicht dieses „Ich habe das krasseste Studio, ich habe das krasseste Mikrofon“ – die wollen Trash hören. Taktloss-Style. So wie früher.

rap.de: Woran liegt das, dass sich die Leute nach einem beschissenen Vierspur-Sound zurücksehnen?

Frauenarzt: Weil das real ist! Das ist das Ding und deshalb feiern die uns wahrscheinlich auch gerade so, weil wir immer noch dasselbe machen wie früher.

rap.de: Ihr nehmt doch aber nicht mehr auf Vierspur auf.

Frauenarzt: Nee, das nicht, aber die Leute brauchen was, womit sie sich identifizieren können. Ein Typ, der mit einem dicken Auto vorfährt, eine dicke Kette hat und in seinem Penthouse darüber rappt, wie teuer sein Mikrofon ist, damit können sich die Atzen, die arbeitslos sind und mit dem Bus fahren, nicht identifizieren.

Manny Marc: Man muss sich selbst treu bleiben. Warum ist Bushido so erfolgreich? Der macht heute noch genau dasselbe, was er auf seinem ersten Tape gemacht hat, und der zieht das knallhart durch. Der ist reich, der hat dicke Autos, aber der rappt trotzdem noch über dasselbe, über das er damals gerappt hat. Einfach dieses sich treu bleiben ist im geschäftlichen Sinne schon ein Erfolgsgeheimnis.

rap.de: Du hast aber auch mal einen Song über Geld gemacht.

Frauenarzt: Ja, natürlich, man lässt sich auch sehr schnell davon beeinflussen. Das war zu einer Zeit, wo ich wirklich viel Geld gemacht habe, und als ich dann angefangen habe, darüber zu rappen, war das natürlich auch sehr real. Die meisten Rapper verdienen aber ja gar kein Geld. Blokkmonsta könnte darüber rappen, weil er wirklich viel Geld verdient. Aber die meisten Rapper mit ihren 12 Prozent, die sie beim Label abdrücken, und dann 20 000 CDs verkaufen und zu ihren Konzerten 50 bis 200 Mann kommen, dann brauchen wir nicht darüber reden, wer Geld verdient und dann brauchen die auch nicht darüber reden. Natürlich habe ich darüber gerappt, ich habe schon über alles gerappt, aber ich habe auch mehr Lieder als alle anderen gemacht.

rap.de: Jetzt habt ihr euch aber auch für ein größeres Label entschieden. Warum?

Frauenarzt: Die haben einfach mehr Möglichkeiten. Die haben den Schlüssel in der Hand und können uns ein paar Türen öffnen. Dann kann man auch einfach mal ein paar Leuten den Mittelfinger zeigen und sagen "Ey, wir können das auch!". Und wir chillen dann einfach mal vier oder fünf Wochen auf Platz Eins in den TRL-Charts. Es ist auch nicht so, dass wir als Künstler bei Kontor unter Vertrag sind. Wir haben eine Kooperation mit denen und sind praktisch als Atzenmusik bei denen.

rap.de: Nochmal zum Verständnis: was ist jetzt Atzenmusik? Wird es in Zukunft noch Porno Rap geben?

Frauenarzt: Das ist immer so eine Sache. Gefährlich ist halt, dass das alles im Moment immer sofort indiziert wird. Man bringt ein Album raus und zwei Wochen später ist es indiziert. Man kann es nicht mehr live performen, man kann es nicht mehr verkaufen. Wir nehmen auch jeden Song aktuell in zwei Versionen auf: erst die Clean-Version und dann die 18er Version.

rap.de: Und wie wird diese 18er-Version auf den Markt gebracht?

Frauenarzt: Ja, das ist noch, ähm… Aktuell machen wir das über Jamba. Die haben irgendwie eine Möglichkeit, das an den Mann zu bringen, frag mich nicht wie. Ansonsten warten wie ab, bis da mal ein Gesetz kommt. So macht es für mich keinen Sinn, ein Porno Rap-Album raus zu bringen, was nach drei Monaten indiziert ist. Das wird am ersten Tag eingereicht, nach zwei Monaten habe ich den Brief und nach drei Monaten ist das dann vom Markt. Das macht geschäftlich keinen Sinn, 12 000 Alben zu shippen, weil ich nach 7 000 verkauften CDs 5 000 CDs Retouren kriege, die ich bezahlen muss. Damit komme ich dann auf plus/minus Null, wenn nicht sogar ins Minus. Dann gibt es auch noch den Fakt, dass ich diese Musik gar nicht für Minderjährige machen will. Ich will ein Porno Rap-Album machen aber wie kann man das trennen? Wie kann ich ein Album, das ich für erwachsene Menschen mache, an Erwachsene verkaufen? Da gibt es keine Regelung. Für Filme gibt es eine FSK, für Musik nicht. Es wäre aber auch sinnlos, weil dann auch Herbert Grönemeyer seine CDs von denen prüfen lassen müsste. Das wäre der absolute Einsturz für alle Independent Bands, die kein Geld haben und sich gerade mal ihre Pressung leisten können, weil die FSK muss man ja bezahlen. Eine Indizierung ist was Ungewisses: Man weiß nicht, ob das Album jetzt indiziert wird oder nicht. Das ist sehr willkürlich.

rap.de: Du bist ja auch auf dem Album von der Arche über Jugendverrohung dabei. Du denkst also auch, dass junge Leute die Musik nicht hören sollen?

Frauenarzt: Ja, klar – gar keine Frage.

rap.de: Mit wie viel Jahren hast du angefangen Pornos zu gucken?

Frauenarzt: Mit 16 (lacht). 16 is normal, würde ich sagen! Aber das sagt halt unsere Generation. Heute ist einfach 12 normal. Okay, das ist erschreckend aber für unsere Vorgängergeneration war sicher auch erschreckend, weil die damals erst mit 21 Jahren erwachsen waren. Wir leben hier in einer schnell lebigen Zeit. Und du hast vor 20 Jahren noch nicht gedacht, dass du heute mit deinem Handy ne Rundmail an alle deine Freunde schicken kannst. Ich bin aber natürlich ganz klar dagegen, dass 12-jährige Pornoraptracks hören mit perversen Wörtern wie "anspritzen", "schlucken", "ficken", "Arschloch", "Nutte", "Hure", "Prostitution" – ab 18 ist das aber kein Problem.

rap.de: Die Frage ist "Was ist wirklich pervers?" – also "Anspritzen" und "Arschficken" finde ich nicht pervers…

Frauenarzt: Nö, das ist nicht pervers und die Eltern müssen einfach mit ihren Kindern darüber reden. Perversion ist auch ein Thema für sich. Jeder hat da auch andere Grenzen, denke ich.

rap.de: Wo liegen deine? (alle lachen, Arzt ist verlegen)

Das Interview wird kurz durch einen Anruf von Kaisa unterbrochen.

Manny Marc: Wir sind alle eine große Familie. Wir kennen uns eigentlich alle. 

rap.de: Wer jetzt?

Manny Marc: Staiger, Frauenarzt, Mach One, K.I.Z., Kaisaschnitt ruft an, Bushido kennt man von früher… Savas, alle!

rap.de: Früher habt ihr aber mehr miteinander abgehangen. Vermisst ihr das jetzt?

Manny Marc: Eigentlich haben wir ja immer noch alle miteinander zu tun, zwar nicht mehr so krass, aber mit Orgi arbeiten wir ja heute immer noch zusammen, mit Aggro auch.

Frauenarzt: Es sind halt normale Lebensentwicklungen. Man hat mal mehr miteinander zu tun, mal weniger und nach 10 Jahren in dieser Szene hier, weiß man auch, mit wem man besser klarkommt und mit wem weniger gut.

rap.de: Ihr würdet jetzt nicht sagen, dass alles total zersplittert ist?

Frauenarzt: Nein, wenn jemand mit einem anderen Streit hat und die beiden haben sich früher verstanden, geht uns das auch nichts an. Ist mir egal.

rap.de: Wo geht es jetzt eigentlich hin mit Atzenmusik?

Frauenarzt: Wir leben eigentlich immer in der Gegenwart mit einer riesigen Party. Eigentlich so wie immer schon. Wo es hingeht, weiß keiner. Wir haben auf jeden Fall eine Menge vor.

Manny Marc: Spaß und Action.

Frauenarzt: Viele Livekonzerte, viel Feiern, auflegen.

rap.de: Jetzt habe ich natürlich noch eine Frage: Ist Mallorca definitiv ein Ziel?

Manny Marc: Klar, wir waren ja auch schon da. K.I.Z. auf Lloret de Mar..

rap.de: Was nicht Mallorca ist. (lacht)

Manny Marc: Nee, nee … Aber zwei Wochen später waren wir auf Malle gewesen mit Jürgen Drews und so.

Frauenarzt: Es ist kein zwingendes Ziel, aber ein paar Songs passen da schon gut hin.

rap.de: Könntet ihr euch vorstellen, dass ihr in einer Finca dort lebt und zweimal die Woche nach Palma de Mallorca geht und da Party macht und die restlichen fünf Tage chillt?

Frauenarzt: Fünf Tage die Woche in der Finca chillen und zwei Tage die Woche nach Berlin kommen, das wär geil. Wir haben auch zwei Kumpel, die eiskalt rüber gezogen sind. Die haben jetzt ihr eigenes Business da unten. Die leben in ihren eigenen Häusern. Die haben ihre riesigen Gärten und Schwalldusche, Hühner haben sie da. Für’s Frühstück gehen die in den Garten und holen sich da ihre Eier. Das ist richtig geil.

Manny Marc: Die Lebensqualität ist auch viel höher auf Mallorca. Die Luft ist besser, die Menschen sind immer gut gelaunt, die verdienen genauso viel Geld wie hier drüben. Ob du jetzt dein Studio hier hast oder in der Sonne. Hallo?

rap.de: Also doch ein Ziel?

Frauenarzt: Es ist kein schlechtes Ziel, aber man muss ja erst mal gucken..

Manny Marc: Aber da gibt’s ja kein Bier. (allgemeines Gelächter)

Frauenarzt: Checkt auf jeden Fall mal das Album plus die DVD. Alle, die das noch nicht kennen, die uns neu kennen lernen, sollten sich das Album zulegen. Nicht aus dem Internet saugen, wird eh schwierig wegen DVD und so. (alle lachen) …dann lieber ´n Zehner bei Media Markt ausgeben, die DVD hat ein geiles Cover also lohnt es  sich schon! Besorgt euch die Alben früh genug, damit ihr Dezember, auf der Tour, die Texte auch schon könnt!

rap.de: Obwohl es nicht so viel Text gibt anscheinend.

Frauenarzt: Genau. Wir haben dieses Mal mehr Wert auf die Musik gelegt, aber je weniger Text desto besser.

rap.de: Also kann man es noch am 3.12. kaufen und trotzdem am 4.12. beim ersten Tourtermin mitsingen?

Frauenarzt: Ja, natürlich. Meinetwegen können die auch direkt zum Konzert kommen und es da kaufen und dann mal gucken.

rap.de: Dann war’s das. Vielen Dank für das Gespräch.