Michael Franti

Ende der 80er Jahren des letzten Jahrhunderts begann Michael Franti seine Musikkarriere mit Lärm. Beatnigs hieß die Band der Stunde und mit seinem Partner Rono Tse, machte Franti Musik, die sich so angehört hat, als hätten sich Public Enemy und Einstürzende Neubauten im ersten Stock eines Kreuzberger Hinterhof getroffen. Im Erdgeschoss eine Schlosserei und im zweiten eine Buchdruckwerkstatt.
Das ist lange her und nach den Beatnigs gab es bis 1993 die Disposable Heroes of HipHoprisy, ebenfalls engagiert und mit wütenden, gesellschaftserschütternden Lyrics.
Mittlerweile ist Michael Franti nun  schon seit längerem Kopf der Reggae Formation Spearhead und eher für den Mellow Vibe zuständig.
Im September erschien sein gefühltes zwanzigstes Album ALL REBEL ROCKERS und wir sprachen mit dem Mann, der selbstverständlich Barfuß zum Interview erschien über Krieg, das Tourleben, Geduld, Stolz und selbstverständlich die Liebe.

rap.de: Ist das jetzt eine reine Interviewtour oder hast du auch noch ein paar Liveshows gespielt?

Michael Franti: Teils, teils. Ich habe ein kleines Konzert gespielt in Amsterdam in einem kleinen Club. Und danach sind wir in einen Park gegangen um 3 Uhr morgens und haben dann dort noch ein bisschen gespielt, bis um 4. Da sind dann auch noch ein paar Leute gekommen.

rap.de: Die Leute haben davon gewusst?

Michael Franti: Nein. Die wussten das nicht. Das war ziemlich spontan.

rap.de: Romantisch. Zieht das auch Mädchen an? Ich meine, 3 Uhr morgens, Gitarre im Park. Da geht doch was.

Michael Franti: Natürlich. Warum sollte man sonst Gitarre spielen. Warum fängt man an, zu rappen oder irgendwie Musik zu machen. Ich bin mit keiner nach Hause gegangen, also war’s wahrscheinlich nicht so gut, aber klar jeder will Musik machen, weil man Mädchen kennen lernen will.

rap.de: Und warum fühlen sich Frauen von Musikern so angezogen?

Michael Franti: Weiß ich nicht. Ehrlich. Kann ich dir nicht sagen. Ich denke, Musik ist was Soziales. Musik bringt die Leute zusammen und das ist natürlich anziehend. Ansonsten. The Beat, the boom, the bass. Die Lyrics manchmal. Das kann erotisch sein. Auf jeden Fall.

rap.de: Das Zusammenkommen mit verschiedenen Leuten, das Sich Kennen lernen, davon sprichst du ja auch, wenn du über deine letzte Tour redest. Du warst im Irak. Im Nahen Osten. Da hast du zum Beispiel gesagt, dass die Leute keine Songs mehr über den Krieg hören wollen, sondern eben über das Zusammenkommen.

Michael Franti: Genau. Wenn du Leute triffst, die wirklich in einer schlimmen Situation leben, dann habe ich herausgefunden, dass sie eine Sache gemeinsam haben: Die haben alle Humor.
Ich habe Leute an den schlimmsten Orten in Palästina getroffen, die schrecklichsten Orte im Irak und in Favelas in Brasilien. Egal wo. Die haben alle Humor. Die sagen sich: Ok. Wir leben hier im absoluten Dreck. Wir könnten den ganzen Tag weinen und uns die ganze Zeit beschweren oder wir können uns darüber lustig machen. Dann machen wir uns doch lieber darüber lustig.
Und wenn du dann in andere Gegenden kommst, wo die Leute, sag ich mal wohlhabender sind, dann haben die meistens ihren Humor verloren.

rap.de: Das ist ja interessant und du hast niemanden in den Favelas getroffen, der keinen Humor hatte?

Michael Franti: Nein. Natürlich leben die intensiv und sie strugglen und kämpfen, aber sie halten immer den Kopf oben und können darüber lachen. Zumindest habe ich mehr Leute in beschissenen Situationen gesehen, die das konnten, als Leute in "happy sitautions“.

rap.de: Es gibt ja auch die Theorie, dass guter Humor immer schmerzhaft sein muss.

Michael Franti: Absolut. Das muss man auch machen und warum die Leute diese Fähigkeit dann verlieren, wenn es ihnen besser geht?… Vielleicht liegt es daran, dass man dann seine Bedürfnisse nach außen verlagert. Man muss sich neue Schuhe kaufen. Einen neuen Computer. Das neue I Phone. Und das macht man dann nur noch alleine. Wenn’s einem scheiße geht, dann denkt man vielleicht eher: Ok, was haben wir gemeinsam? Was können wir zusammen machen, damit wir uns ein bisschen besser fühlen? Die Leute denken darüber nach, wie sie sich gegenseitig unterhalten können anstatt sich durch "Äußerliches“ unterhalten zu lassen.  
Als ich im Irak Gitarre gespielt habe, da kamen die Leute und haben das wirklich gefeiert. Die meinten dann auch zu mir: "Du bist der erste Amerikaner, der uns keine Angst macht. Du hast eine Gitarre.“ Und dann kamen die und haben getanzt und gelacht, vor allem auch die Kinder. "Spiel mehr! Spiel mehr!“ Und die Leute wollten, dass wir bei ihnen übernachten, alle haben Essen gebracht. Jeder so ein kleines bisschen und die haben wirklich nicht genug für sich selbst, aber jeder hat irgendetwas mitgebracht und dann gab es einen großen Tisch und wir mussten essen. Das war wirklich verrückt.

rap.de: Das habt ihr auch gefilmt?

Michael Franti:  Ja, da gibt es jetzt einen Dokumentarfilm. Aber das Projekt entstand erst später. Wir hatten eigentlich gar nicht die Absicht, da einen Film draus zu machen, sondern sind da erst mal hin, um zu sehen was passiert. Wir hatten ja auch gar keine Filmausrüstung dabei, sondern nur diese kleine, normale Haushaltskamera.

rap.de: Kann man nach so einer Erfahrung eigentlich noch ein normales Leben führen, wenn man dann wieder zurück kommt?

Michael Frantinn: Nein. Das hat meine ganze Attitude verändert. Der ganze Fokus hat sich verschoben. Als ich zurück kam, wollte ich die ganze Zeit davon erzählen, was ich gesehen habe. Also auf meinen Konzerten. Aber 80% der amerikanischen Bevölkerung haben halt nun mal den Krieg unterstützt und wenn ich mich gegen den Krieg ausgesprochen habe, dann gab es sogar bei mir Leute, die gebuht haben. Auf meinen Konzerten gab es Menschen, die gebuht haben.
Das machte mich wirklich traurig und ich ärgerte mich und deshalb haben wir den Film dann doch noch geschnitten.
Mittlerweile hat sich die Situation ja auch ein bisschen geändert. Heute unterstützen nur noch 20% den Krieg und das liegt nicht daran, dass jetzt plötzlich Fox News oder die Regierung gesagt haben, der Krieg ist doof. Ne, es liegt daran, dass die Leute miteinander geredet haben, dass darüber geschrieben wurde, kleine Filme gedreht wurden und auf youtube zu sehen waren… das hat die Perspektive verändert. Und die Hauptsache, die sich verändert hat ist, dass die Leute die Wahrheit sehen. Wir sind eben nicht dort, um die Täter des 11. September zu finden und es ging eben auch nicht um Massenvernichtungswaffen.

rap.de: Jetzt ist es aber immer einfach, vor einem Publikum zu spielen, dass die gleiche Meinung hat. Interessanter ist es ja eigentlich, Leute zu erreichen, die die Dinge ganz anderes sehen.

Michael Franti: Auf jeden Fall. Deshalb touren wir ja auch kreuz und quer durch Amerika und ich versuche mich, mit so vielen Leuten wie möglich auch außerhalb der Shows zu verlinken. Wir spielen in Gefängnissen, ich spiele immer noch auf der Straße und dadurch haben wir auch immer mehr Zuhörer. Das ist lustig. Selbst wenn wir nicht sehr viel Airplay im Mainstream Radio bekommen – wir haben trotzdem von Jahr zu Jahr mehr Zuhörer und da kommen ganz unterschiedliche Leute. Manche kommen, wegen den sozialkritischen Texten, aber die meisten kommen einfach nur, weil sie Tanzen und Spaß haben wollen.

rap.de: In dem Song "Somebody right or wrong“ geht es ja auch um Wahrheit. Denkst du, dass es tatsächlich eine Wahrheit gibt.

Michael Franti: Es gibt so viele Wahrheiten, wie es Menschen gibt. Wenn du zum Beispiel in Israel bist und mit einem Israeli sprichst. Die Leute leben da ganz normal. Die gehen einkaufen, die gehen ins Kino, die gehen zu Arbeit, aber jedes mal, wenn die ins Auto steigen, dann haben die Angst, dass eine Bombe hochgehen könnte. Jedes mal, wenn sie ins Kino gehen, müssen sie Angst haben, dass sich irgendein Selbstmordattentäter in die Luft sprengt. Also bauen die da diesen riesigen Militärapparat auf und stecken die Leute in die Flüchtlingscamps und das machen die seit 4 Generationen. Auf der anderen Seite leben eben seit 4 Generationen die Menschen in Flüchtlingscamps, müssen sich jeden Tag an irgendwelchen Kontrollposten anstellen. Die israelische Armee kommt mit Bulldozern und walzt ihre Häuser nieder. Raketen werden abgefeuert. Und die leben eben dieses Leben.
Also was sagst du denen? Den einen: Sei mal nicht so ängstlich! Soll ich ihnen sagen, dass sie sich nicht verteidigen oder schützen sollen. Und den anderen? Soll ich ihnen sagen, dass sie nicht für ihre Freiheit kämpfen dürfen, oder ihren Stolz oder gegen die Unterdrückung?
Jeder hat seine Wahrheit und den einzigen Ausweg, den ich gefunden habe oder das, was der Situation ein wenig helfen kann ist: Zuhören. Eben nicht einzuteilen in „du hast recht und du nicht“, sondern einfach nur Zuhören.
Mit meinem Film war ich jetzt sehr viel unterwegs und ich habe wirklich alle möglichen Statements dazu bekommen: "du bist zu rechts“, "du bist zu links“, "du bist zu extrem“ und, und, und. Ich habe gelernt, ruhig zu bleiben. Ich zeige meinen Film. Ich habe erzählt, was ich gesehen habe und jetzt bist du dran. Jetzt kannst du mir sagen, was du denkst.
Ich denke, wenn man ein Problem wirklich lösen möchte, dann muss man immer eine Lösung haben, die auch die andere Seite beinhaltet.

rap.de: Aber wenn man immer die andere Seite mitdenkt, dann findet man ja nie zu seiner eigenen Position.

Michael Franti: Wenn man schwach ist, dann ist das vielleicht so. Stärke ist, wenn man seine eigene Wahrheit kennt und sie auch verteidigen kann und trotzdem offen bleibt für andere Meinungen. Wenn man schwach ist, dann kämpft man die ganze Zeit darum, wer jetzt recht hat oder nicht.

rap.de: Also ist Demokratie was für starke Menschen?

Michael Frantinn: Nein. Demokratie ist für alle. Bei der Demokratie geht es darum, dass die gesamte Gesellschaft stark ist. Dass die Gesellschaft an sich, die Fähigkeit hat, zuzuhören und andere Meinungen zu akzeptieren. Dann ist eben die Gemeinschaft stark.

rap.de: Hast du deshalb auch dieses Kinderbuch geschrieben? Da geht es ja darum, dass jemand losgeht und sich selbst kennen lernt und seine Wahrheit findet?

Michael Franti: Ja. Ich habe das Kinderbuch geschrieben, nachdem ich 2 Jahre damit zugebracht habe, den Film über den Irak zu machen. Ich wollte dann einfach mal was anderes machen und ich denke auch, dass Kinder so eine Art Schlüssel sind. Weil das ist die zweite Sache, die ich auf meinen Reisen gelernt habe. Kinder sind überall gleich. Egal ob in Amerika, in Brasilien oder in Afghanistan. Bis sie ungefähr 8 oder 9 Jahre alt sind, sind Kinder überall gleich. Es ist also unheimlich wichtig, sie noch in dieser Phase zu erreichen.

rap.de: Hast Du selber Kinder?

Michael Franti: Ja. Mein ältester Sohn ist 21 und mein jüngster ist 9. Wenn ich dann so für 3 oder 4 Tage zurück komme, dann versuche ich immer, was mit ihm zu unternehmen. Camping, in den Wald fahren oder so was. Ich versuche schon in Kontakt mit ihm zu bleiben. Ich rufe ihn jeden Tag an… aber ich bin wirklich viel unterwegs und das größte Problem bei meinem Lebensstil ist, dass ich kein richtiges zu Hause habe.

rap.de: Du bist auch nicht mehr zusammen mit der Baby’s Mother?

Michael Franti: Nein nicht mehr…

rap.de: Das ist ein großes Problem, gerade auch in der schwarzen Community, dass es viele alleinerziehende Mütter gibt, oder?

Michael Franti: Ich denke, dass es dieses Problem in vielen Communitys gibt, aber speziell unter Musikern ist das weit verbreitet. Wir sind viel unterwegs, da ist es schwierig eine intakte Beziehung aufrecht zu erhalten.

rap.de: Und außerdem wird man ja auch noch abgelenkt durch irgendwelche Frauen im Park um 3 Uhr morgens.

Michael Franti: Auch… aber ehrlich gesagt ist das nicht so sehr das Problem. Man fgührt einfach total unterschiedliche Leben und wenn du jemanden nicht siehst und dann wieder mit ihm zusammen kommst und wieder so tust als ob man zusammen wäre, das ist dann schwierig. Sie will dann mit ihren Freundinnen ausgehen und du möchtest, dass sie zu Hause bleibt, weil schließlich warst du ja solange weg… das funktioniert dann nicht.

rap.de: Ist dein neues Album eigentlich privater als deine Vorgängeralben?

Michael Franti: Ja. Ich glaube, das neue Album hat ein paar persönlichere Texte als die anderen. Es gibt Lieder über die Liebe. Ein Song handelt von meinem großen Sohn, wie er mit dem Bus nach New York fährt, hinten im Bus sitzt… und das wünsche ich ihm, dass er da sitzt und ist wie er ist und seine wildesten Träume träumt. "Du kannst alles sein, was du willst. Du kannst alles werden, was du möchtest. Du bist absolut frei.

rap.de: Könntest du dir vorstellen, dass du wieder so Industrial Sound machst wie mit den Beatnigs.

Michael Franti: Ehrlich gesagt versuche ich immer, etwas anderes zu machen. Aber wer weiß. Vielleicht kommt der alte Sound auch wieder zurück. Mir ist das aber auch ein bisschen zu aggressiv. Ich mag das, aber ich habe mich eben weiter entwickelt. Ich habe mal was über Miles Davis gelesen. Der wurde gefragt, warum er nicht mehr die alten Sachen spielen würde, darauf meinte er: "weil ich mich weiter bewegt habe, warum soll ich da noch die alten Sachen spielen?

rap.de: Wie bist du dann eigentlich auf Reggae gekommen?

Michael Franti: Ich weiß gar nicht, ob ich auf Reggae  gekommen bin oder ob Reggae auf mich gekommen ist?
Ich habe meine ganze Jugend hindurch Reggae gehört und ich habe immer gedacht, dass ich das nicht machen dürfte, weil ich kein Jamaikaner bin. Als ich vor drei Jahren dann angefangen habe mit Sly & Robbie zu arbeiten, haben sie mir das erklärt. "Michael", meinten sie, "Reggae ist keine Staatsbürgerschaft, es ist nur ein Riddim. Das ist einfach ein Ding, das für alle da ist. Was wir machen können ist, dir eine Basis aus Drums, Bass und Rhythmus zu geben und du packst dann deine Persönlichkeit oben drauf."
Und Aufnehmen  in Jamaika ist eine geile Erfahrung. Die Studios haben immer geöffnet. Leute kommen von der Straße, die ganzen Freunde von den Typen sind da, sehr oft steht die Tür auf und die Leute draußen hören, was da für Musik gemacht wird. Das ist cool. Man kann sofort sehen, ob ein Song funktioniert oder nicht. Du hast sofort Feedback.
Manchmal steht dann so ein Typ in der Ecke. Du hast ihn vorher noch nie gesehen. Sonnenbrille. Raucht seinen Joint und man fragt sich, wer dieser Typ ist? Und dann meint der irgendwann: "Hey Man. Der Song ist gut, aber du solltest da einen Shaker reinkommen lassen.“ Und man denkt sich, warum quatscht der mich jetzt voll, will der jetzt meine Platte produzieren, aber dann probierst du es mal aus mit dem Shaker und… der Typ hatte recht. Und so was passiert andauernd.

rap.de: wenn du dort bist, denkst du manchmal daran, dass die auf Jamaika ein großes Problem mit Schwulen haben?

Michael Franti: Das Interessante daran ist, dass gerade in Jamaika eine Unmenge an Videos gedreht wird. Die Leute produzieren ja keine 7 Inch Singles mehr. Jeder dreht nur noch Videos. Und bei diesen ganzen Videoproduktionsfirmen arbeiten Schwule, die sich ums Styling, die Haare, den Innenausbau etc. kümmern. Aber das selbe gibt es ja auch in Amerika. Alle wollen gut aussehen in ihren Videos… und? Wer macht die Haare, wer sucht die Klamotten raus, wer macht das Make Up?  Da gibt es sehr viele Schwule in dieser Branche.

rap.de: Aber in Jamaika ist es richtig gefährlich für Schwule. 

Michael Franti: Auf jeden Fall. Das ist nicht lustig dort. Aber das ist schwierig. Ich meine, ich bin niemand, der zu jemandem hingeht und sagt: Dein Gott hat Unrecht und meiner hat Recht. Ich kann niemandem sagen, was er zu glauben hat. Ich kann auch niemanden dafür kritisieren, für das, was er glaubt. Das ist deren Glaube. Ich bin absolut dafür, dass jeder Künstler auf seiner Platte seine Meinung sagen darf und jeder Hörer darüber entscheiden muss, ob er sich das kaufen will oder nicht.

rap.de: Und wenn Nazis Musik machen?

Michael Franti: Haben sie schon gemacht und werden sie wahrscheinlich auch weiterhin machen. Ich mag zum Beispiel keine Filme mit Gewalt. Aber soll ich jetzt hergehen und den Leuten sagen, dass sie keine Gewaltfilme mehr machen dürfen? Oder dass sie keine gewalttätigen Videospiele mehr kaufen dürfen? Natürlich hoffe ich, dass jeder genug Moral in sich trägt, um zu wissen, was richtig und was falsch ist, aber ich glaube, dass die Leute sich nicht immer daran halten.

rap.de: Auf deinem Track „A little bit of riddim“ sagst du "’I’m that Rebell“. Was bedeutet das für dich, ein Rebell zu sein?

Michael Franti: Wenn das System heute die Leute spaltet und auseinander bringt. Wenn das System so viel Negativität in die Welt bringt und Kriege. Dann bedeutet für mich rebellisch sein: Leute zusammen zu bringen, Positivität zu bringen und das Gegenteil von Krieg, nämlich Verständnis und Respekt.
Pflastersteine in einen Mc Donalds zu schmeißen ist Rebellentum 1.0. Ich möchte ein Rebell 2.0 sein und mich mit der Frage beschäftigen, wie man Leute zusammen führt.
In den frühen 90ern habe ich Texte übers Gefängnissystem geschrieben und ich war wirklich sauer und es hat mich richtig abgefuckt. Ein paar Jahre später habe ich dann darüber nachgedacht und festgestellt, dass ich aber nie in einem Gefängnis gespielt hatte. Dann habe ich 93 angefangen im Knast zu spielen und da kannst du nicht reingehen und sauer sein. Weil dann fragen die dich drin, warum bist du so wütend? Schließlich bist du ja gar nicht drin und lebst da auch gar nicht. Du kannst auch nicht die ganze Zeit rumschreien, weil dann die Wärter kommen und dich gar nicht erst reinlassen. Also bin ich dort nur aus einem Grund. Ich höre den Leuten zu. Der selbe Grund warum ich in den Irak gehe.

rap.de: Wenn du an Schulen spielst oder im Gefängnis, dann musst du ja mit den Behörden zusammen arbeiten. Sind die kooperativ?

Michael Franti: Ich habe vor 2 Jahren in Folsome Prison gespielt als erster Künstler nach Johnny Cash, der 37 Jahre vorher dort gespielt hat. Die meinten zu mir: "Guck mal. Wir wollen hier keinen Aufstand und keine Revolte.“ Die wollten alle meine Texte sehen und in einem habe ich beschrieben, dass die Wärtergewerkschaft Geld eintreibt und dass das eine der mächtigsten Gewerkschaften der USA ist. Dann haben sie mich natürlich angerufen und gemeint, dass ich den Song nicht spielen könne. Also musste ich mich entscheiden, ob ich den Song trotzdem spiele und einen Eklat verursache. Ob ich ablehne und sage, dann spiele ich überhaupt nicht, oder ob ich eben doch spiele und meine ganzen anderen Songs vorspielen und dadurch vielleicht ein bisschen Spaß und Licht und Aufmunterung in den Knast bringen kann. Am Ende dachte ich mir, dass ich eine ganze Menge anderer Sachen zu sagen habe als nur den einen Song und dass ich eben doch spiele. Wenn ich jetzt nur so gedacht hätte, dass ICH recht habe und die anderen unrecht, dann wäre ich da nicht reingegangen.
15 Jahre früher wäre ich wahrscheinlich zu stolz gewesen, dass ich es nicht gemacht, oder dass ich den Song trotzdem gespielt hätte.

rap.de: Aber jetzt bist du älter, weiser und softer geworden?

Michael Franti: Nicht softer. Ich bin stärker geworden. Ich habe gelernt wie ich meinen Stolz zurückhalten und trotzdem noch ein Mann sein kann.
Ich habe mir auf diese Art eine Türe offen gehalten und dieses Jahr haben sie mich zum Beispiel wieder eingeladen und alle die drin sitzen, meinten, dass wir wieder kommen sollten. Die wollten uns. Wir haben auch in Saint Quentin gespielt.
Saint Quentin ist einer der gefährlichsten Knäste in den USA. Da gibt es diese unterschiedlichen Gangs und die hatten da richtig viele Morde. Irgendwann haben sich da aber ein paar Anführer gedacht, dass es so nicht weiter gehen kann und haben angefangen, einmal in der Woche miteinander zu reden. Dann haben sie angefangen die Wachen zu reduzieren, die ihr Territorium beschützen. Früher standen da 10 und heute stehen da nur noch 2. Das führte zu Entspannung. Dann haben sie ein großes Kunst und Literatur Festival ins Leben gerufen, wo sehr viele Leute mitgemacht haben und seit sie mit diesen Gesprächen und diesen Programmen angefangen haben, ist kein einziger Typ mehr ermordet worden da drin. Und dann denke ich mir, wenn diese Typen es schaffen, miteinander zu sprechen und in Frieden zu leben, dann sollten wir es doch auf jeden Fall auch schaffen.

rap.de: Das ist ein schönes Schlusswort. Wir bedanken uns für dieses Gespräch.