Kollegah war anlässlich der Prelistening-Tour seines neuen Albums in Berlin und gewährte uns, der rap.de-Redaktion, eine Audienz. Voller Ehrfurcht vor dem "besten Doubletimerapper der Welt" trafen wir uns in einem indischen Restaurant im Prenzlauer Berg und stellten dem Boss die wirklich wichtigen Fragen: Wie kam es, dass er den Rest der Szene von hinten überrollte und nun quasi der beste Reimer des Universums ist? Wie klingt es, wenn man Musik für Bankangestellte macht und wie lernt man in einem zweiwöchigen Spanien-Urlaub Doubletime zu rappen? Außerdem wird geklärt, warum Herr Blume in seiner Jugend als "der Brasilianer" bekannt war und was er noch alles so kann. Es wird spannend.
rap.de: Fangen wir doch gleich an mit den Juice-Fotos. Du hast die gar nicht gesehen, aber ärgerst dich trotzdem schon mal drüber?
Kollegah: Ja, klar. Ist halt blöd gelaufen.
rap.de: Aber wie kommt so was? Man hat ja bei euch schon den Eindruck, dass ihr auch mit deinem Image arbeitet. Wie können dann solche Fehler entstehen? Aggro macht solche Fehler nie.
Kollegah: Daran ist die Juice schuld, die macht immer so Faxen. Die schickt da einen Fotografen, der Typ war auch ganz nett, und da dachte ich mir „Ok, der hat bestimmt was drauf“. Dann haben wir Fotos gemacht und die hatten alle eine komische Optik. Die hat er uns zugeschickt und wir haben ihm zurück geschrieben, dass die alle scheiße sind und er andere nehmen soll. Daraufhin kam dann keine Reaktion mehr von ihm und irgendwann war der Artikel in der Juice veröffentlicht.
Hauptsache im Fernsehen sieht man gut aus, die Juice liest ja auch nicht unbedingt jeder.
rap.de: In deinem neuen Video inszenierst du dich ja auch wieder als so eine Art Mafia-Pate.
Kollegah: Das habe ich schon immer so gemacht, das ist einfach mein Style, deshalb mache ich das auch im neuen Video. Ich denke einfach, das ist ein guter Style, der ganz gut ankommt, glaube ich.
rap.de: Warum glaubst du, dass der gut ankommt?
Kollegah: Weil es einfach cool ist, keine Ahnung. Das ist doch cool, oder nicht? Findest du das nicht cool?
rap.de: Also mein Lieblingsfilm ist jetzt zum Beispiel nicht „Scarface“, wie bei 90 Prozent der Hip Hop-Jugendlichen in Deutschland. Ich finde sogar, dass „Scarface“ ein ausgesprochen schlechter Film ist.
Kollegah: Ja? Ich finde den schon gut, aber der ist auch nicht mein Lieblingsfilm.
rap.de: Findest du „Der Pate“ besser?
Kollegah: Nee, „Der Pate“ ist scheiße. Ich mag eigentlich auch nicht so gerne Mafia-Filme. Ich mag lieber… Habt ihr „Zohan“ schon geguckt? „Legt euch nicht mit Zohan an“? Den müsst ihr unbedingt sehen, der ist hammer. Ich habe den ganzen Film lang am Stück gelacht. Das ist viel unterhaltsamer, als irgendwelche Mafia-Sachen. „Der Pate“ ist ja voll langweilig, aber „Scarface“ fand ich schon gut.
rap.de: Was ist dein Lieblingsfilm?
Kollegah: Ich glaube, der Film, den ich am öftesten geguckt habe, war „The Ring“. Ich bin nämlich eigentlich ein Freund von Horrorfilmen, aber nur wenn sie gut gemacht sind. Der war auf jeden Fall ein Meilenstein, meiner Ansicht nach.
rap.de: Ich kenne „The Ring“ gar nicht.
Kollegah: Der hat schon gute Schockeffekte, der Film.
rap.de2: Ich konnte monatelang nicht allein in einem dunklen Raum zusammen mit einem Fernseher sein.
Kollegah: Meine Schwester hatte auch ein total krasses Trauma von diesem Film. Der ist schon happig.
rap.de: Aber eher Fantasy?
Kollegah: Nee, der ist schon realistisch gemacht. Es könnte wirklich passieren. Man muss den eigentlich wirklich gesehen haben.
rap.de2: Also, es geht im Endeffekt darum, dass so ein Video kursiert, und wenn du es angeschaut hast, stirbst du sieben Tage später. Dadurch, dass ein total abartig aussehendes, schwarzhaariges Mädchen aus deinem Fernseher kriecht. Man weiß nicht, was sie macht, aber auf jeden Fall bist du tot und es ist gruselig.
rap.de: Ah, ok. Dann kann ich mir das jetzt vorstellen. Liest du? Bücher? Oder entspricht das nicht deinem Image?
Kollegah: (lacht verrückt) Ich lese schon ab und an Bücher. Was habe ich denn als letztes gelesen? Boah, das ist schon länger her. Das war glaube ich „Da Vinci Code“.
rap.de: Eins der schlechtesten Bücher, das ich jemals gelesen habe.
Kollegah: Wieso findest du immer alles schlecht?
rap.de: Nein, das finde ich schlecht, weil es einfach ein Buch ist, das typischerweise aus ganz vielen Adjektiven besteht. Aber gut, kommen wir auf dein Image zu sprechen. Das erste Interview von dir war ja legendär mit der Behauptung, dass du Zuhälter seiest.
Kollegah: Ja, klar. Habe ich mir lange nicht mehr angeguckt, das Interview.
rap.de: Ich habe es neulich sogar mal wieder gesehen und fand es sehr faszinierend, wie der Reporter da saß, vor Ehrfurcht erstarrt. Danach ging ja auch diese große Diskussion los, ob das alles stimmt. Im Mixery-Interview hast du jetzt gesagt, dass es nicht stimmt.
Kollegah: Ganz genau. So wie ich es im Mixery-Interview gesagt habe, ist es auch. Damals habe ich übertrieben, ganz klar. Das gebe ich auch offen zu, warum auch nicht.
rap.de: Steckt da ein Konzept dahinter?
Kollegah: Nee, viele denken immer, das wäre alles ein Konzept bei mir und alles so geplant, aber das ist eigentlich gar nicht so. Es kam alles eins zum anderen, das wurde vorher nicht alles von langer Hand geplant.
rap.de: Hast du damals gedacht, dass die Leute das glauben?
Kollegah: Da habe ich mir gar keine Gedanken drüber gemacht, ehrlich gesagt. Das kam spontan. Das war ja mein erstes Interview und da dachte ich mir, ok, erzähl ich das dem jetzt einfach mal.
rap.de: Und dann musstest du im Nachhinein immer wieder diesem Bild gerecht werden, nachdem du es dann einmal gesagt hattest?
Kollegah: Keine Ahnung, eigentlich nicht. Ich mache mir da nicht so viel Gedanken drüber.
rap.de: Was möchtest du denn mit deinem Rap transportieren?
Kollegah: Gar nichts, ich möchte einfach nur gute Unterhaltung bieten. Ich habe keine Message oder so. Mein Rap hat ja keine Botschaft, wie die Nordkoreaner.
rap.de: Solche Vergleiche machst du ja gerne. Fallen dir solche Sprüche spontan ein?
Kollegah: Ja, das fällt mir spontan ein. Dann schreibe ich das auf, meistens unterwegs in mein Handy, und dann mache ich da Tracks draus.
rap.de: Funktioniert das dann so nach dem Baukastensystem? Du suchst dir die besten Sprüche raus und setzt die dann zusammen?
Kollegah: Genau, so kann man das sagen. Die ganzen Battle-Tracks funktionieren eigentlich immer so. Ich sammele die besten Sprüche, mache daraus zwei Sechzehner, überlege mir eine Hook und zack, ist der Track fertig.
rap.de: Und es kommt dir schon darauf an, so viele Punchlines wie möglich rein zu packen?
Kollegah: Was soll ich denn sonst rappen? Ich meine, das ist einfach das beste Entertainment und ich bin nicht so der Freund von anderen Sachen wie Story-Telling.
rap.de. Was hältst du von der Forderung, dass Rap authentisch sein muss?
Kollegah: Na ja, mein Rap ist ja absolut authentisch. Rap sollte schon authentisch sein, ich mache ja auch authentischen Rap. Alles was ich über mich erzähle ist ja auch richtig, also mittlerweile. Am Anfang habe ich mir da auch nicht so die Gedanken drüber gemacht, da habe ich einfach gerappt, was mir in den Sinn kam. Aber auf „Alphagene“, meinem letzten Album, hatte ich auch viele persönliche Sachen, die auch alle so passiert sind. Man muss eben unterscheiden, was jetzt ein Battle-Track und was ein autobiografischer Track ist. Wobei ich das Gefühl habe, dass es immer so auf mich geschoben wird, dass ich diese Übertreiberschiene fahre, aber das machen alle anderen ja auch. Vielleicht mache ich das ein bisschen auffälliger und krasser, aber im Endeffekt macht das ja jeder Rapper.
rap.de: Du führst das aber auch in deinen Interviews fort und deshalb konnten das viele nicht so richtig einordnen am Anfang.
Kollegah: Richtig, das wussten viele Leute nicht so genau, deshalb habe ich ja auch mein Album „Alphagene“ gemacht. Da ist ja alles ehrlich, zum Teil aber auch langweilig. Im Nachhinein ist es ein gutes Album und ich wollte das auch so machen, aber im Endeffekt bin ich jetzt wieder zurück zu den Wurzeln gegangen. Auf dem neuen Album sind wirklich kaum so traurige und deepe Sachen.
rap.de: Hat es dich gefreut, dass die Leute da so drauf angesprungen sind, auf diese Inszenierung am Anfang?
Kollegah: Klar hat es mich gefreut, ich fand das cool.
rap.de: Aber hast du dir dann gedacht „Ich muss das auch mal mit Wahrheit unterfüttern“?
Kollegah: Ja genau, das habe ich mir gedacht, aber ich hatte das ja bereits auf meinem zweiten Mixtape mit Wahrheit unterfüttert. Auf dem Ersten war das ja auch nicht alles nur Quatsch. Ich habe das dann immer mehr gemacht, „Sommer“ oder „Rauch“ sind ja authentisch.
rap.de: Jetzt mal eine blöde Standard-Frage, aber wie bist du zu Rap gekommen? Wenn man sich jetzt die Bruchstücke aus deiner Vergangenheit zusammensucht – künstlerisch talentiert, Malwettbewerbe gewonnen… Hast du aus einem Kunstinteresse heraus die RBA gemacht?
Kollegah: (lacht) Es war so, dass ein paar Freunde von mir in der RBA angefangen hatten und damals habe ich mir halt gedacht, ich sollte das auch mal ausprobieren. Und na ja, die hatten nichts drauf, aber dadurch trotzdem einen gewissen Bekanntheitsgrad bei uns. Ich habe dann eben auch gerappt und war auf Anhieb auch besser und hatte direkt viele Fans. Viele Leute fanden das sehr cool, obwohl ich am Anfang noch gar nicht so gut war. Das hat mich dann motiviert am Ball zu bleiben und ab da ging es steil bergauf.
rap.de: Trainierst du Rappen richtig?
Kollegah: Ja, also, jetzt nicht mehr so, jetzt kann ich das einigermaßen, aber früher schon. Da gab es einen Urlaub zum Beispiel, da war ich in Spanien, und da habe ich mir die Doubletime-Technik antrainiert. Da habe ich vier Wochen lang nur Doubletimes trainiert. Mich hatte diese Technik damals fasziniert und dann habe ich einfach auf der Hinfahrt, ich bin Auto gefahren, wir hatten so einen Mietwagen, einen Beat angemacht und dann darüber gefreestyled, Doubletime. Einfach drauflos, Hauptsache schnelle Silben. Dann habe ich das langsam übertragen in Texte, am Anfang mit einfachen Texten, viel mit „Motherfucker, ich ficke deine Mutter“ und so weiter. Im Laufe der Zeit wurde es dann immer einfacher für mich, auch langsame Silben schnell zu rappen und so kam das. Das zum Beispiel habe ich trainiert.
rap.de: Gab es da auch amerikanische Vorbilder für?
Kollegah: Na ja, Bone Thugz-N-Harmony und Twista.
rap.de: Es gab vor kurzem auf RTL eine Sendung, ”Unglaublich aber Wahr“ oder so, in der ein Sprachwissenschaftler in einem Schnellsprechwettbewerb gegen Samy Deluxe angetreten ist, Samy hat dann verloren. Würde es dich reizen, in so einem Wettbewerb anzutreten?
Kollegah: Ich rappe auf jeden Fall schneller als Samy Deluxe. Ich denke mal, dass ich diesen Sprachtyp platt machen würde, so viel ist klar.
rap.de: Du bist ja auch der beste Doubletime-Rapper der Welt (lacht).
Kollegah: (bleibt ernst) Guck mal, ich kann das aber auch begründen. In Deutschland gibt es keinen Besseren, das ist doch klar, oder? Oder gibt es einen Besseren?
rap.de: Es gibt diesen Amewu von Edit Entertainment. Der ist schon sehr gut.
Kollegah: Kenn ich nicht, muss ich mir mal anhören. Aber wenn du das sagst glaube ich dir natürlich. Aber von den Rappern, die man kennt, gibt es keinen. Tua ist natürlich nicht schlecht. Trotzdem muss man ganz klar sagen, dass ich schon der Beste bin. Nichts gegen Tua, bevor ich angefangen habe mit Doubletime habe ich von dem was gehört und fand das sehr geil. Der hat einen Track namens “Habibi“ und der ist schon gut geflowt. Mein Ziel war es damals ja auch, so schnell wie möglich besser als Tua zu werden. Und dann hab ich geguckt, was hat Tua für Schwächen? Wenn der Doubletime rappt, vergisst er die Endkonsonanten. Und wenn du die weglässt, kannst du natürlich schneller rappen, ist klar. Wenn ich also so wie Tua Doubletime rappen würde, könnte ich noch schneller sein. Aber ich habe eben auch Wert auf eine saubere Aussprache gelegt und da bin ich in Deutschland auf jeden Fall der Einzige mit.
rap.de: Also du hast dir das schon so Analyse-mäßig, so Rap-Nerd-mäßig vorgenommen, oder?
Kollegah: Schon so ein bisschen, ja. So. Dann war ich also besser als Tua. Und wen gab es da noch an Doubletime-Rappern? Chablife, ok. Aber die hatten das Problem… Tua hatte ja auch immer sinnvolle Texte in seinen Doubletimes, verstehst du, was ich meine? Aber der hat halt die Silben verschluckt. Anstatt “gegen die Wände“ sagt der zum Beispiel “gege die Wände“. Da habe ich mir dann gedacht, dass man das auch besser kann. Das habe ich dann gemacht. Und die Chablife-Typen hatten halt unsinnige Texte. Die konnten zwar schnell rappen, hatten dafür aber diese billigen Texte. Und dann kam ich. Dann war ich also erstmal der beste Doubletimer Deutschlands und hab mir ein Häkchen an meine To Do-Liste gemacht. Aber in Amerika gibt es natürlich krasse Doubletime-Rapper, machen wir uns nichts vor. Twista und so, die haben schon was drauf. Twista hat halt den großen Nachteil, dass seine Stimme einfach total schwul klingt, ich denke, das weiß er auch selbst. Aber es gibt natürlich auch noch Bone Thugz-N-Harmony, wobei die nicht sonderlich schnell sind. Aber das ist eigentlich auch alles irrelevant, denn es gibt einen Faktor, der meine Behauptung, der beste Doubletime-Rapper der Welt zu sein, untermauert: In der englischen Sprache sind die Wörter alle kurz und viel einfacher zu flowen. Wäre ich jetzt Engländer oder Amerikaner, wäre ich auf einem ganz krassen Level. Die deutsche Sprache ist ja eine holprige Sprache, das kann wohl jeder Asylant, der hier nach Deutschland kommt, bestätigen. Und darin dann auf einem Level mit den Amis zu flowen, dass ist schon krass. Insofern kann ich auch mit Fug und Recht behaupten, der beste Doubletimer der Welt zu sein.
rap.de: Darf ich nach deinen Eltern fragen?
Kollegah: Klar, denen geht es gut (schmunzelt).
rap.de: Was haben die gemacht, um dieses wahnsinnige Ego zu produzieren?
Kollegah: Meine Mutter ist eine herzensgute Frau, die, egal was ich gemacht habe, immer zu mir gehalten hat. Die war in der Hinsicht vielleicht auch ein bisschen zu krass, die hat mir wirklich alles durchgehen lassen. Mit meinem Vater hatte ich eigentlich nicht soviel Kontakt. Da war ja die frühe Scheidung und mein Vater ist dann weg. Meine Mutter hatte das Sorgerecht und als ich vierzehn war noch mal geheiratet und von meinem Stiefvater habe ich wahrscheinlich auch einen großen Einfluss. Der hatte auch schon immer ein riesengroßes Ego…
rap.de: …Und der ist Professor oder…
Kollegah: (lacht) Nee, der ist gelernter Maler und Lackierer, hat sich aber trotzdem immer wie ein Superheld in Szenen gesetzt. Und das hat bestimmt ein bisschen abgefärbt.
rap.de: Und du kamst auch gut klar mit dem?
Kollegah: Ja, supergut, auch immer noch.
rap.de: Was ist dein Ziel in der Rap-Welt?
Kollegah: Ich will auch mal so erfolgreich wie Bushido sein. Das ist schon ein Ziel von mir, wobei ich das jetzt auch nicht so verbissen verfolge. Aber wenn ich mir so ein Ziel setzen würde, wäre er so ein Maßstab, an dem man sich orientieren kann.
rap.de: Das ist ja jetzt ein sehr äußerliches Ziel. Hast du irgendwelche Erwartungen an dich selbst, was du gerne noch besser machen würdest?
Kollegah: Mhm, nee? Nee, nee.
rap.de: Der Unterhaltsamste, der mit den besten Sprüchen…
Kollegah: Das bin ich ja schon. Aber ich will halt auch der Erfolgreichste werden.
rap.de: Da du so gut im Analysieren bist: was denkst woher der Erfolg von Bushido kommt?
Kollegah: Ich denke, dass er auf jeden Fall gute Musik macht, sein gesamter Style ist absolut innovativ gewesen und hat auch viele Leute angesprochen, die sich damit identifizieren konnten. Das ist eigentlich auch schon alles, mehr brauch man auch nicht. Man muss einfach neu und fresh sein. Und das war er damals, weshalb er auch seinen Erfolg hat.
rap.de: Was meinst du, wie viele Leute sich mit Anzug, Zigarre und teuren Autos identifizieren können?
Kollegah: 100.000 dürften schon drin sein. Wenn die alle mein Album kaufen würden, wäre ich schon Gold, dann wäre ich schon auf einem guten Weg. Und es gibt da draußen ja auch viele mit dicken Autos, dicken Zigarren und dicken Anzügen.
rap.de: Aber ich denke mal, dass die sich nicht für Rap interessieren.
Kollegah: Aber ich versuche die Leute dafür zu begeistern. Ich versuche ja auch neue Käuferschichten zu erschließen und denen einen Zugang zu Rap zu ermöglichen.
rap.de: Was meinst du, warum sie keinen zu Rap haben?
Kollegah: Na ja, weil bisher einfach die Identifikationsfigur gefehlt hat. Da war eine Lücke. und natürlich sehen die die ganzen Hip Hopper mit ihren weiten Hosen und sind erstmal abgeschreckt. Die hören wahrscheinlich lieber andere Sachen, Coldplay und so. Aber jetzt wo ich da bin, können auch diese Leute zu unserer Hip Hop-Gemeinde dazu stoßen. Ich bin schon so eine Art Messias.
rap.de: Also macht ihr Musik für Bankangestellte, Versicherungsvertreter…
Kollegah: Ja, genau.
rap.de: Aber du hättest natürlich schon lieber die Zuhälter und Türsteher.
Kollegah: Die habe ich auch. Die habe ich fest auf meiner Seite.
rap.de: Gab es bei dir auch mal so eine Hip Hop-Zeit? So mit Airforce Ones, zwei Plattenspielern, Platten von ’93 bis ’94?
Kollegah: Nee. Es gab Ende der Neunziger schon so eine Art Hip Hop-Zeit, als das mit dem Deutschrap losging, da habe ich wirklich alles, was raus kam, gehört. Aber ich bin nicht so einer der auf Jams geht, ich war in meinem ganzen Leben noch nicht auf einem Hip Hop-Konzert von jemand anderem. Aber ich hab damals alles gefeiert: Massive Töne, Dendemann, Freundeskreis, Eins Zwo, fand ich alles geil. Als kleiner Junge.
rap.de: Was hast du stattdessen so gemacht?
Kollegah: Was man halt so macht als Jugendlicher, ne?
rap.de: (lacht) Sehr unterschiedliche Sachen!
Kollegah: Ja, alles mögliche so. Da könnte ich dir jetzt viel erzählen…
rap.de: Na dann erzähl doch.
Kollegah: In die Schule gehen, nachmittags Scheiße bauen, am Wochenende feiern gehen. So kann man das im Groben denke ich mal umreißen. Eine ganz normale Jugend eigentlich.
rap.de: Wo geht man denn hin, wenn man sich eigentlich für Hip Hop interessiert, aber auf keine Hip Hop-Parties geht?
Kollegah: Doch, ich war dann in Hip Hop Diskotheken unterwegs.
rap.de: Machst du dein Artwork eigentlich selbst?
Kollegah: Nein.
rap.de: Aber es wäre eins deiner vielen Talente?
Kollegah: Ja, aber da habe ich bis jetzt irgendwie noch nicht so die Zeit für gehabt. Ich habe aber auf jeden Fall vor, das zu machen, bei meinem nächsten Release das Artwork dann selbst in die Hand zu nehmen.
rap.de: Was hast du noch für Talente?
Kollegah: Ich habe auch viele Talente im Bereich des Sports und war auch früher ein sehr guter Fußballer. Das meint man vielleicht gar nicht, das passt vielleicht auch gar nicht so zu mir und meinem Image, aber ich war schon sehr talentiert. Also ich hatte teilweise Tricks drauf… Ich will jetzt nicht übertreiben, aber sagen wir es so: ich wurde „der Brasilianer“ genannt.
rap.de: (lautes Lachen) Warst du bei Mainz 05 im Gespräch?
Kollegah: Nee, ich war auch nie so ein Vereinsspieler. Klar, ich war schon im Verein, aber meine größten Erfolge hatte ich eigentlich auf so Streetsoccer-Turnieren. Wir haben immer an der Straße Fußball gespielt, auf ein Tor. Da geht es dann darum, wie man die anderen ausdribbelt und das war eigentlich auch immer so unsere Leidenschaft. Immer neue Tricks erfinden, jeden Tag auf den Bolzplatz. Das war auf jeden Fall eine schöne Zeit.
rap.de: Würdest du gegen Marteria antreten?
Kollegah: Spielt der Fußball?
rap.de: Der war bei Hansa Rostock.
Kollegah: Mal gucken, ob ich das noch kann. Ich habe lange nicht mehr gespielt.
rap.de: Zecke hat früher mit Taktloss gespielt.
Kollegah: Welcher Zecke?
rap.de: Andreas Neuendorf von Hertha BSC.
Kollegah: Taktloss spielt auch Fußball? Ach ja, da hatte ich mal so ein Video gesehen. Nun gut, Fußball… Ja, ich bin eigentlich auch ein Sprachentalent. Hatte ich bisher noch nicht so erwähnt in Interviews, aber da bin ich eigentlich auch ein großes Talent. Ich wurde von meiner Französischlehrerin früher immer „der Native Speaker“ genannt.
rap.de: (lacht) Auf Englisch, ja?
Kollegah: Von der Französischlehrerin auf Englisch, ja. „Unser Native Speaker hier wieder, der weiß wieder alles“. Das kam aber auch daher, dass wir zuhause sehr viel Französisch geredet haben.
rap.de: Ach so, deine Mama ist Französin?
Kollegah: Nein, meine Mama ist schon Deutsche, aber mein Stiefvater ist ja Algerier und die Verständigung funktionierte da über Französisch.
rap.de: Warum hast du nie auf Französisch gerappt?
Kollegah: Ich finde das schwul, die Sprache gefällt mir eigentlich nicht. Ich kann sie zwar gut, aber sie klingt für mich nicht gut.
rap.de: Hast du dein Abitur eigentlich fertig gemacht?
Kollegah: Ja, mit 3,3 halt. Ich war aber auch das komplette 12. Schuljahr eigentlich gar nicht da, da hatte ich eine schlimme Zeit. Ich konnte die Lehrer auch nur mit höchster Überredungskunst davon überzeugen, mir noch eine Chance zu geben. „In der 13. mache ich alles wieder gut“, habe ich gesagt und dann habe ich mich das halbe Jahr, das 13., auch wirklich noch mal voll reingehängt und das dann gerade noch mal so hingebogen. Aber im Prinzip war ich das 12. Schuljahr komplett nicht da.
rap.de: Was heißt „eine schlimme Zeit“?
Kollegah: Na ja, ich bin da ausgezogen von zu Hause und bin ab da eigentlich nicht mehr in die Schule gegangen. Wir waren da im Prinzip jeden Tag der Woche feiern und haben nebenbei krumme Geschäfte gemacht. Da kamen wir in die Phase, wo wir uns gedacht haben „Wir machen jetzt das große Geld, scheißegal wie“. Wir sind jede Woche nach Tschechien gefahren und haben Klamotten gekauft, haben dann irgendwann auch mit Drogen angefangen, und die Schule war da einfach total in den Hintergrund geraten. So ging das ein Jahr lang und dann habe ich mich aber am Riemen gerissen und noch mal sechs Monate für die Schule gelernt und dann hat das auch geklappt mit dem Abi.
rap.de: War das alles in Mainz oder wart ihr auch in Frankfurt?
Kollegah: Nach der Schulzeit auf jeden Fall, als ich auf dem Flughafen gearbeitet habe.
rap.de: Was hast du da gearbeitet?
Kollegah: Bei einer Busgesellschaft, „Terravision“ hieß die. Ein italienisches Unternehmen.
rap.de: Sprichst du auch Italienisch?
Kollegah: Ich habe mir das damals relativ schnell angeeignet, aber mittlerweile auch wieder vergessen.
rap.de: Da hieß es dann bei den Italienern „Oh, da kommt der Sarde!“ (lacht) Strengt es dich eigentlich an, die ganze Zeit so repräsentativ zu sein?
Kollegah: Ich bin doch nicht repräsentativ. Ehrlich gesagt sage ich es nur, wie es ist, auch in Interviews. Das kommt jetzt vielleicht ein bisschen…
rap.de: Nein, das ist ja lustig.
Kollegah: Ja, aber das ist jetzt nicht irgendwie aufgesetzt oder so. Das ist schon alles so, wie ich das sage. Ich erzähle jetzt keine Scheiße.
rap.de: Also, wenn ich jetzt zu dir zum Frühstück komme, dann bist du genauso?
Kollegah: Nee, dann bin ich schlecht gelaunt. Ich bin auf jeden Fall ein Morgenmuffel.
rap.de: Ok, und als was hast du da gearbeitet? Als Italienisch-Übersetzer?
Kollegah: Ich habe im Prinzip nur am Schalter gesessen und Tickets verkauft, das war mein Job. Ich hatte also im Prinzip nichts zu tun und das war dann halt unsere Base. Von da aus haben wir hauptsächlich Haschisch verkauft. Wir hatten die Platten in der Schublade von dem Counter, ich habe das damals mit einem russischen Kollegen gemacht, und dann hat das relativ schnell floriert. Wir waren ja jetzt auch keine Großdealer.
rap.de: Ist das Geschäft dann eigentlich mehr geworden, oder blieb das auf dem Niveau?
Kollegah: Das wurde mit der Zeit immer mehr, ist ja klar. Das spricht sich halt rum, wenn da zwei Jungen auf dem Flughafen sind, von denen man immer was kriegen kann.
rap.de: Das spricht sich ja meistens auch relativ schnell zu den zuständigen Behörden rum.
Kollegah: Ja, bei uns aber nicht, komischerweise. Ich habe mich da auch gewundert und mich die ganze Zeit gefragt, wann es soweit ist und uns jemand anschwärzt.
rap.de: Aber es ist ja dann doch irgendwann mal passiert. Es gibt dieses Bild eines Strafbefehls, der auf drei Jahre Bewährung ausgesetzt wurde.
Kollegah: Das war, weil ich erwischt wurde mit Drogen.
rap.de: Mit welcher Art von Droge?
Kollegah: Mit Speed und Kokain.
rap.de: In kleiner Menge, oder…
Kollegah: …Jaja, eine kleine Menge.
rap.de: Ein anderer Kollege von dir aus Mainz hat ja vor kurzem einen Herzinfarkt bekommen, was unter Umständen auch auf Drogenmissbrauch zurückzuführen ist.
Kollegah: Das kann sein, ich weiß es aber nicht. Vielleicht auch wegen meinem Diss-Track.
rap.de: Es ist aber ungewöhnlich in so jungen Jahren. Hast du da Bedenken gesundheitlicher Art in Sachen Drogenkonsum?
Kollegah: Ja klar. Ich hab ja früher auch Drogen konsumiert, in rauen Mengen, wenn man das so sagen darf. Als ich das erste Mal beim splash! aufgetreten bin war ich ein ganz krasser Junkie.
rap.de: Wo du erkältet warst.
Kollegah: War ich auch, ich hatte keine Abwehrkräfte mehr.
rap.de: Was heißt, du warst ein krasser Junkie?
Kollegah: Ich hab halt jeden Tag auch das konsumiert, was ich verkauft habe. Damals haben wir ja auch angefangen mit Speed und das haben wir uns dann auch alle immer rein gepfiffen, täglich. Innerhalb von einem Zeitraum von acht Monaten. Danach habe ich mir dann gesagt, “Komm, jetzt ist Schluss“. Das war dann auch das erste Mal, dass ich mich von außen gesehen habe, vom splash! gab es ja auch Videos, und das war echt schockierend.
rap.de: Was hieß das, aufzuhören? Warst du dann so richtig auf null?
Kollegah: Zuerst nicht, da hab ich immer noch am Wochenende was genommen. Aber mittlerweile habe ich es geschafft, absolut aufzuhören. Das Einzige, was ich ab und zu mache, ist einen Trinken, aber ansonsten bin ich clean. Und das ist auch das Beste, muss man mal ganz ehrlich sagen. Man sucht ja in Drogen auch ganz oft eine Hilfe.
rap.de: Was hast du darin gesucht?
Kollegah: Ich weiß es nicht, wir haben uns da damals wirklich keinen Kopf gemacht. Es war einfach cool, dass man länger wach sein konnte und mehr Energie hatte. Es war ja auch eine stressige Zeit, wir haben zehn Stunden am Tag gearbeitet. Das war immer so, dass wir acht Tage arbeiten mussten und dann einen Tag frei hatten. Das war eine italienische Firma und da gibt es andere Gesetze. Man hatte da den ganzen Tag zu tun und wird auch permanent angerufen – das ist ein stressiger Job, auch wenn du nicht auf einer riesigen Basis Drogen verkaufst. Das geht schon an die Nerven. Vor allem hat man da mit den unterschiedlichsten Leuten zu tun, unter denen dann natürlich auch welche sind, die dich stressen. Dann hörst du so Sachen, dass der und der dich abziehen will, und darum muss man sich dann die ganze Zeit einen Kopf machen.
rap.de: Vor allem wird das Drogengeschäft nach oben hin natürlich auch strenger und hierarchischer und da kommen dann auch mal Leute, die Geld wollen, wo man nicht einfach sagen kann, dass man das diese Woche mal nicht hat.
Kollegah: Kann man eigentlich nicht machen, haben wir aber schon oft gemacht. Einfach mal irgendwann eine größere Menge auf Kommission abgenommen, nicht bezahlt und uns dann nicht mehr blicken lassen. Da habe ich auch noch Sachen offen, ich glaube, da kriege ich irgendwann noch mal Ärger mit.
rap.de: Warum bezahlst du es dann jetzt nicht einfach?
Kollegah: Keine Ahnung, so viel verdiene ich auch nicht mit Rap.
rap.de: Machst du heute noch was anderes außer Rap?
Kollegah: Im Moment nicht, nein. Ich habe eigentlich im letzten halben Jahr nichts anderes gemacht. Auftritte, am Album gearbeitet und sonst eigentlich nichts Großartiges gemacht.
rap.de: Nun ist es ja nicht mehr so, dass man ein Jahr an einem Album arbeitet und dieses Jahr dann im Endeffekt auch bezahlt bekommt. Wie siehst du diese Entwicklung und wo geht das hin?
Kollegah: Ich weiß nicht, wo das hingeht. Ich hoffe nur, dass das alles besser wird. Ich sehe nur bei mir, dass ich immer noch von Release zu Release mehr verkaufe und ich hoffe auch, dass das so bleibt. Vielleicht kann ich eine Ausnahme sein, die einfach noch gut verkauft, kann ja sein. Es ist ja noch nicht alles tot, vielleicht kann ich da noch was mitnehmen.
rap.de: Plan B gibt es keinen?
Kollegah: Nee, noch nicht.
rap.de: Du wirkst, als würdest du dir nicht über viele Sachen Gedanken machen. Machst du dir über manche Dinge Gedanken?
Kollegah: Klar, warum nicht.
rap.de: (lacht) Aber es kommt ja nicht so rüber, als würdest du nicht gerne denken.
Kollegah: Ich mache mir schon Gedanken, klar, aber nicht zu intensiv. Zu viel Denken ist nicht gut, man muss eine gewisse Lockerheit behalten. Wenn man sich in so manche Sachen reinsteigert, bringt das nichts. Das endet dann teilweise auch einfach in absolutem Frust. Warum sollte man sich in Sachen denn so reinsteigern, wie manche Rapper das machen?
rap.de: Weil sie einem wichtig sind. Gibt es Dinge, die dir wichtig sind?
Kollegah: Ja, klar, jeder hat doch Dinge, die ihm wichtig sind. Am wichtigsten ist mir eigentlich, dass es meiner Familie gut geht. Dass meine Mutter und meine Schwester gesund sind. Rap ist für mich in erster Linie eigentlich Spaß. Das ist auch mein Hauptantrieb: ich mache das, weil es mir Spaß macht und ich das selbst gerne höre. Und natürlich, weil viele Leute das feiern.