Bo Flower

rap.de: Ein paar Dinge möchtest Du also schon für Dich behalten, auch wenn Du auf dem Album ansonsten alles von Dir preisgibst?

Bo Flower: Ja, aber da geht es ja auch um mich, um mich und meine Gefühle. Was das angeht, könnt Ihr mich gerne alles fragen, da erzähl ich auch alles.

rap.de: Auf Deinem Album sagst Du im Track "Kuck in die Welt", dass die Menschen zwei Persönlichkeiten hätten "wie Clark Kent". Ist das eine Erfahrung, die Du persönlich schon oft machen musstest?

Bo Flower: Eigentlich meine ich das gar nicht negativ. Ich bin so ein Typ, der zwischen den Welten wandert. Ich hänge halt nicht nur mit einer Clique ab. Das sieht man ja auch schon daran, mit wem ich so arbeite. Früher war das zum Beispiel so, dass ich Fußball gespielt und Musik gemacht habe. Ich hatte auch immer viele Freunde aus der Hauptschule wie aus dem Gymnasium und das war für mich schwierig, weil ich eben gemerkt habe, dass ich nicht immer ganz straight eine Person bin. Ich habe mich immer gefragt: "Wer bin ich denn eigentlich?" Ich dachte auch immer, ich wäre nicht selbstbewusst genug und müsste das durchziehen, aber irgendwann hab ich mir gedacht: "Warum? Warum? Warum soll ich das durchziehen?" Ist doch cool, ist doch total schön, wenn man mit ganz vielen Menschen Umgang haben kann. Das ist überhaupt nicht fake oder so. Ich gaukle ja niemandem was vor, sondern ich komme einfach mit ganz vielen Menschen klar und deswegen glaube ich einfach, dass man viel besser mit sich selbst klarkommt, wenn man die verschiedenen Persönlichkeiten in sich einfach zulässt. Das heißt zum Beispiel: Jetzt bin ich fröhlich und nett und cool, es gibt aber auch Tage, da bin ich einfach aggro, da geht's mir scheiße und dann will ich diese Emotion rauslassen.
Ich will mich deswegen auch an keine Rolle klammern und die ganze Zeit voll depressiv sein, weil ich das zur Zeit nicht bin. Aber in der Zeit, in der das Album entstand, war ich das eben und deswegen lebe ich das aus.
Ich finde schon, dass die Leute zu sehr versuchen, immer eine Person darzustellen. Zum Beispiel diese Regel: "Ein HipHopper zeigt keine weiche Seite."  Und dann klammern sich die Menschen voll dran, obwohl jeder weiß: Der heult zu Hause doch auch. Ist doch so. Der sitzt irgendwann zu Hause, hat Liebeskummer und heult irgendner Frau hinterher, egal, wie hart der ist. Aber so funktioniert die Welt und teilweise ist das auch völlig berechtigt. Ein Freund hat mir zum Beispiel gesagt: "Wenn Du dir ein Formel-1-Rennen ankuckst, und der Ferrari wäre auf einmal grün, dann würdest Du das auch scheiße finden. Das wollen die Leute nicht sehen, der Ferrari soll verdammt nochmal rot sein" und so ist das auch mit den Personen, die man in sich trägt.
Das wird natürlich kompliziert, wenn du die alle zulässt. Dann bist du natürlich viel schwieriger einzuschätzen. Es ist genau das Gleiche übrigens mit der Rolle in der Beziehung, dass viele Leute nicht damit zurechtkommen, dass man total sensibel, nett und emotional zu seiner Liebsten sein kann, und trotzdem in der nächsten Sekunde richtig harten, versauten Sex haben kann und danach aber wieder sagt: "Ach Schatzi".
Viele können das nicht so trennen. Die können nicht sagen: "Ey, wenn ich jetzt voll lieb zu ihr bin, dann akzeptiert sie das nicht, sie will doch 'nen dominanten Typ" oder so. Ich finde, das eine sollte das andere nicht ausschließen.

rap.de: Also findest Du, die Leute definieren sich zu sehr darüber, wie sie von anderen gesehen werden, und achten nicht so sehr darauf, wer sie eigentlich wirklich sind?

Bo Flower: Ja, das auf jeden Fall. Ich finde schon, dass man öfter mal in sich hineinhören kann und fragen kann: "Was steckt denn eigentlich noch so alles in mir und was könnte ich noch alles machen? Und wer bin ich eigentlich?" Solche philosophischen Themen halt (lacht). Ich mache das auf jeden Fall oft, gerade in Phasen, in denen es mir schlecht geht. Da kann ich auch eine kleine Geschichte dazu erzählen.

rap.de: Bitte.

Bo Flower: …Das habe ich ja auch auf meiner Single "Nimm's persönlich" erzählt – ich hatte an Silvester zu viel gesoffen und mit der Frau gestritten, mit der ich damals was hatte. Wir haben uns nachts um drei getroffen und ich hab zu der Zeit sehr viel gesoffen und sie war auch total hacke. Das war alles irgendwie zu viel. Wir haben uns dann gestritten. Dann bin ich irgendwann um fünf oder so durchgebrannt, hab mir noch mehr einen reingelötet und wurde total aggressiv. Ich weiß das alles auch nur noch sehr schemenhaft. Ich saß dann irgendwann in der Bahn, bin nach Hause gefahren und hab mich zu so 'ner Gruppe gesetzt von fünf, sechs Typen, die alle so aussahen, als ob es Stress geben könnte. Da hab ich mich 'reingesetzt und hab irgendjemanden angepöbelt, weil ich halt Bock hatte, mich zu schlagen und auch Bock hatte, geschlagen zu werden.
Der erste von denen ist auch sofort darauf angesprungen. Dann saß aber auch daneben einer, der hat mir seine Hand auf die Schulter gelegt und gemeint: "Hey, was ist denn los? Was hast Du für Probleme? Soll ich Dir irgendwie helfen, Dir an der Haltestelle ein Taxi rufen oder so?" Und in dem Moment hat es bei mir "Klick" gemacht und ich dachte mir: "Krass, dieser Typ, das bist eigentlich Du!" Unter normalen Umständen wäre ich derjenige, der zu irgendjemandem geht und ihn fragt, was los ist und ob man ihm helfen kann und ich hab mich in dem Moment gefragt: "Wenn er jetzt quasi ich ist, wer bin dann ich? Was ist mit mir los?" Und dann wollte ich nur noch schnell nach Hause.
Das meine ich damit. Das ist immer die Frage: "Wer bin ich, und wer bin ich in diesem Moment?"

rap.de: Uns ist aufgefallen, dass Du in deinen Songs sehr oft down bist, aber dann kommt die Frau, die neue Liebe und das zieht Dich immer wieder so ein bisschen raus.

Bo Flower: Ja. So ist ja auch das Leben oder nicht? (lacht)