Falk aka Hawkeye

Das Jahr 2007 wäre dann mal durch. Also kommt was kommen muss: Aller Orten wird bilanziert, zurückgeschaut und ausgeblickt. Jahrescharts und ein Rückblick nach 07 gehören zum Jahreswechsel wie Böller und ein gepflegter Absturz am 31. Bei rap.de habt ihr ja schon einen Rückblick auf die Welt im Allgemeinen und Rap im Besonderen bekommen. Jetzt folgt Teil zwei. Allerdings wären wir schön blöd, wenn wir mit unserem Gesprächspartner nicht auch ausführliche über den Zustand der Kultur (oder doch Industrie?) , über seine Tätigkeit als A&R, DJ, Produzent und natürlich vor allem Journalist sprechen würden. Es dürfte schwer sein, in Deutschland einen besseren Ansprechpartner für HipHop-Fragen zu finden.

Die Damen und Herren: Augen auf für Falk aka Hawkeye.

rap.de: Du bist Journalist, A&R, DJ und Produzent – Wie sieht da eigentlich der Alltag aus?

Falk: Na im Prinzip ist das ganz einfach. Ich stehe morgens auf und nach einigen Momenten der Körperpflege, kümmere ich mich dann um meine E-Mails. Bei 11 Accounts kommt da einiges zusammen. Ich moderiere ja nicht nur Mixery Raw Deluxe, ich produziere es auch und habe dementsprechend den ganzen Tag mit der Sendung zu tun. Ich recherchiere und organisiere, außerdem kümmere ich mich um die Promotion für die Sendung und bespreche mich mit meinem Team wegen Terminen. Bei diesen Recherchen stoße ich dann auch schon mal auf Künstler, die für meine A&R Tätigkeit bei Melting Pot interessant sein können. Wobei ich dazu sagen muss, dass wir keinen deutschen Rap veröffentlichen, also bitte keine Demos schicken. Melting Pot Music ist im weiteren Sinne ein Breakbeat Label und wenn wir Rap machen, dann ist es englischsprachiger Rap. Dieser Job ist aber mein Hobby, Geld zum Leben lässt sich damit nicht verdienen. Wenn ich dann abends nach Hause komme, setze ich mich an meinen PC und mische oder produzieren Beats und beantworte noch die ein oder andere Mail. Glücklicherweise lässt sich heute Musik sehr gut in einem Homestudio machen und man braucht keine großen Geräte mehr.

rap.de: Du sagst es ja selbst: Bei deinen vielen Tätigkeiten können Grenzen verschmelzen, gerade da du als Journalist, A&R und Künstler aktiv bist. Siehst du da für dich selbst eine Gefahr?

Falk: Eine gewisse Gefahr besteht natürlich immer. Aber das hat eigentlich nichts damit zu tun, ob man neben der Journalistentätigkeit auch noch Künstler oder sonst was ist. Es ist doch ganz natürlich, bestimmte Dinge zu mögen. Ich kann da aber differenzieren und trennen zwischen Beruf und Privatleben. Obwohl ich zum Beispiel eine enge Verbindung zu Curse habe, kann ich ihn kritisch und neutral interviewen. Ich definiere eine Freundschaft auch nicht über den Grad des Arschkriechens sondern über den Grad der Ehrlichkeit der mir entgegengebracht wird. Und genau dasselbe mache ich mit meinen Freunden. Wenn die die Wahrheit nicht ertragen können, dann bin ich offensichtlich nicht der richtige Freund für sie und andersrum. Jemand muss ertragen können, dass ich ihn kritisiere, und das kann dann eben auch vor Publikum geschehen, das ist schließlich mein Beruf und ich schulde das auch dem Publikum. Ich habe aber auch schon Mixtapes von befreundeten DJs bekommen, die mich baten, diese in der Juice zu reviewen. Das habe ich dann aber nicht getan. Ich hab diese Tapes an andere Redakteure weitergeleitet, damit die eine Review machen. Wenn Leute wissen, dass ich mit einem Künstler down bin, dann wäre es nicht ehrlich, seine Arbeit zu bewerten. Nun ja, schon ehrlich weil ich es ja feiere, aber eben zu vorrausschaubar. Reviews sind ja immer Subjektiv, aber ich brauche keine schreiben, wenn jeder weiss, dass ich es gut finde.


rap.de: In wie weit ist Musikjournalismus für dich Berichterstattung und in wie weit so etwas wie, sagen wir mal: Lobbyismus deines eigenen Geschmacks. Kann ein Musikjournalist denn deiner Meinung nach überhaupt neutral sein?

Falk: Ich weiß von Kollegen bei Magazinen, die dieses Problem umgehen, indem sie lieber CDs reviewen, die sie nicht mögen. Alben zu zerreißen, macht ihnen eben mehr Spass. Bei mir ist das in dieser Sache etwas anders. Ich berichte am liebsten über Künstler, die ich mag. Aber bei TV oder Radio bist du da eben in einer anderen Situation. Wenn du für ein Printmedium schreibst, kannst du das Interview ja immer so präsentieren, wie du es möchtest. Der Leser war nicht dabei und sieht es NUR durch die Augen des Reporters. Da findet also eine Form von Filterung statt. In einer TV-Show geht das nicht. Zumindest nicht so wie bei geschriebenen Inhalten. Der Zuschauer merkt das einfach, wenn zwischen dem Journalisten und dem Künstler die Chemie nicht stimmt und keine Sympathie vorhanden ist. Es gibt außerdem Künstler, die man vielleicht überhaupt nicht leiden kann, die aber einfach relevant und damit unumgänglich sind. Über sie oder mit ihnen muss einfach gesprochen werden. Man hat einfach keine Wahl und muss über P. Diddy sprechen. Er ist zu groß, um übergangen zu werden. Aber darin besteht ja trotzdem eine Form von Entertainment. Dem Gespräch zweier Menschen zuzuschauen, die sich entweder total mögen oder eben hassen, ist eigentlich immer spannend. Aber um deine Frage zu beantworten, nein, 100% Neutralität ist nicht möglich, aber man kann es versuchen. Und fair sollte man auch immer bleiben.

rap.de: Toni L macht Backstage Randale, Taktloss macht den Humpty Dance. Welches Mixery Raw Sendung war die verrückteste?

Falk: (lacht) Auf diese Taktloss-Sendung werde ich unglaublich oft angesprochen. Würde mich mal interessieren, ob es ihm genauso geht. Dieser Toni L-Ausraster war eigentlich eine durch und durch ironische, nicht ernst gemeinte Inszenierung. Aber ich befürchte fast, dass das viele Leute falsch verstehen. Eine lustige Geschichte ist mir bei einem der letzten Mixery Freestylebattles in Freiburg passiert.  Da flog ein MC raus weil das Publikum das Gefühl hatte, er hätte Texte gerappt. Nach dem Battle war ich dann auf der Aftershow Party und wollte feiern, nur der MC war so fertig, dasa er rausgeflogen ist, dass er mir die ganze Zeit sein Talent beweisen wollte. Er wollte unbedingt beweisen das er keine Texte gerappt hatte. Er wollte mir nachts um 3 Uhr während der Aftershow Party unbedingt ins Ohr Freestylen.. Da musste ich ihm erklären, dass ich dann doch nachts um 3 Uhr Feierabend habe. Oder letztens, als wir K.I.Z. im Sommer zwei Mal nacheinander in der Sendung hatten, weil wir von zwei verschiedenen Festivals berichteten, wo die Jungs aufgetreten sind, bekam ich eine Mail von einem Zuschauer. K.I.Z. + Taktloss wären doch Nazis. Denn seine Nachbarn, die Nazis sind, würden die ja auch hören und feiern. Ich habe versucht, ihm dann klar zu machen, dass ich das genau gegenteilig sehe. Ich finde das super, dass diese Deppen das hören. Denn dadurch verarschen sie sich selber. Schließlich sind Tarek und Taktloss Schwarze. Das ist für mich Real-Satire. Darüber muss ich lachen.
rap.de: Lass uns über den „State of the Art“ sprechen. Die HipHop Kultur als solche ist ja immer wieder radikalen Umbrüchen ausgesetzt. Das bringt Vorteile mit sich aber auch Nachteile. Ich würde mit dir gerne darüber sprechen, wie du das einschätzt und wo du Vor- und Nachteile siehst?

Falk: Diese Umbrüche gehören ja von Anfang an dazu. Sie verliefen nie radikal, sondern entwickelten sich immer sehr langsam. Damit geht das Problem einher, dass mit jeder Neuerung große Teile der alten Generation wegbrechen, weil sie den neuen Schritt nicht mitgehen wollen. Während sich Rockfans untereinander immer auf bestimmte Gruppen und Zeitalter einigen können, ist das bei Rap anders. Led Zeppelin finden fast alle Rockfans gut. Im HipHop ist es schwieriger, eine vergleichbare Gruppe zu finden, auf die sich alle einigen können. Ich habe das Gefühl, dass zwischen den HipHop hörenden Generationen ein großes Unverständnis herrscht. Leider scheinen gerade ältere Fans bestimmte Entwicklungen nicht nachvollziehen zu können und wandern deshalb ab. In gewisser Weise kann ich das verstehen. Als ich vor ein paar Jahren beim Rheinkultur Festival war, haben mich die Leute teilweise schief angesehen, weil ich statt 7 XL Shirts, ein schlichtes Hemd mit Kragen getragen habe. Das ist eigentlich ein zeitloses Kleidungsstück. Selten in, aber nie out. Aber für bestimmte Leute war es eben nicht genug HipHop. Da war ich dann Öko-HipHop. Rap ist eben mittlerweile eine extrem oberflächliche Musikrichtung. Deshalb ist es verständlich, dass ich Videos von 13- jährigen Rappern geschickt bekomme, die in der frisch getünchten Garageneinfahrt ihres Elternhauses in voller Rapuniform mit Helm stehen, und vom harten Leben im Ghetto Rappen. Nur kann sich evtl. ein 25-jähriger, vorsichtig ausgedrückt, von solchen Thematiken intellektuell unterfordert fühlen. Also beginnt er andere Musik zu hören und sich einer anderen Kultur zuzuwenden. Daraus ergibt sich die Gefahr, dass sich irgendwann gar keiner mehr für die HipHop Kultur interessiert und schlimmstenfalls wirklich stirbt. Davon sind wir aber noch ein gutes Stück entfernt. Was wir heute aber schon ansatzweise erleben ist, dass sich der Ruf der Szene verschlechtert. Das führt dazu, dass die Werbetreibende Industrie immer mehr das Interesse am HipHop verliert und nichts mehr investieren mag. Schon heute wäre vielleicht gerade noch Samy Deluxe als Werbeträger für eine VW Kampagne denkbar, aber das war es dann auch schon. Für Kooperationen mit der Industrie kommen momentan nur ganz wenige Rapper in Frage. Mittlerweile dürfte auch allgemein bekannt sein, wieviel sich mit HipHop wirklich verdienen lässt. Hinter den 10 reichsten Rappern in Deutschland stehen 10.000 MCs ohne Geld.


rap.de: Dir haftet der Ruf des ewigen Backpackers an. Hast du Mal darüber nachgedacht Souljah Boy oder ähnliches zu spielen, um dieses Image ein für alle Mal abzulegen? Und was ist eigentlich das Schlimme daran?

Falk: Dieses Backpack-Image ist so eine Sache. Manchmal stört es mich sehr und ich teile dann in meiner Juice-Kolumne aus. Das Problem ist eben, dass der Begriff in Deutschland extrem negativ belegt ist. Schau dir nur die Reaktionen der Fans auf das gemeinsame Foto von EL P und P. Diddy an. Die beiden haben in einem riesigen Gebäude geprobt. Irgendwann hat dann EL P gemerkt, dass Puffy im Raum nebenan am Start ist. Also lud er Puffy ein, mal rüber zu kommen. Der kam, sah und nickte zum Beat. Am Ende haben sie dann alle zusammen ein Foto geschossen und plötzlich war EL P ein Verräter. Die Leute sind einfach zu hohl zu kapieren, dass zwar beide etwas unterschiedliches machen, aber die Basis dieselbe ist. Puffy hat zu seiner "Forever" LP als erste Single den Tune "PE 2000" rausgehauen, was eine Art Coverversion von "Public Enemy No. 1" ist, einem Song von Public Enemys "Yo! Bum Rush The Show" Album. Und EL P ist derjenige für mich, der den Public Enemy Bomb Squad Sound in das neue Jahrtausend übersetzt hat. Das heisst beide stehen auf demselben Boden, nur an anderer Stelle. Und beide wissen das voneinander, nur die Konsumenten wollen nichts davon wissen. Den Künstlern sind diese Schubladen scheissegal und mir ehrlich gesagt auch. Okay, natürlich gibt es Leute die ich seltsam finde, aber nicht weil sie kommerziellen Erfolg haben, sondern weil sie seltsam sind. Das ist ein Unterschied.

rap.de: Du bist auch einer der Remixer von "Organ Donor".  Was ist das Besondere an diesem Lied?

Falk: Schon das Orginal von DJ Shadow ist ein unglaublicher Killersong. Das einzige Problem in der Version von Shadow ist dieser eine Break, bei dem es eigentlich keinen richtige Rhythmus mehr gibt. Wenn ich das aufgelegt habe, hörten die Leute an dieser Stelle immer auf zu tanzen, weil einfach unklar ist, wie der Rhythmus weitergeht und keiner drauf tanzen kann. Meinen Remix habe ich aber nicht deshalb gemacht. Vielmehr gab es da diese Version von Lefties Soul Connection, die sind ja auf Melting Pot Records, wo ich als A&R arbeite. Ich fand, dass deren Version viel zu kurz sei. Also entschied ich mich das Lied zu verlängern. Ich habe mir also die vier Spuren aus denen der Track besteht besorgt, und habe mit diesem Material den Krüppelbreak aus dem Shadow Original nachgebaut. Nur mit dem Unterschied, dass die Melodie diesmal im Rhythmus läuft und man dazu tanzen kann. Bei einer anderen Version von "Organ Donor", war ich auch ein Stück weit involviert. DJ Hype und Jim Dunloop spielen das Stück gerne live. Jim spielt dann dazu live die Orgel nach, auf seinem Keyboard. Allerdings hatten die immer das Problem, dass die Orgel aus dem Originalsong eben mitdudelt. Das war dann immer nicht so geil. Also habe ich ihnen meine Version von "Organ Donor" gegeben nur eben ohne Orgelspur. Marc Hype ist also im Besitz der einzigen "Organ Donor" Version ganz ohne Orgel.


rap.de: Lass uns über das vergangene Jahr 2007 sprechen. Was war für dich DAS Musikerlebnis im vergangenen Jahr?

Falk: Da muss ich gar nicht lange nachdenken: Für mich war es das Konzert der 9-köpfigen japanischen Funkband Osaka Monaurail das Beste, was ich dieses Jahr live gesehen habe. Bei diesem Konzert stand ich eine Stunde lang lächelnd vor der Bühne. Sonst bin ich bei Konzerten meistens gelangweilt und wünsche mir, doch zu Hause geblieben zu sein. Wenn ich mir dort die Musik der Künstler auf CD anhören würde, wäre wenigstens die Soundqualität der Band besser. Leider sind die wirklich guten Rapkonzerte sehr rar gesät.
rap.de: Was war dein bestes Interview?

Falk: Was das beste Interview war ist schwer zu sagen. Die letzten Mixery Folgen waren definitiv außergewöhnlich. Da habe ich ja mit Savas versucht Geschenke zu verteilen und mit K.I.Z. habe ich Weihnachten gefeiert und Gänsebraten mit Kürbismuß zubereitet. Frauenarzt war ja auch dabei und sein Auftritt als Engel war ganz groß. Man muss sich das so vorstellen: Der am häufigsten indizierte deutsche Rapper, lässt sich von mir ein Engelskostüm anziehen… Dabei war das nicht geplant, das ist spontan entstanden. Ich wusste, dass die K.I.Z. Jungs jeden Scheiss mitmachen, und dafür waren diese Kostüme auch da, ich kannte Frauenarzt vorher nicht persönlich. Deshalb war ich um so mehr positiv überrascht, als er sich den Heiligen Schein aufsetzen ließ.
rap.de: Kommen wir zur Albumkategorie: Welche Alben sollte man ’07 gehört haben?

Falk: Bei mir ist es ja so, dass ich oft kritisiert oder nicht verstanden werde, wenn ich etwas öffentlich feiere. Zu mir kamen häufiger Leute, die meinten, dass Huss & Hodn total Oldschool klängen und man Morlockk Dilemma gar nicht richtig verstehen kann, weil er so undeutlich rappt. Aber die haben es einfach nicht kapiert. Es ist doch geil, sich einen Track 3 Mal anzuhören und dann erschließt er sich erst richtig. Bei Amitracks ist das doch auch so und sogar die Amis verstehen nicht immer alles. Bei Huss & Hodn bin ich wiederum einfach nur gut unterhalten, bei den Raps von Kurt Hustle muss man lachen und die Beats sind geil. Da kommen dann die Hater und sagen „Ey die sind doch retro.“ Aber ohne zu kapieren, dass es „Scheiss-Retro“ und „Geil-Retro“ gibt. Es gibt eine ganze Menge Produzenten, die heute in der Tradition von vor 10 Jahren Beats machen. Größtenteils hätten diese Beats aber auch vor 10 Jahren Scheisse geklungen. Die Hodn Beats wären auch damals Banger gewesen, und ein Banger bleibt ein Banger, egal wie alt er ist. Ich hoffe, dass die Jungs das Niveau halten können. Das Problem ist doch, dass man als Kritiker immer eine Weiterentwicklung will, aber das Album soll gleichzeitig so dope klingen wie die LP davor. Die Jungs sollen alle einfach mal machen, aber spätestens beim übernächsten Release muss dann „die Weiterentwicklung“ hörbar sein (lacht). Um es kurz zu machen: Ich empfehle hiermit die Alben von Huss & Hodn, Morlockk Dilemma und V.Mann. Aus Amerika kamen dieses Jahr gute Platten von Styles P, Godfather Don, Raekwon, Ghostface Killah, UGK, K-Def Remix Album von "American Gangster"Lil‘ Wayne, Scarface und Beani Siegel.

rap.de: Morlockk Dilemma scheint es dir ja besonders angetan zu haben. In der Juice hat er von seinen Problemen berichtet, als er einen Track machen wollte, in dem er Fragen von Journalisten bekommt, auf die er dann rappenderweise antwortet. Deine Frage hat ihn dabei allerdings verzweifeln lassen. Sie lautete Was haben Morlockk Dilemma, die Quantenphysik und der Candirufisch gemein?” Um was genau geht es dabei.

Falk: (lacht) Die selbe Frage hat mir auch schon Animus und Marc Leopoldseder von der Juice gestellt, woher wisst ihr das alle? Sagen wir mal so, der Ursprung war der, dass er einen Song machen wollte in dem ihm verschiedene deutsche HipHop Journalisten fragen stellen, und er sie im Rap beantwortet. Diese Frage sollten wir uns selber ausdenken. Ich so überlegt und dachte ey, warum nicht sowas Ultramagnetic– mäßiges (Anm.d.Red. Ultramagnetic MC’s Rap Crew) machen, auch wenn Jan Delay die Ultras hasst (lacht). Kool Keith und Ced Gee wussten auch nicht, wovon sie rappten, das waren einfach coole Wörter die sie aus Wissenschafts-Magazinen gepickt haben und einfach aneinander hefteten. Also habe ich mir überlegt was es gibt, dass nur wenige Zuhörer kennen, außer eventuell Holunder (Anm.d.Red. Blumentopf-Member), weil der ja Physik studiert. Also stand fest, dass Quantenmechanik mit dabei ist. Ich wollte aber noch einen Weg offen lassen, in einen Bereich den jeder Mensch sofort kapiert, wenn man es ihm in 2 Sätzen erklärt. Es sollte aber trotzdem nicht zu gewöhnlich sein. Also musste ich an den Candiru Fisch denken. Ein Fisch der in die Harnröhre von Menschen schwimmt, die im Wasser Wasser lassen, nur um dann dort stecken zu bleiben. Wenn Dilemma sich also einfach ein wenig Wikipediawissen reingefahren hätte, dann hätte er sich einfach eine durchgeknallte Geschichte ausgedacht, die eben Quantenmechanik und ihre Unvereinbarkeit mit Einsteins Relativitäts-Theorie, und dem daraus resultierenden Dilemma der Physik beschäftigt, sowie den Einfluss des ganzen auf den Candiru Fisch. Er hätte den LHC Beschleuniger in Cern einbauen können, wo Wissenschaftler das Higgs-Teilchen suchen, was auch das "Teilchen Gottes" genannt wird. Denn wer dieses Teilchen findet wird angeblich die Weltformel entwickeln können, mit der man dann Alles und Jedes erklären könnte, also auch die Mechanik des Candiru Fisches, die ich noch weniger glauben kann, als dass es ein Higgs-Teilchen gibt. Dazu kann man noch ein wenig Stringtheorien, multidimensionale Transporter, morphogenetische Felder, DC Comics, Erde 1 und Erde 2, Bizarro vs Superman usw. kombinieren. Also diese ganze, mehr oder weniger esoterische Mehrdimensionalität, die extrem viel Raum für Fantasie lässt. Da lässt sich einfach eine extrem breite Palette an durchgeknallten Bildern und Ideen einbauen, die eventuell keine Sau richtig rafft, aber nicht mal Kool Keith wusste welchen Rotz er da gerappt hat und der Shit war trotzdem cool. Das waren meine Gedankengänge dabei. Eine realistische Antwort auf die Frage habe ich auch nicht, aber ich könnte mir eine aus den Fingern saugen, die logisch klingt. Und um mehr ging es nicht. Es hätte ja kein Physiker die CD gehört und Dilemma eine E-Mail geschrieben, dass er hier ein nicht korrektes Bild vom Raum-Zeit Kontinuum zeichnet.

rap.de: Lass uns das „07 war das Jahr des…“ Spiel spielen. Also: Das 2007 war das Jahr des…

Falk: Eurodance Revivals. Da wäre zum Beispiel Timbaland mit Ayo Technologie. Der ehemalige Juice Chefredakteur Davide Bortot führte als bekennender 2 Unlimited Fan zwar an, dass es sich hierbei um ein geiles Lied handelt, aber ich konnte mich dennoch nicht mit diesem Trend anfreunden. Ich kann das nicht wirklich fühlen.
rap.de: Was sagst du denn zur viel diskutierten Wu Tang Rückkehr?

Falk: Ich finde das Album total missraten und kann verstehen warum Raekwon das nicht feiert. Das ganze Album klingt wirklich nach Hollywood Bullshit. Ganz ehrlich, ich finde, dass RZA seit 8 Jahren keinen vernünftigen Beat mehr produziert hat.

rap.de: Okay, und welche anderen Alben fandest du neben dem Wu-Album enttäuschend?

Falk: Die Alben von 50 Cent, Jazzy Jeff, Pharoahe Monch, Jeru The Damaja, Redman, Common, Twista, Freeway, Jay Z, T.I., Chamillionaire, Cassidy, Hi-Tek, Public Enemy, Playaz Circle, Fabolous, Too Short, Bone Thugs-N-Harmony, Prefuse 73 und alle Rawkus Alben. Da waren immer mal so 2 – 3 Gute Tracks bei, aber leider nicht 12 am Stück.

rap.de:  Reden wir über das kommende Jahr. Worauf wartest du im Jahr 2008?

Falk: Ich will endlich Detox hören. Obwohl ich ja ein Dr. Dre Hater bin. Aber genau aus diesem Grund will ich es hören. Ehrlich gesagt, frage ich mich, ob er sich traut es raus zu bringen. Ich kann nicht verstehen, warum die Leute ihn so feiern. Unter den Beats, die er in letzter Zeit so rausgehauen hat waren ein paar ganz gute darunter, aber der Großteil ist mir einfach nicht reingegangen. Er kauft sich ja auch Beats von anderen Produzenten und verkauft sie dann als seine Eigenen. Funkmaster Flex, Tony Touch oder DJ Kay Slay machen das ja auch so. Das sind Compilations, aber das sind doch nicht deren Produktionen. Bei Dre sehe ich das ähnlich, aber irgendwie tun alle so als ob es Material von ihm wäre. Außerdem will ich Raekwon, Rakim, Huss & Hodn und Sido gespannt. Die Prognose, dass es bald eine neue Consciousnesswelle geben wird, teile ich nicht. Zumindest kann ich mir das in Deutschland nicht vorstellen. In den USA kommt das vielleicht weil Kanye den Verkaufsbattle gegen 50 Cent gewonnen hat und Common in den Charts auf Platz 1 war. Im übrigen sind alle Artikel darüber dass HipHop tot sei, weil der Rückgang der HipHop Verkäufe noch grösser sei als der allgemeine Einbruch der Verkäufe von Tonträgern, Bullshit. Rap ist die Musik der Jugend und die jetzige Generation kennt nichts anderes als MP3s. Die saugen sich alles nur. Hinzu kommen die HipHop DJs, die fast alle Serato (Anm.d.Red. DJ-Software) nutzen. Um zu begreifen wie schwachsinnig diese These ist, muss man sich nur mal die Verkäufe der Klingeltöne anschauen. Da man die nicht illegal ziehen kann, sind das die einzigen Verkaufscharts, die für mich noch zählen. Ansonsten sind alle anderen Charts wertlos und nur noch ein Null-Gradmesser für das, was real gehört wird. Das ist ja auch das Problem von den ganzen Sendern. Sie spielen das was in den Charts ist, aber das stimmt alles nicht mehr. Whatever, deren Problem.
rap.de: Du kritisierst diese Entwicklung offen, aber ist es nicht eigentlich die Aufgabe unserer gesamten Zunft, solche Negativtrends in großem Maß kritisch zu kommentieren, sind wir Journalisten mittlerweile vielleicht zu unkritisch?

Falk: Nehmen wir diese Fler Geschichte bei MTV in Berlin und was in den folgenden Tagen alles geschah. Ich wollte unbedingt was dazu schreiben, aber dann habe ich mit einigen Leuten gesprochen und die haben mir die Augen geöffnet. Was soll ICH dazu sagen, was ich nicht schon längst in den letzten 6 Jahren gesagt habe? Die Leute wissen meine Meinung dazu, also muss ich sie auch nicht immer zwingend zum Ausdruck bringen. Und auch in anderen Bereichen. Warum sollte ich aufstehen und sagen, der und der Rapper rappt aber mies und hat schlechte Inhalte, die Leute wissen sowieso was abgeht. Aber es ist ihnen scheissegal. Es müssen auch nicht so sehr die Journalisten aufstehen und was machen. Es sind vor allem die Rapper, die mal aufstehen müssten und etwas dazu sagen sollten. Das passiert ja auch schon. Wenn sich ein Sido hinstellt und sagt, dass er manche seiner Songs seinem Sohn nicht vorspielen würde, dann ist das doch eine ganz klare und unmissverständliche Aussage. Oder wenn Rapper sagen, dass sie den Index super finden, dann finde ich das komplett un-zweideutig. Nur reicht das noch nicht, denn es kommt bei den Leuten noch nicht an. Das ist wie mit den Klischees und Images: Autos, Schmuck und Bitches. Die Leute wissen eigentlich, dass die Kutsche gemietet ist, der Schmuck aus Blech und Glas und die Frauen aus Plastik sind. Aber die haben gar keine Lust auf die Realität. Was die richtig turnt ist der Anschein von Authentizität. Also die Fake-Realness. Eventuell können sie es sogar nur deshalb feiern, weil sie wissen, dass es eigentlich nicht die Wahrheit ist. Denn wenn das alles wahr wäre, dann müssten alle heulen. Oder ich habe ein zu gutes Bild von den Hörern und sie sind wirklich alle komplette geistig behinderte Autisten mit dem IQ eines Candiru Fisches. Was passieren muss ist, dass die nächsten 3 großen Rapper in Deutschland mit einem etwas anderen Stil um die Ecke kommen. Nur auf den „Gegnas“ und „Opfas“ rumtrampeln wird ja auch irgendwann langweilig. Außerdem. Wer sagt denn, dass wir Journalisten immer Recht haben? Wenn ein Rapper viele Einheiten verkauft, ist das erstmal ein gewichtiges Argument. Die Menschen lieben ihn, sonst würden sie ihm nicht ihr Geld zuwerfen. Also ist ein Chingy in Wahrheit nicht viel besser als ein Rakim??? Diese 1 Million Menschen die Chingys Platte gekauft haben, werden das folgendermaßen sehen „Who the fuck is Rakim?“ Also wer hat Recht?? Ich oder die 1 Million Menschen?? Ich weiß die Antwort, aber es bedeutet gleichzeitig in unserer Welt nichts.

rap.de: Lass uns noch mal explizit darüber sprechen. Letztes Jahr gab es drei nennenswerte Attacken auf Rapper. Siehst du da mittlerweile eine ernst zu nehmende Gefahr- auch für die ganze Kultur?

Falk: Es ist völlig egal, ob das Inszenierungen waren oder ob das ein Streit zwischen verschiedenen Camps ist. Es ist völlig unerheblich. Denn schon alleine dass so etwas passiert ist schrecklich. In dieser Szene werden seit Jahren die Grenze immer weiter gepusht. Der Eine tritt über diese Grenze, und der Nächste tritt dann über diese Grenzen und geht noch einen Schritt weiter usw. usw. Bis es irgendwann soweit ist, dass etwas passiert was nicht passieren sollte. Davor ist es für alle nur ein Spiel mit dem Feuer, solange bis es dann mal Verbrennungen gibt. Für mich ist leider ganz klar wohin das alles noch führen wird. Wenn ich mit Leuten darüber rede erklären die mir, ich sehe das alles viel zu Schwarz und so schlimm wäre es auch nicht. Ich bin da anderer Meinung. Es wird genau das passieren was nicht passieren sollte, genau das. Aber, und das ist der entscheidende Punkt, das Ganze hat mit HipHop ja NULL zu tun. Es geht hier nicht um HipHop, denn wenn es das täte würde man das auch MIT HipHop lösen. Es wird aber offensichtlich ganz anders gelöst, mit Mitteln die nicht aus dem HipHop kommen, und mit denen HipHop auch nichts zu tun hat. Aber das Problem ist dass das nur jemand kapiert der aus dem HipHop kommt. Die Menschen außerhalb unserer Kultur können das nicht wissen, die sehen nur was passiert und machen die HipHop Kultur zum schuldigen. Gerade vor der jetzt aufkommenden Debatte zur Verschärfung des Jugendstrafrechts wird das interessant. Ich hab mich eh‘ schon gewundert, dass man nicht gesagt hat welche Musik die beiden Münchener U-Bahn Schläger gehört haben. Wie gesagt, es schadet uns allen.
rap.de: Was hältst du von dem häufig vorgetragenen Argument vieler Künstler und Labels, die,sagen wir mal, drastische Musik machen und erklären, dass sich in den Lyrics lediglich ihre soziale Realität wiederspiegelt? Ich finde dieses Argument ist einerseits nicht von der Hand zu weisen, andererseits hat jeder Mensch einen Verstand und man muss ja nicht alles rausplappern, was einem gerade in den Sinn kommt.

Falk: Das ist für mich eine Form von künstlerischer Freiheit. Ich glaube, viele Leute sind sich gar nicht so bewusst darüber, was sie da aussagen, sondern machen nur das, was sie eben können. Es gibt eben Menschen bei denen der Prozess der Reflektion erst anfängt wenn sie von anderen Menschen auf ihre Aussagen hin angesprochen werden. Das ist und bleibt aber ein sehr schwieriges Thema, zu dem wir sagen können was wir wollen. Es liegt letzten Endes immer in der Verantwortung der Künstler, da kann man von Außen Denkanstöße geben, aber mehr nicht. Wenn die Leute einen Fick geben, kannst du ihnen nicht beikommen. Klar gibt es den Index und manche Rapper finden den auch gut, andere wiederum nicht. Aber letzten Endes gibt es Künstler, die sich nicht für ihre Verantwortung interessieren. Das kann ich irgendwo sogar verstehen, aber andererseits muss ich das verurteilen. Für mich ist das ein ganz schwieriges Thema, es gibt dazu keine allgemeingültige Aussage. Ich sehe es so, aber die Anderen sehen es nun anders. Ich weiss, dass ich Recht habe, aber die wissen auch wer Recht hat, und für die bin nicht ich das. Wer hat nun recht?? Ganz schwierig.

rap.de: Sind die Rapper-Attacken also so etwas, wie die Geister, die man rief?

Falk: So sehen es zumindest die meisten User in den Internetforen. In den Foren gibt es genau zwei Richtungen, in die die Kommentare gehen. Die einen finden, dass die betroffenen Künstler das bekommen, was sie selbst provoziert haben. Die Anderen halten die Attacken für Inszenierungen. Ich kann beide Sichtweisen verstehen. Wie die Realität aussieht weiß ich nicht. Es gibt massenhaft Gerüchte, aber es sind eben Gerüchte. Unter Umständen wissen noch nicht mal die Künstler was hinter den Attacken steckt.