Dynamite Deluxe

Dynamite Deluxe sind zurück und mehr ist dazu fast nicht zu sagen. Wir trafen Samy Deluxe und Tropf eines Nachmittags zum Interview im Berliner Club Lido, wo sie ihr neues Album vor ausverkauftem Haus präsentierten. Am 25.01.2007 steht "TNT" in allen Läden, schon heute, passend zum Singlerelease von "Dynamit", könnt ihr hier einiges darüber lesen.

rap.de: Hm. (Zum Diktiergerät genuschelt) Läuft das Teil jetzt?

Samy Deluxe: Läääuft.
rap.de: Ja. Stimmt. Gebt ihr schon den ganzen Tag durchgehend Interviews?

Tropf: Seit 12!
rap.de: Oh lala, ich hoffe, dass ich euch jetzt dann nicht die gleichen Fragen stelle wie alle anderen auch.

Samy Deluxe: Bestimmt.
Tropf: Solange du uns nicht fragst, was wir von Berliner Rap halten, bist du ganz weit vorne.
rap.de: Nee, die Frage habe ich nicht. Ich bin spitze.

Samy Deluxe: Hammer.
rap.de: Dann lasst uns doch mit den Fragen anfangen, die ich habe, ok?

Samy Deluxe: Ja.

rap.de: Ihr seid hier heute in Berlin zum Tourstop auf der Warm Up Tour für die „TNT“ Tour, richtig?

Samy Deluxe: Richtig.

rap.de: Ok. Das klingt für mich so, als ob da jemand die Füße nicht stillhalten konnte oder als ob ihr dringend Geld bräuchtet.

Samy Deluxe: Neeeein….
Tropf: Naja, also dringend Geld brauchen tun wir bestimmt alle in irgendeiner Form (Samy lacht), aber mit dieser Warm Up Tour werden wir garantiert nicht reich. Das ist ein absolutes plus/minus Null Geschäft. Wir machen diese Tour aus dem Grund, dass wir a) tatsächlich die Füße nicht stillhalten können, weil wir jetzt sehr lange, nämlich drei Jahre, und sehr intensiv, nämlich seit einem Jahr, an dieser Platte gearbeitet haben und b) weil wir natürlich auch die Songs ausprobieren wollen. An einer lebenden Masse. Wir wollen gucken wie die Reaktionen sind und auch, weil wir nach und nach eine perfekte Show aufbauen wollen und dafür sind solche Warm Up Gigs in kleinen Läden einfach perfekt.
Samy Deluxe: Wenn man die Show sieht, dann merkt man auch, dass das schon einen anderen show- und musikalischen Anspruch hat, als auf die Bühne zu gehen und zu sagen: „Ey Yo, ey Yo, Check Eins Zwei“ und ein paar derbe Beats und Reime hinzulegen. Wir haben auch D-Flame noch als Unterstützung mit dabei, auch Energiemäßig und dann auch noch zwei Sängerinnen, die die ganzen Refrains sehr schön aufgehen lassen. Für uns ist das wichtig, das schon im Vorfeld so zu machen.
 
rap.de: Es ist ja auch ausverkauft. Man kann also davon ausgehen, dass auch die Fans ihre Füße nicht mehr stillhalten können und endlich sehen wollen, was ihr habt. Das sind dann vermutlich die, die „Deluxe Soundsystem“ schon gefeiert haben. Kann der klassische „Deluxe Soundsystem“ Fan die neuen Sachen feiern?

Samy Deluxe: Ich denke, ich weiß worauf du hinaus willst. Da sind wir uns ziemlich bewusst, dass es die einen gibt, die uns immer schon gefeiert haben, weil sie unsere Musik feiern und dann welche, die diese ganze Zeit feiern und die nie wieder etwas anderes hören werden und selbst wenn die Platte genauso klingen würde wie damals, würden sie sie nicht feiern. Die haben einfach das Gefühl mehr gefeiert, als die Musik selber und das wird sehr schwer das noch mal zu erreichen. Ich denke aber auch wir haben das Potential, noch mal viele Fans auch über den live Kontakt zu gewinnen, die werden viele Songs nämlich im live Kontext verstehen.
Tropf: Es ist halt so, dass es bei der ersten Platte schon Leute gab, die das Demo geiler fanden als die Platte selbst (alle lachen). Und genauso wird es jetzt Leute geben, die finden weiter die erste Platte geiler. Aber mein Gott. Man merkt es auf jeden Fall jetzt schon bei den Konzerten, da sind a) die Leute, die die alte Platte kennen und feiern und sich einfach freuen, dass wir wieder da sind und die haben die letzten zwei Auftritte, auch die neuen Sachen, gefeiert und dann gibt es aber auch ganz viele Leute, die, gerade weil inzwischen auch soviel übers Internet läuft, noch sehr jung sind und jetzt auf diesen Kram kommen und gar nicht unbedingt das alte Album kennen. Die sich das vielleicht dann jetzt erst holen um das kennen zu lernen. Wir freuen uns auf jeden Fall auf eine gesunde Mischung aus beiden Gruppen (lacht).
rap.de: Klingt gut. Dabei fällt mir übrigens gerade ein, dass ich neulich festgestellt habe, dass „Deluxe Soundsystem“ bei Saturn und ähnlichen Läden immer noch 16 Euro kostet und fast überall noch im Regal steht.

Tropf: Tatsächlich?
rap.de: Ja.

Tropf: Das ist gut zu hören.

 
rap.de: So, weiter im Text. Das neue Album heißt „TNT

Samy Deluxe: Richtig.
rap.de: Gehe ich richtig davon aus, dass sich das an den AC/DC Song anlehnt?

Tropf: So ein bisschen. Der Titel ist erst spät gekommen, genauso wie die Single „Dynamit“ erst spät gekommen ist.
Samy Deluxe: Der letzte Track, der entstanden ist.
Tropf: Genau. Und der spielt natürlich auf jeden Fall so ein bisschen mit diesem… ich sag mal Genre. Und dann hatten wir gleichzeitig schon die ganze Zeit das Gefühl, dass wir auf einem riesigen Pulverfass sitzen, dass am 25. Januar dann endlich explodieren wird und dann kam spontan dieser Albumtitel und hat auf Anhieb allen gefallen, insbesondere unserem Grafiker.

 

rap.de: Ach „Boombox“ ist gar nicht die Single?

Tropf: Nee, „Boombox“ ist nur eine Vorab – Teaser – Single – Video – Geschichte für Leute.
Samy Deluxe: Für Leute…?
Tropf: Na für die Fans. Wir hatten schon Bock auf einen relativ langen Vorlauf. Wir hatte auch einfach Bock beim 10 Jahre Juice Event in der Muffathalle als Dynamite Deluxe aufzutreten und den Vorlauf damit anzufangen. Da war „Boombox“ übrigens auch der einzige neue Song, den wir performed haben. Und damit wollten wir ankündigen: „Hallo, wir sind wieder da!“ und keinesfalls: „Hallo!“ und dann wieder für ein halbes Jahr verschwinden und auf einmal kommt dann die Platte. Wir wollen schon die Leute ein bisschen heiß machen, die Stimmung hoch kochen lassen, bis es dann endlich soweit ist.
rap.de: Die Platte ist doch jetzt aber auch schon eine Weile fertig, wenn ich da richtig informiert bin, warum dann solange warten mit dem droppen?

Tropf: Nee, das ist nicht richtig. Die Platte hat einen sehr langen Entstehungsprozess, der gerade zwei Tage vor dieser Tour fast sein Ende gefunden hat. Also wir haben den letzten Song zwei Tage bevor wir losgefahren sind vom Pult genommen, der ist jetzt noch in Atlanta zum mastern.
rap.de: So lange Wege gehen eure Tracks also.

Samy Deluxe: Ja.
Tropf: Absolut. Dynamite und ich sind ja selber so lange Wege gegangen, wir sind mit den ersten 11 fertigen Songs zusammen nach Atlanta geflogen und haben sie die da, in unserem Beisein, mastern lassen. Wir haben da noch die letzten Updates hin und her geschickt.
rap.de: Scheint auch so ein Trend zu sein. Darf ich mal fragen, warum man so was unbedingt in Atlanta machen will?

Tropf: Weil es einfach eine extrem kleine Welt geworden ist und weil wir auch beim Mastern mal dies mal das ausprobiert haben und auch aus allem, das optimale herausholen wollten und solche Sachen, auch bei dem heutigen Dollar Kurs, gar nicht mehr so teuer sind. Und der Typ bei dem wir das haben machen lassen, den haben wir ja aus einem Grund gewählt und nicht gesagt: „Boah, lass uns mal nach Amerika fliegen, da ist eh alles geiler.“, sondern wir haben geforscht und haben da einen Typen gefunden, der hat in New York schon ganz „am Anfang“ Sachen gemischt und gemastert und hat dann, als er gesehen hat, in Atlanta wird der neue Hype sein, eine Vision gehabt und dort das erste professionelle Master Studio eingerichtet und hat da halt mit Ludacris Sachen gemacht und so und der ist echt richtig cool. Und es hat sich als extrem gute Entscheidung herausgestellt, das dort zu machen.
rap.de: Da haben die Visionen also zusammen gepasst.

Tropf: (lacht) Absolut. Der hat dem ganzen dann noch den letzten Feinschliff gegeben und es ist auch immer gut, wenn das noch mal jemand mit frischen Ohren hört und wir haben auch festgestellt, dass es ganz gut ist, wenn das vielleicht mal jemand macht, der kein Wort von dem versteht was da gesprochen wird, sondern rein musikalisch da ran geht.



rap.de: Klingt plausibel. Kommen wir wieder auf „TNT“ zurück. Der Song von AC/DC ist ein Klassiker. Ganz plakativ: Habt ihr das Gefühl einen weiteren Klassiker, einen weiteren Meilenstein geschaffen zu haben?

Samy Deluxe: Wenn für die Leute unser erstes Album ein Klassiker ist…
rap.de: Davon gehen wir jetzt einfach mal aus,…

Samy Deluxe: …dann muss dieses Album auch ein Klassiker sein. Das ist halt genau das Ding. Dieser Nostalgiefaktor, der bei manchen einfach auslöst, dass die übersehen, das das früher manchmal einfach nicht geil gerappt war, Beats teilweise einfach nicht wirklich geil klangen (Tropf lacht). Trotzdem haben wir immer noch sechs sieben Songs, und das ist ein extrem guter Schnitt, die wir heute noch von dem Album live spielen können, das vor sieben Jahren raus kam. Ok, Klassiker. Jetzt haben wir auch mindestens so viele Songs, wenn nicht noch mehr, die man in jedem Rahmen hören kann, ob ich jetzt mit den Jungs unterwegs oder in irgendeiner Disse bin, das sind Songs, die die nächsten Jahre da sein werden.

 rap.de: Was mir gerade einfällt, was ich ja auch interessant fand war, dass ich auf eurer MySpace Seite war und neben „Boombox“ konnte man sich da auch „Grüne Brille“ anhören. Ist das eigentlich der Song, der eurer Meinung nach stellvertretend für die alten Sachen steht?

Tropf: Och nö, eigentlich nicht. Das sind eher kurzfristige Entscheidungen, was man da zum Beispiel von der alten Platte hochstellt. Ich kann mir auch vorstellen, dass da nächste Woche ein anderer Song drauf ist.
rap.de: Ich fand das nur auffällig. (Samy Deluxe lacht)

Tropf: (lacht) Aber „Grüne Brille" ist natürlich ein Song, der für viele Leute…(lacht)
Samy Deluxe: Das ist halt der größte Hit vom Album.
Tropf: Genau, das ist auch der Song der heute live noch am meisten abgeht.
Samy Deluxe: Und auch der most requestete. Der und „Pures Gift“. Aber „Pures Gift“ haben wir glaube ich schon Ende der 90er nicht mehr live gespielt.
Tropf: Stimmt, schon auf unserer „Deluxe Soundsytem“ Tour nicht mehr.

Samy Deluxe: Das haben wir schon 2000 nicht mehr live gespielt und die Leute kommen 2007 noch an. Komisch.
 
rap.de: Das zeigt deutlich, wie sehr ihr die Leute damals angesprochen habt, was für einen Nerv ihr getroffen habt oder?

Samy Deluxe: Auf jeden Fall.
rap.de: Jan Delay ist auf „Alles Bleibt Anders“ das einzige Feature, richtig?

Tropf: Genau. Es gibt ansonsten noch die Gesangsstimme von Alex Finsterer, den wir hier auch noch mit auf der Tour haben, aber das einzige richtige Feature ist Jan Delay.
rap.de: Wie kommt das?

Samy Deluxe: Der war auch das erste Feature damals. Nee, ich habe auf meinen Alben über die Zeit immer mehr Features gehabt, aber das mit Dynamite Deluxe ist halt irgendwie auch so ein Grundding. Ich klage auch andere Rapper dafür an, die zwar ganz gute Beats haben, aber es fehlte wohl an Raps, so viele MCs wie sie featurten und entsprechend ist das bei so einem Dynamite Deluxe Konzept so, dass ich genug geile Strophen schreiben kann, so dass es ein geiles Album wird. Jan ist aber der, der unseren Weg von Anfang an mit gebahnt hat, der mir und Dynamite irgendwann auch Tropf vorgestellt hat und das ganze Ding mit aufgebaut hat und einer der krassesten Künstler in Deutschland ist.

rap.de: Er hat sich seinen Platz also verdient, oder was?

Samy Deluxe: Total.
Tropf: Absolut, und so Klischeemäßig sich das anhört, wir haben ja zusammen ein Studio, sitzen in der gleichen Etage und er ist vorbeigekommen und fand den Beat einfach geil und wollte da sehr gerne etwas drauf machen.

Samy Deluxe: Wollte den erst für sich schnappen…
Tropf: Haben wir aber nich erlaubt (lacht).
rap.de: Er hat ja letztlich aber doch seinen Anteil bekommen.

Samy Deluxe: Kann man so sagen. Er hat aber den Song vor allem auf ein ganz anderes Level gehievt. Ich hatte nämlich auf den Beat schon zwei Songs geschrieben, die aber irgendwie nicht so richtig aufgingen und dann haben wir Jan einfach den Beat gegeben und er hat eine halbe Stunde bei uns im Studio gesessen und dann gesagt: „Hier, ich hab was.“, hat genau diese Hook eingesungen, die backing Spuren, und dann habe ich um die Hook herum die Raps geschrieben.
rap.de: Ich hatte ja die Möglichkeit schon Mal reinzuhören.

Samy Deluxe: Aha!
rap.de: Ja…! Das Intro beginnt mit dem Outro.

Samy Deluxe & Tropf: Genau.
rap.de: Bedeutet das der Kreis schließt sich oder eine Fortsetzung oder doch ganz anders?

Samy Deluxe: Ich glaube der Grundgedanke der Jungs beim produzieren war, dass wenn das Outro vom letzten Album aushallt, das auch vorbei ist und wir nicht da anknüpfen, sondern es genau an dem Punkt jetzt weiter geht. Und das wir nicht versuchen dem gerecht zu werden in dem Rahmen, in dem das einige Fans von „Deluxe Soundsystem“ fordern, sondern nur wie wir das wollen und ein Album abliefern, das widerspiegelt, was wir in 2005 und 2006 und 2007 waren und sind.


  rap.de: Zwischenbilanz. Ihr habt drei Jahre lang in dieses Album viel Arbeit investiert und es ist gut geworden. Stehen lassen?

Tropf: Na du hast es ja gehört.
rap.de: Ja, ich habe aber bisher nur Gelegenheit gehabt zwei, drei Mal drüber zu hören…dazu kommen wir vielleicht später.

Samy Deluxe: (lacht) Ach so siehts aus!

rap.de: Aufgefallen ist mir der letzte Song, der da auch so passend heißt „Letzter Song“, der klingt, spontan interpretiert, nach einem Abschied. Zwischendurch klingt auch immer mal an: „Früher war alles besser.“

Tropf: Nee, das stimmt nicht. Das stimmt überhaupt nicht, auf keinen Fall. In einem Track heißt es in einer Zeile: „Als HipHop hier noch besser war“. Das muss man aber auch wortwörtlich nehmen und HipHop für den Song als Gesamtkonzept aus Breakdance und Graffiti und so weiter, also als Kunstform verstehen und darauf trifft es natürlich zu. Aber wir sind echt keine ewig gestrigen und wir zeigen mit dem Sound und dem Inhalt, dass es ein aktuelles Album ist und wir nicht irgendeiner Zeit nachweinen. Das Album kommt 2008 und so klingt es doch hoffentlich auch. Klar schimmert das im letzten Song so ein bisschen durch, aber es wird auch klar, dass Samy jetzt nicht damit kokettiert: „Das ist mein letzter Song, ich mache nie wieder eine Platte“. Der Song trifft wunderschön die Stimmung von der Musik und ist ein sehr schöner Abschluss für eine Platte und auch für eine weitere Dynamite Deluxe Saison. Aber das ist überhaupt nicht als Ende einer Karriere oder als Schluss zu werten.
rap.de: Ok. Dann habe ich das in meinem jugendlichen Eifer falsch verstanden. Toller Song so nebenbei, mir hat das Saxofon unheimlich gut gefallen.

Tropf: Uns auch (lacht)!

rap.de: Hat einer von euch einen persönlichen Lieblingssong auf „TNT“? Einer der alles wegburnt, sag ich jetzt mal?

Samy Deluxe: Nee. Kann man echt auch gar nicht mehr haben. Wir haben in letzter Zeit so viele Songs gemacht und sogar ein paar, die es nicht aufs Album geschafft haben, die Lieblingslied Status haben. Da steckt in jeder Millisekunde soviel Herz drin und jedes Lied steht ja für etwas anderes.
Tropf: Das wechselt echt von Tag zu Tag, von hören zu hören.
Samy Deluxe: Gerade in den letzten Tagen, durch dieses live Ding, gehen Lieder noch mal ganz anders auf. Hast du einen?

rap.de: Ja, dazu später. Dann habe ich noch mal ne Frage, in diesem Kontext von „früher war alles besser“ was ihr zwar gerade schon dementiert habt…

Tropf: (lacht) Vehement!!!
Samy Deluxe: (lacht) Vehement dementiert.
rap.de: Ok, ich schreibe dann „Vehement“ mit mehreren Ausrufezeichen.

Samy Deluxe: Hoffentlich wissen eure Leser was es heißt.
rap.de: Davon gehe ich aus. Zurück zum Ansatz der Frage. Ist es gut für HipHop, wenn das Bravo HipHop Special in einer höheren Auflage erscheint, als renommierte Magazine wie die Juice?

Samy Deluxe: Was heißt es ist gut für HipHop, das ist einfach Teil der Entwicklung, oder? Die Tatsache, dass der kommerzielle Faktor einfach da ist, lässt sich ja nicht mehr verleumden. Zum Teil ist das für uns, die schon so lange Zeit Musik aus dem Herzen machen, total entlastend, dass alle die nach uns gekommen sind, noch viel kommerziellere Moves gemacht haben, als wir das jemals getan haben, weißte? Für uns nimmt das auf jeden Fall den Leuten den Wind aus den Segeln, die immer noch ankommen mit: „Ihr seid so kommerziell“ und „Keep it real“ und dem ganzen Kram. Man macht Musik aus Überzeugung und es gibt ja immer Ups und Downs und wenn wir es nicht wirklich lieben würden, hätten wir uns schon lange etwas „Sicheres“ gesucht.
Tropf: Außerdem hat sich die Bravo ja auch verändert. Als wir damals angefangen haben und das erste Mal Interviews gegeben haben, da war das alles noch sehr anders. Damals haben die Interviews mit Freunden von uns gemacht und dann irgendeinen Scheiß geschrieben und dann haben wir uns natürlich dementsprechend verhalten und mit denen danach gar nicht mehr geredet. Heute macht man ein Interview mit einem Bravo Reporter und das ist ganz entspannt und angenehm und der stellt coole Fragen und man führt ein angenehmes Gespräch.
Samy Deluxe: Ich habe die Zeitschriften jetzt nicht analysiert, aber die Bravo als solches ist ja eher harmlos. Beim HipHop Special müssen die Aufhänger für die Storys natürlich total krass sein und deswegen hat man immer die Gangster Rapper auf dem Cover am Start und hat dann die krassen Geschichten darüber, was die für krasse Sachen machen. Das ist jetzt vielleicht nicht das Beste für die Kids, aber ich denke trotzdem für HipHop ist es eine gute Sache eine solche Plattform zu haben. Es gibt in Deutschland auch immer noch zu wenige Plattformen, um das der breiten Masse zu präsentieren. Es gibt ein paar Internetforen, aber das kriegen nur die Leute mit, die sich damit beschäftigen und entsprechend auf die Seiten gehen. Im Fernsehen gibt es fast gar keine Plattform, um sich als Künstler zu promoten. Und dann gibt es da eine Zeitschrift, die einem diese Möglichkeit bietet und mit den Künstlern so zusammenarbeitet, dass beide Interessen gedeckt werden und ein cooles Ding am Ende steht. Wir waren echt überrascht, als wir das Interview mit dem Bravo HipHop Typen gemacht haben, der ist nämlich eher so in unserem Alter, kommt ursprünglich auch aus Hamburg und das war auf jeden Fall ein cooleres Interview, als bei manchen Gelegenheiten bei denen man meint, das müsste ein cooles Interview werden, weil es halt ein HipHop Magazin oder eine Zeitschrift ist. Das kann man nie wissen.

 

rap.de: Du hast es gerade schon erwähnt, braucht man heute eigentlich das Fernsehen überhaupt noch, um die Masse zu erreichen? Ist MTV noch relevant für Künstler?

Samy Deluxe: Im besten Fall hat man es. Braucht man es? Ja doch, vermutlich schon.
rap.de: Aber im Zuge von MySpace und solchen Geschichten…

Tropf: Das hat sich schon verändert, auf jeden Fall. Es kommt aber auch darauf an, was man im Fernsehen macht, bevor man sich natürlich im Offenen Kanal präsentiert, präsentiert man sich besser bei YouTube oder MySpace. Ich denke aber den Status, den das Fernsehen hat, den wird es auch weiterhin Weile haben.
 
Samy Deluxe: Denke ich auch. Die meisten Fernseh-Sachen, die wir gemacht haben, sind schon groß genug, also bei Stefan Raab zu sein und so, das erreicht schon noch eine ganze Menge Menschen. Bei TRL bin ich mir nicht so sicher, ob das noch so der Renner ist und dadurch mehr CDs verkauft werden. Aber ist schon cool da zu sein und wenn ich dann als Künstler noch die Chance habe, einen Song live zu performen und die Leute interaktiv auch noch mitwirken können, indem sie anrufen. Ich denke eher, dass viele Presse Sachen überflüssig sind: Kleine Zeitungssachen, kleine Internetseiten, kleine Lokalradios. Nehmen wir mal an, man fragt nach einem Interview wie die Auflage ist und die sagen: 3000. Da kann man eigentlich nur noch sagen: „Guck mal, ich hab 40.000 Freunde bei MySpace“ (lacht) Ich mache einen Klick, schreibe da was und zack wissen 40.000 Leute, dass ich ein neues Album raus bringe.

rap.de: Ok. Ganz anderes Thema. Du engagierst dich auch sozial sehr stark, bist zum Beispiel Botschafter des Welt Aids Tages. Was ist deine Botschaft, deine Intention?

Samy Deluxe: Beim Welt Aids Tag bin ich, so wie viele andere Promis, in erster Linie ein Aushängeschild, um an das Thema zu erinnern. Viel mehr als das, kann man meiner Meinung nach auch nicht machen. Es geht meiner Meinung nach auch darum, dass man dann halt in Interviews darauf angesprochen wird und somit wieder Leute erreicht oder in Schulen eingeladen wird und mit den Kids über das Thema redet, um ein Bewusstsein zu schaffen und das nicht so ein Ding bleibt, was Leute von sich weisen und meinen, es betreffe nur Schwule und Heroinabhängige.
rap.de: Zu welchen Themen sollte man bei Kindern und Jugendlichen sonst noch ein Bewusstsein schaffen? Was muss man dringend mit ihnen diskutieren?

Samy Deluxe: Alles. Das Leben. (lacht) Man lernt hier nichts über das Leben in der Schule, das ist furchtbar. Ich denke das wichtigste ist, dass viele Jugendliche sich einfach verlassen fühlen und sie keine Perspektive haben, obwohl dieses Land einem eine gute Basis bietet um etwas aus seinem Leben zu machen, auf jeden Fall eine bessere als in den USA und anderen Ländern die ich gesehen habe. Aber natürlich ist es auch in Deutschland angekommen, dass es Viertel gibt, in denen es so aussieht und sich die Leute dann auch fühlen, als hätten sie automatisch einen niedrigen Status in dieser Gesellschaft. Dann kommt dazu, dass das Selbstvertrauen von diesen Leuten so niedrig ist, dass sie sich von Anfang an scheiße fühlen und entsprechend eine Antihaltung gegen alles entwickeln. Die hatten wir teilweise auch, aber wir konnten das über Musik kompensieren. Ich bin inzwischen auch gar nicht mehr so auf diesem Anti-Film, klar viele Sachen gefallen mir auch nicht, aber mit manchen Sachen findet man sich auch einfach ab, auch damit, dass es nicht hilft ein Leben lang dagegen zu protestieren, weil man es sich selber dadurch nur schwerer macht.
rap.de: Du hast dich lange Zeit, oder tust es immer noch, für Integration eingesetzt.

Samy Deluxe: Du meinst so Workshop Geschichten?
rap.de: Auch. Hast du das Gefühl du veränderst tatsächlich etwas?

Samy Deluxe: Schwierige Frage. Das ist immer ein sehr zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite gibt einem die Zeit, die man zum Beispiel in einer Schule verbringt, ein richtig gutes Gefühl, wo man dann wieder weiß, warum man so früh aufgestanden und dahin gefahren ist, obwohl man sich mal geschworen hat, so ein Gebäude nie wieder zu betreten. Auf der anderen Seite ist es aber natürlich traurig, dass, wenn man realistisch ist, nachdem man weg ist, die nächsten zehn Jahre keiner mehr kommt und mit den Kids was macht. Also das nicht viel mehr in so einem Rahmen passiert, sondern jeden Tag der gleiche Alltagskram abgeht. Dazu kommt, dass Schulen größtenteils so schlecht ausgestattet sind, das sieht ja noch schlimmer aus, als zu Zeiten in denen ich noch zur Schule gegangen bin. Furchtbares Material, furchtbare Stühle und das strahlt so einen richtig ätzenden Vibe aus. Kein Wunder, dass keiner Bock hat.

 

rap.de: Wie sehen Projekte an denen du mitwirkst konkret aus?

Samy Deluxe: Es werden Kids aus verschiedenen Schulen und Vierteln zusammen gebracht und ich versuche denen zu vermitteln, der Schlüssel zu dem was ich erreicht habe oder die Leute in meinem Umfeld erreicht haben, Kommunikation ist. Ich weise Kids als erstes darauf hin, dass egal wie cool es ist einen bestimmten Slang untereinander zu benutzen das wichtigste ist, die deutsche Sprache ordentlich zu beherrschen. Und dass man einfach mit verschiedenen Leuten klar kommen muss im Leben, selbst wenn man keinen Bock drauf hat. Ich erzähle ihnen, dass ich natürlich auch am liebsten mit Leuten abhänge, die die gleiche Musik hören und die gleichen Klamotten tragen wie ich. Ich bin aber auch in der Lage mich in irgendwelchen Meetings mit Plattenfirmenleuten oder den Vertretern von Chrysler Deutschland zu unterhalten und die davon zu überzeugen, dass sie mir einen Vorschuss geben sollten oder ein Auto sponsorn oder irgendwas. Das kann man alles nur durch Worte erreichen und dadurch, dass man sich mit verschiedenen Leuten comfortable fühlt und nicht einfach denkt: „Die haben einen Anzug an, ich Baggy Pants, die respektieren mich nicht.“ Ich hatte lange das Gefühl, dass ich dadurch, dass ich anders aussehe einen Nachteil habe, aber dadurch habe ich jetzt einen Vorteil. Viele Leute aus dieser komischen Business Welt finden es total cool mit einem Rapper zu chillen und zu sagen: „Hier, meine Karte, ich sponsor dir dies und ich sponsor dir das.
rap.de: Echt ja? Aber dazu gehört dann auch das von dir angesprochene, angemessene Verhalten. Du hast tatsächlich den Sprung geschafft ein Aushängeschild zu werden, sehe ich das richtig?

Samy Deluxe: Für gelungene Integration oder was? (lacht)
rap.de: Nee, ich dachte jetzt eher…

Samy Deluxe: Ein Ausländer, der richtig Deutsch sprechen kann?
rap.de: Nee, ich dachte ganz anders.

Samy Deluxe: (lacht)
rap.de: Ich merke es wird eigentlich noch mal interessant, aber mir wurde schon mehrmals signalisiert, ich solle auch langsam zum Ende kommen.

Tropf: Ich muss jetzt auch mal langsam arbeiten.
Samy Deluxe: Du kannst mit mir noch reden.
rap.de: Ok. Ich bin aber auch mit den wichtigsten Fragen durch. Ich wünsche euch auf jeden Fall viel Erfolg.

Tropf: Danke. (Verlässt den Raum)
Samy Deluxe: Also ich bin noch am Start wenn du noch was wissen willst.
rap.de: Ich glaube meine Zeit ist einfach abgelaufen. Wir machen aber natürlich noch den obligatorischen letzten Gruß an unsere User. Los.

Samy Deluxe: Ok. Verbringt nicht soviel Zeit im Internet! Das macht die Augen kaputt. (lacht)
rap.de: Das ist gar nicht wahr! (lacht)

Samy Deluxe: Nein. Wirklich wichtig ist: Gebt euch das Album und erlebt Rap mal wieder auf eine andere Weise. Kommt bei den Shows vorbei und entscheidet dann, wer die Nummer Eins ist.
rap.de: Na also. Dann Danke für eure Zeit. Und eure Redefreude.

Samy Deluxe: (lacht). Gerne. Bis dann.