LuckyIam

Es ist keine Schande, bisher nichts von LuckyIam gehört zu haben, es ist höchstens eine Schande, nichts von Living Legends gehört zu haben. Die nämlich sind die Undergroundkings der Westküste und haben ihre Legende schon Anfang des letzten Jahrzehnts des letzten Jahrhunderts begründet. Auf unterstem Niveau angefangen, indem sie nach ihren Shows Mixtapes aus dem Kofferraum verkauften und Hauspartys in ihrer Loft schmissen, mauserten sie sich zu einer stetigen Größe des Independent-Hip Hop und ihre Mitglieder touren seit Jahren durch die Welt – mit durchschlagendem Erfolg! Maßgeblicher Wegbereiter zu dieser Erfolgsgeschichte, der inzwischen gestandene Größen wie Sunspot Jonz, Murs oder Eligh einiges zu verdanken haben, ist eben jener LuckyIam.
In diesem Herbst kam er mit einer neuerlichen Soloplatte, die die gesamte rap.de Redaktion verzaubert hat. Grund genug, diesen etwas anderen Rapper ans Telefon zu bewegen. Bester Laune stellte er sich unseren Fragen.

rap.de: Erstmal herzlichen Glückwunsch zum neuen Album „Most Likely To Suceed“, ist sehr schön geworden, und ich finde, es hat einen sehr speziellen Sound. Wie kamst du dazu und spiegelt dieser Sound immer dein Innerstes wider?

LuckyIam: Ja, auf jeden Fall. Es hat im Gegensatz zu den anderen Alben sehr lange gedauert, es fertigzustellen und so hatte ich viel Zeit, darüber nachzudenken, wo es diesmal musikalisch hingeht. Ich hatte sehr viele Gefühle, die in mir gefangen schienen, die wollten alle raus und als die Zeit da war, um zu recorden, habe ich sie rausgelassen. Ach, und ich habe natürlich viele Drogen genommen. (lacht)
rap.de: Okay, ich will darauf nicht weiter eingehen…(lacht) Wer hat denn hauptsächlich produziert auf dem Album?

LuckyIam: Die meisten Tracks hat ein Typ namens Mils gemacht, der ist aus Kanada. Dann ist da noch Bean 1 aus Seattle, er hat die zweitmeisten Sachen gemacht. Moment…äh, steht doch alles hier drauf auf der CD, warte…ahja Dirt Nasty, der Typ von Dyslexic Speedreaders, der hat auch nen Beat beigesteuert. Ich hatte echt viele Producer auf dem Album, normalerweise mach ich das nicht so, weißt du, aber diesmal hab ich es probiert und ich glaube es ergibt immer noch Sinn.
rap.de: Es gibt da einen Song auf dem Album, der heißt „Dynamic Of Duos“, da geht es um deine Beziehung zu Mystic Journeymen, zu denen du ja selbst gehörst, und wie sich die Dinge zwischen euch geändert haben. Gab es da Streit und wenn ja, worum ging es?

LuckyIam: Nun, es geht darum: wenn du mit jemandem in einer Band bist und jeder hat bestimmte Aufgaben, Pflichten, dann ist da eben einer, der sich ums Geld und ums Geschäft kümmert. Und dieser eine gibt dir dann immer ein wenig Geld, aber nach einer Weile fängst du an, das mal zu hinterfragen, besonders wenn du herausfindest, wieviel es eigentlich gekostet hat, eine CD zu produzieren und wieviel du nach dem Verkauf herausbekommen hast. Ich dachte damals, dass wir alle dasselbe zur gleichen Zeit durchmachten, – man, ich hatte damals sogar noch ein kleines Kind, das ich versorgen musste – aber im Nachhinein hab ich mich dann schon etwas betrogen gefühlt.

rap.de: Hast du gezögert, das aufs Album zu tun?

LuckyIam: Ich habe lange darüber nachgedacht und ein paar Leute, die mit mir am Album gearbeitet haben und wussten, dass das ein kontroverser Song ist, überredeten mich dann, zu Sunspot Jonz (neben Lucky die andere Hälfte der Mystik Journeymen, Anm. d. Red.) nach Hause zu gehen und ihm den Song vorzuspielen und daraufhin haben wir uns auch gleich ausgesprochen und die Sache geradegebogen.
 
rap.de: Wie kamst du zum rappen und wann hat das angefangen?

LuckyIam: Ich habe schon immer zum Spaß zu alten Run DMC Sachen mitgerappt, aber das war ja nur Spielerei. Die ersten Hip Hop Sachen, die ich gehört habe, waren LL Cool J, wie gesagt Run DMC, KRS One, da war ich dann sofort ein Rapfan und dann hab ich die Wortführer der Nu School entdeckt, also EPMD, Black Sheep , Tribe [Called Quest] und dann wollte ich versuchen zu rappen, als ich ein Freestyle Fellowship-Tape gehört hatte – To Whom It May Concern. Ich habe das Tape irgendwo in L.A. gefunden und bin dann öfters ins „Good Life“ gegangen, wo ich dann diese Jungs gesehen habe, die mit Rappen groß geworden sind. Ah, was ich vergessen habe, natürlich habe ich zu der Zeit auch schon Ice Cube und N.W.A. gehört, aber dann, nachdem ich Typen in meinem Alter im „Good Life“ gesehen habe, die rappten, da hab ich auch einfach mal angefangen. Das muss dann so um 1992 gewesen sein. Seit 1992 bis heute versuche ich also, gut zu rappen, besser zu werden.

rap.de: Was ist mit dem Zusatz PSC passiert, der vor einiger Zeit noch an deinem Namen war?

LuckyIam: Das war mein erster Rapname, PSC, und er stand für Pushing Self Consciousness. 1997 war ich mal wieder in Europa, in England auf dem Fresh Festival mit Jurassic Five, den Scratch Pickles und Furious Four und irgendwie waren da kaum Mädels da, weil es halt ein B-Boy Festival war, da war nur eine kleine Gruppe Frauen, von denen die meisten die Freundinnen von irgend jemand waren. Aber ich hab dennoch eine abgekriegt, die frei war und einer von Furious Four meinte dann ‚Dude, you’re lucky, von nun nenn ich dich Lucky!‘ und ich sagte ‚Okay, lucky i am!‘, da war der Name geboren und es stimmt wirklich, ich hab viel Dusel, ich gewinne oft beim Zocken zum Beispiel und auf der anderen Seite hab ich auch viel ‚Bad Luck‘, weißt du und so bin ich vielleicht das beste Beispiel dafür, sowohl viel Glück als auch viel Pech zu haben. So hab ich dann LuckyIam.PSC zu LuckyIam gemacht. Lucky i am, for being able to do what i do in this music world, right?

rap.de: Okay.

LuckyIam: Ein Problem ist auch, dass LuckyIam.PSC einfach zu lang ist und was dann auch noch dazu beigetragen hat, PSC verschwinden zu lassen, war, dass dieser T.I. seine Rapcrew Pimp Squad Clique nennt, kurz P$C. Da gab es dann immer Verwirrung, wer jetzt eigentlich gemeint ist, wenn der Name PSC fällt. Ich meine, ich habe den Namen ja schon viel länger benutzt und ihn über die ganze Welt getragen, bevor es die überhaupt gab. Ein Grund mehr, das PSC wegzulassen und einfach nur LuckyIam zu sein.
rap.de: Sehr aufschlussreich. Von was sind deine Texte inspiriert?

LuckyIam: Oh, das kommt darauf an, woran ich gerade arbeite, weil jeder Track, jedes Album,das ich mache, ein eigenes Kapitel in einem verdammt langen Roman meiner Musikkarriere ist. Aber jederzeit kann ich sagen, dass Reisen inspirieren, Frauen, Beziehungen, mein Leben und Dinge durch die ich durchmusste, Probleme und gute Zeiten und alles was mir was wert ist, inspiriert mich zu tun was ich eben tue. Oder es kann auch was Politisches sein, ich habe immer so etwas wie eine Message, mit der ich anderen Leuten helfen kann, ohne dabei zu belehrend zu sein.
rap.de: Verstehe. Gibt es ein bestimmtes Thema, zu dem du oft zurückkehrst, das du unbedingt angesprochen haben willst?

LuckyIam: Hm, oft Dinge, die mit der Regierung zu tun haben oder mit Unternehmen, die Leute ohne deren Wissen zu Sklaven machen. Dann will ich, dass die Leute ein wenig über Religion und ihrer pervertierten Form, dem Fundamentalismus nachdenken und gleichzeitig versuche ich, mit etwas zu kommen, das die Leute anzieht, die nicht so viel über diese Dinge wissen. Denn wenn du das den Leuten, die das eh schon wissen, immer wieder erzählst, hat das nicht so viel Sinn. Man muss versuchen, die Leute zu überzeugen, die darüber noch nicht nachgedacht haben. Und der einzige Weg, sie zum Zuhören zu zwingen ist mit einem hard-ass Beat, der die Leute mitreißt und sie glauben macht, sie würden einen Partytrack hören, aber dann ist da eine Message, die sich mit einschleicht – und das ist genau das, was ich brauche.

 


rap.de: Worum geht es im Song „Borrowed Time“?

LuckyIam: In „Borrowed Time“ geht es um persönliche Sucht und darum, dass die Zeit die uns hier auf der Erde gegeben ist, eigentlich nur geliehene Zeit ist – es ist ja nur eine kurze Zeit, die ein Leben dauert – und dass wir in dieser Zeit bestimmte Dinge tun können, die diese Zeit sogar kürzer machen können. Also, in meinem Verse geht es um Koks, bei Aesop Rock geht es um verschriebene Pillen und Medikamentensucht und Slugs Verse beschäftigt sich mit Alkohol.

rap.de: Gab es einen bestimmten Grund, gerade die beiden als Features für den Song zu wählen?

LuckyIam: Yeah, als ich diesen Beat gehört habe, wollte ich eigentlich ursprünglich Qwel, Typical Cats und Aesop Rock darauf haben und ich hatte vorher noch nie was mit Aesop Rock gemacht. Ich schätze sehr die Weise, wie er schreibt, diese Komplexität und wie er alles zusammenfügt. Aber dann konnte ich Qwel nicht finden, er war einfach weg und ich dachte so, shit, vielleicht sollte ich es dann mit Slug (von Atmosphere, d. Red.) probieren, weil das dann eine gute Vertretung von drei mächtigen Crews wäre: Definitive Jux, Living Legends und Rhymesayers. Und ich wollte meine Fähigkeiten testen und sehen, ob ich mit den zwei Top-MCs im Indie-Game mithalten kann, and…i think i did a real good job with that! (lacht)
rap.de: Yeah, das denk ich auch.

LuckyIam: Du kannst jetzt sagen, dass ich der kleine Typ bin, der besser als sein Lieblingsrapper rappen kann. (lacht)
rap.de: Du hast ihn geschlagen…

LuckyIam: (lacht) So ist das bei Indie Hip Hop, man sagt, hey, der Schwarze kann auch ganz gut rappen!
rap.de: Ich mag den Vibe auf dem Song, diese Melancholie. Findest du es wichtig, sich manchmal auch einfach dieser Melancholie, dieser Traurigkeit hinzugeben?

LuckyIam: Find ich schon, ja. Ich meine, das Album „Most Likely To Suceed“, das war nur eine Phase meines Lebens, ich kann’s schon nicht mehr hören und höre es auch grad nicht mehr, aber wie gesagt, ich musste das einfach alles loswerden. Das letzte mal als ich das Album hörte, hat es mich richtig traurig gemacht und ich dachte, wow, das hab ich wirklich alles durchgemacht und all das hab ich über mich selbst gesagt? Nun ist es vorbei und ich habe es trotzdem sehr genossen. Ich hab auch schon wieder ein neues Album aufgenommen…
 
rap.de: Also ist Songwriting auch eine Art Kur?

LuckyIam: Definitiv, ja.

rap.de: Deine MySpace Seite ist sehr persönlich. Deine musikalischen Einflüsse scheinen weit gestreut zu sein, von Stevie Wonder über Paul Wall bis hin zu den Red Hot Chili Peppers. Was bedeutet für dich Musik?

LuckyIam: Musik ist für mich Vibration, Stimmung und Energie, die von Menschen, aus ihren Köpfen, ihren Seelen kommt und deren Ausstrahlung bis ins Universum reicht. Wenn man Musik macht, ist sie so mächtig, dass es leider, wenn man das Falsche zu Gehör bringt, auf einen selber zurückfällt, also muss man vorsichtig sein, was man da unter die Leute bringt, denn Musik ist mehr als nur Unterhaltung, natürlich ist sie das auch, aber sie ist auch und vor allem spirituell.
rap.de: Es scheint so, als würdest du es immer sehr genießen, auf Tour zu sein. Warum?

LuckyIam: Nunja, das ist eben die Weise, wie ich lebe, Geld verdiene und mein Wort unter die Leute und hinaus in die Welt bringe. Und ich denke ich bin ein guter Performer und es macht einfach tierisch Spaß, man verkauft seine Merchandise Artikel und kommt in direkten Kontakt mit den Fans – face to face, das mag ich! Außerdem mag ich es, zu reisen und hab das schon gemacht, seit ich ein junger Mann war. Man geht da raus, man geht auf Tour und hat plötzlich die Möglichkeit mit Typen wie Atmosphere auf der Bühne zu stehen, die natürlich sehr viele Leute ziehen, das muss man ausnutzen und alles geben – auf der ganzen Welt!

rap.de: Wenn du gar nichts zu tun hast – keine Shows, kein Album -, wie verbringst du deine Zeit?

LuckyIam: Oh, wenn ich die Chance kriege, meine Kinder zu sehen, das heißt, wenn ich deren Müttern genügend Geld gebe, dann hänge ich mit meinen Kindern ab. Wenn nicht, dann treffe ich meine Freundin und wir sehen fern, meine Lieblingsshows, die ich auf Tour nicht sehen kann, oder wir werfen ne DVD rein und schauen einen Film. Ansonsten gehe ich gerne Snowboarden, um mal rauszukommen, ich bin sehr aktiv, eigentlich nicht so ne Couchpotatoe…
rap.de: Seit ihr 1992 mit den Living Legends angefangen habt, habt ihr etwas getan, was heute der einzige Weg für viele Künstler zu sein scheint: man macht alles selber, ohne Label, was zur Folge hat, dass man eine sehr loyale Fanbase hat. Siehst du dich da ein Stück weit als Vorbild?

LuckyIam: Ja, ich denke wir haben damit vielen Leuten gezeigt, wie es gehen kann. Es war nicht so, dass wir wussten, dass wir hier einen Weg beschreiten, auf dem uns viele Leute folgen werden. Das ist aus der Not heraus geboren, denn Labels waren nicht unbedingt sehr interessiert. Für uns war es mehr auch eine Metapher dafür, wie man sein Leben leben sollte – unabhängig von der Musik: man sollte autark und selbstgenügsam sein, einen Traum haben und hart dafür arbeiten, denn solange man das nicht tut, hilft man nur bei der Verwirklichung des Traums eines anderen, zum Beispiel wenn man irgendwo arbeitet. Man sollte mehr sein eigener Unternehmer sein!
rap.de: Am Ende des Tages, sagst du da, dass es das Ganze wert war, der Struggle mit den Underground Street Tapes, alles, was du durchgemacht hast?

LuckyIam: Das kann ich sagen, weil es nicht dasselbe gewesen wäre, wenn wir es anders gemacht hätten. Wir hätten nicht diese Geschichte hinter uns, all die Schulden, die wir zahlen mussten und wir hätten nicht die Besitzansprüche auf das, was wir erschaffen haben. Natürlich gibt es Tage, an denen ich mir sage, man, was wäre gewesen, wenn ich einfach einen guten Deal gesignt hätte und berühmt geworden wäre, weißt du? Also, es wechselt manchmal hin und her, aber wenn ich reumütig werde, fallen mir wieder die ganzen Leute auf den Shows ein, die zu mir kommen und sagen: man, was du getan hast, hat mein Leben verändert. Und das gibt mir das Gefühl, nicht nur ein weiterer Artist im CD-Regal zu sein.

rap.de: Ist das Leben nach dem Tod einfach vorbei oder kommt da noch irgendwas? Was glaubst du?

LuckyIam: Ich glaube, es wird für mich vorbei sein, aber es wird etwas wie eine Energieübertrgung geben, wir werden uns in etwas anderes verwandeln, ich weiß nicht in was, aber eins ist doch sicher: die Musik, die meine Freunde und ich gemacht haben, wird noch lange da sein, nachdem wir verschwunden sind.

rap.de: Da hast du recht…

LuckyIam:…und noch bin ich hier!
rap.de: Oh sehr gut, ich hab nämlich jetzt noch ein paar Stichwörter für dich, zu denen du ein kurzes Statement abgeben sollst. Was geht dir durch den Kopf wenn ich „I Can’t Help It“ von Michael Jackson sage?

LuckyIam: Yeeahh. (singt den Titel) Das erste, woran ich denke, ist Kindheit. Meine Eltern hatten dieses Album „Off The Wall“, auf dessen Cover Michael vor so einer Ziegelmauer steht, und haben es hoch und runtergehört.
rap.de:…Deutschland…

LuckyIam: Germanyyy. (auf deutsch) Scheiße. (lacht) Nein, Deutschland ist nicht scheiße, im Gegenteil. Das erste woran ich denke ist: (wieder auf deutsch) „Morgeeen“. Ich liebe Deutschland, wow!
rap.de: …Groupies...

LuckyIam: (lacht dreckig und lange)
rap.de:…ich glaube, das reicht…(lacht)

LuckyIam: Yummie, Yummie.
rap.de: Okay, 50 Cent

LuckyIam: Reich!
rap.de: Barack Obama

LuckyIam: Hoffnung!
rap.de: Major Labels…

LuckyIam: Almost over…
 
rap.de: Jazz Musik…

LuckyIam: Ehm…boooring! (lacht)
rap.de: Man, das letzte, was ich für dich habe ist „German Rap“, hast du schon mal ein bisschen was gehört?

LuckyIam: Yeah, ich hab schon mal was gehört!
rap.de: Und?

LuckyIam. Ich versteh einfach nichts! (lacht)

rap.de: Danke fürs Interview!

LuckyIam: Danke dir!