Machen wir es kurz und knapp: Anlässlich seiner Ankündigung den Bunker zu schließen, trafen wir uns in den heutigen Büroräumen oder etwas, was dem ähnlich sieht, um bei Kaffee und Kippen über die Vergangenheit zu reflektieren und die Zukunft zu sprechen. Wenn Staiger redet, hört man zu und so entstand aus einem geplanten Interview ein unterhaltsamer Monolog mit Zwischenfragen. Und auch wer die Geschichte von Staiger und dem legendärsten Berliner Label schon kennt, sollte sie lesen, es lohnt sich.
rap.de: Ich habe mir das folgendermaßen vorgestellt, und zwar zwei teilen wir das Interview. Zum einen Resümieren wir 10 Jahre Royal Bunker und sprechen dann über deine Person und deine persönlichen Beweggründe.
Staiger: Ja gerne. Ich bin immer wieder überrascht wenn ich solche Interviews gebe, was da so zum Vorschein kommt, welche neuen Aspekte ich aufdecke.
rap.de: Ich habe vorhin versucht wild zu recherchieren, aber man findet gar nicht so viel über dich persönlich heraus.
Staiger: Über mich? Das enttäuscht mich jetzt ein bisschen. (lacht) Es gibt keinen Wikipedia Link zu Marcus Staiger?
rap.de: Es gab mal mehrere Wikipedia Artikel über dich, man kann das auf Wikipedia ja nachvollziehen, aber die wurden wegen zu wenig Relevanz gelöscht.
Staiger: Ach wirklich? Das ist natürlich enttäuschend. Wikipedia löscht Links wegen zu wenig Relevanz?
rap.de: Wikipedia ist ja quasi ein freies, demokratisch aufgebautes Netzwerk und da gibt es verschiedene freiwillige Mitarbeiter, die sich auch damit beschäftigen Artikel auf ihre gesellschaftliche Relevanz und ihren Inhalt zu kontrollieren…und es gab mal mehrere Artikel über dich, aber die wurden tatsächlich gelöscht.
Staiger: Aha. Das trifft mich natürlich wirklich hart. Das macht mich echt traurig. Aber ich glaube das sind Hater (alle lachen). Diese Moderatoren, die mich da rausgeschmissen haben sind Hater, bezahlt von anderen Labels. Weil schließlich und endlich bin ich der wichtigste Hip Hop A&R Deutschlands. Es gibt niemanden der mehr Top Ten Acts entdeckt hat als ich. (lacht) Das ist wirklich so.
rap.de: Vielleicht muss nur mal jemand einen Artikel schreiben, der den Ansprüchen gerecht wird.
Staiger: Kommt noch. Mit der Legende im Tod wird ja alles eins. Jetzt da er auch tot ist, werden alle immer sagen:"Royal Bunker: Rest in Peace."
rap.de: Stimmt. Die News zum Thema wurde bei uns auch mehrmals so kommentiert.
Staiger: Schadenfroh?
rap.de: Sowohl als auch. Es war zweigeteilt. Die etwas ältere Generation sieht das wahrscheinlich wirklich mit einem weinenden Auge, weil Royal Bunker in deren Jugend den Rap in Deutschland wirklich gepusht hat. In seiner Glanzzeit hat der Bunker viel, vor allen Dingen für die Berliner Szene, getan.
Staiger: Ich finde wir haben aber auch jetzt, im “Herbst unseres Unternehmens“, noch mal eine schöne Blüte hervorgebracht. Immer wieder neu und überraschend. So, der Kaffee ist fertig. (Gelächter)
rap.de: Sehr gut.
(Staiger bringt Kaffe)
rap.de: So wir fangen jetzt mal richtig an. Lass uns doch aus gegebenen Anlass einfach ein paar Eckdaten resümieren.
Staiger: Mit Daten bin ich ganz schlecht.
rap.de: Ich helfe dir. Das ganze ging ja so 1997 los. Womit?
Staiger: Es ging damit los, dass ich früher als Koch gearbeitet habe. Über das Hip Hop Mobil und das Hip Hop Haus in Steglitz war ich ein bisschen mit den späteren MOR befreundet, weil mich Rebell da immer mit hingenommen hat. Ich war halt immer interessiert. Als ich nach Berlin kam, hatte ich keinen Anschluss und habe mir dann immer die ganzen Undergroundveröffentlichungen geholt, zum Beispiel SWAT Magazin, SWAT Posse. Damals vorm Krieg, gab es die noch. (lacht) Oder das MZEE Magazin. Wenn ich das Heft rechtzeitig hatte, dann bin ich sporadisch auch zu den Jams gegangen. In diesem Umfeld war Juks aktiv, später Savas. Fuat war natürlich eine sehr präsente und markante Figur. Dann habe ich Kontakte zum MK Zwo Magazin, das damals noch Mix News hieß, hergestellt mit Stefan Hülsmann. Ich war in diese Richtung sehr interessiert. Ich bin hier hergekommen, hab gearbeitet, habe dann angefangen zu studieren. Während meines Studiums habe ich beim Studentenradio ein Praktikum gemacht. Ich habe mich damals quasi auf der journalistischen Ebene für die Hip Hop-Szene interessiert und meine Kontakte geknüpft. Dann gab es einen konkreten Abend, an dem ich im Gorgonzola Club an der Bar gearbeitet habe. Savas war da und hat mir vom Projekt Blowed aus Los Angeles erzählt. Wir waren alle ein bisschen auf diesem L.A. Underground-Film, das hat uns irgendwie angesprochen, weil das einfach Typen waren, die sehr viel Wert auf Technik gelegt haben und nicht diesen landesüblichen, kommerziellen Gangsterrap gemacht haben. Mir hat persönlich ziemlich gut gefallen, dass sie diese Underground-Independent Kultur hochgehalten haben. Dann hat mir Savas auch über Living Legend erzählt, die ihre eigenen Tapes rausgebracht haben und die in San Fransisco oder Oakland auf der Straße verkauft haben. Ich hatte damals noch einen loseren Kontakt nach Stuttgart und wusste, dass die da einmal die Woche im Red Dog einen Freestyle Abend veranstaltet haben. Als ich Stuttgart 1991 verlassen habe, hat sich die Hip Hop Szene dort sehr weiterentwickelt. Vorher gab es da zwar auch so Hip Hop Partys, die Michi Beck gemacht hat, im Musicland, da waren dann drei Leute anwesend. Das hat sich dann wirklich stark geändert. Aus dieser Kombination an Informationen, habe ich gemeint, wir müssen hier so was auch machen.
rap.de: Eine Idee war geboren und nahm Gestalt an.
Staiger: Sozusagen. Ich hatte damals Kontakt Giò Di Sera, der ja in der Kreuzberger Hip Hop Szene auch ein bisschen aktiv war mit der „To Stay Here Is My Right“ Posse und der hatte eine Sendung auf Kiss FM, „Radio Kanaka International“, die gibt es heute noch auf Radio Multi Kulti. Dort war ich zu Gast, ich fand Radio eben einfach toll und Giò Di Sera war irgendwie auch ein cooler Typ. Auf jeden Fall habe ich dort einen Reggae-Typen kennen gelernt, ich weiß gar nicht mehr wie der hieß. Der meinte, er kennt da so ein Musikcafé, Royal Bunker, in der Mittenwalderstraße am U-Bahnhof Gneisenaustraße. Da hab ich dann sofort geschaltet, und meinte, wir könnten da einen Freestyle-Abend machen. Dann bin ich da hingegangen. Die Kneipe gehörte einem Nigerianer, Jimmy, der glaube ich eigentlich gar nicht wusste, wie man eine Kneipe macht. Dazu war das Café auch ein Umschlagplatz von irgendwelchen Dealern, die auch nicht wollten, dass diese Kneipe dort ist, oder zumindest wollten sie ihre Geschäfte dort weiter betreiben, was Jimmy natürlich nicht wollte. Daraufhin haben die dort einen Buttersäureanschlag veranstaltet, kurz nachdem wir da angefangen haben. Das hat wirklich unfassbar gestunken.
rap.de: Eine der Legenden, die sich um den Bunker rankt.
Staiger: (lacht) Stimmt aber. Aber der Royal Bunker an sich war wirklich genial, einfach perfekt für diese Art von Veranstaltungen. Es gab eine ganz, ganz kleine Bühne und so haben wir dann angefangen da regelmäßig am Sonntag um 19 Uhr unsere Freestyleveranstaltungen zu machen. Es gibt ja dann auf „Battlekings“ auch diesen einen Track: „Freitag chillen, Samstag chillen, Sonntag 19 Uhr Rapper killen.“ Die Veranstaltung war dann sehr wechselhaft besucht, mal waren fünf Leute da, wenn ein cooles Konzert stattfand, dann waren es auch mal 50 Leute. Das war schon schön und so haben wir das halt hochgezogen. Fakt ist, dass industriemäßig damals keine Firmen in Berlin waren und sich keiner dafür interessiert hat. Es gab zwar kommerzielle Auswüchse der Berliner Rapszene, wie die Spezializtz oder KMC, die das probiert haben. Das waren in meinen Augen aber nie die ultra überzeugenden Business-Konzepte. Def Jam Germany, mein damaliger Lieblingsfeind, war ja extrem blöd und hat sich auch extrem blöd angestellt. Also fand ich auch irgendwie nicht cool. Dann gab es auch immer wieder Versuche, komm wir gründen ein eigenes Label, oder wir machen einen Produzentensampler und spielen die Majors damit gegeneinander aus, bla, bla, was die Leute halt immer alles so erzählen. In der Punkszene gab es auch das Konzept des Tapelabels, Tapes waren damals auch wirklich noch ein Medium, das man benutzt hat. Es gab DJ-Tapes und dann habe ich Hype angerufen und ihn gefragt, wo er seine Tapes kopieren lässt. Dann hat er mir die Adresse von dem Kopierwerk gegeben und wir haben angefangen von den Leuten die wir kannten Tracks einzusammeln. Das war auf dem ersten Sampler noch sehr breit gefächert. Da waren Dra-Q dabei und Joe Rilla, der sich damals noch irgendwie anders genannt hat. Lunte war da noch mit auf dem Tape, und eben auch schon Die Sekte, Westberlin Maskulin natürlich. Das war sehr kunterbunt. MK One hat in dem Club auch immer aufgelegt, dann haben wir irgendwann gesagt, komm wir machen jetzt mal ein Label. Gründungsmitglieder waren dann Reef, Savas, Hülse, MK One und ich. Es hat sich dann aber sehr schnell herausgestellt, dass eigentlich nur MK One und ich da so richtig hinterher waren, wir haben die Tapes einfach gesammelt, damals war das mit der Computertechnologie alles noch sehr kompliziert, wir haben teilweise die Tapes auf Datbändern bekommen, dann musstest du dir einen Datrekorder besorgen, um in den Rechner einspielen zu können. MK One hat dann auch vier Monate dazu gebraucht, um die Lautstärken anzugleichen, um so eine Art Master zu machen. Damit sind wir dann letztlich zum Kasettencopyservice in der Kluckstrasse hingegangen, da war dann der Herr Bender, der ist ein unheimlich gestörter Typ (lacht), aber der hat unsere Tapes kopiert, dann standen wir vor dem Problem das müsste GEMA angemeldet sein, na gut: "Ich heiße Christian Scholz, ich wohne in der Knabstrasse, ich möchte hier bitte gerne die Tapes kopieren." Ich weiß gar nicht, hoffentlich ist das jetzt schon verjährt (alle lachen), so für die ersten Auflagen. Wir haben dann 100 Kopien gemacht, die haben damals 260 DM gekostet, das war die erste Auflage, Mikrokosmos hieß das Label, dann haben wir diese Auflage verkauft und glaube dann noch mal eine, ich glaube diese Tapes gab’s dann nur mit einer 200er oder 300er Auflage.
rap.de: Und dann vermutlich selber unter die Leute gebracht, oder?
Staiger: Genau, die haben wir dann auf Jams verkauft, damals gab es ja noch Jams, das waren dann wirklich HipHop Veranstaltungen die keine HipHop Konzerte waren, da gab es ein paar Leute die aufgetreten sind, aber es gab auch immer Freestyle, Breakdance, Graffiti, und da sind wir herum gelaufen und haben die Tapes verkauft, so für 10 Mark ein Tape. Davon haben wir dann diese Nachauflagen finanziert, Konzerte veranstaltet, die auch höllisch in die Hose gegangen sind, zum Beispiel bei dem einen Arsonists Auftritt, wo wir gleich mit einem Abend 2000 DM vernichtet haben.
rap.de: So, wir sind wieder zurück und befinden uns immer noch im Jahr 1998.
Staiger: Genau, 1998 wurde der Royal Bunker dann geschlossen, auf Grund von Mietrückständen die dieser Jimmy da hat auflaufen lassen, aber diese Freestyle Veranstaltung wurde auch immer mehr zur Belastung, jede Woche da Turntables hinzukarren war auch nicht so richtig geil. Und dann gab es eben auch eine Trennung von MK One, weil mir einfach ein paar andere Bands besser gefallen haben und er noch ein paar andere Kumpels auch am Start hatte, die ich jetzt nicht so geil fand. Wir haben uns dann einvernehmlich getrennt und er hat die Mikrokosmos Booking Agentur gemacht und ich habe dieses Label dann kurzzeitig Monopol genannt und habe es dann in Royal Bunker umbenannt, weil… weil ich auf dem Bett lag, einen neuen Namen suchte, weil Monopol aus verschiedenen Gründen nicht ging und wollte das dann so Dadaismusmäßig machen, also ich mache das Wörterbuch auf und das Wort, dass ich als erstes finde, nehme ich. Hat mir dann aber doch nicht gefallen (lacht), dann bin ich eingeschlafen, habe geträumt, bin aufgewacht und wusste wir nennen es Royal Bunker (lacht).
rap.de: Die Geburtsstunde des Labels.
Staiger: Die zweite Geburtsstunde des Labels, also die, mit dem Namen Royal Bunker. Dann haben wir den "Berlin Nr.1 Volume 2" Sampler heraus gebracht und der ist dann tatsächlich zu so einer Art Klassiker mutiert. Das war quasi die Art von Rap, die dann später auch sehr erfolgreich wurde, das war dieser asoziale Battlerap den wir da gefeatured haben und haben dann eben auch noch Soloalben auf Tapes heraus gebracht, nämlich Justus, Shadow und FuManSchuh. In Kooperation gab es dann noch die „Warum Rappst Du?“ EP von Savas, wo dann auch "Pimplegionär" drauf war.
rap.de: Nehmen wir mal ein bisschen Tempo in der Geschichte auf, ja? Der nächste große Einschnitt oder Schritt war dann 2001 „NLP“?
Staiger: Genau, wir haben dann auch ziemlich schnell eine Website am Start gehabt, haben T-Shirts gemacht, haben das immer noch alles von zu Hause aus erledigt. Savas ist aufgrund von "LMS/Schwule Rapper", dieser Single auch bundesweit gebucht worden. Der Klarheit halber muss man natürlich sagen, die ist nicht beim Bunker raus gekommen, sondern über Put A Needle To The Records, aber irgendwie wurde es dann interessant, die Leute wurden immer mehr aufmerksam auf uns, vor allem auf Savas und da gab es dann eine ganz ganz rege Reisetätigkeit, wir waren fast jedes Wochenende unterwegs. Um genau zu sein, sind wir mit einem Fiat Lancia rum gefahren, das ist ungefähr das kleinste Auto, was man sich vorstellen kann (alle lachen), darin sind wir dann zu viert auf irgendwelche Auftritte gefahren, Fuat war dabei und wer den nicht kennt, Fuat ist ein, nennen wir es großer Mensch, also hat viel Volumen (alle lachen), der DJ Zett war dabei, der mit der Zeit auch immer dicker wurde, Savas, der zu der Zeit übrigens schmaler war als heute… egal, so haben wir auf jeden Fall unsere Wochenenden verbracht, haben teilweise nicht mal eine Übernachtungsmöglichkeit gehabt, sondern uns die immer noch irgendwie nach der Show erquatscht. Das war so wie man sich das vorstellt. Die Band, oder die Leute müssen durch das Fegefeuer der Auftritte gehen, durch Jugendhausauftritte und nach 80 Stück ist man dann gestählt und darf dann in die größeren Hallen (lacht). Das war schon geil.
rap.de: Hat sich das zu den Zeiten finanziell irgendwie gerechnet oder geschah das aus der reinen Lust am Rappen?
Staiger: Das hat sich in sofern gerechnet, als das da keiner wirklich Geld gekriegt hat, ich hab zum Beispiel ganz normal nebenbei gearbeitet, es gab wie gesagt keine GEMA, keine Steuer, weil Christian Scholz nicht auffindbar war (alle lachen), die Miete kam auf jeden Fall nicht rein. Es wurde alles immer wieder reinvestiert, also floss immer wieder ins Firmenkapital und in die nächsten Projekte. Ich wollte das natürlich immer so gesund machen und 50/50 mäßig teilen und so. Tatsächlich war es rückblickend ein sehr ambitioniertes Hobby. Aber natürlich haben sich auch die persönlichen Zielsetzungen immer wieder verschoben. Am Anfang hab ich gesagt, ok, wir wollen einfach nur Tapes machen und Spaß haben und dann sah man ok, das läuft, wir wollen auch ein richtiges Label machen, wir wollen auch richtig veröffentlichen…Was weiß ich, ich habe damals Buchungslisten von Hand geschrieben, hab nebenbei ja BWL studiert, da lernt man so was sehr sehr theoretisch, das sind dann so fünfseitige Journale in denen steht: „Einnahme an: Sektenkonto“. Der Buchhalter dem ich das irgendwann mal gezeigt habe hat auch nur gesagt: „Was ist denn das?“ (lacht).
rap.de: Irgendwann kommt man aber um Struktur nicht mehr herum.
Staiger: Es war wirklich Learning by Doing. Irgendwann war aber klar, die Kisten in meiner Wohnung die gehen meiner Frau auf die Nerven, wir müssen uns langsam mal was suchen und dann wurden wir Untermieter in einem Buchladen, von so Leuten die ich kannte, aber nach und nach wurde es ernsthaft, ich habe dann mein Gewerbe angemeldet weil die Firmen dann auch keine Fantasierechnungen mehr akzeptierten und meinten: „Du brauchst jetzt mal ne richtige Firma! Ich kann dir hier kein Geld auszahlen, wenn nicht mal eine richtige Rechnung geschrieben ist.“ Ach egal. Keiner hatte mehr so richtig Überblick, 1000 Zettel die da rumflogen und so weiter und sofort. Dann war also klar, es gibt da dieses MOR Album, aber wir hatten ja am Anfang nicht mal einen Vertrieb, also hab ich bei Groove Attack angerufen und gefragt: „Wollt ihr Tapes kaufen?“. Wir haben über Downstairs (legendärer Shop in Berlin, Anm. d. Red.) ja relativ viele Tapes verkauft, auch über den Mailorder, Halil (Gründer von Downstairs, Anm. d. Red.) hat das irgendwie so als erstes in die Hand genommen. Also habe ich bei Groove Attack angerufen und gefragt und die haben gesagt: „Nö. Da bräuchten wir ’nen neuen Computer und einen neuen Arbeitsplatz, dafür haben wir keinen Platz….“, die kamen da mit irgendeiner Fantasieantwort. 2000 waren wir dann aber auf dem splash!, da hatte Savas seinen ersten Auftritt, Sonntags 13 Uhr. Das war auch so ein Phänomen, weil die splash! Leute fanden das halt immer scheiße aus irgendeinem Grund und haben Savas da auf diese extrem schlechte Position gesetzt, aber es war wirklich so, dass die Leute zu diesem 13 Uhr Auftritt alle aus ihren Zelten gewankt kamen, besoffen, dreckig, aber trotzdem oder auch deswegen, extrem gefeiert haben. Und da haben wir auch Tapes verkauft.
rap.de: Kriegen wir damit wieder den Bogen zur Groove attack Geschichte?
Staiger: (lacht) Sorry. Ja, da kam dann nämlich auch Groove Attack auf uns zu, also ein Mitarbeiter von denen und fragte, ob wir nicht zusammen den Vertrieb machen wollen und dann waren wir tatsächlich bei Groove Attack im Vertrieb und dann war auch klar, dass wir tatsächlich dieses Album da stemmen können. Und das haben wir dann auch gemacht. Und das hat ja dann auch ganz gut funktioniert.
rap.de: Platz 65 oder so.
Staiger: Ja, Platz 56 oder 65 oder so, weiß ich nicht mehr so genau, aber auf jeden Fall war Platz 65 zu der Zeit ja auch noch was anderes.
rap.de: Wie viele verkaufte Einheiten brauchte man damals für 65?
Staiger: Wir haben damals lifetimemäßig 30.000 verkauft, ungefähr. Das bedeutete independent natürlich ein schönes Polster, was dann im Laufe der Jahre aufgezehrt wurde, weil danach gab es dann ja tragischerweise diesen Bruch von Savas und MOR und die Soloalben die danach kamen, die haben teilweise auch zu lange gedauert in der Produktion, es gab halt, muss man rückblickend wieder sagen, Unterschiede in der Zielsetzung der einzelnen Leute. Ich wollte natürlich schon ein Label machen, wollte ein gutes Independent Label an den Start bringen und die Ziele der anderen Leute, ja…die waren halt von meinen sehr unterschiedlich. Das müsste man übrigens jedem Labelbetreiber ins Stammbuch schreiben: Kommunikation ist das A und O. Man muss immer abgleichen, wollen alle immer noch dasselbe oder wollen die was anderes, kann man ihnen was sie wollen noch anbieten oder andere Lösungen suchen? Wie auch immer. Da sind dann die Wege auseinander gegangen, wir wurden von den Zeichen der Zeit so ein bisschen überrollt, es gab dann neue und aggressivere Strömungen im Rap, die uns dann auch einfach überholt haben. Meine Zielsetzung war natürlich immer nicht unbedingt Mainstream raus zu bringen und nicht auf Biegen und Brechen auf diese Krawall Schiene zu setzen, für mich ist Provokation immer wichtig, es muss aber auch was dahinter stehen. Blind irgendeinen Aktivismus zu verbreiten oder nur zu provozieren, um der Provokation oder des Erfolges wegen, da habe ich kein gutes Gefühl dabei. Ja und da sind die Sachen im independent Bereich relativ erfolgreich gewesen, hatten jetzt aber nie den kommerziellen Durchbruch den andere hatten.
rap.de: Weiter in der Zeitleiste, wir haben aber glaube ich Sachen ausgelassen. Es kam ja zu mehreren Brüchen.
Staiger: Mit wem genau meinst du jetzt?
rap.de: Sido, Sekte.
Staiger: Stimmt, aber da muss man sagen…mit der Sekte kam es relativ zu Beginn zum Bruch, aber es war ja eigentlich kein richtiger Bruch (Pause). Obwohl, ja, man kann natürlich schon sagen, in diesem Royal Bunker Kosmos war Die Sekte natürlich zweitrangig, also die zweite Band hinter MOR. Das schon, klar. Die haben sich da immer zurückgesetzt gefühlt, wobei ich sagen muss, die waren halt auch sehr jung und ok, ich muss auch sagen, ich habe die Jungs einfach anders gesehen als andere die gesehen haben
rap.de: Und zwar wie?
Staiger: Naja, Specter war schon ein richtig krasser Fan von denen, und ich war kein so großer Fan von denen oder zumindest nicht so ein Fan wie ich zum Beispiel von Savas war. Klar, ich fand die gut, ich fand die talentiert, hatte auch immer den Eindruck die wollen das, die haben Bock drauf, aber die brauchen auch noch Zeit. Man muss ja auch dazu sagen, dass nachdem sie bei mir weg waren, hat es drei oder sogar vier Jahre gedauert bis Sido sein Album endlich fertig hatte. Gut aber es wurde dann auch persönlich, es gab dann eine große Aussprache mit den Jungs. Die hatten damals ein Tape gemacht, das hieß „Back In Dissness“ und das hatten sie dann „heimlich“ selber gemacht. Daraufhin habe ich das dann angesprochen, warum heimlich und ob sie denn nicht mehr mit mir sprechen könnten und es gab also dieses Treffen, bei Bobby (B-Tight, Anm. d. Red.) in der Wohnung glaube ich , das war dann so halb feindselig. Das kuriose war, dass sie ja relative viele waren, also mir da so fünf, sechs Leute gegenüber saßen und dadurch, dass sie so in der Übermacht waren, hatte das Gespräch auch einen ganz komischen Charakter, auf jeden Fall kam am Ende des Abends raus: "Hey lass uns doch businessmäßig zusammen bleiben auch wenn die Chemie nicht so stimmt." Und ich bin nach Hause gefahren, wollte einen Infotext zu „Back in Dissness“ schreiben und mir ist nicht wirklich viel dazu eingefallen, das ist bei mir auch oft eine Gefühlssache und dann habe ich am nächsten Tag Sido angerufen und gesagt: „Komm lass uns uns trennen, das hat keinen Wert mehr.“ Ja, und so war das dann.
rap.de: Und dann dümpelte das so vor sich hin.
Staiger: Nee, damals lag ja Priorität auf MOR und ich dachte MOR, das ist ne Gruppe von acht Leuten am Anfang gewesen, irgendwann waren es nur noch sechs, aber ich dachte natürlich da liefert man immer schön nach, also von sechs Leuten habe ich natürlich einfach erwartet, dass sie in regelmäßigen Abständen das Niveau halten, dass die durch die Auftritte und so weiter einfach angefixt sind. Im Rückblick war ich wahrscheinlich einfach nicht Geschäftsmann genug, man hätte damals auch einfach mehr Geld draus machen können. Es war relativ groß, wenn man das richtig gemacht hätte, hätte man eindeutig mehr abkassieren können, viel professioneller ausschlachten können und ich hab es nicht erkannt.
rap.de: Bereust du das oder ist es heute gut so wie es war?
Staiger: (überlegt) Also bereuen tue ich das nicht, also es ist nicht so, dass ich mich da jetzt gräme und deswegen jetzt morgens aufwache und denke: „Meine Güte, damals hast du ja wirklich Scheiße gebaut.“ (alle lachen) Es ist einfach schade. Man sieht das ja auch auf der DVD (gemeint ist: „Gegen die Kultur – Vol.1 Punchlines, Tapes und Fanatsimus", Anm. d. Red.). Wir stolpern da durch dieses Business, wie so Dorftypen die zum ersten Mal in die Stadt kommen: Wir sind einfach extrem naiv, wir wollen einfach Musik machen, wir wollen aber natürlich auch alles anders machen, als alle anderen Labels zuvor und mit diesem Gluaben, dieser Naivität und dieser Frische stolpern wir und anders kann man es nicht ausdrücken, da durch! Bereuen, tss. Ja, ich stelle fest, das was ich heute also A&R Manager weiß, also das man Bands und Künstler einfach mehr antreiben, mehr treten muss, hätte damals geholfen. Damals dachte ich noch künstlerische Freiheit über alles, ich bin doch nur der Dienstleister, der das fertige, geniale Werk unter die Leute bringt. Ich finde das auch nach wie vor eine schöne Einstellung, es ist aber keine Einstellung mit der man in diesem Gewerbe zu Potte kommt im Endeffekt. Was auf der anderen Seite aber auch gegen dieses Geschäft spricht, weil dadurch Musik halt zur Ware, zum Produkt wird. Es ist ja auch im alltäglichen Sprachgebrauch nicht mehr von Alben sondern Produkten die Rede. Es wird gesagt: „Ich habe hier ein schönes Produkt am Start“, oder „Ich habe hier ein Thema“, aber wir hatten halt einfach geile Tapes (lacht). Zurück. Nein, es dümpelte eigentlich nicht, wir hatten ja immer ganz solide Zahlen am Start und für den Untergrundbereich, war das schon ganz ok, es war aber halt immer eine „Von – der – Hand – in – den – Mund“ Geschichte.
rap.de: Aber das Geschäft hat sich ja für dich sicherlich auch verändert.
Staiger: Klar, es war auch so, dass ich meine anderen Berufe nach und nach an den Nagel gehängt habe und mich dann auf die Labelarbeit konzentriert habe. Wenn man nicht mehr Christian Scholz heißt, sondern als Marcus Staiger da drin hängst, dann kommt da unfassbar viel Papierkram, Aktenarbeit und kaufmännische Tätigkeiten auf dich zu. Es war ja dann auch so, dass zwei, drei Leute zumindest Halbzeit bei mir angestellt waren. Das tragische ist natürlich, wenn man nicht gewinnorientiert arbeitet, einen jeder Rückschlag finanziell hart trifft. Mit der Zeit war es halt auch nicht mehr so, dass man ab und zu mal ein Tape raus bringt, dass sich dann so nebenbei und quasi von alleine verkauft, sondern der Aufwand, die Dinge zu verkaufen wurde auch größer. Am Anfang schenken einem die Magazine auch gerne mal etwas, weil sie einen cool finden, aber dann hat man die Struktur und dann wird auch erwartet, dass man ab und zu mal eine Anzeige schaltet. Ja, die finanziellen Ressourcen wurden dann knapp und regelmäßig mit akuter Geldnot zu arbeiten ist nicht ganz so lustig, aber der Wille war ja immer ungebrochen einfach andere Musik raus zu bringen, ein Gegengewicht zu allem anderen zu schaffen, was an Langweiligem existiert. Ihr wisst es ja selber, vor drei Jahren war ja diese HipHop Szene nur diese Clowns mit ihren New Era Helmen und den Nachthemden und alle feiern Dipset ab und kopieren das und das entsprach auch einfach nicht meiner HipHop Einstellung. Ey du darfst nicht biten! Ich habe das nie verstanden, plötzlich war kopieren erlaubt. Plötzlich hieß es: „Joa, is kopiert, aber is gut gemacht.“ Aber für mich hieß es immer: „Ein Tisch ist gut gemacht!“ (alle lachen). Ein Schreiner macht seine Arbeit „gut“. Aber was ein Rapper macht muss außergewöhnlich sein. Der muss originell sein. Ein Tisch ist ein Tisch, da muss ich was drauf stellen können, aber bei Rap muss es anders sein, als bei einem Tisch, da darf man nichts mehr draufstellen können, da darf ich nicht mehr wissen wo hinten und vorne ist. So. Das war ein kurzer Exkurs… (lacht)
rap.de:…aber weiter in der Geschichte.
Staiger: Wir haben uns dann noch mal darauf besonnen was unsere Stärke war. Unsere Stärke war Tapes rauszuhauen, für einen billigen Preis neue Leute vorzustellen. Deswegen haben wir dann diese Tape Offensive gemacht, oder diese Streetoffensive, das war 2005. Gut, Tapes waren nicht mehr das Medium (lacht) aber dafür diese Slimcase CDs, da haben wir dann diese Serie von sechs Leuten gemacht und daraus erwuchs dann KIZ. Und joa, dann hat sich das auch immer mehr alles auf KIZ konzentriert und andere Leute, die schon länger dabei waren haben sich dann natürlich auch benachteiligt gefühlt. In sofern gingen dann auch auf der privaten Ebene ein paar Sachen kaputt, aber Rap ist halt auch keine Beamtenlaufbahn, wo du nach 10 Jahren eine BAT-Stufe (BAT=Bundesangestelltentarif, Anm. d. Red.) höher gestuft wirst. Also wenn du Geld verdienen möchtest auf eine relativ sichere Art, dann darfst du keine Rap Musik machen, dann darfst du gar keine Musik machen, dann musst du Bankkaufmann werden. Oder so.
rap.de: Was hat KIZ anders gemacht als die anderen fünf Acts?
Staiger: Das war wieder ein Act wo wirklich alles von den Füßen auf den Kopf und andersrum gestellt wurde und da habe ich oder wir haben da unfassbar viel positive Resonanz bekommen. Das war auch ein Unterschied für mich, mal mit einem Thema zu arbeiten und nicht nur mit einem Rapper, bei dem es immer heißt: „Hör dir mal die Technik an, hör mal wie der da rappt.“ Also für mich ist natürlich immer klar, was guter Rap ist und was technisch guter Rap ist und wann Leute es schaffen geile Sprachbilder zu machen. Man darf nie vergessen, für einen Großteil der Leute sind Die Fantastischen 4 das gleiche wie Savas, die machen Sprechgesang und sagen vielleicht noch: „Ähm ja, aber das eine ist tanzbarer.“ Wisst ihr was ich meine? Dieses Fachwissen, dieses richtig tief drin sein in so einer Kultur ist halt ein Spezialistenwissen. Für mich sind Lexy und K-Paul halt auch das gleiche wie ein anderer angesagt Minimal Techno Act. Ich höre den Unterschied nicht. Für mich ist das beides ähnliche Musik. Ok, vielleicht ist eins davon ein bisschen gefälliger aber die feinen Unterschiede sind mir genauso fremd, wie wenn andere Leute Rap hören und überhaupt nicht sagen können ob der jetzt technisch gut ist oder nicht. Und das war bei KIZ anders. Die sind zwar auch technisch wahnsinnig gute Rapper, können das aber auch so vermitteln, das andere Leute, die nichts damit zu tun haben, beim zuhören einfach ihren Spaß haben.
rap.de: Mit KIZ hat die Geschichte zumindest chronologisch dann ihr Ende gefunden. Jetzt wird es persönlich. Was machst du zukünftig?
Staiger: Also. Ich werde mich auf meine publizistische Tätigkeit konzentrieren, ein Teil vom Bunker waren ja auch meine Schriftstücke, die man da abrufen kann. In sofern war ja Royal Bunker auch mehr als das Label oder vielleicht war das Label auch teilweise weniger wichtig als das, was ich so an Kulturarbeit gemacht habe, indem ich kommentiert habe, meinen Newsletter geschrieben habe oder moderiert habe.
rap.de: Das zweite Kommentar was wir zu deinem Austritt bekommen haben, war auch; Schade um den Newsletter!
rap.de: Die wahrscheinlich spannendste Frage: Was hat dich letztlich zu dem Schritt bewogen zu sagen: „Ich höre auf!“?
Staiger: Ganz einfach. Ich habe keine Lust mehr, es macht mir keinen Spaß mehr. Oder zumindest nicht mehr den Spaß, den es mir mal gemacht hat. Und wenn man anfängt, sich zu seiner Arbeit zu quälen, dann sollte man etwas verändern. Ganz ernsthaft: Ich denke ich habe jetzt auch viel gegeben für Rap, ich hoffe ich habe Rap nicht enttäuscht, ich denke ich habe Rap nicht enttäuscht.
rap.de: Das ist ein triftiger Grund.
Staiger: Auf jeden Fall. Jetzt können andere Leute das machen. Ich denke ich muss jetzt nicht weiter aushalten, 10 Jahre waren schön, es ist was großes geworden, aber 10 Jahre sind auch genug, das ist ok.
rap.de: Ich frage mal bewusst pathetisch: Schließt du die Pforten mit einem zufriedenen Gefühl?
Staiger: Ja, klar. Deswegen höre ich ja auch jetzt auf, weil es einfach ein erfolgreiches Jahr war. Also auch vor zwei Jahren hätte ich bestimmt Lust gehabt aufzuhören, aber wenn ich es vor zwei Jahren gemacht hätte, dann wäre halt Royal Bunker zu gewesen, es hätte wahrscheinlich keine Meldung dazu gegeben. Oder vielleicht hätte es, aber es halt nicht dasselbe gewesen. Was ich halt immer tragisch finde im deutschen HipHop, sind diese Leute und davon gibt es viele, die irgendwas machen und ihre fünf Homies sagen: „Ja dope!“, und sie denken es ist unfassbar wichtig was sie machen, aber es ist halt nicht unfassbar wichtig sondern einfach nur tot langweilig. Meine Lieblingsbeschäftigung ist es ja auch Rapzeitschriften von vor drei Jahren durch zu lesen und nachzugucken, wer da überlebt hat, wer nach diesen Ankündigungen wie: „Wir brennen Deutschland ab!“, übrigens die Lieblingsredewendung in Interviews neben: „Alles was ich bisher gemacht habe ist scheiße, aber das nächste Album wird richtig geil! Da wird richtig was passieren!“, überlebt hat. Und du guckst es dir an und leider ist da nichts passiert, gar nichts Freunde, ihr seid im Hamsterrad, ihr denkt immer es geht weiter weil sich der Boden unter euch beweg, aber in Wirklichkeit hängt ihr fest. Und genau diese Angst hatte ich auch. Also das war wirklich immer so ein persönliches Trauma von mir, ich mache etwas, denke es ist unfassbar wichtig, aber es ist gar nicht wichtig. Aber jetzt noch mal bewiesen zu haben, es gibt kein anderes Label, das so unten war und wieder so zurückgekommen ist.
rap.de: Sowas geht ja nur mit viel, viel persönlichem Einsatz und Liebe zur Sache, oder?
Staiger: Der Wille war immer da, ich wollte was Besonderes machen, das hat halt mit den Künstlern nicht zusammengepasst. Der Wille muss da sein, man muss originell sein, aber auch Spielfreude und Biss haben und manchmal funktioniert es trotzdem nicht. Gerade die zweite Generation von Rappern, die Generation nach Savas hat sich unheimlich schwer getan. Die haben gesagt: „Oh, Savas ist so weit gekommen! Das wollen wir auch! Wir rappen doch genauso gut!“ Aber die Zeit im Fiat Lancia haben die nicht mitgemacht und wären dazu auch nicht bereit gewesen, aber da gehört auch dazu. Es muss nicht der Fiat Lancia sein, aber du musst halt auch bereit sein für 100 Euro zu spielen. Und du musst Spaß dran haben. einer meiner Tiefpunkte als Labelmanager war wirklich, als wir diese „Wir Battlen Jeden“-Tour gemacht haben, die für eine Instore Tour wahnsinnig erfolgreich war. Ich habe da fünf Rapper durch Deutschland geschickt, es gab Hotels, klar, nicht die besten, es gab eine Wagen, in dem Fall keinen Fiat sondern einen Transporter, es gab sieben oder acht gut besuchte Gigs, da waren 150 bis 200 Leute da, was zu der Zeit extrem erfolgreich war. Und die kommen zurück, und ich frage wie war’s, ey voooll anstrengend, voll abturn, weißt du, so eine richtige Tour mit einem richtigen Nightliner das hätte Spaß gemacht, super gewesen, aber so war’s voll asozial. Freunde! Was wollt ihr!? Ihr habt gerappt, ihr habt pro Tag noch einen Zehner Spesen bekommen, ich meine das ist alles nicht wahnsinnig viel aber besser als sich nach dem Konzert die Übernachtung zu erschlauchen. Dann kommen die zurück und jammern herum wie anstrengend alles war, das war rapmäßig auf jeden Fall eine verlorene Generation. Die konnten nicht an den kommerziellen Erfolg anschließen, waren aber auch nicht bereit diesen Hustle zu machen, den man halt vielleicht echt gehen muss wenn man Hardcoremusiker ist. Ich hatte damals einen Freund der ist von der HipHop Abteilung bei Universal in die Rockabteilung gegangen und meinte er ist so froh, endlich mal wieder Musiker die wieder spielen wollen. Es gab die verrücktesten Vorstellungen, teilweise dann noch verblendet durch Bling Bling aus Amerika. In Amerika, Rap extrem erfolgreich, aber weißte ich habe mit Twista ein Interview geführt, da meinte er was ist euer erfolgreichster Rapact, wieviel verkaufen die, da meint ich so was wie Samy Deluxe oder Sido, 150.000, ja gut, Bushido verkauft heute noch mehr, aber er war ja nie ein Rapper. (lacht) 150.000 im HipHop Bereich das war ja schon realistisch, vielleicht haben Massive Töne mal mehr verkauft, da guckt Twista seinen Manager an und lacht, klaaar, deshalb wollte Twista von seinem Untergrundlabel zu Rocafella weil er 150.000 aus dem Kofferraum verkauft hat. Aber du musst halt die Dimensionen sehen, das ist ein Land mit so und so vielen Millionen Einwohnern, und wenn du dann national gebreakt bist, dann hast du natürlich Verkäufe, wenn du nur in deine lokalen Umgebung gut verkaufst und das independent machst natürlich hast du dann eine Goldkette und ein teueres Auto, hier verkaufst du national eben gerade mal 150.000 Platten, dann kriegst du vielleicht 150.000€ raus, vielleicht sogar 300.000 Euro wenn du einen guten Deal kriegst, wenn du das aber auf 10 Jahre hochrechnest, ist es nicht viel. Und wenn du dir ein gutes Auto kaufen willst, dann ist da schon mal ein gutes Drittel weg. Die Dimensionen waren eben auch alle verschoben und so.
rap.de: Aber Ende gut, alles Gut , oder?
Staiger: So ähnlich. Mir war eben wichtig nach Leuten zu suchen die es anders machen, die andere Ansätze haben, die Talent haben und originell sind. Das es dann mit KIZ noch mal richtig gut funktioniert hat, freut mich eben auch persönlich, weil die meiner Meinung nach auch genau das sind was Royal Bunker auch immer war, durchaus aggressiv, es ist auch ein bisschen ekelhafter Humor, jedoch wollte ich nie der Provokation Willen provozieren oder Hardcoregangster oder so was raushängen lassen, nein, das sind quasi harte, lustige Jungs.
rap.de: Gut lassen wir das alles so stehen. Einer muss es es ja auch abtippen. Mir fällt gerade auf, dass mein Anfangsplan irgendwie untergegangen ist. Egal.
Staiger: (lacht) Gut. Schön das ihr vorbeigekommen seid.
rap.de: Ja. Danke für deine Zeit und den wunderbaren Kaffee. Alles Gute dir.