Alles hat ein Ende, so nun auch die musikalische Karriere von DJ Os Chill und Dresta, gemeinsam besser bekannt als die RaportaZ. Sie haben es geschafft Kassel/Göttingen auf der Raplandkarte erscheinen zu lassen und nach 8 Jahren im "Game", einem Demotape, zwei EPs und drei Alben, unzähligen Live Auftritten und einigen Videos, verabschieden sie sich mit einem letzten Release, nämlich "Augenlieder" und zugehöriger DVD. Den kommerziellen, großen Durchbruch haben sie nie geschafft, aber vielen Rap Fans etwas geben können. Bevor sich Dresta ganz zurückziehen konnte, haben wir ihn nocheinmal zu seinen Ansichten über Rap heute und Anderes befragt.
rap.de: Ok, lass uns direkt anfangen. Was waren die wichtigsten Stationen der RaportaZ Karriere?
Dresta: Also gegründet haben wir uns nach einer sehr langen Fan-Phase 1999. DJ Os Chill war schon länger Deutschrap-Fan aber ich fand das damals erst seit ungefähr zwei Jahren gut. Vorher war ich mehrere Jahre lang ausschließlich Westcoast-Fan. Damals, so Mitte der Neunziger, waren wir als HipHop-Leute ja noch die totalen Außenseiter. Wir haben damals alle noch bei den Eltern in der Nähe von Göttingen gewohnt und da gab es weder eine Szene oder sonst was. Nur alle drei Monate eine Jam im Göttinger "Juzi", die ab Ende der 90er immer beliebter wurden, als sich dann auch so eine Art Szene hier gebildet hat. Als wir 2001 die erste Demokassette. rausgebracht haben, war das deshalb eine sehr wichtige Station, weil man damit plötzlich etwas Besonderes geschafft hatte. Tatsächlich war das der erste HipHop-Release Göttingens. Ich selbst war damals gerade zum studieren nach Kassel gezogen, aber auch da gab es zu der Zeit glaub ich nur drei, vier Demokassetten, einen Untergrundsampler und zwei schon damals recht veraltete Platten. So haben wir uns sozusagen zum ersten Mal platziert. Andere wichtige Stationen waren dann der Start unserer Website Anfang 2003. So etwas hatten damals auch noch nicht viele und in Kassel und Göttingen waren wir sogar die einzige Rapband mit einer Internetpräsenz. Unser Debutalbum "mit Reimen Gewissen" hat uns dann zu einem richtigen Act gemacht und wir haben mit Molotow unseren ersten Sponsor bekommen. Aber auch so Sachen wie erste TV-Berichte, große Artikel in den Szene- und anderen Medien, eine Stadtmagazin-Titelseite und letztlich unser Label-Deal bei SonyBMG waren sehr wichtige Stationen, die RaportaZ zu einem festen Begriff in Rap-Deutschand gemacht haben, wenn wir es auch nie zu den Top-Ten geschafft haben.
rap.de. Was war der absolute Höhepunkt eurer Rapkarriere?
Dresta: Der uneingeschränkte Höhepunkt ist das aktuelle und letzte CD-/DVD Album "Augenlieder". Schon jetzt ist klar, dass das Ding einen wirklich sehr großen Schub nach vorne bringt und die Medien gehen sehr heftig da drauf ab. Das ist aber auch berechtigt, finde ich, denn auch wenn es letztendlich in der Schublade geendet wäre, wäre es von der Qualität, von den Ideen und dem ganzen Drumherum trotzdem die Spitze unserer musikalischen Laufbahn. Klar gab es auch andere Geschichten, die einfach hammer waren wie zum Beispiel Voract von GangStarr zu sein, "Platte der Woche" bei RTL2 oder von laut.de die Auszeichnung als "eines der besten Deutschrapalben des Jahres" mit unserem Crewprojekt ‚RaportaZ-family‚.
rap.de: Was bringt einen dazu, was ist der Auslöser dafür zu sagen: „Ich höre auf mit rappen.“? War das ein bestimmtes Erlebnis oder eher eine Konsequenz aus vielen Dingen?
Dresta: Ne, das wurde mit der Zeit einfach immer klarer, dass es ein Ende haben muss und deshalb konnte ich auch schon lange auf dieses Ende in Form meines Soloalbums hinarbeiten und es möglichst gut planen. Der größte Faktor ist dabei auf jeden Fall, dass sich die Sache einfach nicht auszahlt. Wir sind das ganze Rap-Ding ja eh nie unter der Hinsicht gefahren, dass wir damit viel Geld verdienen wollten, aber der durchschnittliche Downloader macht sich überhaupt keine Vorstellung davon, was da an Arbeit drinsteckt. Wie eingangs erwähnt hatten wir nie einen professionellen Background. Wir haben uns wirklich alles von Punkt 0 an selbst erarbeitet, selbst beigebracht und vor allem auch selbst finanziert. Vielleicht haben andere die Möglichkeit, aus einem riesigen Pool an Beats auswählen zu können, sich dann mal 2 Wochen hinzusetzen und 15 Tracks zu schreiben und aufzunehmen. Dann kümmert sich jemand anderes darum, dass alles auf CD zu bringen und fertig. Kann ich aber nicht glauben. Wieder von anderen weiß ich, das sie einen Geldgeber haben. Wir bekommen zwar auch von einigen Sponsoren gut Geld, aber das reicht trotzdem höchstens, um die Kosten zu decken. Ich will hier echt nicht übertreiben, aber die letzten 2,5 Jahre habe ich an nichts anderem gearbeitet als an dem Musik-Ding. Klar bin ich noch zum Job gegangen, und hab auch mal Zeit mit der Freundin verbracht, aber alles nur auf das Minimalste runtergedreht oder sogar das noch mit dem Musik-Job verknüpft. Das kostet eben alles ein wahnsinnig viel Geld und sehr viel Zeit… Und dann hast du einen wirklich guten Tonträger hergestellt, größtenteils auch selbst die Musik produziert, die Grafik gemacht, Webdesign, Pressegeschichten und so weiter und dann wird es auch noch nur wenig gekauft. Das kotzt einen echt an auch wenn ich schon verstehen kann, dass viele kein Geld mehr für Musik ausgeben wollen, weil es sich einfach alle anderen auch aus dem Netz laden. Da ist der Trost auch recht klein, dass wir mit dem letzten Album auf Platz 3 der illegalen Downloadcharts waren. Promoeffekt hin oder her, aber das ist schon schädigend. Besonders toll ist auch, wenn unsere Labelagentur von SonyBMG dann sagt: "Mit so einem hochqualitativen Album und eurer guten Pressearbeit hättet ihr noch vor 4 Jahren auf jeden Fall noch 20.000 von einem Album verkauft." Das wären bei 7 Euro pro CD dann 140.000 Euro – pro Album! So wie es heutzutage läuft, steht der Gewinn aber in keinem Verhältnis zu dem großen Aufwand. Man muss es eben tun, weil man Musik machen will und mit diesem letzten Album kann ich das Kapitel sehr zufrieden zuklappen und zum nächsten übergehen. Das ist dann zum Beispiel auch ein weiterer Grund, dass ich mich im Job noch in die Position bringen will, die mir eine gesicherte Zukunft bringt. Ich für meinen Teil finde auch, dass es mit 30 Jahren auch vom Alter ein guter Zeitpunkt ist, zu gehen, denn ich fühle mich auch irgendwann mal zu alt für das ganze Ding, wenn andere Freunde schon Kinder kriegen, Häuser bauen und den ganzen Scheiß. Es passt einfach alles gut um jetzt mit dem größten Hype zu gehen, statt irgendwann einfach in der Versenkung zu verschwinden.
rap.de: Klingt plausibel. Was würdet ihr heute in Hinblick auf eure Laufbahn anders entscheiden, anders machen?
Dresta: Ein paar Dinge würde ich schon ändern. Wir würden zum Bespiel nicht bei unserem ehemaligen Manager signen, der uns dann um ein paar tausend Euro Sponsorleistungen beschissen hat und uns zu einem Rap-Popact biegen wollte. Ich hätte auch unser Crewprojekt "RaportaZ-family" ganz anders aufgezogen, mit dem Wissen wer wirklich Bock drauf hat und wer eigentlich nur die Chance gesehen hat, seinen Fame und die eigenen Möglichkeiten auf unserem Rücken zu pushen. Im Endeffekt kann man ja immer Sachen besser machen wenn man dies oder das vorher gewusst hätte, aber ich glaube, man ist an den Problemen auch gewachsen. Wenn Sachen schief gelaufen sind oder man von Leuten betrogen wurde, steigt ja auch das Selbstbewusstsein, vor allem, wenn man die Karre dann doch selbst wieder aus dem Dreck gezogen hat. Durch all die Dinge, die man aus eigener Kraft geschafft hat, merke ich auf jeden Fall auch, dass ich sehr selbstsicher geworden bin und auch mit Leuten viel besser umgehen kann – im Guten wie im Schlechten. Da die Sache ja nun auch kein Flop geworden ist, wie bei einem Autofreak, der zig-tausend Euro in seine Karre steckt und das Ding dann am nächsten Baum zerbrezelt, bin ich letztendlich auch zufrieden, wie es gelaufen ist – mit Höhen und Tiefen.
rap.de: Ein Tip für ganz junge Rapper die gerade erst am Anfang stehen?
Dresta: Auf jeden Fall den großen Tip, realistisch an die Sache ranzugehen und nicht diese ganzen Märchen zu glauben. Heute ernsthaft als Rapper anzufangen ist eigentlich ein sehr schlechter Plan. Die paar Ausnahmen, die man dauernd in den Medien sieht, sind eben Ausnahmen und niemand interessiert sich für die hunderste Bushido-Kopie aus dem Ghetto der Großstadt. Die meisten fangen ja an, weil sie etwas cool finden und wollen es dann genauso machen. Das ist aber genau der falsche Weg, denn man kann überhaupt nur unter die hundert kommen von denen es dann Einer zu einem gewissen Status schafft, wenn man eben etwas anderes macht. Auch eine gute Marketing-Strategie ist von Anfang an wichtig – auch wenn es erst mal nur auf kleiner Ebene ist. Da sind schon so Sachen wie ein gutes Logo oder der Name wichtig – siehe PrinzPi mit No Peanuts, den ich übrigens sehr schätze. Du kannst die beste Musik der Welt machen, aber wenn der erste Eindruck nicht stimmt, hast du schon mal sehr schlechte Karten, weil sich niemand von den Leuten, die dir weiterhelfen könnten, für dein Produkt interessiert – denn solche Leute haben für gewöhnlich sehr viele Anfragen, aus denen sie in kurzer Zeit ausfiltern müssen. Als wir mal bei Universal Records in Berlin waren, hatte ein einziger A&R zum Beispiel knapp 300 CDs auf seinem Schreibtisch gestapelt. Das waren die Anfragen für den von ihm betreuten Musikbereich von zwei Wochen. Der schmeißt die ersten Hundert schon mal ungehört weg, weil das Cover scheiße ist oder weil es nicht mal eines gibt. Selbst bei Labelanfragen die an uns gingen haben wir in der ganzen Zeit auf jeden fall weniger als 10 Demos bekommen, die überhaupt nur ein einigermaßen anständiges Aussehen hatten – so mit Cover, Foto und Infotext. Viele Newcomer scheinen zu denken, dass diese "ich bin der Geilste"-Attitüde schon von vornherein dazu gehört. Deshalb wird es bei den meisten auch nicht über den Freundeskreis als Fanbase hinaus gehen – ist ja aber auch ok. Da bleibt denen dann sicher auch viel erspart.
rap.de: Was ist die Idee/die Ideologie der RaportaZ-family?
Dresta: Es war damals 2003 so, dass wir hier in der Gegend mittlerweile viele Leute der sich gerade ausbildenden Szene kennen gelernt haben. Ich bin schon immer ein Fan davon gewesen, viel mit anderen zusammen zu machen, um die Sache damit auch zu vergrößern und weiter zu verbreiten. Ich habe einfach auch gerne Leute supportet, wenn ich die Möglichkeit dazu hatte. Das sind Dinge, die ich mittlerweile abgelegt habe, weil es eben auch immer viel Probleme mit sich bringt, aber damals wollten wir einfach viele kleinere aber Talentierte Acts und Crews, zu denen wir eh ein kollegiales Verhältnis hatten, zu einem großen Ding verbinden. Da es ja meine Idee war und fast alles über meine Verbindungen lief, hab ich als Crewnamen eben "RaportaZ-family" gewählt. Wir haben dann auch echt ein paar coole Zeiten gehabt, viele Auftritte unter diesem Namen gemacht und 2004 das Crewalbum "Mittelpunkt" released. Als die Crew dann auch sehr schnell wieder zerbrochen ist, habe ich mit DJ Os Chill erst mal wieder als "RaportaZ" weitergemacht und jetzt im März 2007 kam noch mal das Familyalbum "Unter Wert" raus mit den Leuten, die nach wie vor cool mit der Sache waren plus zwei neue Mitglieder wie "MaxDirt" mit dem ich auch das Label mache.
Wie gesagt, diese Crewideologie ist aber auch schwer zu halten. Man muss sich ja immer auf bestimmte Sachen einigen, was mir z.B. manchmal schwer fällt wenn ich schon ein bestimmtes Bild im Kopf habe. Eine andere große Hürde dabei ist, zu bestimmten Terminen auch alle zusammen zu bringen, weil immer irgendwer irgendwas anderes vorhat. Auf dem ersten Crewalbum ist mit "Familientreffen" zum Beispiel ein Song drauf, an dem alle damals 15 Crewmitglieder mitgewirkt haben. Es hat – ohne Scheiß – ein halbes Jahr gedauert bis jeder seinen Part abgeliefert hatte wie Beat, Scratches, Rap, Gesang, Beatbox und Endproduktion.
rap.de: Hört ihr komplett auf, also verabschiedet ihr euch auch aus der RaportaZ-family oder könnt ihr euch vorstellen dort noch aktiv an Projekten mitzuwirken? Wenn ja, irgendwas in Planung?
Dresta: Auch von Seiten der RaportaZ-family war "Unter Wert" das letzte Album der Crew. Wir haben da mit Tone, Illmat!c, Pal One, Roey Marquis, etc. sehr viele interessante Gäste mit dabei und man sieht dem Album auch an, dass es mit sehr viel Liebe und Aufopferung gemacht wurde. Aber aus oben genannten Gründen ist hier einfach Ende.
rap.de: Was glaubst du war euer persönlicher Verdienst in Sachen Rap in Deutschland, um deutschen Rap voranzubringen, euer Verdienst an der Musik?
Dresta: Also durch die Mails und sonstigen Reaktionen, die wir so kriegen merkt man, dass die Leute vor allem dankbar dafür sind, dass wir nie in diese Laber- oder reine Spitterecke abgedriftet sind. Wir sind zwar vom Sound und den Songs her nicht oldschool, aber wir machen auch nicht diese neuen Trends mit. Ich hab dieses Bling-Bling-Gehabe, Style- und Prollgequatsche und arrogante Getue immer als sehr unecht empfunden, und es ist auch jedem klar, dass das nur gespielt ist. Bei uns merkt man aber, dass die uns die ganze Sache etwas ernster ist und wir auch einen viel größeren Background mitbringen. Das heißt ja nicht, dass wir dauernd nur Message-Tracks gemacht hätten, aber auch wenn es mal ein Fun-Track war, hat dessen besondere Idee anscheinend immer viele überzeugt. Oder jetzt auf dem "Augenlieder"-Album der Song mit Jesen: Wenn ich einen Macho-Track machen will, dann mache ich ihn nicht so plump frauenverachtend und sexistisch, wie es eben jeder Vollidiot macht, sondern ich schreibe eine gerappte Kontaktanzeige, in der ich von der Frau total übertriebene Qualifikationen verlange. So was kommt bei Leuten, die von Rap immer noch etwas mehr erwarten als Klischees zu erfüllen einfach besser an, weil sie merken, dass sich da jemand Gedanken gemacht hat und das Ganze auch noch gut verpackt. Selbst Frauen feiern zum Beispiel die eigentlich niveaulosen Songs wie "Dicke Mädchen" vom letzten Crewalbum, weil man eben nicht denkt: "Ok – ist in einer Stunde runtergeschrieben worden", sondern: "Hey – geile Idee". Ich finde, diese Fahne haben wir immer hochgehalten und damit auf jeden Fall unseren Beitrag zum Niveau im Deutschrap geleistet. Wir sind nicht ungehört in irgendeiner Ecke verpufft, das merkt man dabei an den vielen positiven und auch Hate – Mails. Es kommen genug Reaktionen.
rap.de: Warum rappt man, was bzw. wen möchte man erreichen? Wollt ihr unterhalten oder anregen und wenn das, wozu?
Dresta: Also ich habe aus dem Grund mit Rap angefangen, weil ich das für eine coole Möglichkeit hielt, meine Gedanken auszudrücken und zwar so, dass man sie auch festhalten kann. Ich stelle mir immer vor, wie der Hörer reagieren würde, wenn er den Song hört und dementsprechend wähle ich die Themen und den Titel aus, schreibe und betone ich. Ich hab das Gefühl, dass heute gerade viele Newcomer eigentlich nur der coole Typ sein wollen, obwohl sie das mit ihren Raps meiner Meinung nach gar nicht sind. Als ich klein war, habe ich zum Beispiel mal ein Tagebuch von meinen Eltern bekommen. Anfangs hab ich da dann als 8jähriger reingeschrieben, was ich den Tag über erlebt hatte und später war es dann so im Abstand von einem Jahr, dass ich da wirklich seitenweise meine gegenwärtige Situation beschrieben habe. Das hab ja immer nur ich selbst gelesen und das fand ich manchmal schon heftig, was da drin stand. Deshalb weiß ich, dass man mit guten Songs, die auch echt sind, Leute erreichen kann und sich viele damit identifizieren können. Selbst ausgedachte Geschichten kann man so verpacken, dass der Zuhörer sie fühlen kann und so etwas auszulösen finde ich hammer. Wir haben natürlich nicht so einen Status wie ein Samy Deluxe aber jetzt wo das Augenlieder-Album erst drei Tage raus ist, sind hier schon fünf Nachrichten eingegangen, wo die Leute sagen, dass sie bei "Game Over" geheult haben – einer schreibt sogar, dass er sich umbringen will wenn wir wirklich mit Rap aufhören. Ich hoffe (und glaube) aber nicht, dass das passieren wird. Wenn du das hier liest: Ich sag es dir noch mal vor einem großen Publikum: Trennt zwischen Songs und eurem eigenen, echten Leben! Sowohl bei uns als auch bei einem Massiv! Is’ geil wenn man Leute erreichen kann, aber die dürfen nicht ihre reale Welt hinter Songs stellen – das bringt niemandem was.
rap.de: Ich habe in letzter Zeit festgestellt, das viele Rapper von sich selbst sagen, sie sind Selbstdarsteller und brauchen viel Aufmerksamkeit, ist das tatsächliche eine notwendige Eigenschaft eines Rappers?
Dresta: Also gerade mein jetziges Soloalbum ist ja teilweise Selbstdarstellung pur und das ist auf jeden Fall auch so gewollt. Abgesehen davon, dass es mir selbst wichtig war, mir da im Positiven wie im Negativen ein paar Stories von der Seele zu schreiben, wollen die Leute aber auch persönliche und echte Songs, mit denen sie sich identifizieren können – jedenfalls ist das bei unserer Zielgruppe und unserer Fanbase so. Klar fährt man auch mal auf einen geilen Styler mit pumpendem Beat ab, aber den Hauptfokus habe ich bei den Songideen immer auf meine Persönlichkeit gelegt – darauf, dass die sich da widerspiegelt. Ich kann ja nicht für alle sprechen, darüber, was bei denen die Motivation ist, aber ich habe, glaube ich auch nicht so das große Selbstwertgefühl und denke mir deshalb unterbewusst: "Wenn du das hier durchziehst, dann zeigst du ja, dass du doch jemand bist." Wenn man das dann so umsetzen kann, dass es nicht peinlich ist, bringt mir das auf jeden Fall was, so als ob ich mir selbst auch etwas dabei beweise. Ich weiß nicht warum, aber ich erzähle gerne was von mir wenn ich der Meinung bin, dass es für den Zuhörer interessant sein könnte. Vielleicht hilft mir das wie gesagt auch, um mir nicht ‚unwichtig‘ vorzukommen.
rap.de: Dazu dann mal ganz pauschal gefragt: Was bedeutet dir Musik?
Dresta: Wenn sie Emotionen transportieren kann, kann sie dich in eine andere Gefühlswelt schicken – so wie ein Parallel-Universum. Manche hören ja Musik zur Entspannung oder damit es nicht so ruhig ist wenn Gäste da sind, aber ich höre Musik entweder wegen diesem Energie-Transport oder ich mache lieber aus. So Lückenfüller-Musik kann ich mir nicht anhören. Es ist zwar selten, aber ab und zu haut dich ein Track dann auch richtig weg und du denkst dir: "Hey was für ein geiler Song!"
rap.de: Beobachtet ihr oder verfolgt ihr deutschsprachigen Rap? Wie empfindet ihr die Entwicklung der letzten Jahre die Tendenz zu Gangster Rap?
Dresta: Wir haben ja 2005 mit "Gangsta Gangsta" sogar eine EP zu diesem Thema rausgebracht. Damals war das gerade der absolute Boom von Gangsta-Rap in Deutschland. Viele Artist haben das als ziemlich peinlich in ihren eigenen Songs behandelt, wie zum Besipiel Curse in seiner Albumsingle oder auch Olli Banjo, der zwei Monate vor unserem EP-Release auf der Juice CD auch einen Song hatte, der "Gangsta Gangsta" hieß und in die gleiche Richtung ging. Ebenso wie diese beiden, haben wir unsere Kampagne damals aber nicht als generelle Verurteilung von Gangsta-Rap gesehen, auch wenn die Medien das in ihren Headlines gerne so dargestellt haben. Ich bin selbst mit Westcoast in dieses Rapding gekommen, habe alle Alben von Ice Cube oder N.W.A und habe das auch immer gefeiert. Es ging uns einfach darum, dass neben den paar echten Street-Rapleuten, die es ja nun auch in Deutschland hier und da in den krassen Gegenden gibt, einfach wahnsinnig viele Möchtegern-Typen auf diesen Zug aufgesprungen sind. Jeder tat plötzlich, so als ob er der krasse Rap-Gangster oder Ober-Zuhälter wäre. Diese stumpfe Kopiererei fanden wir als Gruppe, die über viele Jahre in der Szene gewachsen ist und die ursprünglichen Ideen von HipHop noch gelebt hat, einfach zu bescheuert. Da wollten wir Stellung beziehen und anstatt uns mächtig aufzuregen haben wir die Sache dann eben verarscht. Ich meine, klar: Wenn jemand gerade in der Pubertät ist und rebellieren will ist das schon geil für den, sich so was wie Frauenarzt oder die frühen Bass Sultan Hengzt Sachen reinzuziehen. Aber für jeden, der aus dieser Phase raus ist, ist doch klar, dass das alles nicht stimmt. Es ist dann vielleicht immer noch Unterhaltung und es gibt ja auch Action- und Pornofilme, die sich großer Beliebtheit erfreuen, aber das hat für mich nichts mit dem Gedanken von HipHop zu tun. Ein 50Cent kann so was erzählen, weil er eben wirklich 9 Mal angeschossen wurde und auch an traurigen Beispielen wie Proof, 2Pac, Big Pun, etc. sieht man, dass die Sache bei denen einfach wirklich so heftig abläuft. In Deutschland habe ich noch nichts von einer Schießerei zwischen Optik Records und Snaga&Pillath gehört, weil die einen ein Problem mit den anderen haben. Ich weiß auch gar nicht, warum sich manche offenbar ein Deutsches Compton wünschen wo dauernd wer abgeknallt wird. Jeder der ein bisschen Grips im Kopf hat, sollte froh sein, dass es hier anders läuft, auch wenn sich die Umstände immer weiter verschlimmern. Da braucht man nicht allen weiß machen, wie heftig es doch hier selbst in Buxtehude wäre und das auch noch cool sei. Ist aber auch nur unsere Meinung gewesen und wir hatten über unsere Presse- und TV-Partner eben die Möglichkeit diese Meinung vielen Leuten mitzuteilen.
rap.de: Nach dem was du gerade gesagt hast und wenn man schon so lange dabei ist, kann man dann Voraussagen treffen, was der nächste Trend ist, was wird als nächstes auf MTVIVA rund laufen wird?
Dresta: Also auf jeden Fall wird da kaum noch Deutschrap laufen! Die filtern ja ganz krass aus was denen einen Vorteil bringt wenn es da läuft und was nicht und das Interesse an Deutschrap geht in den großen Medien auf jeden Fall nach unten. Das hat auch sehr viel mit diesem "Gangsta, Bling Bling, Nutten und Koks"-Image zu tun und jeder noch einen draufsetzen will um in diesem GhettoRap-Spiel überhaupt noch aufzufallen. Die großen Firmen wollen zum Beispiel immer weniger in HipHop-Magazinen ihre Werbung schalten, weil sie keinen Bock haben ihr neues Handy neben irgendwelchen Pistolenläufen oder Mordszenarien zu platzieren. Wenn diese Investoren fehlen, gehen die Magazine langsam kaputt, was man auch an den sinkenden Auflagen und fallenden Anzeigenpreisen merkt. Obwohl alle davon labern verkauft kaum noch einer etwas. Wir haben ja über Sony die echten Zahlen von einigen Acts als Vergleich und sehen, dass da kaum was geht. Das hat natürlich auch viel mit Downloads zu tun aber auch damit, dass momentan vieles in dieselbe Richtung geht.
Ich denke, dass die Gangsta-Pimp-Welle jetzt langsam übersättigt ist und sich ein gewisses Gleichgewicht einstellen wird. Insgesamt wird die Rapszene meiner Meinung nach aber auf jeden Fall auch viel jünger werden, weil dieses Image von Rap den Leuten einfach irgendwann zu blöd wird. Es ist ja auch eine sehr junge Jugendkultur aber andere Musikrichtungen, wie zum Beispiel Rockmusik, die anfangs ja auch sehr jugendlich und rebellisch war, haben es geschafft, die Leute kontinuierlich anzusprechen und sind deshalb auch so groß geworden. Wenn HipHop nicht diesen Sprung schafft, wird er sich, statt sich weiter zu vergrößern, sicherlich bald wieder verkleinern, denn die nächste Generation will nicht dasselbe machen wie die vorige. Die wollen dann vielleicht alle Elektro-Crunk-Punk hören und lassen sich die Haut grün färben um sich abzugrenzen.
rap.de: Erkläre doch mal bitte den folgenden Satz aus dem Pressetext: „…lässt Dresta auf dem Song Game Over, dessen Spielzeit nicht zufällig 6:49 beträgt,..“
Dresta: "Game Over" ist ja die RaportaZ-Geschichte von Gründung bis Schluss. Also sozusagen ein Song über unsere Zeit im HipHop-Game, die jetzt zu Ende ist. Der Erfolg in diesem "Game" hängt von so vielen Faktoren ab, dass man letztendlich neben harter Arbeit auch einfach Glück haben muss. Es ist also ein Glückspiel in denen ganz wenige sehr reich werden und tausend andere gar nichts oder kaum was bekommen. Genau wie beim "6 aus 49"-Lotto. Die Spielzeit 6:49 Minuten bei „Game Over“ ist also ein versteckter Hinweis darauf, dass das "Game" von dem da gesprochen wird ein Glückspiel ist. Wir haben unseren Einsatz auf jeden Fall wieder rausgekriegt, aber bevor wir alles verzocken, hören wir jetzt lieber auf, weil wir an diesem Spieltisch eine lange, gute Zeit hatten und nicht zuletzt noch das Haus und die Frau verzocken wollen…
rap.de: Ok, mir geht ein Licht auf. Tricky. Im Zusatzmaterial sieht man, wie ihr im Auto irgendwas hört, was ihr bei MySpace aufgetan habt. Deutscher Rap hat sich ja auch durch das Internet enorm verändert, dadurch, dass nämlich auch Junge XY im tiefsten Buxtehude der gut rappt leichter Gehör finden kann und gleichzeitig viel leichter an Platten von anderen Künstlern und Kontakte kommt, andererseits der Markt aber auch überflutet wird. Wie siehst du das, welchen Einfluss hat das Internet auf Rap?
Dresta: Das Internet hat, glaub ich zumindest, nur innerhalb der Szene einen wirklichen Einfluss, aber dort einen sehr starken. Viele Typen verbringen jeden Tag sehr lange bei MySpace um ihre Klicks zu bekommen und Freunde zu sammeln und sind dann cool. Es veröffentlicht ja auch jeder eine Download EP oder ein Download-Album und je jünger der User ist, desto mehr postet er auch seine, leider meist pubertäre Meinung, in zig Foren. Außerhalb der Szene interessiert das die Presseleute oder andere aber einen ziemlichen Scheiß und das ist auch gut so. Sogar die Künstler selbst sagen ja immer wieder, dass sie kaum oder gar nicht auf diese Portale gehen, weil sie das zu heftig beeinflussen würde oder einfach die Zeit Verschwendung ist. Ich versuche auch immer, da möglichst wenig drauf zu geben, denn im Prinzip kann da irgend so eine Kinderclique plötzlich als Meinungsmacher agieren. Wenn ich auf MySpace bin, höre ich mir zum Beispiel nie was an, sondern bestätige nur die Freundesanfragen, weil man ja auch nicht unhöflich sein will und dann gehe ich wieder raus. Zum Glück verlangen die Leute, die in entsprechenden Positionen sitzen, auch mehr als eine billige MySpace Visitenkarte. Da geht es dann eher darum, welche Tonträger man hergestellt hat, wo man aufgetreten ist und was man an besonderen Dingen vorweisen kann. Wo kämen wir denn da auch hin wenn man seine Karriere nur über das Internet betreibt? Trotzdem ist das Web innerhalb der Webuser natürlich enorm wichtig und vielleicht wird es auch noch wichtiger, aber ich denke, dafür ist es zu unpersönlich. Ich hoffe zumindest, dass die Menschen immer noch mehr Wert auf Persönlichkeit legen als auf Bits und Bytes. Für die Informationssuche nach Kontakten etc. ist das Internet allerdings top. Also wenn man das Ganze als Arbeitsgerät versteht, kann es schon von ziemlichem Nutzen sein.
rap.de: Rapper sind ja inzwischen überall präsent und teilweise ja auch zu richtigen Promis geworden. Ihr seid jetzt lange dabei. Kennst du so etwas? Das Leute auf euch zukommen und euch als Star sehen und erkennen? Die Leute haben ja auch oft das Gefühl einen Künstler tatsächlich zu kennen, weil sie die Musik dieses Künstlers gehört haben.
Dresta: Auf mich kommen nicht so viele Leute zu und sprechen mich auf das Musikding an. Ab und zu passiert das schon mal auf der Straße, wenn mal auf einer Party bin oder komischer Weise auch oft beim Frisör aber bei mir ist das nicht so oft. Man merkt aber übrigens, wenn einen jemand erkannt hat. Kann ja auch immer sein, dass es Leute sind, die hier bei uns im HipHop-Niemandsland was gegen einen haben, weil sie einem den Erfolg mit RaportaZ nicht gönnen oder meinen, man hätte das nicht verdient. Die trauen sich aber erst recht nicht, einen anzusprechen, sondern warten dann lieber, bis sie über Internet eine Mail schreiben können, weil sie sich da sicher fühlen. Meinen DJ sprechen die Leute da viel öfters an aber der wirkt auch offener. Ich vermittle auf den ersten Eindruck angeblich eher so eine "lass mich in Ruhe"-Ausstrahlung, wird mir öfters gesagt. Ist eigentlich auch tatsächlich so. In Mails lese ich aber schon oft, dass ich dem einen oder anderen aus der Seele sprechen würde und so. Aber so extrem ist das nicht. Es gibt dann eher aus unserem HipHop-Umfeld Leute, denen man anmerkt, dass sie komisch reagieren, wenn sie Leute aus meinem Umfeld kennen lernen, die mit HipHop gar nichts zu tun haben. Mein kompletter, fester Freundeskreis zum Beispiel hat fast gar nichts mit HipHop zu tun und das sieht man ihm auch an. Das scheint auf manche komisch oder zumindest sehr unerwartet zu wirken.
rap.de: Na gut, dann wünsche ich dir und euch in jedem Fall viel Erfolg bei dem was ihr in nächster Zeit so anpackt….Danke für das Interview. Hast du noch was?
Dresta: Ja, auch besten Dank für das Interview und "Danke" auch an alle Fans und auch Hater die RaportaZ über die Jahre begleitet haben. Ihr habt uns gezeigt, dass wir ein bischen was bewegen konnten mit unserer Musik und letztendlich ne Menge Leute erreicht haben. Das ist ein gutes Gefühl. Es hat sich auf jeden Fall gelohnt!