Nico Suave

Als das erste Mal von Nico Suave Notiz genommen wurde, war ich noch im Teeniealter und schwer geflasht, denn "Sternzeichen Krebs" auf dem Eins Zwo-Album war eins der absoluten Rap-Highlights der Jugend. Dieser Tage hat er sein drittes Soloalbum veröffentlicht und bewiesen, dass er noch genauso frisch ist wie in den "guten alten Zeiten". Aus diesem Grund kontaktierte rap.de den Rapper.

rap.de: Dein Album wurde letzten Freitag veröffentlicht. Bist du nach 10 Jahren im Rap-Biz immer noch aufgeregt oder schon abgeklärt?

Suave: Es ist immer aufregend, wenn man eine VÖ raushaut, aber nervös bin ich nicht wirklich. Dafür hab ich auch momentan zu viel zu tun.
rap.de: Mit welchen Erwartungen gehst du denn dann an den Albumverkauf ran?

Suave: Ich versuche meine Erwartungen runterzuschrauben, um nicht später völlig am Ende in der Ecke zu hängen und wie ein kleines Kind zu heulen. Hahaha…Da mein letztes Album eher mies gelaufen ist, was die Verkäufe anging, bleib ich schmoove!
rap.de: Was für eine Idee steckt hinter „Suave and Friends“ bzw. wieso wolltest du das unbedingt machen?

Suave: Die Idee ist ja nicht wirklich neu, aber seit Ende 2005 hatte ich sie mit mir rumgetragen und nach der Denyo-Tour im Februar 2006 fing ich an, ins Studio zu gehen. Ich wollte einfach mit vielen Leuten zusammenarbeiten und gute Musik machen. Ich bin sehr happy mit der Platte.



rap.de: Nach welchen Kriterien hast du dir deine Freunde ausgesucht? Nach Verfügbarkeit oder nach wirklichen Freunden?

Suave: In erster Linie nach Leuten, auf die ich Bock habe: menschlich sowie musikalisch! Es sind Leute dabei, die ich schon seit Jahrzehnten kenne, aber auch Jungs, mit denen ich eine eher geschäftliche Freundschaft pflege. Mir ging´s da nicht um die Big-Names, sondern wirklich um Musiker, die das gleiche Ziel verfolgen wie ich und bei denen die Chemie einfach stimmt.
rap.de: Würdest du mir denn zustimmen, wenn ich sagen würde, dass diese Chemie ein Album der guten alten Sorte hervorgebracht hat. Einfach Rap-Musik ohne irgendwelche Allüren und Posen.

Suave: Ja! Wobei ich Schwierigkeiten damit habe, wenn man das Album mit alten Sachen vergleicht, denn es klingt derbe frisch. Mich stört einfach, dass Medien und die Szene so tun, als würde es den Sound, den ich fahre, nicht mehr geben. Die Leute sollen sich mal Amireleases anhören wie Black Milk, Royce, Lil Brother  usw., die gerade jetzt veröffentlicht werden. Der Sound existiert noch, nur beschränken wir uns, wie du es schon sagst, eher auf Rap und gute Musik!

rap.de: Ich finde, dass das Ganze eher ruhig und ‚soulig’ geworden ist. Geschieht so etwas bewusst oder ist es ein zufälliges Nebenprodukt? Ich habe den Eindruck, dass es heutzutage viele Rapper gibt, die gut genug für ein Feature sind, aber nicht Ideen für ein Album haben. Wie geht man denn an die Entwicklung eines Albums ran?

Suave: Bei mir ist es so, dass die Idee und das Soundbild im Kopf entstehen. Dann mach ich mich auf die Suche nach passenden Beatz für die Platte und dann fange ich an zu schreiben. Für mich ist sehr wichtig, dass ein Album musikalisch einen roten Faden hat, was nicht immer leicht ist bei einer Platte wie "Suave & Friends". Viele Tracks oder Demos landen auch im Müll.

rap.de: Du hast vor fünf Jahren in einem anderen Interview gesagt, dass die Medien den HipHop zerstören. Wie siehst du das heute in der Zeit, wo sich die Medienpräsenz von Rappern verdoppelt bzw. verschlimmbessert hat?

Suave: Das find ich cool bzw. machen das ein paar Rapper hier sehr gut. Was ich viel schlimmer finde, ist, dass viele Medien bei deutschen Rap direkt zu machen. Viele denken, was sie überall lesen, und sehen darin die deutsche Rapszene verkörpert. Jungs wie ich, die eine komplett andere Schiene fahren als das, was gerade auf MTV und VIVA läuft, haben es ohne große Plattenfirma echt schwer. Was soll ich sagen "Wir arbeiten daran"!

 

rap.de: Hat man demnach als ‚normaler’ Rapper überhaupt noch Chancen sich selber zu vekaufen, wenn nicht eine große Industrie hinter einem steht?

Suave: Ich denke schon, aber die Chancen sind gering. Klar macht Bock auf´n Beat promomäßig einen derben Job und jeder Suave-Fan weiß jetzt, dass mein Album am Start ist, aber irgendwann rennt man gegen Wände und es wird schwer diese zu durchbrechen.
rap.de: Du sagst, man rennt gegen Wände. Meinst du damit, dass es unmöglich ist z.B. sein Video im Fernsehen zu platzieren, weil hinter dir nicht die große Industrie steht? Nach dem Motto „Sie verhindern noch die Ausstrahlung meiner Clips, aber nicht meine Ausstrahlung auf die Kids.

Suave: Ja, man. Ich habe es doch bei meinem letzten Album gemerkt. Wir hatten den Song „Suave“, der bei sämtlichen Radiosendern in den Top 10 der Hörercharts war, der live alles zerstört. Trotzdem wollten die Fernsehsender den Song nicht haben bzw. das Video nicht spielen. Das ist halt scheisse, weil du dann Cash ausgibst, was du besser in andere Sachen stecken könntest. Wir haben deshalb damals lieber das Geld in eine Streetpromotour gesteckt.

rap.de: Kann man denn in der heutigen Zeit alleine von seinen Alben und Konzerten leben?

Suave: Ja, aber eher schlecht als recht! Ich jobbe zwei Mal die Woche im Planetstore in Dortmund (HipHopStore) Für mich ist es halt auch ne gute Abwechslung zu dem ganzen Rap-Biz.
rap.de: Wenn du sagst, dass du heutzutage eher schlecht als recht davon leben kannst: War das früher mal anders? Hat sich das durch die Überschwemmung von Mp3s im Internet verändert oder stehst du dem locker gegenüber? Man muss als Musiker ja schließlich auch an Geld denken …

Suave: Also beim ersten Album konnte ich schon gut davon leben, was die jetzige Situation natürlich ziemlich hart macht. Trotzdem komme ich klar und weiß, wie man sich über Wasser hält. Ich denke, es liegt nicht nur am Internet. Klar sind die Zeiten des hohen Abverkaufs vorbei und das Internet spielt da auch eine große Rolle, aber zum Teil ist es auch meine eigene Schuld. Ich war damals halt als Artist noch nicht gefestigt und hab den Anschluss verpasst. „Shit happens“, aber ich glaube ich bin auf´nem guten Weg das Baby wieder hoch zu bringen.

 

rap.de: Ich weiß, dass folgendes eine schon so oft gestellte Frage ist, aber mich würde deine Meinung interessieren, da du mir in Interviews immer sehr entspannt und offen erscheinst, was den „modernen Deutsch-Rap“ angeht: Gibt es Zeiten, in denen du dich in die 90er zurücksehnst, weg von all dem Gehabe der heutigen Zeit? Nach dem Motto: „Du willst hart sein, hart sein, du ödest mich an und ich schlaf ein…

Suave: Ich sehne mich oft zurück, aber das hat viele Gründe. Damals war halt alles neu für uns. Heute kriegst du Rap an jeder Straßenecke, aber früher eben nicht. Ich wollte nie dieser Typ werden, der den Zeigefinger hebt und den alten Zeiten hinterher trauert, aber manchmal…Diese ganze Wannabe-Hard-Scheisse geht mir ziemlich auf den Sack. Wenn du ein harter Typ bist, weil deine Gegend, aus der du kommst, dich geprägt hat, dann ist es völlig klar, dass du nicht über Blumen rappst. Aber wenn du studierst oder dein Dad Arzt ist, dann erzähl mir nix von "harter Jugend" oder so.
rap.de: War es vielleicht damals auch einfach entspannter, Rapper zu sein, da das Ganze eher eine eingeschworene Gemeinde war? Heutzutage proklamieren ja viele Rapper, dass sie die Besten sind, weil sie aus dem Westen, Süden, Norden etc… kommen. Gab es damals auch schon diese geographische Rivalität?

Suave: Klar gab es die, das ist ja auch ein großes Ding im Rap. Man muss seine Gegend representen, um auch nie zu vergessen, wo man herkommt. Was mich abturnt, ist einfach das Ding, dass viele Medienstationen meinen Sound blocken, weil sie der Meinung sind, das Thema sei durch. In den Staaten funktioniert auch ein Kanye neben einem Fifty oder ein Black Milk neben Ill Bill. Die sollen sich alle mal locker machen hier.

rap.de: Was hast du denn vor, falls es dich zu sehr abturnt? Du hast in einem Interview auch mal die fehlende Jugendarbeit erwähnt. Möchtest du in dieser Richtung vielleicht mal etwas machen oder machst du es schon?

Suave: Ich versuche mich jetzt gerade erstmal auf meine Sache zu konzentrieren, um endlich wieder Fuß zu fassen und langsam wieder eine Basis zu schaffen. Früher oder später möchte ich mich aber auf jeden Fall der Sache widmen. Ich meine, für Jugendliche wird kaum noch etwas gemacht. Das ist halt auch ein Grund, weshalb ich mich zurücksehne, denn zu meiner Zeit gab es für Kids mehr Möglichkeiten sich zu beschäftigen. Das muss sich ändern!! Ansonsten bin ich Mucker und will das auch immer machen, aber ob ich mit 40 noch rap? Ich weiß es nicht.



rap.de: Was hattet ihr oder du denn damals für Möglichkeiten?

Suave: Ich bin damals Skateboard gefahren und es gab verschiedene Spots, wo wir das machen konnten. Heute gibt es in meiner Stadt kaum Möglichkeiten zu skaten oder Basketball zu spielen. Mein Bruder und ich haben immer im Jugendzentrum abgehangen und regelmäßig gab es Jams, die wir selbst zum Teil organisiert haben. Es gab Diskotheken bzw. jeden Sonntag Teenie-Disko. Wir haben damals auch gekifft und Shit gebaut, aber hatten Ausgleichsmöglichkeiten. Heute werden Jugendhäuser geschlossen. Die Kids hängen nur noch ab und bauen Scheiße, weil ihnen langweilig ist. Es gibt aber noch etliche Sachen, die man machen müsste.
rap.de: Woran könnte das denn liegen, dass die Jugend heute nicht mehr so wichtig genommen wird? Schließlich ist die Jugend das Potential der Zukunft.

Suave: Ich glaube, dass die Politiker versuchen, die Arbeit den Eltern zu überlassen. Bis zum 18. Lebensjahr sind die ja auch für die Erziehung zuständig. Aber viele Eltern kriegen es gar nicht hin, da beide arbeiten müssen, und so bleibt das Kind auf der Strecke. Wir „Erwachsenen“ haben ja noch mal ganz andere Dinge, um die wir uns Sorgen machen müssen. Soweit sollen die Kidz heute noch gar nicht denken, was Miete, Essen usw. betrifft. Die hohe Arbeitslosigkeit macht die Leute hier auch fertig, wobei zum Teil das Land auch faul ist. Wenn du zum Arzt rennst, musst du latzen, oder wenn du im Krankenhaus liegst. Das geht gar nicht!!
rap.de: Das war es dann schon, nur noch die letzte obligatorische Frage: Hast du deinen rap.de-Lesern noch etwas mitzuteilen?

Suave: Checkt auf jeden Fall meine Homepage „nicosuave.de“ oder geht auf myspace.com/suavelishes und zieht euch Infos. Auf den Seiten könnt ihr auch ins Snippet reinhören und meine Sache hier genau verfolgen. Besucht mich auf meinen Gigs und haltent Augen und Ohren offen.