„Am Ende des Tages“ erklärt Abroo zu Beginn seines neuen Albums „stehen wir alle zwischen Liebe und Hass“. Wie er mir später im Gespräch erzählen wird, hatte er mehrer Gründe sein Album so zu nennen. Dass er das Wort „Liebe“ in den Albumtitel gepackt hat, verwundert fast schon ein wenig, denn diverse Tracks und das Video zu „Kopfgeld“ sind Beweis genug, dass gerade der MC aus Lemgo einer ist, der seinen Hass auf den Vater lange Zeit ebenso in die Öffentlichkeit trug, wie das ein gewisser Marshall Mathers im Falle seiner Mutter schon zuvor getan hat. Dennoch ist Abroo weitaus mehr als der den Vater hassende Punchlinekönig aus dem Buckwheats Camp. Wer Abroos neues Album hört, bemerkt, wie er sich Bar für Bar, Track für Track zum charismatischen Künstler entwickelt hat, der dennoch oft und gerne falsch eingeschätzt wird. So steht Abroo nicht nur zwischen Liebe und Hass sondern auch zwischen Jay-Z und Sage Francis.
Schon bevor er bei Buckwheats Music unterschrieb und mit den „Kindern Des Zorns“ zum ersten Mal in einem größeren Rahmen in Erscheinung trat, hat Abroo Alben veröffentlicht. „Doch diese hatten nicht genügend Substanz, um mich über die Grenzen meiner Heimatstadt Lemgo hinaus bekannt zu machen. Diese Veröffentlichungen sollten eher zeigen, dass es auch jemanden gibt, der hier im Kaff Musik macht“, äußert er sich kritisch über seine ersten Schritte.
Als er dann Separate nicht nur kennen gelernt -sondern diesen auch von seinen Fähigkeiten überzeugt hatte, bekam er von Seppo nicht nur das Angebot, zukünftig über Buckwheats Alben zu releasen, sondern man beschloss auch sofort, den Einstand mit einem gemeinsamen Crew Album zu begießen. So wurde die „Kinder Des Zorns“ geboren und zum ersten Mal bekam Abroo einen Einblick, wir ein Album professionell aufgenommen wird. „Es war neu für mich im Studio zu sitzen und direkt nach dem Text schreiben konzentriert aufzunehmen. Da war ziemlich viel Zug dahinter und bei vielen der Tracks haben wir nicht einfach drauf los geschrieben, sondern hatten ein Konzept.“
Nach dem Release des „Rap Art War“ Albums, fokussierte sich Abroo dann zunächst auf Features, um im nächsten Schritt mit seinem „Das Spiel ist aus“ – Mixtape das Feld für sein Solo-Album zu bereiten. Jetzt endlich, nachdem er zuvor an 17 Releases beteiligt war, veröffentlicht der MC, dem der Ruf des „Punchlinekönig“ voran eilt, sein Album.
Der Stellenwert dieses Releases ist für Abroo hoch, er selbst bezeichnet seine Solo LP immerhin als seinen bisher wichtigsten Release.
Diesen Stellenwert dürfte sie auch dadurch gewinnen, dass Abroo nicht da weiter macht, wo er mit seinem Mixtape aufgehört hat. Weder gibt es ein „Cleaning Out My Closet“ noch ein Beatgemetzel in 17-facher Ausführung. Abroo setzt auf Vielfalt und auch im Titel des Albums soll dies deutlich werden:
„Der Titel Liebe und Hass steht im Endeffekt für alles, was ich mache und vor allem fasst er das Album perfekt zusammen. Manchmal gibt es in den Tracks einen Part, wo ich über meine Wut und meinen Hass spreche und dann direkt danach kommt ein Part über die positiven Dinge in meinem Leben. Dabei bezieht sich mein Hass gar nicht nur unbedingt gegen meinen Vater wie viele annehmen werden. Gerade der Track „Oh Daddy“ ist so etwas wie meine Abrechnung mit ihm und zugleich ein Ausblick und mein Versprechen, seine Fahler selbst nie zu wiederholen. Ich bin mittlerweile 29, es wird Zeit, dass ich mit ihm abschließe.“
Auch wenn mit seinem zweiten
Soloalbum nun also dieses dunkle Kapitel seiner Biografie mehr oder minder beendet ist, gibt es für Abroo immer noch genügend Dinge, „die mich so sehr ankotzen, dass ich da mein Mund einfach aufmachen muss!“
Dies tut er auf seinem Album häufiger und dabei geht es weniger ums Rapgame, sondern er präsentiert sich sozialkritisch und manchmal sogar politisch: „Gerade ,wenn ich die Zustände in unserem Land sehe, die Perspektivlosigkeit, die manche Jugendliche haben und dann all die Lügen höre, die uns aufgetischt werden, bekomme ich eine große Wut im Bauch.“
Trotz aller Ernsthaftigkeit ist Rap für ihn aber auch immer ein Stück Entertainment. Diese beiden Elemente zu verbinden ist nicht immer einfach und so überlegte Abroo lange, wie er die ernsthaften und lockeren Tracks auf seinem Album verknüpfen sollte.
Bis dann die Trackliste von „Zwischen Liebe Und Hass“ schließlich fertig war, verging einige Zeit, denn der MC aus Lemgo verfolgte auf seinem Album eine klare Linie: „ Ich wollte, dass es erstmal mit einigen Ansagen losgeht, so wie die Leute mich eben kennen: krasse Punchlines eben. Zur Mitte des Albums werden die Tracks dann immer langsamer, ruhiger und mit „Oh Daddy“ steht ein sehr persönliches Lied im Zentrum. Nach diesem Track kommt dann wieder zum Ende etwas mehr Tempo auf. Ganz zum Schluss habe ich nochmals mit Absicht einen langsamen Song gewählt, ohne Hook. Das soll verdeutlichen, dass es am Ende nur um den Inhalt geht.“
Obwohl er sich auf seinem Album facettenreicher denn je zeigt und darauf hofft, auch Fans, die keinen HipHop hören, mit seinen Tracks zu gewinnen, befürchtet Abroo selbst, dass ihn seine Selbstdarstellung auf dem Albumcover in eine bestimmte Ecke drängen. Wer im Jahre 06 in Rapdeutschland auf seinem CD-Cover mit fitted Cap und im Scarface Shirt posiert, ist im nu in der Gangster-Schublade verschwunden.
„Ich finde es schon krass, dass vor allem der Scarface– Abbildung auf dem T-Shirt so eine große Bedeutung beigemessen wird. Ich träume weder einen amerikanischen Traum noch bin ich ein Gangster. Statt „Scarface“ hätte es genauso ein “Big Lebowski“ T-Shirt sein können. Ich bin schlicht und einfach Filmfreak, habe sogar schon selbst Kurzfilme gedreht und das sind eben zwei meiner Lieblingsfilme. Ich stehe vor allem auf Erzählerkino ohne große Special Effects.“
Auf seinem Album zollt er dieser Liebe nicht zuletzt mit seiner gerappten Nacherzählung von Martin Scorseses „Taxi Driver“ Tribut. „Diesen Film kennen viele von den Kids vielleicht nicht mehr, aber einige ältere Leute, die mit meiner Musik sonst bestimmt nicht hätten anfangen können, haben eben jenes Liedtitel gelesen und dann das Lied angehört. Ich kann mich noch erinnern, wie ein 50-Jähriger zu mir kam und meinte, dass der Film vor seinen Augen abgelaufen ist, als er den Track gehört hat. Leute wie er haben auch meine Ansicht bekräftigt, dass dieses Lied – auch wenn der Film 30 Jahre alt ist, den Nerv der Zeit trifft. Es wird einfach langsam Zeit, dass der kleine Mann mal aufsteht und versucht die Dinge zu ändern!“
Während es mittlerweile ja fast schon HipHop Volkssport ist, sich negativ über die momentane Situation der Rap-Szene in Deutschland zu äußern, fällt Abroos Szenekritik eher kürzer aus:
„Es gibt Rapkünstler, die ihr Image schon so verkrampft verkörpern, das sie auch als Schauspieler durchgingen. Dazu kommen dann teilweise Alben, die etwas von Film-Remakes haben und einfach nur langweilen“. Allerdings verraten seine Vergleiche den Filmfreak in ihm und so äußert er sich lieber kritisch zur Filmindustrie. Dort stört ihn, dass momentan einfach zu viele Filme produziert werden, die vielleicht viel kosten, aber schlussendlich einfallslos sind. „Es gibt mittlerweile zu viel Popcorn Kino und zu wenige Filme, von denen man wirklich etwas mit nach Hause nimmt.“
Vielleicht spricht er auch deshalb lieber über die Filmindustrie als über die Rapszene, weil für ihn weder als Künstler noch als Konsument die starren Regeln innerhalb der HipHop Kultur jemals eine Rolle gespielten haben. Ebenso wie er den Begriff „Backpacker“ hasst, hörte er immer schon jede Art von Rap. „Als ich einmal mit einem Bekannten Platten kaufen war und mir ein Jay-Z und ein Sage Francis Album gekauft habe, fand der das schon komisch und hat mir einen merkwürdigen Geschmack attestiert, aber mir ist das egal.“
„Für mich wäre zum Beispiel ein Juelz Santana Feature uninteressant. Klar ist er ein sehr guter Rapper, aber er hat für mich bei weitem nicht diesen Heldenstatus eines Sean Price. Mir wäre es auch völlig egal gewesen, ob Sean Price überhaupt noch irgendjemand kennt. Das war kein Business Move. Ich glaube eh nicht, dass sich ein Album wegen eines Features besser verkauft. Bei mir war das ein persönlicher Wunsch. Mann, um Smiff’n Wessun zu sehen, bin ich damals nach London geflogen. Du musst dir das so vorstellen: Als ich von Shuko erfuhr, dass er Beats für die Bootcamp Clikk macht, bin ich durchgedreht und habe ihn genötigt wegen eines Features anzufragen. Als das dann lief und ich irgendwann eine Mail mit dem Part von Sean P nach Lemgo auf meinen Bauernhof bekam, habe ich mir den Part erstmal angehört, dann den PC ausgemacht und mich den Rest vom Tag auf die Couch gelegt.“
Für Abroo ging mit diesem Feature nicht nur ein Traum in Erfüllung, sondern das Ami-Feature steht für ihn persönlich auch dafür, dass man auch als Rapper aus dem Dorf nach oben kommen kann.
So harmonisch Abroos Album am Ende geworden ist, während den Aufnahmezeiten gab es durchaus auch stressige Phasen. Schuld daran war Separate, seines Zeichens wahrscheinlich größter FSV Mainz 05– Fan. Laut Abroo, der selbst bekennender Hertha BSC Anhänger ist, lässt es sich Seppo nicht nehmen zu jedem Feature aus Prinzip im Mainz 05 Trikot anzureisen. Weil Separate Abroo nun zu den Schalke Fanatikern Pillath und Snagga nach Gelsenkirchen begleitete und auch in diesem Fall nicht auf sein Trikot verzichten wollte, gab es zunächst heftige Diskussionen und am Ende dann doch ein Feature. Abroo selbst erfährt als Hertha Fan auch vom Labelboss Akzeptanz. Eine Akzeptanz die er sich auch für seine Musik wünscht. Er selbst ist von dieser jedenfalls restlos überzeugt, denn „während der Rest in Deutschland immer nur Zuckerbrot verteilt, was ja schon ganz OK ist, habe ich den Leuten jetzt mal ein ganzes Buffet hingestellt.“ Zugreifen und guten Appetit…