Bushido

Wie seit dem vergangenen Wochenende bekannt ist, muss Bushido nicht ins Gefängnis. Sein Verfahren wegen schwerer Körperverletzung im österreichischen Linz endete am Freitag, den 04.11.2005 – also an demselben Tag, an dem sein neues Album „Staatsfeind Nr. 1“ in die Läden kam. Wie wir bereits berichteten, muss der Rapper ein Strafgeld in Höhe von 20.000, – € und 1.000, – € Schmerzensgeld zahlen. Dass das Verfahren nicht mit einer Verurteilung endete, beruht in erster Linie wohl auf den Feststellungen der Linzer Gerichtsmedizin. Nach einer Meldung der Website von ORF Oberösterreich erklärte ein Gerichtsmediziner im Prozess, dass die vom Geschädigten erlittenen Verletzungen am Kopf durch einen harten Aufprall infolge eines Sturzes entstanden seien, also nicht von Tritten herrührten.

Für Bushido und sein Label wird es ein Traumtag gewesen sein, denn wirklich sicher war dieser Ausgang der Sache nicht. Bushido zeigte sich im Gespräch von der erlebten Untersuchungshaft auch nachhaltig beeindruckt und stellte klar, dass er nicht für Fame oder Promotion in den Knast gehen würde. Dennoch hat die Sache einen unguten Beigeschmack – schon auf dem Album gibt es Zeilen, die sich leicht so lesen lassen, als brüste er sich der Geschichte. Seine am 06.11. begonnene Konzert-Tour heißt „Gegen Kaution auf Tour“ und im Interview mit der Juice sagt er sinngemäß selbst ganz offen, dass Vieles wohl kalkuliert ist. Ob dazu auch Bushidos Aussage vor Gericht zählt, er sei verheiratet, ist schwer zu beurteilen. Ein gewisses Schmunzeln dürfte die Meldung jedenfalls ausgelöst haben. Wie auch immer – Anis Ferchichi ist wieder im Spiel, ein Spiel, das mit Musik allerdings nur noch am Rande zu tun hat.

Das Interview, das ihr hier lesen könnt, wurde einige Wochen vor dem Verhandlungstermin geführt. Der erste Teil, in dem Bushido zur Situation in Linz Stellung nimmt, knüpft also noch an eine andere Sachlage an – dennoch wollen wir Euch seine Eindrücke nicht vorenthalten.

rap.de: Du bist ja nur unter Auflagen aus der U-Haft in Linz entlassen worden. Welche genau sind das und weshalb können wir uns eigentlich heute hier unterhalten? Anfangs hieß es, du müsstest in Linz bleiben.

Bushido: Richtig. Ich musste meine Ausweise abgeben und durfte das Land ursprünglich nicht verlassen, sollte also in Österreich chillen. Außerdem wurde mir eine Anti-Aggressionstherapie auferlegt, und ich musste 100.000, – € Kaution zahlen. Wir haben denen dann aber erklärt, dass ich hier [in Berlin] Termine wahrnehmen muss. Mein deutscher Anwalt Heiner muss nun immer per Fax Rechenschaft ablegen, wo ich mich wie lange befinde. Ich darf das Verfahren nicht beeinflussen und weder Zeugen noch Mitangeklagte treffen.
rap.de: Bist du bei der Zahlung der Kaution von deinem Label unterstützt worden?

Bushido: Das ist mein privates Geld. Universal, meine Bookingfirma und meine Freunde, die ja im Autohandel tätig sind, hätten mir die Kaution auch alle stellen können. Das wollte ich aber nicht, weil ich niemandem was schuldig sein wollte. Das Geld bekomme ich wieder, wenn ich zur Verhandlung erscheine.
rap.de: Wo wohnst du in Linz, seitdem du aus der U-Haft entlassen wurdest?

Bushido: Ich wohne bei Chakuza, dem einen Jungen von Beatlefield. Wir haben da jetzt ´ne Schwulen-WG. Das ist voll der Absturz – ich sitze den ganzen Tag in Linz und habe nichts zu tun. Seitdem das Album fertig ist, ist da tote Hose.
rap.de: Wie läuft diese Anti-Aggressionstherapie?

Bushido: Ich hatte da gerade ein Erstgespräch, bei dem die erst mal Daten über dich sammeln und ein Profil erstellen. Da bekommst du dann einen Therapeuten und ´nen Therapieplan. Du wirst da alles Mögliche gefragt, wie zum Beispiel, ob deine Mutter dich sexuell missbraucht hat. Ich denke mir dann immer „Was ist das denn?“ – ich habe eine Rangelei gehabt, hab mich mit ´nem Typen ein bisschen geschlagen, und das war ´s. Die schwere Körperverletzung habe ich nicht begangen. Mir wird ja vorgeworfen, ich hätte dem mit den Füßen auf den Kopf getreten, als er schon auf dem Boden lag. Das stimmt nicht. Ich habe auch immer gesagt, dass ich kein Problem mit meiner Aggression habe, ich habe nur eine Meinung.
rap.de: Kannst du die Therapie denn ernst nehmen?

Bushido: Ich fände es cool, wenn mir diese Sache helfen würde, einen anderen Blickwinkel zu bekommen, denn es könnte ja sein, dass ich ein Problem habe, das ich nicht wahrnehme. Mich interessiert schon, was die zu erzählen haben. Mich interessiert, mit welchen Argumenten, die mich überzeugen oder heilen wollen. Noch habe ich es nicht raus gefunden.

 

rap.de: Wegen was wirst du denn nun genau beschuldigt?

Bushido: Wegen absichtlicher schwerer Körperverletzung. Außer-dem waren ursprünglich noch Dokumentenunterdrückung und Nötigung dabei, was aber fallen gelassen wurde.

rap.de: Wie hoch ist das Strafmaß für absichtliche schwere Körperverletzung?

Bushido: Das Maximum liegt bei zehn Jahren, aber es kommt auf die Schäden an, die er davon trägt. Bei leichten Schäden sind es bis zu fünf Jahren, bei schweren bis zu zehn. In Österreich gibt es keine Bewährung wie in Deutschland, weil man ein Drittel der Haftstrafe mindestens antreten muss. Wenn ich z.B. neun Monate bekäme, müsste ich drei davon absitzen und der Rest könnte dann auf Bewährung laufen.
rap.de: Weißt du, wie es dem „Opfer“ geht?

Bushido: Er ist wohl außer Lebensgefahr und soll entlassen worden sein. Wir warten nun auf das medizinische Gutachten und anhand dieses Gutachtens kann man dann erst ermessen, wie die Dinge liegen. Im Internet sind ja ganz komische Dinge kursiert, von Schädelbruch bis Gehirntrauma. Das Gutachten wird dann vor allem auch klären, ob die Verletzungen tatsächlich durch Fußtritte, Gegenstände oder einen Sturz hervorgerufen wurden.
rap.de: Wie hat dein Umfeld auf die Nachricht von der Untersuchungshaft reagiert?

Bushido: Die waren alle sehr besorgt, angefangen bei Cassandra über meine Mutter, D-Bo und Saad bis zu Eko. Eko der Idiot hat wirklich vier Tage lang geglaubt, das sei eine Promo-Aktion gewesen. Der hat nach vier Tagen bei D-Bo angerufen und gemeint „Ich kann Bushido nicht erreichen, kannst du ihm sagen, dass er mich anrufen soll?“. Da meinte D-Bo „Du Spast, der sitzt im Knast“. „Wie im Knast, ich dachte, das sei Promo von Universal“. D-Bo war die ganze Zeit in Linz und hat alles gecheckt, mit Universal, meiner Mutter und meinem Anwalt – er war praktisch die Anlaufstelle für alle Berliner. Der hatte eine 1.600, – € Telefonrechnung für einen halben Monat. Er hat mich dann auch mit Chakuza abgeholt und sah aus wie ein Taliban mit so ´nem Riesenbart.
 

rap.de: Das Phänomen Aggro und Berlin generell ist ja inzwischen in jedem Feuilleton gewesen. Meistens kommen die Autoren dann mit der Feststellung, dass ja alles nicht so wild sei, weil es nur um Images gehe. Ich sehe das nicht so und finde es auch fragwürdig, dass du dich darauf zurückziehst, ja bloß die Realität abzubilden. Selbst wenn es so sein sollte, beeinflusst das die Mentalität der Leute und deren potentielle Reaktionen. Vielleicht reagieren auch andere früher aggressiv.

Bushido: Mit fehlt ein wenig die Möglichkeit, abzuschätzen, inwieweit ich als einzelner Rapper wirklich so eine krasse Wirkung auf Leute haben könnte, dass die sich komplett drehen, und z.B. plötzlich Frauen als Nutten beschimpfen. Das hat mir Hannes Loh ja unterstellt. Ich glaube, dass die Leute es sich da zu einfach machen. Dieses Problem, dass sich Leute durch Musik oder andere Sachen und äußere Umstände manipulieren lassen und verändern – dieses Phänomen ist viel zu komplex, als dass man das nun einem Sido, einem Bushido oder einem Savas wirklich unterstellen kann. Es ist immer leicht, die Schuld auf andere zu schieben. Wenn ein Sozialarbeiter wie Hannes Loh mir das unterstellt, fällt dem das doch leicht. Ich denke immer, kehrt doch erst mal vor eurer eigenen Tür. Auch Monika Griefahn – die hat noch kein einziges richtiges Argument gehabt und startet so ´ne Hexenjagd auf Leute aus Berlin. Die anderen aus Berlin sind mir ja eigentlich scheiß egal, sei es nun Hengzt oder sonst ein Vogel. Aber in dem Moment muss ich dann doch alle in Schutz nehmen, denn da gehören wir alle auf eine Seite. Ich finde es viel zu einfach, da immer von draußen drauf zu kucken und zu sagen, dieser Bushido oder Hengzt, Sido, Orgasmus oder Taktlos sorgen dafür, dass unsere Jugend verdreht wird. Die Leute machen es sich zu einfach. Genauso einfach, wie ich es mir mache, wenn ich sage, das ist nur Musik. Es ist bestimmt ein Mischmasch von allem. Natürlich gibt dir Musik eine gewisse Gefühlslage. Ich habe ja schon früh angefangen Musik zu hören – sei das nun 91 Black Sheep gewesen oder was auch immer. Was HipHop angeht, habe ich eine Menge mitbekommen, und ich habe letztens auch wieder gefeiert, als bei MTV Urban „Souls Of Mischief“ mit „93 til Infinity“ liefen. Ich hab das alles hinter mir – Eminem-Psycho-Kur, Rammstein höre ich die ganze Zeit im Auto, Marylin Manson gebe ich mir bis zum Abwinken und nichts davon hat mich dazu gebracht, irgend etwas in meinem Leben anders zu machen. Was für ein Mensch muss man sein, um sich Rap anzuhören und dann zu sagen „Alle Frauen sind Nutten, ich gehe jetzt auf die Straße und schlitze einen Neger auf.“? Das ist doch alles Schwachsinn. Natürlich kann ich da aber nur von mir sprechen, ich bin da resistent.

rap.de: Du hast eben den Song „Augenblick“ vorgespielt, der ein Beziehungssong ist – ist der jemandem gewidmet, der tatsächlich existiert?

Bushido: Nicht wirklich – das ist ein Mischmasch. Ich habe einen sehr guten Freund, der mir sehr nahe steht, und der in Tunesien im Koma lag. Glücklicherweise ist er wieder aufgewacht und hat sich erholt. Andererseits macht man ja auch immer wieder Enttäuschungen mit einem Mädchen durch und in dem Song habe ich das kombiniert. Ich habe das sozusagen zusammen geworfen.
rap.de: Gibt es Songs auf deinem neuen Album, die du als für dich eher untypisch bezeichnen würdest?

Bushido: Es gibt einen Song, der „Engel“ heißt und bei dem ich davon erzähle, wie ich bei einem kleinen Mädchen als Engel im Zimmer chille, weil dessen Eltern extrem uncool mit ihm umgehen. Dann gibt es Songs mit D-Bo, der „Sieh In Meine Augen“ heißt und sehr depressiv ist. Mit Chakuza gibt es einen Song mit dem Namen „Mein Leben Lang“, der ebenfalls sehr depressiv ist und so gesehen gibt es wohl eine Menge Bushido-untypische Inhalte auf dem Album. Ich finde, dass dieses Album sehr persönlich ist. Das letzte Album, das so persönlich war, war „King Of Kingz“. Natürlich sind Songs wie „Das Leben ist hart“ darauf und wenn ich die Zeile „Und Ihr Tunten werdet vergast“ nicht rein genommen hätte, würden sich die Leute vielleicht darüber unterhalten, dass sich da drei Strophen auf „Das Leben ist hart“ reimen. Aber ich brauche diese Backpacker-Props auch nicht. Ich weiß auch nicht, ob man Leute zum Reden bringt, indem man irgendwelche Techniken in einen Song einbaut – da baue ich lieber so ´nen Ausrutscher ein. Dann gibt es ´nen Song wie „Waffendealer“, in dem ich extrem übertrieben habe, um klarzumachen, dass das nur Musik ist. Da rappe ich darüber, wie ich in Nordkorea Plutonium schmuggele und Crack in meinem Kinderzimmer koche. Wenn ich über China die Atombombe zünde, regt sich keiner auf, weil das ja offensichtlich übertrieben ist, das erkennen die Leute als Fiktion. Wenn ich etwas andere sage, wie etwa „Ihr Tunten werdet vergast“ geht das nicht, weil wir ja in Deutschland leben und das politisch nicht korrekt ist.

rap.de: Du hast dein Album in New York mastern lassen – wie kam es dazu?

Bushdio: Das war das erste Mal. Vorher habe ich immer bei ´nem Kumpel zu hause im Zimmer mastern lassen. Dadurch, dass ich über die Strapped-Leute ´ne coole Amerika-Connection klar gemacht habe, und Emo ein guter Freund von mir geworden ist, den ich über meinen Anwalt kennen gelernt habe, sind wir an ´nen guten Deal bei Sterling Sound gekommen. Der hat mir dann ´ne Liste mit Leuten gegeben, die dort mastern, und von der habe ich mir dann diesen Chris [Gehringer] ausgesucht, der die ganzen Nas-Sachen gemacht hat, die Terror Squad-Sachen und tausend andere. Dadurch dass wir über Emo dann ´nen guten Deal bekamen, konnten wir es uns auch leisten noch ein Ticket für Stickle zu bezahlen, der dann mitgeflogen ist und vier Tage New York-Urlaub bekam.

rap.de: Du konntest wahrscheinlich selbst eh nicht hin – oder?

Bushido: Nee, aber ich hätte auch gar nicht gewollt, denn ich bin mit Fliegen nicht so cool. Ich finde Fliegen extrem abturnend und sieben, acht Stunden nach New York hätte ich mir eh´ nicht gegeben. Das war also schon ok so. Stickle war schon öfter dort und ist auch so ein Freak, der unbedingt Platten kaufen will. Er hat sich von Anfang an auch extrem gefreut.
rap.de: In letzter Zeit hat sich auch bei Ersguterjunge viel geändert. Weshalb ist z.B. Bass Sultan Hengzt wieder weg vom Label?

Bushido: Er war ja nie auf Ersguterjunge, ich habe sein Album nur vertrieben, aber er war nie gesignt. Ilan war nie gesignt, Devin existierte als Künstler in dem Sinne nicht. Das sind alles nur Leute, die in meinem Windschatten mitgelaufen sind. Hengzt hat durch mich so viele CDs wie noch nie verkauft und ein bisschen Fame und Geld bekommen. Dann hat er die erste Chance genutzt, um sich zu verpissen. Auch Devin und Kors sind einfach gegangen. Ich toleriere einfach kein Schmarotzertum und viele Leute sind als Parasiten wirklich sehr talentiert.

rap.de: Wie steht es denn dann um Ersguterjunge?

Bushido: Ersguterjunge wird nun auf jeden Fall richtiges ein Label. Viele Idioten nehmen sich ja irgendeinen Namen und meinen dann, das sei schon ein Label. Ich habe ein Vertragsverhältnis mit Universal und ich kann Leuten wie Saad mittlerweile halt echte Angebote machen und Vorschüsse zahlen. Es ist also nicht mehr wie früher, als es hieß „Komm, mach ma hier und da was“, sondern nun gibt es das ganze Paket, und die Leute können davon leben. Das ist auch ein Grund, warum die Beatlefield-Jungs nun nach Berlin ziehen. Die sind 21 und 24 und haben ihr bisheriges Leben komplett in Linz verbracht. Nun habe ich denen ein Angebot gemacht, von dem sie leben können und jetzt kommen sie nach Berlin und arbeiten bei mir im Studio. Ich will auch dahin kommen, dass wir Auftragsarbeiten erledigen. Cassandra macht ja nun zusammen mit Xavier ein Album und hat auch schon für Beats angefragt. Da soll das hin. Ich selbst habe ein bisschen den Drang verloren, im Vordergrund zu stehen. Mit dem Album hier gibt es jetzt halt noch mal ein bisschen Terror, aber dann kommen Saad und Chakuza und ich kann mich ein wenig an die Regler setzen und denen Tips geben.

rap.de: Ein weiteres Geschäftsfeld bei dir ist ja der Verlag. Was passiert da?

Bushido: Ich habe eine Edition, auf der Ilan auch noch gesignt ist. Dann DK aus Wien, Eko und Kingsize kommen da auch rein.
rap.de: Edition bedeutet ja auch, dass du den Verlag nicht alleine machst. Wie sieht da die Arbeitsteilung aus?

Bushido: Die Administration mache ich mit meinem Anwalt, aber den größten Teil erledigen natürlich Universal Publishing. Die haben gute Laune, weil ich einer der wenigen bin, die auch recoupen. Ich hätte nicht gedacht, dass das so ergiebig sein kann. Wenn Cassandras Verlagsvertrag ausläuft, werde ich ihr auch ein Angebot machen und Eko natürlich auch, weil er ein krasser Songwriter ist. Da kommen über Universal dann ja auch Anfragen zum Textesschreiben für Leute wie Sarah Connor und Deutschland sucht den Superstar, für die du dann Texte abgeben sollst. Eko macht das z.B. aus dem ff – der hat ja den Nummer-Eins-Hit „Für Dich“ für Yvonne Catterfeld geschrieben, und das gibt natürlich eine Menge GEMA.