Princess Superstar

„Tell your teacher I said princesses are evil, how they got all their money was they killed people“, rappt Boots Riley (The Coup) in einem schönen Song mit dem Namen “Wear Clean Draws”, der seiner Tochter gewidmet ist. Wenn man danach ginge, müsste man mit Concetta Kirschner a.k.a. Princess Superstar natürlich vorsichtig umgehen. Auch einige der Fotos auf ihrer (übrigens sehr coolen) Website www.princesssuperstar.com legen nahe, dass man sich an der Prinzessin schnell die Finger verbrennen könnte – allen voran auch die, die gemeinsam mit Peaches für das URB-Magazine entstanden sind. Wer so denkt, würde der Prinzessin natürlich massivst unrecht tun – genauso wenig wie Boots Riley wirklich das World Trade Center in die Luft sprengen wollte, läuft die Prinzessin den ganzen Tag mit der Hand im Schritt und raus gestreckter Zunge durch die Gegend.    

 

Sie spielt eben gerne mit starken Bildern, legt dabei aber immer reichlich Humor an den Tag, und gerade auch der kommt auf Ihrer Website nicht zu kurz. In der Discography heißt es über ihren ersten Release aus dem Jahr 1994 z.B.: „A rare Cassette entitled ‚Mitch Better Get My Bunny‘ of which there are probably 5 in the world. Last asking price at Sotheby’s was around $155,000. Self produced by artist.”. Wer ein bisschen rumblättert, findet schließlich eine Seite, auf der Princess Superstars Mama alle Fragen beantwortet, die man so haben kann: „Welcome to Ask Princess Superstar’s Mom!! This wise all-knowing Uber-Mom will answer any of your questions about love, life or music! She is brilliant, after all, she birthed big-ass Princess Superstar!!”        

Nachdem Concetta 2001 ihr viertes Album “Princess Superstar Is” über Rapster/!K7 veröffentlichte, kommt nun dessen Nachfolger „My Machine“ in die Läden. Das Konzept der Platte greift den ausufernden Celebrity-Wahn unserer Zeit an, indem sie ihn auf die Spitze treibt. Abgesehen von Mighty Mi, der Concettas bisher größten Hit „Bad Baby Sitter“ komponierte, wurde die Platte in erster Linie von eher hiphop-fremden Produzenten wie u.a. Boris Dlugosch, Armand Van Helden oder Jacques Lu Cont produziert.      

rap.de: „My Machine“ wartet mit einem ungewöhnlichen Konzept auf. Worum geht es genau?

Princess: Im Jahr 2080 hat jeder einen identischen Clone, um produktiver im Job zu sein. Superstar findet nun einen illegalen Clone-Maker, der 10.000 Duplikanten von ihr schafft, die es ihr erlauben, der einzige Superstar auf der Welt zu sein. Sie ist das einzige Super-Model, in den Charts gibt es nur Songs von ihr, und sie spielt jeden Part in jeder Reality-Show. Die Platte dreht sich letztlich darum, wie besessen wir alle von Stars und vom Star-Sein sind. Wir leben in einer sehr seltsamen Zeit, in der sich jeder damit beschäftig, was Dinge kosten, die Promis gehören, was sie tun, wie viel sie wiegen usw… Die Platte ist eine Art Parodie dieses Szenarios, weil ich darauf der einzige Promi werde – ich wollte etwas schaffen, das sich damit auseinander setzt. Ich mag es, politische Dinge und Humor zu mischen.

 

 

rap.de: All die Dinge, die du gerade angesprochen hast, werden ja in erster Linie durch ´s Fernsehen, gerade auch das Musik-Fernsehen gepusht. Welche Sendung findest du am schlimmsten?

Princess: „I want a famous face“ ist sicher die abstoßendste Sendung, die bisher übertragen wurde. Da gabelten sie Kids auf, die wie Brad Pitt oder Jennifer Lopez aussehen wollten, das macht mich krank. Wir sind an einen Punkt gekommen, an dem keiner mehr Selbstachtung zu besitzen scheint. Diese Shows bringen dich dazu, dich schlecht zu fühlen, weil du keinen 1.800-Dollar-Schlips hast, du dir das Haus nicht leisten kannst und du auch nicht perfekt aussiehst. Ich denke, dass es für Frauen sogar noch schlimmer ist. In den Magazinen retouchieren sie jede Art von Problem weg, das man noch im Bild sehen kann. Mir ist das auch schon öfter passiert und ich habe danach gesagt „So sehe ich aber nicht aus“. Alle Medien lassen uns nur schlecht fühlen und damit gehe ich auf meiner Platte humorvoll um. Ich erzähle meinen Clonen, dass ihr Gewicht um nicht mehr als eine Unze schwanken darf, und dann gibt es diese Passage mit der plastischen Chirurgie, wo meine Clone für eine Fernsehshow in alte Celebrities verwandelt werden – wie Marilyn Monroe und Anna Nicole und diese Leute. Danach töte ich sie dann natürlich, denn ich bin ja der einzige Superstar (lacht).

rap.de: Was hältst du von der physischen Veränderung von Missy Elliot? Ich fand es immer sehr cool, dass es jemanden gab, der Erfolg hatte, ohne auszusehen wie Toni Braxton oder Beyoncé.

Princess: Ich denke, dass sie eine Menge Druck aus der Industrie verspürt hat, auf eine bestimmte Art auszusehen. Vermutlich hat sie sich davon noch mehr Erfolg versprochen, auch wenn sie ja schon alles hatte. Vielleicht denkt sie auch daran Schauspielerin zu werden. It totally sucks. Vor allem ist das alles ja auch sehr heuchlerisch – sieh dir doch nur mal Big Pun, Fat Joe oder Biggie an. Die sind alle total fett and no one really cares. Für Missy war das aber ein Problem. Allerdings ist sie ja noch nicht wirklich skinny oder anorektisch. Das gute an der HipHop-Kultur ist ja auch, dass die Ladies alle etwas dicker sind. Für die weißen Leute ist das teilweise ein Problem, weil sie denken, dass Lindsay Lohan und Nicole Richie heiß sind – die sind aber abstoßend, sie sind anorektisch. Das Problem hatte ich nie (lacht und fasst sich an die Oberschenkel). Ich werde es auch nie haben, weil ich zu gerne esse.

rap.de: Ist das Szenario deiner Platte für dich nicht eigentlich etwas ambivalent, weil du ja auch einen gewissen Bekanntheitsgrad hast? Auch du findest ja in den Medien statt und spielst mit Images.

Princess: Meine Position ist interessant, weil ich ja kein großer Celebrity bin, mich aber eben doch einige Leute kennen. Das ist ziemlich cool, weil ich nicht richtig dazu gehöre, aber eben auch kein totaler Outsider bin. Das eröffnet mir die Möglichkeit, die Sache besser zu kommentieren. Zugleich ist es aber auch seltsam – ich frage mich schon, was mit mir passieren würde, wenn ich mit dieser Platte noch bekannter werden sollte, als mit „Bad Babysitter“. Ich will das auch, es wäre auch dämlich, etwas anderes zu sagen. Ich will aber eben keine Kompromisse machen – ich will keine schlechte Musik machen, und ich glaube, dass es immer einfacher wird, schlechtere Musik zu machen, je mehr Fame man hat. Ein paar Leute bekommen es aber trotzdem hin, und ich hoffe, dazu zu gehören.  

rap.de: Auf einem der ersten Songs der neuen Platte gibt es eine Zeile, in der du davon sprichst, mit Dre zu chillen, was da natürlich als Witz gemeint ist. Würdest du trotzdem hinfahren, wenn er anruft?

Princess: Natürlich würde ich ihn besuchen, ich bin ja nicht dumm. Ich würde aber klarmachen, dass ich nicht der nächste Eminem sein will. Ich würde wollen, dass er mit mir etwas Neues macht, etwas Innovatives.

  

rap.de:  Wie würde eine MTV@The Cribbs-Sendung bei dir in der Lower Eastside aussehen?

Princess: Zu aller erst wäre es wohl ein sehr kurze Sendung, weil mein Apartment sehr klein ist. Viel mehr als „Da ist das Wohnzimmer, da das Schlafzimmer und da das Bad“ hätte ich wohl nicht zu sagen.    

rap.de: Wie fandest du die Sendung mit Redman?

Princess: Ich finde sie großartig. Er hat noch nicht mal aufgeräumt, und ich liebe ihn dafür. Der Typ ist so im Reinen mit sich selbst, dass er es nicht nötig hat, Leute mit irgendwelchen millionen-teuren Lichtanlagen, Autos und dem ganzen anderen Scheiß zu beeindrucken.    

rap.de: Von dir ist bekannt, dass du Jüdin bist, und deine Platte stellt in Frage, was für uns heute wichtig ist oder zu sein scheint. Was gibt dir dein Glaube?

Princess: Ich bin keine praktizierende Jüdin. Für mich ist das Spirituelle aber generell von Bedeutung, allerdings bin ich wahrscheinlich eher Buddhistin, als Jüdin. Ich denke, dass wir gewisse Werte mehr denn je brauchen. Die Religionen sind aber sehr korrumpiert – alle dieses Geschwafel davon, dass bestimmte Dinge im Namen Gottes geschähen, um sie zu entschuldigen. Für mich äußern sich Werte vor allem auch in Kleinigkeiten, wie etwa darin, mitfühlend zu sein, Leuten auszuhelfen, den Taxi-Fahrer nicht anzuschreien (lacht), seinen Müll nicht liegen zu lassen – Sachen wie diese. All das muss wieder viel stärker kommen. Dieser andere Weg und diese Celebrity-gesteuerte Kultur, auch unsere Abhängigkeit von Technologie, die Tatsache, dass wir ständig am Telefon hängen, immer E-Mails schreiben – all das führt dazu, dass wir nie wirklich in dem Moment sind, in dem wir uns gerade befinden. Ich denke, dass schwingt in meiner Platte auch mit. Grundsätzlich bin ich aber sehr optimistisch und idealistisch. Ich glaube, dass die Leute wahrscheinlich wissen, worauf es ankommt, sie es auf dem Weg aber verlieren. Ich bin auch der Meinung, dass nur kleine Änderung bei dir selbst große Auswirkungen auf deine Umgebung haben können. Wenn ich z.B. schlecht gelaunt bin und irgendetwas dringend brauche, kann ich mich wie ein komplettes Arschloch benehmen. Dann mal durchzuatmen und sich kurz zu besinnen, kann schon sehr hilfreich sein. Darauf kann man es vielleicht sogar runter brechen: Es geht um die Frage, ob du ein Arschloch sein willst oder nicht.

    

 

rap.de: Du hast die korrumpierten Religionen ja gerade angesprochen. Viele sehen die Terrorakte von London und den 11. September als Ausdruck dieses Zustands. Hast du den 11. September selbst miterlebt?

Princess: Ich war da und es war die dramatischste Sache, die ich je gesehen habe. Mich hat das Ganze so betroffen gemacht, dass ich meinen Job in Frage gestellt habe. Ich sollte zu der Zeit ein Video für „Bad Babysitter“ drehen und ich dachte:  „Was mache ich hier eigentlich?“. Ich dachte, ich sollte besser etwas mit Substanz machen und als Freiwillige bei der Feuerwehr aushelfen. Es war so furchtbar und traumatisierend – auf der Straße zu sein und die Leute von Downtown hochkommen sehen, die bluteten, keine Schuhe anhatten und total verstaub waren. Das passierte eben einfach plötzlich und vorher konnte sich das keiner vorstellen. Ich wollte damals eine Zeit lang keine Musik mehr machen – ich habe dann übrigens auch tatsächlich eine Zeit freiwillig gearbeitet, allerdings nicht bei der Feuerwehr. Dann habe ich einen Artikel in der New York Times gelesen, der sich damit beschäftigte, dass Kunst die Stellung von Religion eingenommen habe. So viele Leute hätten den Glauben verloren und nun sei Kunst umso notwendiger. Danach sah ich es anders und dachte, dass ich auch einen Beitrag leiste, wenn ich Leute zum Lachen bringe und glücklich mache. Auch London hätte ich nun übrigens beinahe miterlebt. Ich verbringe dort viel Zeit und als die Anschläge stattfanden, war ich gerade am Flughafen Heathrow. Ich war schockiert, weil ich diese U-Bahn bei Kings Cross immer nehme, wenn ich London bin.

rap.de: Wann entstand das Konzept zu „My Machine“ genau?

Princess: Die Idee zur Platte entstand eigentlich schon vor sechs Jahren, also sogar noch vor der letzten LP. Damals gab es allerdings nur ein Grundgerüst, das ich erst mal bei Seite gelegt habe, weil ich dachte „Das ist zu krass, das bekomme ich eh´ nicht hin“. Als „Princess Superstar Is“ dann fertig war, hatte ich eine Schreibblockade und habe das Konzept für „My Machine“ wieder aufgegriffen. Insgesamt hat es cirka vier Jahre gedauert, die Platte fertig zu stellen, sie ist natürlich auch nicht am Stück entstanden. Ich habe vor drei Jahren auch angefahren, zu deejayen und wurde plötzlich eine Art großer Club-DJ, das ist eine Sache, die ich sehr ernsthaft betreibe.    

rap.de: Woher weißt du, gerade wenn die Produktion so lange dauert, wann deine Platte eigentlich fertig ist?

Princess: Mir hat Arthur Baker dabei sehr geholfen. Er ist eine Legende, er hat z.B. „Planet Rock“ mit Afrika Bambaataa gemacht. Er ist immer noch ziemlich aktiv und stellt dies Partys, die „Return To New York“ heißen, auf die Beine. Da spielen alle möglichen Leute von Blondie bis Tiefschwarz. Dort habe ich ihn dann getroffen und ihn gebeten, mein Album zu produzieren. Das hat er dann getan und irgendwann hat er gesagt „Ok, es ist im Kasten. Du kannst aufhören“. Er hat den Gesamtsound der Platte stark mitbestimmt und dafür gesorgt, dass all diese sehr unterschiedlichen Produzenten auf ein Album passen, und es gut klingt. Natürlich wollte ich ein HipHop-Album machen, aber es ist auch ziemlich dance-lastig geworden – ich nenne es New Wave-HipHop.

 

rap.de: Danke für das Gespräch!