Ben Mansour

Seine Eltern hatten im Lagerweg in Berlin-Spandau eine Kfz-Werkstatt, die damals nicht richtig lief, und irgendwann kam Ben Mansour dann auf die Idee, neben seiner Lehre als KFZ-Lackierer dort einen Shop für HipHop-Headz aufzumachen. Natürlich war sein Vater skeptisch, aber Ben zog die Sache durch und machte sich 1991 im Alter von 16 Jahren mit dem "Wildstyle"-Shop, dem ersten HipHop-Laden in Deutschland, selbständig. Zunächst verkaufte das Mitglied der OCB-Crew (One Class Better) dort nur Sprühdosen und selbst-geairbrushte T-Shirts, baute den Laden dann aber nach und nach aus. Da der Wildstyle-Shop tatsächlich ein Pionier-Ding war, gab es auch Anfragen der späteren Konkurrenz: "Wir waren sogar schon vor MZEE da – auch im Mailorder. Ich kann mich noch an Anfragen von MZEE erinnern, wie das bei uns so läuft und wie wir das mit den Cans so machen" , erzählt Ben über die Anfangszeit.
1992 entschied sich Ben dann, eigene Klamotten herzustellen, weil er Lieferanten wie Lee oder Adidas nicht dafür gewinnen konnte, über seinen Shop Ware zu vertreiben. "Ich war damals ziemlich enttäuscht davon, weil die gesamte HipHop-Szene ja Adidas- und Lee-Klamotten trug und man dann feststellen musste, dass diese Hersteller mit der Szene eigentlich gar nichts zu tun haben wollten – das Geld haben sie natürlich trotzdem gerne genommen." Entsprechend verstand er seinen Move, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen, dann auch als "Zeichen an die Industrie – wir sind unabhängig, wir brauchen euch nicht." Ben begann mit tatkräftiger Hilfe seiner Tanten, die Schneiderinnen waren, Jeans-Hosen und Jacken selbst zu nähen, und wurde dabei außerdem von seinen Eltern und seiner jetzigen Frau unterstützt. Bis heute versteht er den Wildstyle-Shop als einen Familienbetrieb und sieht gerade darin auch das Erfolgsrezept für den Laden. Mittlerweile vertreibt Ben neben seinen eigenen Produkten wie Streetwear, Spraycans, B-Boy Gear und Mixtapes auch Kultprodukte wie die Namerings, doch das erste Erfolgsprodukt war dann die "SixPack Jacket", eine Writer-Jacke mit sechs Innentaschen und einer Kapuze mit Löchern an den Ohren, um hören zu können, ob jemand in grün kommt, sowie einer Maske, die man vorne anbauen kann. Bisher hat der Wildstyle-Shop davon wohl um die 10.000 Stück verkauft, viel davon auch nach Amerika verschifft. Obwohl dieser Artikel ein Verkaufsschlager ist, hat Ben den Sprung in die Industrie nicht geschafft, was er aber auch nie wirklich wollte: "Ich wollte immer, dass meine Sachen funktional, schlicht und cool sind. Als wir dann mal Gespräche mit der Industrie hatten, meinten die: ´Das muss noch mehr HipHop sein – wir brauchen hier und da noch eine Lasche und ne Schnalle…‘ usw. Ich dachte mir da nur: ´Was wollen die mir denn erzählen?‘, und damit hatte sich das Thema erledigt."

Dennoch hat Ben nun die nächste Stufe genommen und mit "Mellowear" seine eigene Klamotten-Line etabliert, für die er weltweit einkauft und fertigen lässt. Der Baumwolleeinkauf läuft z.B. über die Türkei, produziert wird in Portugal: "Ich designe die Styles und die Aufdrucke mit einem Freund aus der OCB-Crew, Milk. Mellowear ist halt Hauptstadt-Style, streng limitiert – jeder, der sich in der HipHop-Szene auskennt, kennt Mellowear und hat wohl auch eines der exklusiven Teile davon im Schrank." Man könnte nun sagen – o.k., Ben macht eben seine eigene Kollektion, aber das tun ja auch andere. Interessant ist bei ihm jedoch, dass er es immer noch macht, denn im Dezember 2000 ging in allen HipHop-Redaktionen eine Schreckensmeldung ein: Der Wildstyle-Shop im Lagerweg war abgebrannt. Bis heute ranken sich Gerüchte darum, wie es dazu kam – Ben selbst weiß, wem er das zu verdanken hat, will sich aber öffentlich nicht mehr dazu äußern. Sein Kommentar zur damaligen Lage: "In dieser Situation interessiert dich kein Geld und auch sonst nichts – du siehst einfach nur, dass dein Lebenswerk in Flammen steht. Ich habe dann auch die Zeile ‚Wann Neid zu weit geht, siehst du, wenn dein Lebenswerk in Flammen steht‘ in einem Song für meine bald erscheinende LP ‚2K feat. Afrika Bambaataa‘ verarbeitet, und in einer solchen Situation merkst du auch, wer deine Freunde sind. Ich war teilweise ganz erstaunt, wer da zu mir gehalten hat – meistens waren das gar nicht so sehr die Leute, die jeden Tag bei mir waren, sondern eher Leute, die vorher nur sporadisch mal auftauchten. Das honoriere ich sehr – ich habe danach auch mein gesamtes Leben sowie Freundeskreis geändert und kurz darauf auch geheiratet, weil ich gemerkt habe, was für mich wichtig ist: Liebe! Das ganze Gequatsche in der Szene interessiert mich nicht mehr, weil das meist nur auf Neid, Unwissen und Kinderscheiße basiert. Jetzt bin ich zurück, um zu gewinnen, bewaffnet mit Liebe und Menschen, die 100%ig hinter mir stehen, und es gibt nichts, was mich aufhält. Nach dem Motto ´Mann muss erst einmal verlieren, um gewinnen zu können‘."

Zu seinen prominenteren Kunden zählt auch Afrika Bambaataa, der Mitgründer und Leader der Universal Zulu Nation (UZN) – mit dem er auch gerade erst im Studio war, um seine LP fertigzustellen. Mit einem Grinsen meint Ben, er sei quasi so etwas wie der "Hofschneider der Universal Zulu Nation New York". Dass dem so ist, ist keineswegs Zufall, denn Ben wurde vom Meister selbst zum Leader der Zulu Nation Berlin ernannt. Über den Ruf der Zulu Nation erklärt er: "Es behaupten viele Leute, sie gehörten der UZN an, aber von denen wissen auch leider viele gar nicht, worum es geht, und das ist sehr enttäuschend. Deshalb wird das von vielen auch belächelt, die dann sagen ´Ach das ist Kinderkram´, und das kann ich dann auch verstehen."
Was aber ist die UZN eigentlich?
"Die UZN ist nichts anderes als das erste und älteste Netzwerk von HipHop-Aktivisten, dessen Urväter Afrika Bambaataa, Rocksteady Crew und noch ein paar andere Leute sind. HipHop besteht ja als Kultur aus fünf Elementen: Breakdance, Graffiti, Rap, Deejaying und Knowledge. Diese Elemente gab es aber auch schon vor HipHop – z.B. gibt es Breakdance schon seit den frühen 60ern. Das Verdienst der Zulu Nation besteht nun darin, dass sie diese fünf Elemente zusammengeführt hat – die UZN ist also quasi der Begründer der HipHop-Kultur. Es ist auch nichts Besonderes, wenn man sagt, man gehört der Universal Zulu Nation an – sie ist nur ein normales Netzwerk, das HipHop gemeinsam pflegt, um die Kultur zu fördern."

Zum Aufbau der UZN erklärt Ben: "Die Zulu Nation basiert auf einem Zwei-Kammern-System. Es gibt die sog. Sympathisanten, also die interessierten Mitglieder. Die sind herzlich willkommen, können überall mitmachen, müssen aber nicht. Dann gibt es die richtigen Members – das sind Leute, die schon etwas geleistet haben, und die sich auch verpflichtet haben, das tatkräftig mit zu organisieren, d.h. Veranstaltungen zu machen und Workshops zu leiten, um die Kultur zu pflegen. Unsere Veranstaltung ist z.B. die Zulu Anniversary Deutschland, die wir ´96 zum ersten Mal veranstaltet haben." Und so gibt es auch dieses Jahr die Anniversary zum 7. Mal als Mega-HipHop-Jam unter dem Motto: "HipHop United".

Gerne räumt Ben auch mit einigen Gerüchten bezüglich der UZN auf, wie etwa der weit verbreiteten Behauptung, Mitglieder der UZN dürften keinen Alkohol und keine Drogen konsumieren: "Das ist völliger Schwachsinn. Es ist aber Fakt, dass ein Zulu-Leader nicht trinken und keine Drogen nehmen sollte, was aber auch eine Vertrauenssache ist und mit der Entstehung der Zulu Nation zusammen hängt. Die geht schon auf die Geschichte der Black Panther zurück, die dadurch zerschlagen wurden, dass die CIA Drogen in das Viertel eingeschleust hat und die Bewegung so geschwächt hat. Deshalb sind Drogen und Alkohol für uns Druckmittel, die einem erst mal als Freiheit verkauft werden, einem aber letztlich die Freiheit rauben. Wenn Du den Film Matrix kennst, weißt du, was ich meine. Es geht weniger um das grundsätzliche Konsumieren dieser Dinge als um den Missbrauch. Wie soll jemand, der selbst nicht ohne diese Dinge klar kommt, für andere eine Hilfe sein und andere unterstützen können? Eigentlich logisch: just HipHop!". Die siebte Zulu Anniversary Germany-Veranstaltung, für die sich Bambaataa auch schon angekündigt hat, wird am 12. Juli 2002, einen Tag vor der Love Parade, im "MellowPark" stattfinden. Mellowear sowie die 2K Debüt-Single kann über den rap.de-Shop erworben werden.