Thomas D.

Ursprünglich kommt er aus der Umgebung von Stuttgart – und wenn man ihn vor 14 oder 15 Jahren gefragt hätte, wie er heißt, hätte er wahrscheinlich einfach Thomas Dürr gesagt. Ein paar Jahre später fing er dann als Mitglied einer vierköpfigen Band (die sich anfangs noch Terminal Team nannte) an, seinen Nachnamen abzukürzen, um 1992 gemeinsam mit den drei anderen einen Song namens "Die Da" zu veröffentlichen, der nur deshalb kein Nummer 1-Hit wurde, weil dafür damals noch Michael Jackson zuständig war. Trotzdem kannte anschließend jeder die Fantastischen Vier und auch ihre Rapper, unter ihnen Thomas D. Inzwischen sind neun Jahre vergangen und hinter Thomas D. liegt ein langer Weg, dessen aktuelle Station "Lektionen in Demut" heißt und die sich aus dem HipHop-Kontext weitgehend gelöst hat. Wer sein Wirken als Rapper und Musiker mitverfolgt hat, wird jedoch feststellen, dass das neue Konzeptalbum logische Konsequenz seiner Entwicklung ist, die nach dem "Die Da"-Album "Vier gewinnt" eine einschneidende Wendung genommen hat:
"Der Die-Da-Wahnsinn war ein ganz entscheidender Moment in meinem Leben, weil ich vor der Entscheidung stand, entweder sofort damit aufzuhören, Musik zu machen – weil ich dachte, die sehen ja alle gar nicht mich – oder wirklich dahinter zu schauen und zu sagen aber ich bin ja ich und ich habe ja auch ein bisschen was zu sagen." Und damit begann er dann auf dem dritten Album "Die Vierte Dimension" mit dem Track "Alles ist Neu", der, wenn auch noch auf einem Partybeat, erstmals in einer recht deutlichen Form eines seiner Lieblingsthemen, nämlich das Bewusstsein an sich anspricht. Mit dem Lied "Krieger" auf dem "Lauschgift"-Album führt Thomas seine Reflektionen auf ein neues Level, auf dem er seinen Weg mit "Millionen Legionen" auf der "4:99" ohne Niveauverlust fortsetzt. Immer geht es um Freiheit, Liebe und v.a. Bewusstsein. Bisher hatte das jedoch trotz steigender Abstraktion und Ernsthaftigkeit immer etwas überwiegend positives und vorwärtsgewandtes – "Lektionen in Demut" wirkt dagegen auf weiten Strecken eher anklagend.
Thomas dazu: "Also das Album hält sich – sicherlich auch bewusst – in ´nem Stadium auf, wo es eine Kampfansage ist. Bei Lektionen in Demut gibt es eine Zeile, die ich sehr repräsentativ finde, wo der wandernde Wissenschaftler zu Reflektor Falke sagt jetzt ist es, als ob dich jemand am Kragen packt, dich schüttelt und dir sagt, dass er es nur einmal sagt… Das ist auch das letzte Mal, dass ich das gesagt habe. Ich hab auch keinen Bock drauf, ewig solche Lieder zu machen (lacht). Das ist jetzt die ultimative Kampfansage. Der Refrain von Liebesbrief ist meiner Meinung nach z.B. reine Goodness. Denn da alle Liebenden innerlich immer noch Kind und da die, die reinen Herzens handeln unsere größten Helden sind – rette ich die Welt mit deiner Liebe in mir – ich bin für dich da – nein ich bin wegen dir hier – da dir die Fähigkeit zu lieben geblieben ist – und die Kraft zu vergeben…
Ich meine, wenn es dann noch nicht klar ist – wieso nicht? Wieso geht die Welt weiterhin so? Dann muss ich bei aller Liebe halt noch deutlicher werden und versuche es in der Rolle des Reflektor Falken noch mehr zu nageln, versuch noch mehr klarzumachen: Leute, wir stehen zwischen Paradies und Hölle, zwischen Erleuchtung und ewiger Verdammnis. Und wir schaffen diese Welt in unserem Kopf jeden Tag neu – das ist ein Versuch wie in Millionen Legionen – ich ringe zum Himmel, dass die Stimmung hier umschwingt. Nur hab´ ich es dieses mal ernsthafter versucht, mit mehr Nachdruck und auch mit dem erhobenen Zeigefinger, auf den ich bisher immer verzichtet habe. Ich glaube auch nicht, dass das jetzt die Erleuchtung bringt, aber das ist was, das wachrütteln und Leuten, die auf dem Weg sind, auch Mut machen kann."

Thomas D.s eigener Weg könnte ihn weiter in die Politik führen, wie er in letzter Zeit häufiger erwähnte. Nach dem Rahmen befragt, in dem das stattfinden könnte, äußerte er: 
Wir müssen das noch genau erörtern, aber ich glaube, um auch auf der wirtschaftlich-gesellschaftlichen Ebene was zu verändern, müssen wir in die Legislative rein. Wir müssen Gesetze mit machen und verändern und dafür glaube ich, werden wir ´ne Partei brauchen. Vielleicht gibt es auch andere Möglichkeiten, aber ich sehe sie im Moment nicht, bin aber auch nicht so drin. Deshalb sage ich auch, ich brauche noch ein paar Jahre Zeit, weil ich mich da echt einarbeiten muss. Wichtig ist bei der ganzen Theoretisierung: Das, was ich jetzt mache, was wir Revolution der Harmonie nennen, das muss erhalten bleiben. D.h. ich kann nicht ein Politiker werden, sondern ich kann nur ein Mensch bleiben, der von Herzen spricht. Und genau das muss in die Politik einfließen und die oberste Prämisse muss sein, die Ehrlichkeit zu behalten. Es ist wahrscheinlich ein Weg, der voller Kompromisse ist, aber die Ansagen und auch die Forderungen zu kicken, das ist wichtig – dennoch kann es nicht so sein, dass ich Politik mache und dann alle sagen, jetzt ist alles gut. Wenn sich etwas verändern soll, dann muss die Veränderung aus dem Volk kommen, von jedem – es muss bei jedem die Bereitschaft da sein, zu sagen, wir gehen diesen Weg. Wer Lektionen in Demut gehört hat, der weiß, dass er auf dem Konzert keinen poppigen Zugabenblock erwarten kann – dennoch wird die Show durch "Liebesbrief" abgerundet und an zwei Stellen für "Krieger" und "Millionen Legionen" unterbrochen, Tracks, die thematisch passen und auch eine Brücke in die Vergangenheit zu den Fantastischen Vier schlagen, wo Thomas´ Wurzeln liegen. Während Smudo sich nach der Unplugged-Session etwas vage äußerte, scheint Thomas unterm Strich doch eindeutig für ein Fortsetzung der Bandgeschichte:
"Also, das ist ein schwieriges Thema, aber ich finde, dass Fanta 4 auf jeden Fall bleiben muss, weil das, was wir erschaffen oder mitgeschaffen haben nicht ohne ist und mittlerweile Ausmaße angenommen hat, die, finde ich, super sind – wenn auch vielleicht ein bisschen ziellos. Aber wenn wir ein gutes neues Album rausbringen, werden wir gehört und haben damit auch die Möglichkeit, der ganzen Sache wieder ´ne Farbe zu geben. Das liegt dann aber natürlich einzig und allein an der Band – wird sich die Band wieder finden? Bringen einen solche Soloprojekte eher auseinander oder kommen wir jetzt nach ´nem Jahr oder zweien wieder zusammen und sagen, lass es uns wieder tun? Smudo hat mir letztens z.B. erzählt, dass er zur Zeit nicht so den Sinn sieht, Texte zu machen – er hat keine Mission. Mir mangelt ´s ja nicht an Mission (lacht) und der Michi ist ja mit den Turntablerockers zur Zeit auch ganz glücklich. Also ich denke wenn, dann produzieren wir frühestens nächstes Jahr, aber das muss wachsen. Es muss jeder einfach an den Punkt kommen, wo er sagt, jetzt hab´ ich wieder Bock. Es zeichnet uns einfach aus, dass diese vier Charaktere, so unterschiedlich sie auch sind, wenn sie sich zusammensetzen, diesen einen Trip fahren – das ist Fanta 4. Aber man muss auch thematisch irgendwo hin kommen und wenn die Jungs das nicht haben und nicht spüren, dann sind wir wieder an `nem Punkt, den ich früher schon teilweise vermisst habe, weil für mich eine Band zu sein auch bedeutet, eine gemeinsame Mission zu haben – eine Vision. Auf jeden Fall muss es ein freies Album sein und ordentlich in die Fresse haun, dann wär´ ich gerne dabei." Bis zur neuen Platte nochmal ein Zitat von Robert de Niro aus "Zeit des Erwachens", welches im Intro von "Alles ist neu" verwandt wurde "Wir müssen es allen sagen, wir müssen sie daran erinnern, wie gut es ist. … Die Menschheit hat vergessen, worum es im Leben geht, was es bedeutet, zu leben. … Man muss die Menschen erinnern, was sie haben und was sie verlieren können. Was ich empfinde, ist die Freude am Leben, was es für ein Geschenk ist, die Freiheit des Lebens, das Wunder des Lebens." Jan Simon