Promoe / Looptroop

Mit "Government Music" veröffentlicht MC Promoe sein Solo-LP-Debüt. Als Schwede besitzt er den Vorteil, in einem Land zu leben, in dem ausländische Fernsehproduktionen grundsätzlich nicht synchronisiert werden – sie laufen im Original mit Untertiteln, und so erklärt sich u.a. sein so gut wie akzentfreies Englisch, mit dem er in seinen Tracks und im Interview aufwartet. Promoe, der Anfang des Jahres noch davon ausging, dass sein Solo-Album nur in Skandinavien veröffentlicht wird, ist einer der drei MCs der mittlerweile ja durchaus auch über die schwedischen Landesgrenzen hinaus bekannten Band Looptroop , in der neben ihm CosM.I.C. und Supreme zu den Beats und Cuts des Haus-DJs EmBee rappen.
"Ich und EmBee machten unseren ersten Song 1991, aber das war damals noch mehr zum Spaß. Ich hatte zu der Zeit noch viel mehr mit Graffiti zu tun – das "Subway-Art"-Book war eine meiner größten Inspirationsquellen. Ich las es von vorne bis hinten in einem durch. Ich denke, so ab ´96 nahmen wir es dann ernster" , erklärt Promoe zu den Anfängen der Band. Ihre Graffiti-Roots sind den Jungs immer noch sehr wichtig, und so wird das Writerdasein auch regelmäßig in ihren Songs thematisiert (so z.B. auf dem Track "Ambush in the night" oder auf "Freedom Fighters", einem Song aus "Government Music"). Gemeinsam brachten sie letztes Jahr das überall äußerst positiv aufgenommene Album "Modern Day City Symphony" heraus, von dem mehr Kopien als von jedem anderen bis dahin erschienenen englischsprachigen HipHop-Album aus Schweden verkauft wurden.

 

Looptroop und Promoe könnten von vielen vielleicht als "schwere Kost" gesehen werden, da sie sich textlich nicht auf hiphop-typische Themen beschränken, sondern gerne auch extrem kritisch über Massenmedien, vermeintlich demokratische Staatsordnungen und – insofern vielleicht doch wieder etwas typischer – über die Musikindustrie selbst reden. All das findet allerdings mit einer gesunden Portion Humor statt, die diese Themen auch leichter zugänglich werden lässt. Auf unsere Frage, ob für sie eigentlich schon immer festgestanden hat, auf einem Indie releasen zu wollen, antwortet Promoe dann auch auf eine Art, die der Runde den einen oder anderen Lacher entlockt hat: "Inzwischen sind wir uns ziemlich sicher, haben aber schon lange hin- und her überlegt. Als wir ´96 darüber rappten, war es noch eher so, dass wir dachten, es wäre cool, zu sagen, dass wir auf die Majors scheißen. Wir wussten nichts über Labels – egal ob Major oder Independent. Jetzt wissen wir, dass Major-Labels… wir wissen eigentlich immer noch nicht viel, aber wir wissen, dass Independent-Labels auch nicht so großartig sind. Wir haben festgestellt, dass Leute von außerhalb sich einfach nicht so für deine Sache engagieren, wie du es erwartest. Wir denken, es ist das Beste, unser eigenes Label zu haben und mit möglichst wenigen Leuten von außerhalb zu arbeiten." Ihr eigenes Label haben sie mit David vs. Goliath schon länger, und mit Grooveattack nun auch einen Vertrieb, der eine weitreichende Verbreitung sicherstellt.

 

Promoe, der als Solo-MC außerhalb seiner Band v.a. durch den 99er-Underground-Slammer "Off The Record" auf sich aufmerksam machte, erklärt das Entstehen seines Solo-Albums v.a. dadurch, dass an der Produktion dieses 16 Tracks starken Albums neben DJ Embee auch eine ganze Reihe anderer Produzenten mitwirkte und das Album deshalb vibe-mäßig nicht wie ein Band-Album wirke. Dennoch befinden sich auf dem Album vier Tracks, die zumindest auf MC-Seite in original Looptroop-Besetzung eingespielt wurden. Neben CosM.I.C. und Supreme werden auf dem Album Black Fist , Timbuktu , Akem und auch Freestyle , ein ehemaliges Mitglied der New Yorker Crew Arsonists gefeaturet, mit denen Looptroop gemeinsam in Schweden auf Tour waren: "Die Arsonists gehören zu den besten Live-Performern, die ich je gesehen habe. Ich bedaure sehr, dass sich die Gruppe aufgespalten hat" , kommentiert Promoe (mehr über die Arsonists in unserem Feature).
Wie viele andere Leute hielten auch die Jungs von Looptroop die Berichte über die Katastrophe in New York, die sich ca. zwei Wochen vor unserem Interview ereignete, in den ersten Augenblicken für irreal: "Ich dachte erst, es sei ein Witz, weil EmBee mich anrief und meinte ‚Manhattan brennt‘ und wir eigentlich zwei Tage später auch da hin sollten, um auf einer Show zu spielen. Dann ging ich nach Hause und machte den Fernseher an. Mir scheint es selbst jetzt noch etwas unwirklich" , kommentiert Supreme die Ereignisse. Wer die revolutionäre Haltung Looptroops und Promoes aus ihren Texten kennt, der geht zu Recht davon aus, dass Promoe eine differenzierte Ansicht zu den Anschlägen auf das World Trade Center und das Pentagon hat: "Mir gingen verschiedene Sachen durch den Kopf, und es dauerte eine Weile, bis ich verstand, wie viele Leute gestorben sind. Als ich es schließlich realisiert hatte, fand ich es natürlich furchtbar. Zugleich war ich aber auch nicht wirklich überrascht, dass jemand gegen die USA und gegen den Kapitalismus zurückschlug – die Twin-Towers sind ein Symbol des Kapitalismus und der Vereinigten Staaten."

Im Zusammenhang der Katastrophe vom 11. September ist auch der Titel "Prime Time" aus Promoes "Government Music" interessant, in dessen Hook es heißt: "Mass media misleadin´ ya / all em press idiots get greedier. Chasin headlines and dead lines the truth left behind / it´s prime time and the blind lead the blind". Sicher könnt ihr euch noch an das Gerücht erinnern, die von CNN und anschließend von allen Fernsehsendern der Welt ausgestrahlten Bilder der nach dem Anschlag feiernden Palästinenser wären gefälscht gewesen. Es stellte sich zwar heraus, dass dieses Gerücht eben nur ein Gerücht war – dennoch sensibilisierte es für kurze Zeit erneut, welcher Manipulationen man gewahr sein sollte. Auf die Frage, ob der Einfluss der Massenmedien heute gefährlicher denn ja sei, antwortet Promoe: "Ich weiß es nicht. Es ist aber klar, dass die Massenmedien zu viel Macht haben und dass Leute die Dinge, die in den Massenmedien behandelt werden, immer gleich als Wahrheit sehen, seien es nun Fernsehen, Zeitungen oder Musik. Es geht in Prime Time (neben dem Nachrichtenbereich) gerade auch um den Entertainmentbereich, also Filme und Musik – weil es beinahe immer dieselbe Message ist, die in Filmen, Musik und in den Nachrichten durchkommt, nur eben auf unterschiedlichen Wegen." In demselben Titel (Prime Time) geht Promoe auch kurz auf den Waffenexport Schwedens ein ("… when it´s Sweden made guns exported to poor nations / causin war an´ starvation. Killin africans and asians, callin it foreign relations…") und spricht damit ein weiteres, gerade wieder hochaktuelles Thema an. Auch an anderen Stellen geht er mit der schwedischen Regierung nicht unbedingt zimperlich um, und so drängt sich die Frage auf, welcher Beliebtheit sich Looptroop in Regierungskreisen erfreut: "Ich glaube eigentlich nicht, dass sie den Songs zuhören und dass sie sie verstehen, wenn wir auf englisch rappen. Wenn wir aber Dinge auf schwedisch sagen, politisch und auf ironische Weise gewalttätig sind, dann bekommen wir Probleme. Wir haben Songs, die vom Töten von Polizisten und von Premierministern handeln – wenn wir die auf schwedisch machen, dann gehen die wirklich ab. Diese Songs werden nicht im Radio gespielt. Wir selbst wurden deswegen noch nicht verfolgt, aber die Sender, die sie gespielt haben, haben Probleme bekommen. Für uns war das natürlich gut, denn es hat die Songs auf gewisse Weise nur bekannter gemacht."

Wer nach diesen Passagen denkt, Looptroop seien kopflastige Intellektuelle, die vom Partymachen und Feiern nichts verstehen, der kann sich bei beliebiger Gelegenheit vom Gegenteil überzeugen, einige von euch werden das dieses Jahr beim Splash vielleicht auch schon getan haben. Als wir sie trafen, waren sie gerade mit Hamburgs DJ-Legende Marius No.1 auf Tour, den sie 1997 erstmals in der Hansestadt trafen. Amüsant für Nicht-Skandinavier kann es werden, wenn die Jungs – so in Berlin geschehen – im Publikum Schweden ausmachen und dann zur Beatbox ´nen schwedischen Freestyle zum Besten geben. Nächstes Jahr im Herbst soll es übrigens den Nachfolger zu Looptroops "A Modern Day City Symphony" geben, dessen Produktion gerade angelaufen ist. Wie schon beim Arsonists-Feature und unserem Eins, Zwo -Interview anlässlich der Campingtour der Hamburger geht auch diesmal wieder ein großes Dankeschön an Oliver Killig (per e-mail erreichbar unter: soloimage@gmx.net), der uns seine Aufnahmen vom Dresdner Gig des Looptroops für diesen Artikel zur Verfügung stellte. Weitermachen Han!