Pyranja

rap.de: Jetzt, wo du zunehmend bekannt wirst, ist es für dich ein Gefühl wie im Traum?
Pyranja: Nein, so schlimm ist es nicht, aber es ist schon ziemlich irreal.
rap.de: Kommt es oft vor, dass du damit konfrontiert wirst, dass du eine weibliche Rapperin bist?
Pyranja: Ja, das passiert mir total oft. Das Ding ist, dass ich es verstehe, es mich aber hardcore nervt. Für mich gibt’s da keinen großen Unterschied. Ich ordne mich selbst nicht bewusst in die Kategorie der female MC ein. Mir ist jedoch 100%ig klar, dass ich als Mann bei weitem nicht die Aufmerksamkeit hätte, die ich jetzt bekomme.
rap.de: Wo kommst du eigentlich ursprünglich her?
Pyranja: Ich komme eigentlich aus Rostock, wo ich auch schon gerappt habe, z.B. mit Underground Crew oder Iguana .
rap.de: Bist du denn nach Berlin gekommen, weil du dir gesagt hast, dass du nun richtig loslegen und Musik machen willst?
Pyranja: Nein. Ich bin nach Berlin gegangen, weil es für mich einfach nötig war, mal meinen Lebensort zu wechseln. Ich kann es nämlich absolut nicht haben, wenn ich etwas super auswendig kenne, ob es nun die Wege oder die Leute sind. Ich brauche immer neuen Input.
rap.de: Gab es denn den sogenannten „Kleinstadtmief“, der mit Neid und Intrigen untereinander verbunden ist?
Pyranja: Ich habe schon gemerkt, dass viele Leute gesagt haben, ich sei ein schlechter MC. Dies ging so weit, dass ich hinterrücks aus Gruppen rausgeschmissen wurde. Eigentlich wollte ich nie Solokünstlerin werden, aber ich habe gemerkt, dass es nicht funktioniert. So bin ich zunächst allein nach Berlin gekommen und habe allmählich neue Leute gefunden, wie z.B. jetzt DJ Quest und Serafin vom Mikrokosmos ,mit denen ich auf Tour gehen werde.
rap.de: Was ist für dich das Schlimmste am deutschen HipHop?
Pyranja: Für mich gibt es zwei Sachen: Die eine ist, dass alle meinen, sie wüssten es besser als man selbst; die andere ist der Neid.
rap.de: Wie bist du eigentlich zum Def Jam-Deal gekommen?
Pyranja: Auch die haben wie zahlreiche andere Leute angerufen. Ich habe zwar noch mehr Verträge mit viel besseren Bedingungen angeboten bekommen, die ich aber abgelehnt habe, da ich mit den Leuten einen komischen Vibe hatte. Man weiß eben nicht, wem man vertrauen kann.
rap.de: Du bist also ein misstrauischer Mensch?
Pyranja: Wenn jemand misstrauisch ist, dann bin ich es. Das ist aber gerade in diesem Business auch sehr wichtig.
rap.de: Hast du deshalb auch deine Kontakte quer durch Deutschland verteilt? Du kommst ja schließlich aus Rostock, hast dein Label in Berlin, dein Studio in Düsseldorf und deine Leute in Köln. 
Pyranja: Ja, genau das würde ich auch jedem Newcomer raten. Man darf bloß nicht alles in eine Hand geben, z.B. Plattenfirma, Verlag und Management in einer Person. Falls dann nämlich doch mal etwas schiefgeht, hast du plötzlich alle gegen dich. So bilde ich quasi die Handfläche und die anderen sind sozusagen die Finger, die autark arbeiten. Wenn dann ein Finger ausfällt, kann der Rest der Hand noch weiterarbeiten.

 
rap.de: Inwiefern lässt du dir bei deiner Musik oder deiner Show von anderen Menschen reinreden? Dies ist natürlich auch im konstruktiven Sinn gemeint.
Pyranja: Selbst wenn die Show cool war und ich ein geiles Gefühl habe, frage ich meine Leute, zu denen ich Vertrauen habe, wie sie es fanden. Mein Ausgangspunkt war schon immer, dass niemand perfekt ist. HipHop bedeutet nämlich auch ständige Evolution.
rap.de: Wo kommt denn deine Inspiration her? Deine Texte sind ja schließlich ziemlich persönlich.
Pyranja: Ich lasse einfach alles auf mich wirken und brauche nur noch aufzuschreiben. Eigentlich ist es so voll easy, Inspiration zu bekommen. Das kann ich aber auch erst seit kurzer Zeit. Mein Problem ist jedoch, dass das ganze Business-Ding im Rap total überhand nimmt, so dass man davon leicht erschlagen werden kann. Im Grunde genommen will ich ja nur rappen, weshalb ich das alles wegzuschieben versuche.
rap.de: Wie stellst du das denn genau an?
Pyranja: Ich habe mir gerade einen kleinen Traum erfüllt, und zwar habe ich mir ein Achtspurgerät geholt und ein Mikro. So kann ich tagelang damit verbringen, zu Hause Rap zu machen. Ich muss niemanden lange bitten, sein Studio benutzen zu dürfen. Irgendwann dreht sich der Spieß dann auch um.
rap.de: Wie meinst du das?
Pyranja: Tja, am Anfang bettelt man halt viel. So bin ich zum Beispiel zweieinhalb Jahre mit Underdog Crew durch Deutschland getourt, nur um eine Strophe mitrappen zu dürfen. Dafür, dass ich mitkommen durfte, habe ich Benzingeld gezahlt. Das habe ich gemacht, weil es mir wichtig war, auch in den kleinen Dörfern zu stehen, damit sich die Leute meinen Namen merken. So hatte ich auch damals schon viele Live-Auftritte. Das ist für mich Rap. In Deutschland wird leider viel zu viel auf’s Geld geguckt, weil oft große Firmen dahinterstecken. Das Wichtigste ist jedoch, dass die Leute cool sind und die Struktur stimmt.
rap.de: Was ist das für ein Gefühl, aus Rostock weggegangen zu sein, weil man dort nicht ernst genommen wurde – und wie ist das Gefühl, zurückzukehren?
Pyranja: Seither bin ich noch nicht wieder dort aufgetreten. Es ist ja auch nicht so, dass ich da keine Freunde hatte. Die schlechte Stimmung und das Wegdrängen geschahen ja unterbewusst. Trotz allem möchte ich dort gerne mal auftreten. Es gibt neuerdings viele Leute, die mich früher gedisst haben und nun einen Song mit mir aufnehmen wollen. Aber so etwas vergesse ich nicht so leicht. Diese Wut im Bauch gegenüber solchen Menschen spiegele ich auch in einigen meiner Texte wieder.
rap.de: Fühlst du dich eigentlich gar nicht verletzlich, wenn du so persönliche Texte schreibst?
Pyranja: Die Gefahr besteht immer. Wer macht denn schon Musik, wenn diese nicht persönlich ist? Darüber habe ich auch vor kurzem mit Serafin diskutiert. Wir sind zu dem gleichen Schlussgekommen, nämlich, dass die Essenz unserer Musik ist, dass man den Menschen etwas von sich hinterlassen möchte. Für mich ist Musik ein Stück Seele. Genau wie die großen Maler stecke ich Gefühle in mein Werk. Ich bin auch viel selbstbewusster geworden, obwohl ich auf einmal eine Angriffsfläche für die Leute bilde. Wenn man aber Freunde und ein Team hat, die völlig hinter einem stehen, dann ist alles tight. Es ist egal, dass es Menschen gibt, die meine Musik nicht mögen. Je bekannter man wird, desto mehr Fans bekommt man. Gleichzeitig bilden sich auch mehr Gruppen, die einen scheiße finden.
rap.de: Kannst du uns ein wenig über die EP und dein Album erzählen?
Pyranja: Die EP habe ich im August aufgenommen, davon gibt’s jetzt zwei Promo-Maxis. Allein, dass ca. 500 Leute die Maxis kennen, ist für mich ein riesiger Erfolg. Die EP kommt am 29. Januar heraus, da sind insgesamt fünf Tracks drauf. Für mein Album schreibe ich zur Zeit einige Tracks, aber ich lasse mir da genug Zeit. Das Wichtigste für mich stellen im Moment nämlich die Auftritte dar. Im Frühjahr ist auch eine Def Jam-Put da Needle-Tour mit u.a. Creutzfeld Jacob , Savas und mir geplant. Das Auftreten macht mir so viel Spaß, das hat erst einmal Vorrang. Das Album wird deshalb wohl auch kaum vor dem nächsten Jahr erscheinen.
rap.de: Von wem lässt du dir da die Musik machen?
Pyranja: Im Moment steht fest, dass Peer und Shiv von DCS sowie Krutsch aus Berlin dabei sein werden. Außerdem mache ich mit Flipstar nd mit Curse einen gemeinsamen Track.
rap.de: Kommen denn auch Leute auf dich zu, die dir einen Beat anbieten, um mit dir zu rappen?
Pyranja: Ja, die gab es auch früher schon. Das Problem daran ist, dass diese einem eine CD mit teilweise 50 Beats in die Hand drücken. Diese kann man dann gar nicht verinnerlichen. Es war bis auf DCS aber nie jemand dabei, der gesagt hat: „Wir gehen jetzt zusammen ins Studio und machen das so lange, bis du vollkommen zufrieden bist.“ Und nur so konnte dann auch die EP entstehen.