Smudo

rap.de : Ist das – im letzten Teil angesprochene – Fehlen des kulturellen Backgroundes einer der Gründe, warum deutscher HipHop momentan so unkreativ ist?
SMUDO : Nein deutscher Hip Hop ist deshalb so unkreativ, weil man Talent nicht beliebig herstellen kann. Talent ist einfach nur begrenzt, und nicht unendlich, verfügbar. Ich will damit jetzt aber nicht zum Ausdruck bringen, dass nur wenige Leute so talentiert sind wie wir. So selbstbewusst bin ich dann doch nicht, das ich uns das zugestehe. Fakt ist aber, das es nur ganz wenige Leute gibt, die wirklich talentiert sind. Das heißt natürlich nicht, dass jeder, der talentiert ist, auch automatisch ein gutes Album machen kann. Das erste Massive Töne-Album finde ich persönlich unglaublich. Ein Superalbum. Aber sie entwickeln sich nicht weiter. Im Gegenteil sie verkümmern geradezu. Das ist ganz komisch und kurios. Und schlussfolgernd lese ich daraus, dass sie – meines Erachtens – das Potential nicht haben. Die zerstreiten sich nach dem ersten Ding. Was ist denn das für eine Band? Manchmal ist es aber auch nicht nur der Typus einer Musik, sondern die Zeit, die das Potential herauskehrt oder nicht. Was ich damit sagen will, ist, dass man bestimmte Sachen einfach nicht reproduzieren kann. Deshalb werden 90% der Musik immer Scheisse sein und nur 10% dir etwas geben können was mehr hat. Dabei ist es nicht Aufgabe der Industrie solche Sachen zu produzieren. Aufgabe der Industrie oder des Managements oder wem auch immer ist es, diese Diamanten zu finden und zu veredeln, indem sie sagen das und das nehmen wir weg und jenes lassen wir dran. Eine schwierige und einfühlsame Aufgabe, denn das Problem ist, dass man dieses Rohmaterial beim Bearbeiten auch zerstören kann.
rap.de : Beziehungsweise,dass zur Zeit einfach zu viele Leute nach diesen Rohdiamanten suchen und aufgrund der Konkurrenz hin und wieder auch mal Ausschuss an Land ziehen.
SMUDO : Ja genau. Aber diese Konkurenz unter den Machern bzw. dieses Überangebot macht den A&Rs das Auffinden von neuen Bands einfach sehr schwer. Denn sobald es eine Band gibt, die einigermaßen das Potential hat sowie über die Ausstrahlung verfügt, die die Leute fasziniert, wird die doch sofort gesignt. Und die Bands sind doch auch nicht hacke. Die gehen doch dahin, wo das meiste Geld sitzt. Aber das macht es auch den Künstlern schwierig, weil die sofort weggesignt werden und gar nicht erst die Chance bekommen, ein oder zwei Platten zu machen, laufen zu lernen und dann erst zu einem Label zu gehen. Die, die gesingt sind, bekommen nämlich meistens gleich Stress, weil die Plattenfirma sagt, dass man es mit dem zweiten Album aber rausreißen müsse, da man beim ersten schon raufgelegt habe. Die meisten verfolgen solche Sachen einfach nicht langfristig genug. Dennoch – es gibt auch Leute die sagen wir machen erst mal klein-klein und geben dem Fan damit die Möglichkeit die Band für sich zu entdecken. Wir wollen den Fan ja damit nicht erschlagen. Und gerade im HipHop Bereich ist der Weg, dass man dem Fan seine Kompetenzen abspricht, ein sehr dünnes Eis. Als Beispiel. Wir haben vor kurzem, nach langen Verhandlungen, eine Band bekommen, die auch eine Menge Majorangebote auf dem Tisch hatte, die um ein vielfaches höher waren als das, was wir hätten zahlen können. Aber wir haben gesagt: Hört zu, was die anderen euch bieten – da können wir nicht mit, aber bedenkt, das was die euch bieten heißt nicht umsonst Vorschuss. Und so ein Vorschuss muss auch irgendwann mit verkauften Platten zurückgezahlt werden. Und wenn das nicht passiert, wird irgendwann jemand kommen und dann wirst du ein vielleicht ein ungutes Gefühl dabei haben. Wir würden dir aber nur einen Bruchteil der Summe und die Möglichkeit geben, eine Platte zu machen, die du mit einem freien Geist gestalten kannst. Und wenn du davon dann weniger verkaufst als wir gedacht haben, dann musst du dir nicht gleich ein Kreuz machen, da dabei nicht soviel Geld im Spiel ist. Somit sind letztendlich alle Seiten zufriedener. Und dann probiert man es eben mit dem zweiten Album. Und mit dieser Argumentation haben wir die Band schließlich dann doch bekommen. Und so ganz nebenbei bemerkt, ist es auch immer eine Qual mit dem Management dieser Bands zu verhandeln, weil das zum größten Teil einfach keine Manager sind, die da sitzen. Das sind meistens irgendwelche Kumpels, die durch Zufall an den Job gekommen sind und selten über so etwas wie eine Ausbildung oder ähnliches verfügen. Und eine Bemerkung sei mir noch erlaubt. Zu all diesen Problemen kommt noch hinzu, das der größte Teil der Demos, die wir zugeschickt bekommen einfach mal scheisse ist.

 
rap.de : Woher bezieht ihr eigentlich nach all den Erfahrungen und der langen Zeit noch eure Motivation, Musik zu machen? Aus versagter Liebe?
SMUDO : Vielleicht ist es das. Sicherlich ist es auch so eine Art Harmoniesucht, die einen daran hindert, aufzuhören. Man müsste diese Entscheidung ja auch ausbaden. Und vielleicht würde ja jemand auf die Idee kommen und sagen du hast mich ja die ganze Zeit verarscht! Erst hattest du Lust und jetzt wieder nicht. Andersherum ist das aber eine Frage, die ich mir in letzter Zeit auch selbst stelle. Weil eine Platte machen kann ich nicht ständig. Genauso wie Musik machen. Gelegentlich fällt einem etwas ein, wogegen ich allerdings nichts machen kann. Also schreibe die Ideen auf und vielleicht wird daraus mal etwas. Und wenn nicht, dann nicht. Also der Spirit ist schon da, aber wenn du mich fragst woher der kommt, wüsste ich auch keine Antwort.
rap.de : Wo wir vorhin schon über Realness geredet haben, noch eine Frage. Ist der deutsche HipHop noch real oder wird er gerade zu so einer Art neuer Volksmusik, wie damals die NDW?
SMUDO : Nein. Ich denke mal das ist ein Zustand, der nicht sein wird, weil irgendwann wird es dem Konsumenten zu doof und HipHop Musik wird wieder zurückgehen. Man kann es ja an den USA sehen. Da ist auf jeden Fall ein Mainstream und es wird auf jeden Fall auch mal einen Rapsong geben, der in die Top Ten einsteigt. Aber es wir auch immer einen breiten Untergrund geben, der die Trennung noch schärfer machen wird. So richtig tot wird es nie werden. 15 Jahre HipHop können nicht einfach so kaputtgehen. Dazu bietet diese Musik einfach zu viele Möglichkeiten zu fusionieren und woanders stattzufinden. Und auf Deutschland bezogen: Ich denke dass das, was hier momentan passiert, ein riesiger Hype ist. Wobei ich aber auch nicht verstehe, dass ein 14jähriger, der heutzutage Revolution machen möchte, sich dann ausgerechnet so etwas spießiges wie HipHop aussucht. Dass er ein Fan dieser Musik ist, ist dabei etwas ganz anderes. Ich meine, wenn ich ein Sendungsbewußtsein hätte und die Leute aufrütteln möchte, würde ich nie zu dem greifen, zu dem alle greifen. Da würde ich eher zu etwas greifen was etwas ganz anderes ist. Für mich war HipHop damals – abgesehen davon, dass es mir gut gefallen hat – auch etwas, was kaum einer kannte. Damals ist man noch in der Schule rumgerannt und wenn einer gefragt hat was hörst du denn für Musik, immer sagen konnte, ach kennste eh nicht. Und darauf konnte man sich etwas einbilden. Damit war man individuell. Wenn ich mir überlege, das ich heute noch mal 14 wäre und es mir aussuchen könnte, dann wäre HipHop das letzte, was ich machen würde. Dann würde ich mir etwas aussuchen, was keine Sau kennt. Deshalb kann ich es auch nicht verstehen, wie jemand zu etwas greift, wo schon alle ihre Finger dran hatten.