Sido

Als ich im Aggro Berlin-Studio in Schöneberg zum Interview mit Sido aufschlage, herrscht reger Betrieb. Die Jungs, die sich um die Website, Flyer und ähnliches kümmern, sind anwesend und beenden gerade ihre Besprechung. Sido selbst steht noch im Aufnahmeraum und nimmt mit ein paar Kollegen Musik für einen Sampler seines eigenen Labels namens „Sektenmuzik“ auf, das auch über Aggro vertrieben werden soll. Wegen des unmittelbar bevorstehenden Releases seines Albums „Die Maske“ (VÖ am 26.04.2004) steckt man mitten im Promostress. Zahllose Interviewtermine und Auftritte bei MTV und Konsorten sind absolviert. Sido weiß bereits, dass sein Gesicht hinter dem verchromten Mikrophontotenschädel das Cover der Juice zieren wird. Wenige Wochen zuvor hat er die Single „Mein Block“ veröffentlicht, deren zugehöriges Video von Danny Harder produziert wurde, auf dessen Konto auch mehrere Seeed-Videos gehen. Die Ampeln im Aggro-Lager stehen also definitiv auf grün.

Auf Anweisung der „Kommunikations-Zuständigen“ stellt sich Sido offiziell vor: "Hallo – ich bin Sido von der Sekte. Ich bin gesignt auf Aggro Berlin und bringe zurzeit das erste deutsche Rap-Album auf den Markt. Ihr könnt mich also auch den ersten deutschen Rapper nennen. Da habt ihr auf rap.de ja auch lange gebraucht, bis ihr endlich mal ´nen Rapper hattet." Auch im weiteren Gespräch erweist sich Sido als wahrer Character.

rap.de: Vor ein paar Wochen gab es auf rap.de ja eine heiße Diskussion über deine Zusammenarbeit mit Tomekk. Hast du mit einer derartigen Anteilnahme gerechnet?

Sido: Damit müssen alle leben. Als ich den Track gemacht habe, habe ich mit den Konsequenzen gerechnet, obwohl mir die Konsequenzen eigentlich egal sind. Ich mache, worauf ich Bock habe und scheiße drauf. Ich scheiße drauf, ob Leute sagen „Äh – du machst jetzt Musik mit Tomekk“. Die Verkaufszahlen werden das für mich regeln. Dass ich mit der Single auf Platz 33 landen konnte, das heißt für mich was. Ob Tomekk dazu beigetragen hat, ist mit eigentlich egal.

rap.de: Wie kam es überhaupt zu der Kollabo?

Sido: Tomekk hat den Arschficksong gehört und war davon so krass begeistert, dass wir ihm davon eine Dub-Plate gemacht haben. Den Arschficksong gibt es einmal auf Platte, und die besitzt Tomekk. Er hat den in jedem Schicki-Micki-Club gespielt und war einer der ersten DJs, die mich unterstützt und im Club gespielt haben. Das ist beeindruckend, und das bedeutet etwas für mich. Wenn mich einer cool findet und ich ihm sagen kann „Ej alles, was du bis jetzt gemacht hast, war echt nicht mein Fall“ und ich dann einen Track mit ihm und X-Zibit machen kann – weißt du, das hat Tomekk mir klar gemacht, warum nicht? „Tomekk is´ schwul“ ist für mich kein Argument, weil ich ja nicht schwul bin.

rap.de: Der Remix von Tomekk kommt ja eher so ein bisschen kinderlied-mäßig. War das deine Idee?

Sido: Ja – er hat mich gefragt „Was stellst du dir vor?“. Weil die beiden anderen Versionen so nach vorne gehen, wollte ich was schmooveres haben. Ich wollte was für die Bräute, damit auch die meinen Block mögen. Und ganz ehrlich – es ist die Bräuteversion geworden.

rap.de: Ich habe gerade ein Interview mit DJ Sepalot vom Blumentopf gemacht, und der meinte, „Mein Block“ sei ein fetter Track, der authentisch klinge. Überrascht dich das?

Sido: Ehrlich gesagt ja. Wenn ein Mann gedisst wird, kann er dem Mann, der ihn gedisst hat, doch nicht sagen „Du bist cool.“. Sepalot hat seine Männlichkeit gerade so was von verloren. Oh Mann, oh Seppi, Seppi…


rap.de: Naja – der Diss ist ja nun nicht so heftig…

Sido: Der Diss ist ja letzten Endes auch nicht auf Blumentopf bezogen, sondern auf den Track „Mein Block“. Vor allem darauf, dass es nun zwei Juice-CDs gab, auf denen ein Track „Mein Block“ hieß. Eigentlich bin ich dazu prädestiniert, einen Track zu machen, der „Mein Block“ heißt und kein anderer – kein anderer. Aber auf einmal wird es legitim in ganz Deutschland, über seine Blöcke zu reden, egal wie viel Stockwerke die haben. Ich würde gerne noch mal klarstellen, dass ein Block für mich auf jeden Fall erst ab zehn Stockwerken anfängt.
rap.de: Du kannst mit dem Blumentopf-Track also nichts anfangen, nehme ich mal an?

Sido: Nein. Ich hab´ den Track allerdings auch nur ganz kurz gehört, und dann hat es mich voll abgetörnt, dass Manuva den Chorus gemacht hat.
rap.de: Kein großer Fan?

Sido: Ich finde seinen Backup killer. Joseph , den Schwarzen. Der ist ein netter Junge, mit dem hänge ich auch gerne rum. Manuva is´ voll arrogant. Der kann auch nicht auf diesen Straßenstyle, der braucht so Conscious-Rap. Das bringt der auch rüber, wenn man mit ihm redet – deswegen kann ich Manuva nicht leiden.
rap.de: Ich seh´ gerade, dass auf deinem Album auch Oli Banjo ist. Oli Banjo is´ richtig dick…

Sido: Oh ja, der is´ echt dick geworden…
rap.de: Was wiegt er denn im Moment?

Sido: Oh – der wiegt viel, der nimmt ja auch so ´n Pharmazeutikazeug, davon geht man ja auch ein bisschen auf.
rap.de: Wie bist du auf Oli Banjo gekommen?

Sido: Die Hälfte des Albums wurde bei Headrush produziert, also acht Tracks. Es ist ja bekannt, dass Oli Banjo auch von denen produziert wird, und auf dem Weg hab ich ihn auch kennen gelernt. Der ist auf jeden Fall ein talentierter Rapper.
 

rap.de: Wie lief die Arbeit mit Headrush konkret?

Sido: Ich war zweimal in Düsseldorf und versteh mich auch sehr gut mit den Leuten da unten. Dort herrscht eine gute Atmosphäre. Ich hab´ Beats geschickt gekriegt und mir ein paar ausgesucht. Als ich hingefahren bin, hab´ ich aber gemerkt, dass mir Roman so ein bisschen Schrott geschickt hat, ehrlich gesagt. Dort waren dann die besseren Sachen. Ich war dann da und hab fünf Tracks in einer Woche aufgenommen. Geschrieben und aufgenommen, weil ich die Beats ja vorher nicht hatte. Ich dachte, da werden schon bessere Beats sein, als auf der CD und das war auch so. Ich wollte halt nicht diesen Oli Banjo-Style, das war mir wichtig. Er hat mir viele Beats, die nach Oli Banjo geklangen, geklangten… hahaha. Das wollte ich nicht. Der kann mehr als nur das. Ich brauche meinen Style von ihm, wobei das Synthielastige drin geblieben ist. Insgesamt habe ich da aber acht Sachen gemacht.
rap.de: Wie lange hast du an dem Album letztlich gearbeitet?

Sido: Seitdem ich rappe, habe ich in Gedanken an meinem Album gearbeitet, habe mich aber bisher einfach noch nicht getraut, auch eins zu machen. Wenn man ein Album macht, steht man alleine dafür gerade. Guck dir die Feature-Liste an, die ist nicht gerade groß. Konsequent habe ich nun aber vielleicht ein Jahr an meinem Album gearbeitet, und jetzt isses da. Das Album hat auch schon viele Namen durchgemacht. Es sollte schon oft anders heißen. Es gab auch schon eine Menge anderer Konzepte, bis wir schließlich da gelandet sind.


rap.de: Was war die Ausgangsidee?

Sido: Erst sollte es „Für die Ladies“ heißen, ´ne EP werden. Dann sollte es „Für die Ladies“ heißen und ein Album werden. Dann war ein ganzes Album für das Thema „Für die Ladies“ einfach zuviel. Dann sollte es „Buh“ heißen, wegen der Maske, und am Schluss haben wir einfach das Naheliegendste genommen – „Die Maske“. Auf dem Album beschreibe ich ja auch ein bisschen, warum ich die Maske trage. Man erfährt viel über mich.
rap.de: Was ist für dich die wichtigste Message des Albums?

Sido: Die wichtigste Message ist auf jeden Fall, dass es dreckige Gegenden in Deutschland gibt. Ich nenne es Ghetto. Es gibt auf jeden Fall Ghettos in Deutschland.
rap.de: Wohnst du immer noch im MV bzw. soll das so bleiben?

Sido: Erst mal ja. Wenn ich so viel Geld habe, um mir ein Haus zu leisten, dann ziehe ich um. Aber erst mal kriegt Mama ihr Haus. Mama kommt erst mal aus ´m Märkischen weg. Ich bleib da erst mal. Vielleicht nehme ich mir ´ne größere Wohnung. Es gibt auch Atelierwohnungen bei uns, oben auf ´m Dach.
rap.de: Ist die Wohnung, die man im Video sieht, deine Wohnung?

Sido: Das ist meine Wohnung.
rap.de: Das Video ist richtig krass, wie lange habt ihr dafür gebraucht?

Sido: Drei Tage, weil wir auch ein paar lumpige Kiffer sind. Wir haben für das Video auch nicht so viel bezahlt, wie es normalerweise gekostet hätte. Daniel Harder ist ein sehr cooler Kerl. Wir haben überhaupt viele coole Menschen getroffen in letzter Zeit. Leute die gesehen haben, dass das Ding hier läuft, und die gesehen haben, dass Aggro Berlin ´ne Zukunft hat.
rap.de: Die Maske stammt ja von Specter . Er hat sie designt, und sie ist bisher ein Einzelstück. Hast du die quasi in Auftrag gegeben, oder kam er mit der Idee?

Sido: Eine Maske wollte ich schon immer tragen, Ghostface Killah hat mich eigentlich auf die Idee gebracht. Ich hab´ das Specter aber nie gesagt, weil ich das eigentlich auch schon wieder vergessen hatte. Dann kam aber Specter irgendwann selbst mit der Idee, und weil ich das früher auch immer schon wollte, war ich davon gleich angetan. Ich weiß auch nicht mehr, wie wir auf das Aussehen der Maske kamen. Irgendwann kamen wir jedenfalls auf die Idee mit dem Totenkopf, und Specter hatte dann die Idee, das mit diesem alten Mikrophon zu kombinieren. Für dieses ganze Grafik-Zeug kann man sowieso immer Erik [Specter] die Schuld geben.
rap.de: Die Leute kennen dich ja aber doch eh´ von der Sekte. Was ist also die Motivation dafür, die Maske anzuziehen?

Sido: Mein Plan war es schon immer, über dieses Underground-Ding hinaus zu gehen. Wenn man meine Musik hört, dann merkt man auch, dass ich immer schon ein bisschen der Nettere war. Nicht weil ich das andere nicht mag, sondern ich bin so nicht. Ich will ja auch ein bisschen real bleiben. Ich lasse es nicht so gerne bluten auf meinem Track, ich bin meistens witzig auf meinen Songs. Natürlich blutet es auch hier und da mal, aber dann muss es eben sein. Dann war eben jemand ein Arschloch zu mir.
rap.de: Im Endeffekt geht es also darum, einen bewussten Kontrast zur Sekte zu schaffen?

Sido: Genau. Aber die Maske hilft mir auch, denn die Leute kennen mich nicht. Ich kann über die Straße laufen, und die Leute wissen nicht, wer ich bin, solange ich die Maske nicht aufhabe. Sobald ich die Maske aufsetze, habe ich Massen um mich rum. Es kann also nicht sein, dass die Leute mein Gesicht schon kennen. Ich lauf z.B. mit Miriam von MTV am Potdsdamer Platz die Straße lang, und plötzlich kommt so ´ne Traube Mädchen auf uns zu. Aber die wollten alle zu ihr. Ohne Maske erkennt mich einfach keiner. Und das ist gut, das ist ein guter Schutz. Die Maske hält mir diese ganzen Bravo-Mädchen vom Leib.
rap.de: Gegen Aggro läuft ja gerade auch ein Indizierungsverfahren. Sind davon auch Songs von dir betroffen?

Sido: Ja – der Arschficksong soll verboten werden, Relax, was ich überhaupt nicht verstehen kann, soll verboten werden… Es sind ja Sampler, die verboten wurden. Die drei Aggro Berlin Sampler, und da sind natürlich auch Tracks von mir dabei. Aber mir wird da Kinderpornographie vorgeworfen, und damit kann ich nicht leben. Das ist für mich das Härteste, was es gibt. Oh krass, also Kinderficker sind für mich die schlimmsten Menschen auf der ganzen Welt, und ich werde mit denen gerade in einen Topf geschmissen. Damit kann ich nicht leben.

 rap.de: Danke für das Gespräch.