Unsung Heroes

Zwischen Heldensagen und ellenlangen Balladen lässt die Geschichte oft Platz für all jene, die sich nicht für die Versform eignen. Wenn auch das 21.Jahrhundert nicht das Zeitalter wahrer Helden und Edelmänner ist, so gilt es aber nun doch die Tassen auf ein etwas ungewöhnliches Duo zu heben. Dieses hat zwar noch nicht Geschichte gemacht, ist aber gerade dabei, sich dort seinen Platz zu sichern. Zwar nicht gerade in Schulbüchern oder Balladen, aber doch in einer Kultur, die heutzutage ebenso dringend der Helden bedarf wie die gemeine Weltgeschichte. Hip Hop ist die Kultur, um die es sich dreht, und unsere zwei Helden sind eigentlich ganz gewöhnliche junge Männer. Aber mit einer Mission. Verena Moog hebt die Tasse und spricht den Toast. Insite und Shiver, geboren und aufgewachsen im Westen Londons, sind Seit ’86 im Auftrag guter Beats und ehrlicher Lyrics unterwegs. Als Unsung Heroes haben sie schon eine Reihe Maxis veröffentlicht und nun auch endlich die erste LP, die weitab von Benz- und Butt-Alerts ein Statement zu HipHop liefert, das lange überfällig war. Nicht umsomst heißt die LP „Unleashed“ – entfesselt – und nur darum geht es. Und weil derartige Styles zwar meistens nicht in die Charts, doch aber in die Herzen wahrer Hip Hop- Headz führen, haben wir Insite von den Heroes zum Interview gebeten, damit diese – wenn schon nicht bei den Music Awards – dann doch hier ihre mehr als wohlverdiente Plattform bekommen.
Was inspiriert euch, gibt euch den Input, den ihr braucht? Spielt London dabei eine Rolle und/oder das Umfeld in dem ihr euch bewegt?
Insite: Okay, Zeit für eine tiefschürfende Antwort: Die Persönlichkeit eines Menschen setzt sich zusammen aus den Erfahrungen, die er im Leben sammelt. Kreative Inspiration kommt also aus unendlichen Quellen und natürlich auch daraus, daß man bestimmte Erlebnisse mit jemandem teilt. Shiver und ich wuchsen in der gleichen Gegend auf, und die Rare Groove/Hip Hop Szene, die in den Achzigern in London dominierte, hat uns natürlich beide inspiriert und geprägt! Ich bin ja ein bißchen älter als Shiver und habe sogar noch so legendäre Clubs wie das „Soul II Soul“ oder „Fingerpop“ erlebt. Diese Szene hat uns an die Plattenteller getrieben und als es uns nicht mehr reichte, immer nur das Zeug von anderen Leuten zu spielen, haben wir eben beschlossen, selber Musik zu machen. Der Rest ist Geschichte…naja, unsere Geschichte zumindest!
rap.de: Nun gut. Aber wie steht´s mit der Entwicklung von Hip Hop generell? Interessiert euch das überhaupt? Oder habt ihr eh eine eigene Vorstellung davon, wie oder was Hip Hop sein kann/könnte/sollte? Inwieweit spielt der Titel eurer Platte eine Rolle in dem Bild, das ihr euch von Hip Hop macht?
Insite: Okay, das ist eine ziemlich komplizierte Frage. Wir haben dem HipHop eigentlich von Anfang an bei seiner Entwicklung zugesehen, und wir haben wirklich viel gesehen. Ich bin schon fast ein B-Boy-Rentner! (lacht). Wir können diese Frage natürlich nur aus unserer Sicht der Dinge beantworten und ich sage nur schon mal vorab, daß wir sehr involviert sind, was die Entwicklung von Hip Hop angeht. Hip Hop bzw. Rap war früher ja einfach nur dazu da, seine Skills zu zeigen in den Lyrics. Es gab Leute wie Spoonie Gee, Big Daddy Kane, KRS 1 usw. und es gab zu dieser Zeit eine Menge guter Conscious-Lyrics aber auch unschlagbaren Humor, wie z.B. bei „Go see the Doctor“ von Kool Moe Dee! Heutzutage geht es meistens um andere Dinge. Geld spielt eben die wichtigste Rolle und das hat von der Gesellschaft auf den Hip Hop übergegriffen, weil Hip Hop genau wie Pop plötzlich vermarktet werden kann. Jeder hat sein Image und jeder hat seine eigene Einstellung zur Musik. Aber viel zu viele Leute wollen nur immer über Geld reden oder darüber, wie extravagant ihr Lebensstil ist. Klar, Wettbewerb war und ist immer wichtig gewesen im Hip Hop, aber es ging niemals ausschließlich darum. Früher, wenn ein

Rapper was konnte, dann hatte er es verdient, dafür bezahlt zu werden. Heutzutage soll man die Rapper dafür bezahlen, nur weil sie darüber rappen, wieviel Kohle sie verdienen! Dieser Scheiss ist langweilig. Unter diesem Aspekt versuchen wir ein paar Dinge hochzuhalten, indem wir mit Rappern arbeiten, die Consciousness, Skills und auch Humor mitbringen. Wir wollen, dass unsere Zuhörer über die Textfertigkeit unserer MCs staunen oder über die Witze lachen oder einfach nur dasitzen und sich über die Lyrics Gedanken machen. Gottseidank gibt es immer zwei Seiten der Medaille und so gab es in den letzten Jahre auch wieder eine Reihe MC´s, die die alten Tugenden pflegen. Und wir hatten echt Glück, mit einigen der Besten zu arbeiten! Wenn man sich z.B. die Texte von Ty richtig anhört – da merkt man was es heißt, Skills zu haben. Also!… Man kann durchaus sagen, dass der Titel „Unleashed“ eine stärkere Bedeutung hat. Wir entfesseln etwas mit unserer Arbeit, etwas, wofür wir lange gebraucht haben, um es zu schaffen. Wir lassen bestimmte Lyrics auf ein nichtsahnendes Publikum los, das oft genug auch noch ziemlich ignorant ist. Und wir hoffen, dass wir dadurch das Profil dieser Leute schärfen können, im UK, in anderen Staaten und natürlich auch nur uns selbst betreffend. Und wir lassen unsere Wertvorstellung von HipHop auf all die Scheisse los, die den HipHop runterzieht!
rap.de: Wurden die Aufnahmen für euer Album im Endeffekt so, wie ihr sie euch anfangs vorgestellt hattet? Oder ist sowas gar nicht möglich?
Insite: Naja, als wir mit den Aufnahmen starteten hatten wir ein grundsätzliches Bild davon, was wir mit der LP erreichen wollten. Aber als das Projekt in Bewegung war, wuchs es sozusagen organisch. Im Endeffekt wurde die Platte so, wie wir sie uns vorstellten, auch wenn das Arbeiten mit verschiedenen Künstlern immer bedeutet, dass auch deren Vorstellungen mit einfließen. Deshalb haben Kompromisse von Anfang an dazugehört. Aber wir haben mit Künstlern gearbeitet, die die gleiche Einstellung haben wie wir und so haben wir ein in sich geschlossenes Album erreicht , das sowohl Tiefe als auch Abwechslung in sich vereint… zumindest hoffen wir das!
rap.de: Und wer von euch beiden macht im Studio was?
Insite: Ich mach die ganze Programmierarbeit und Shiver macht die DJ-Sachen. Aber das Schreiben und Arrangieren machen wir zusammen. Genau wie die Beatbastelei.
rap.de: Und wie geht´s jetzt weiter für Euch?
Insite: Wir haben für Tys Soloalbum ein paar Tracks produziert und haben auch ein paar Remixe gemacht (u.a. für Encore! d.Red). Jetzt werden wir demnächst für Karim Kedras Soloprojekt was produzieren! So stay tuned listeners!
rap.de: Und was werdet ihr mal machen, wenn ihr mal zu alt seid für das alles? 
Insite: Ich werde ein Altersheim für B-Boys gründen!!! Dazu muß aber erstmal noch etwas Zeit verstreichen, denn auch wenn die Heroes vielleicht nicht mehr zum jungen Gemüse zählen so kommen sie doch fresher als die meisten! Und bis zur Rente dürfen wir sicher noch mit dem ein oder anderen Meisterwerk der heimlichen Helden des HipHop rechnen…