Square One

Englischsprachiger Rap aus Deutschland: Ein Thema für sich! Reimten in der Oldschool noch sehr viele MCs hierzulande in der Muttersprache des Rap, hat sich in den letzten Jahren doch ein dramatischer Wechsel hin zum überwiegenden Gebrauch des Deutschen vollzogen. Dieser Wandel ist so dramatisch, dass auch viele der MCs, die vorher noch Stein und Bein auf Englisch als perfekte Rap-Sprache geschworen haben, ihr Vokabular gegen das Germanische ausgetauscht haben. Auch die ganzen in Deutschland ansässigen Migranten-Sprachen sind 2001 im Deutschrap viel seltener zu vernehmen, als dies noch vor – sagen wir mal – acht Jahren der Fall war (auch wenn die türkische Szene sich gerade wieder zu regen beginnt). Wie dem auch sei: Vorteile hin, Nachteile her: Es gibt sie noch, die Gruppen, die dem Englischen treu geblieben sind. Eine dieser Gruppen heißt Square One, kommt aus München und hat nach zwei beachteten Maxis nun ihr Debüt-Album "Walk of Life" auf Showdown vorgelegt; ein Label übrigens, von dessen fünf gesignten Gruppen und Künstlern drei englisch rappen. Jan Kage hat sich mit den Rappern der Gruppe, Ali und Scott, zum Gespräch zusammengesetzt.
rap.de: Wie lange habt ihr an eurem Album gearbeitet?
Scott: Willst du die Wahrheit? Wir haben eigentlich im September 2000 angefangen. Aber bis März hatten wir nur vier Lieder. Der Hauptteil ist innerhalb von zwei März-Wochen entstanden.
Ali: Aber das waren auch nur die Aufnahmen.
rap.de: Wie schreibt ihr eigentlich eure Texte? Habt ihr da vorher Konzepte?
Ali: Ich glaube, wenn man seine Debüt-LP macht, hat man gewisse Dinge, die man schon immer machen wollte – man kann auf verschiedene Dinge zurückgreifen. Viele Sachen waren uns vorher klar, viele sind während des Album-Prozesses entstanden. Grundsätzlich zum Texteschreiben: Es ist so, dass wir von Iman einen Beat bekommen und versuchen, die Stimmung des Beats aufzugreifen. Ich weiß, das hat man auch schon tausendmal gehört, aber es ist bei mir wirklich so, dass ich die Gefühle erst richtig im Text weiterzutragen versuche.
rap.de: Das Album ist ja auch sehr gefühlvoll. Eine Hook hat zum Beispiel Patrice gesungen. Da ist noch eine andere gesungene Hook drauf…
Ali: Das ist "Dreams" von Kevin Iszard aus Carolina, der seit ein paar Monaten in Frankfurt lebt.
rap.de: Ist es, was die Aufmerksamkeit angeht, in Deutschland momentan nicht schwer, englischsprachigen HipHop zu machen? 
Ali: Selbstverständlich. Da brauchen wir gar nicht drüber diskutieren. Wir haben halt am Anfang diesen Weg gewählt, und mir hat sich nie die Frage gestellt, ob ich umswitchen soll, weil ich mich einfach auch immer noch nicht mit der deutschen Sprache identifizieren kann. Natürlich ist es schwer. Es ist auch für unser Label schwer. Die sind sehr commitet. Es ist ja auch alles sehr aufwendig, was wir da gemacht haben. Aber wenn man weiß, dass jemand an einen glaubt, ist es ja auch schon wieder einfacher. Auf der anderen Seite ist der Vorteil, dass man vom Ausland Feedback bekommt. Leute aus den Staaten oder aus Japan sagen: "Das ist gut!". Und da gleicht es sich ein wenig aus.
rap.de: Das ist natürlich ein Vorteil, den man als deutscher MC nicht hat.
Ali: Ganz genau.

rap.de: Was habt ihr denn an internationalen Kontakten? Und wie war das Feedback?
Ali: Bis jetzt war es eigentlich ziemlich gut. Bei der ersten Maxi "Mind, Body and Soul" war es ziemlich gut, bei "State of the Art" war es richtig groß. Wenn du x-tausend Platten verkauft hast und dann erfährst, dass du ein Drittel hier verkauft hast und ein Drittel ganz woanders, dann ist das schon gut. Wir kriegen auch ab und zu mal E-Mails von hier und dort. Beim Album bin ich selbst gespannt, wie es ankommt, weil du eine Gruppe auch nicht unbedingt nach Maxis beurteilen kannst. Das ist nicht repräsentativ für die Gesamtstimmung, das Gesamtwerk. Nach einem Album hast du eine Geschichte zu erzählen. Da schaut das dann ein wenig anders aus.
rap.de: Ihr macht wahrscheinlich Musik auch seit den Teenie-Jahren. Was ist das für eine Erfahrung, sein erstes Album zu machen? Ist es im Grunde das Gleiche, was man immer gemacht hat: Texte schreiben und Tracks machen, oder ist es doch was anderes, weil man sich sagt: O.K., in neun Monaten hauen wir fünfzehn Tracks zusammen und arbeiten konzentriert an einem Stück durch.
Ali: Man denkt, dass man keine Probleme hat, sobald man einen Plattenvertrag unterschrieben hat. Man denkt als Künstler, ab dem Trag sei alles rosig. Die Realität ist einfach, dass, sobald du einen Plattenvertrag unterschrieben hast, die Probleme erst anfangen. Gar nicht mal negativ: Ich hab´ seit ´89 Musik gemacht und hab´ auch immer das Glück gehabt, dass ich von Anfang an ins Studio gehen konnte und richtig Lieder machen konnte. Das Glück haben nicht sehr viele. Viele schreiben und schreiben, und irgendwann finden sie dann einen Produzenten, der das für sie macht. Bei mir war das so, dass ich von Anfang an mitbekommen habe, wie man Lieder macht. Aber das, was wir in den letzten Jahren von der politischen Vielfältigkeit des ganzen Geschäftes mitbekommen haben, hat alles übertroffen: Es geht nicht mehr nur um deine Musik. Obwohl wir mit Showdown wirklich definitiv die coolsten Leute haben, die es gibt – ich bezeichne die nicht als mein Label, sondern schon als meine Freunde, ich hab wirklich eine persönliche Beziehung zu den Jungs. Und das ist auch gut so. Aber trotzdem gibt es tausend andere Sachen drum herum, wo du enttäuscht wirst. Wo das, worum es wirklich geht: nämlich, dass wir eine Kultur haben, dass es eine Lebensform ist und dass es nicht nur um die Musik geht, sondern dass sehr viel mehr damit verbunden ist – solche Gedankengänge werden in der Industrie, bei den Ausmaßen, die HipHop heute hat, nicht mehr realisiert.
rap.de: Was ist euch denn wichtig? Ich meine jetzt nicht ein Thema oder so, sondern: Was ist das, was Square One ausmacht?
Ali: Musik. Dass wir Musik machen, Musik lieben, leben und dass es primär nicht um HipHop geht, sondern, dass wir Musik wirklich leben. Und wir machen das. Wenn man das Album von uns hört, dann machen wir Musik. Es gibt tausend Themen, die wir da aufgegriffen haben, und ich glaube auch tausend wichtige Themen, aber letztlich ist das HipHop-Musik, was wir machen; unterhaltende HipHop-Musik.
rap.de: Ihr habt ja gerade erzählt, dass viele Leute denken, wenn man einen Plattenvertrag hätte, hörten die Probleme auf, man hat endlich Geld. Wie kann man sich denn euer Leben momentan vorstellen?
Ali: Also, ich arbeite nicht mehr. Ich habe bis Ende März noch gearbeitet. Ich hab´ in einem Buchladen gearbeitet, was sehr gut war. Aber es hat sich nicht mehr arrangieren lassen. Wir mussten nach New York, mastern, die ganzen Auftritte, was ja auch wichtig ist. Ich komm‘ zurecht. Ich hab eine Frau zuhause, ich muss zurecht kommen. Aber wenn ich das Gefühl hab´, ich muss wieder arbeiten, weil es kurz und knapp wird, dann mach ich das auch gern. Ich hab‘ kein Problem, zu arbeiten. Wo ich die letzten zwei Jahre richtig gearbeitet hab, gab es mir auch einen Ausgleich. Für mich ist das cool. Iman und Eddie arbeiten aber noch. Scott: Ich arbeite auch nicht mehr. Es ist zu hart. Wollen wir hoffen, dass den Jungs ein wenig Erfolg vergönnt ist und sie lange und kräftig ihre Musik produzieren können. Live long and prosper, square!  P.S.: Wer die Musik der Achtziger kennt, weiß übrigens, dass die Rockband Dire Straits auch ein Album veröffentlichte, das "Walk of Life" hieß, was an sich noch nicht wirklich erwähnenswert ist, aber ergänzt durch die Tatsache, dass Kollege Huey Lewis einen Hit hatte, der "Hip to be Square" hieß, wird doch ein Flash draus. In dem Sinne: Es lebe die Musik!