National Poetry Slam

Vom 30. September bis 3. Oktober 2000 fand im zakk in Düsseldorf der diesjährige National Poetry Slam statt, nach Berlin, München und Weimar die vierte deutsche Meisterschaft der Slam Poeten: Dichter treten auf eine Bühne und stellen sich im gegenseitigen Wettstreit ihrem Publikum. Es ist klar, dass diese Form poetischer Präsentation und Auseinandersetzung ihre Wurzeln im Battle-Gedanken der HipHop-Kultur und bei den Last Poets hat. Tatsächlich hat Udo Scheer Slam Poetry einmal als Dichtung, „wachgerüttelt durch den Rap" bezeichnet. Slam Poetry ist die Dichtung nach Rap, ungeschminkt, direkt und wütend. Und wer einmal die Texte von Ursula Rucker oder Tarin Towers mit den Freestyles von Speech oder KRS ONE vergleicht, der weiß, wieviel Slam Poetry und Rap gemeinsam haben. Auch auf den deutschsprachigen Slam-Bühnen tummeln sich einige Rapper, bekanntestes Beispiel ist Bastian Böttcher , der Rapper von Zentrifugal . Erhat 1997 den ersten National Poetry Slam gewonnen und ist inzwischen auch schon einige Male in den USA aufgetreten, unter anderem im legendären Nuyorican Poets Café . Und auch der Gewinner des diesjährigen National Poetry Slam, Jan Off hört fast ausschließlich Rap-Musik. Außerdem stand in Düsseldorf eine junge Rapperin aus München auf der Bühne, MC Meral , von der auch für die HipHop-Szene noch einiges zu erwarten ist. Wie läuft eine solche Meisterschaft der Slam Poeten ab? Zunächst ist jede Stadt, in der ein regelmäßiger Poetry Slam stattfindet, teilnahmeberechtigt – in diesem Jahr waren erstmals auch Slammer aus Österreich und aus der Schweiz am Start. Diese Städte schicken dann ein Team aus drei bis fünf Slammern in den Gruppenwettbewerb und zwei Slammer in das Einzelfinale. Wie in Düsseldorf üblich, wird unmittelbar vor der Veranstaltung eine Zufalls-Jury aus dem Publikum rekrutiert, die die Leistungen der Slammer in Noten zu fassen hat, eine schwierige und oft undankbare Aufgabe. Das Einzelfinale des diesjährigen National Poetry Slam sollte zu einem denkwürdigen Ereignis in der Geschichte der deutschsprachigen Slam Poetry-Bewegung werden: Es fing mit Wehwalt Koslovsky an, dem Lokalmatador aus Düsseldorf, der – zum Glück für alle anderen -außer Konkurrenz das Publikum anheizen sollte. Und für alle, die noch nie einen Poetry Slam erlebt haben, hier ein O-Ton aus Düsseldorf, nittigritti von Wehwalt Koslovsky . Jan Off trat dann mit einer Publikums- und Jury- Beschimpfung auf die Bühne, die die Spannung und Aggression vor und hinter den Kulissen auf den Höhepunkt trieb. Eigentlich sollte das sein letzter Slam werden, seine Abrechnung mit einer Szene, die immer mehr Spaß und Klamauk, dafür aber immer weniger anspruchsvolle Dichtung hören will. Doch anstatt ihn von der Bühne zu brüllen und mit null Punkten abzuservieren, feierte ihn das Publikum und die Jury belohnte ihn mit Höchstnoten. Direkt danach kam Tom Combo aus der Schweiz auf die Bühne, das zakk war zu diesem Zeitpunkt ein einziger Hexenkessel. Und Tom Combo singt ein Lied für die Toleranz, gerade auch für die Proleten im Publikum, die ihn stören und verunsichern wollen. Ein Lied für die Toleranz nach Jan Offs Publikumsbeschimpfung! Plötzlich fand ein Dialog statt zwischen den Dichtern und zwischen Dichter und Publikum. Da waren nicht mehr nur Dichter, die einer nach dem anderen brav ihre Texte zum Besten gaben, mal besser, mal schlechter, sondern jetzt begann der Slam zu leben – und keiner wusste das mehr zu schätzen als der spätere Sieger dieses Duells, Jan Off . Leider hatte die Jury nicht den Mut, Tom Combo den Sieg zuzusprechen, denn wie er mit der Stimmung im Publikum umgegangen war, die Aggressionen beruhigte und die Stimmung im Publikum wieder öffnete für die folgenden Poeten, das war ganz groß!  Slam Poetry und HipHop sind in vielem vergleichbar, doch der entscheidende Unterschied liegt darin, dass sich die Slam Poeten allein auf die Kraft ihrer Texte verlassen, verlassen müssen. Auf der Slam Bühne zählt allein das gesprochene Wort. Da ist kein DJ, keine Musik, kein Beat, nichts, was die Schwächen des Textes ausgleichen könnte. Und dem einen oder anderen HipHop-Star könnte es nicht schaden, sich einmal in die Höhle der Slam Poeten zu wagen und ohne musikalischen Rückhalt auf die Bühne zu treten. Bill Stephney , der Entdecker von Public Enemy, hat einmal über Rap geschrieben: „Was Rapper machen, ist sehr musikalisch, die Art und Weise, wie sie Worte auf bestimmte Rhythmen abstimmen. Wenn du bei einem Song die Musik weglässt, dann kannst du immer noch zu den Worten tanzen." DJ Marius No. 1 wiederum sagte in einem Interview, wenn sich die Rapper so viel Mühe mit ihren Texten geben würden, wie die DJs und Produzenten mit ihrer Musik, dann müssten wir uns viele der Texte da draußen gar nicht anhören. Und a-capella zeigt sich, was ein Text wert ist.In diesem Sinne, lasst die Verse tanzen! Auf den folgenden Internet-Seiten kann man sich weiter über Slam Poetry informieren, Hintergründe, Literatur, Veranstaltungen, Texte etc: www.pons.de www.stattbuch.de/poetryslam www. socialbeat.de www.kulturszene.de/slam www.nuyorican.com http://slam.bcn-cafe.de