Wenn man an die fluffig freundliche Musik der Pharcydes denkt, hat man automatisch das entsprechende Bild von guten Vibes ausstrahlenden Menschen aus dem Sonnenstaat Kalifornien vor Augen, die das Leben locker nehmen und mit einem „It is like it is“ über das Negative hinwegsehen können: -über ernsthaften Stress mit Freunden -Fatlip und Slimkid haben die Gruppe vor kurzem wegen persönlicher Differenzen verlassen -Streit mit dem Arbeitgeber -ihr Label Delicious Vinyl unterstützte sie weder so, wie sie es gern gehabt hätten, noch ließe man ihnen die nötigen Freiheiten -oder dem kapitalistischen und rassistisches System, in dem sie leben und vor dem sie ganz offensichtlich nicht die Augen verschliessen können. Dass Four Music zumindest in Deutschland die Betreuung für ihre Musik übernommen hat, freut die Übriggebliebenen, auch wenn man ihnen anmerkt, dass sie mehr Wert auf ein bisschen Respekt in Amerika gelegt hätten. Bitterkeit und Zynismus rules, wenn sie über amerikanische Geschäftspraktiken reden. Viel ihrer Energie scheint entweder verloren oder in die Produktion der Platte gewandert zu sein. Auf der Battle of the Year, Expo 2000, waren sie überwältigt von der jungen und aufstrebenden Saian Supa Crew aus Paris. Waren sie nicht auch einmal so? Enthusiastisch nutzten sie die Bühne, Tanz und Gesang waren wichtig, Ausstrahlung, Performance. Vielleicht kommen die Zeiten wieder, doch im Augenblick wirken sie sichtlich ausgelaugt und so sitzen mir zwei übernächtigt aussehende, aber aufmerksame Imani und Booty Brown gegenüber, wandern mal ziellos im Raum herum oder schauen aus dem Fenster. Sie scheinen sich noch über ganz andere Dinge Gedanken zu machen als über ein Interview für eine deutsche HipHop Website.
Plain Rap – Warum dieser Titel?
Imani: Wir haben keine Lust mehr, uns bestimmte Bezeichnungen aufkleben zu lassen. „Plain Rap“ ist der gemeinsame Kern von allem. Darauf lässt es sich reduzieren, darauf können sich viele einigen. Darum geht es: Plain Rap.
Glaubt ihr denn an einen universellen HipHop- Gedanken?
Imani: Jeder ist unterschiedlich. Es ist schön, wenn Du zusammenkommst, aber unter einem Deckmantel sollte das nicht geschehen. Außerdem entwickelt sich Hip Hop auch immer wieder in ganz unterschiedliche Richtungen, spricht unterschiedliche Leute unterschiedlich an, bildet neue Unterkulturen. Viele Leute glauben, dass das, was zur Zeit im HipHop passiert, nämlich Kommerzialisierung, Machismo, etc., schlecht ist. Aber HipHop gibt es seit so langer Zeit, er verändert sich stetig und wird sich immer weiterentwickeln. Wie könnte da eine von vielen Entwicklungen auf einmal schlecht sein? Genausowenig, wie man solche Entwicklungen aufhalten kann, kann man Leuten vorwerfen, sie zu forcieren.
Glaubt ihr, dass man mit Musik die Welt verändern kann, in dem man politische Ziele ausdrückt oder zu Taten aufruft?
Imani (stöhnt zunächst auf und verdreht die Augen): Ich habe eine bestimmte Meinung zu einigen Dingen, die ich auch in der richtigen Situation vertreten würde. Aber ich werde nicht die Stimme für viele andere erheben und mich gegen das System stellen. Das ist nicht meine Position. Darüber hinaus sind Worte sicherlich nicht genug in diesen Tagen. Ich habe das alles gehört. Du kannst es lesen, du kannst darüber erzählt bekommen, aber wenn Du nicht selbst etwas tust, macht es keinen Unterschied. Um wirklich das Richtige zu erreichen, braucht man Taten. Und niemand möchte gerne sterben, oder?
Booty: Wenn man gegen das politische System sein will, muss man sich auch gegen die Plattenindustrie und vor allem das Geld stellen. Man sollte auch wirklich konsequent sein, wenn man anfängt, Dinge anzuklagen. Viele haben solche Auffassungen, aber sie gehen nicht den ganzen Weg. Ich versuche das simpelste: ich repräsentiere mich selbst.
Wie abhängig fühlt ihr euch von den Menschen, die Eure Musik vermarkten?
Imani: Man kann nicht vermeiden, sich in Abhängigkeit zu begeben, wenn man Musik macht und sie veröffentlichen will. Es gibt bestimmte Regeln, du nimmst deren Geld und arbeitest damit. Du kannst nur das beste hoffen, dass dein Meisterstück auf dem weiten Weg nicht Schaden nimmt. Wirklich, das ist alles, was du tun kannst. Booty: Zwar haben wir gerade ein Label gegründet, „Chapter One Situation“, wo wir ein paar Freunde und Projekte herausbringen wollen. Supernatural wird z.B. etwas machen. Aber es muss noch ein bisschen wachsen. Es gibt viele Wege, sich ein bisschen Unabhängigkeit zu erhalten, aber es gibt immer noch vieles, das man nicht selbst erledigen kann.
Woher kamen die Ideen für den Vidodreh [Zunächst werden Booty und Imani von immer größer werdenden schwarzen Balken aus dem Bild gedrängt, um sich nachher mit Sexpuppen in einem Motel zu vergnügen]
Imani: Die Deutschen hatten eine Idee und die Amis auch, schliesslich kamen sie rüber und machten das Video. Im Grunde sind es beide Ideen, die in dem Video mehr oder weniger verbunden werden. Es interessant, es ist eigen, aber wahrscheinlich ist es einigen Leuten zu riskant, unsere nackten Körper zu zeigen. Wahrscheinlich werden wir es ändern müssen. Wir wollen unser Video da draussen spielen lassen, also ist es nur ein guter Businessmove, sich dem Willen seiner Geldgeber zu beugen. Man muss Kompromisse machen und die Regeln kennen. Es macht uns aber auch nichts aus. Es ist wie ein Radioedit ohne Schimpfwörter zu machen. Es ist albern, weil alle genau wissen, welche Wörter herausgeschnitten werden oder welche Sequenzen wir nicht bei MTV spielen lassen können – aber das sind die Regeln.
Welche Musik hat euch beeinflusst und welche Platte habt ihr euch zuletzt gekauft?
Imani: Wenn ich alles aufzählen sollte, was mich beeinflusst hat, würde ich einen ganzen Tag brauchen. In jeder Epoche, in jedem Stil gibt es ganz großartige Sachen. Und die Sachen, die du wack findest, beeinflussen dich schliesslich auch, denn so willst du es ja ganz bestimmt nicht machen. Booty: Ich kaufe keine Platte, denn ich bekomme sie immer umsonst. Die letzte Platte, um die ich mich bemüht habe, war die Jil Scott. Ich kann sie fühlen.
Was für ein Gefühl ist es, „Plain Rap“ jetzt zu hören, nachdem sie fertig und veröffentlicht ist?
Imani: Wenn ich die Platte höre, kann ich nur sagen: sie ist, wie sie ist. Es ist cool.