Moses P

„Moses Pelham ist einfach ein Typ. Wenn du früher auf einer HipHop-Party warst, hat irgendwann immer irgendjemand angefangen, über Moses Pelham zu reden.“, meinte Kraans de Lutin irgendwann mal zu mir, als auch wir auf Moses P zu sprechen kamen. Und in der Tat, es ist so. Schon lange bevor Moses P mit den von ihm für 3P gesignten und produzierten Künstlern Schwester S/Sabrina Setlur und Xavier Naidoo anfing, „so richtig“ Geld zu verdienen, hatte er sich in der HipHop-Szene in Deutschland einen Namen gemacht. Als er sich 1993 nach einigen Jahren englischsprachiger Rapexperimente entschloss, gemeinsam mit seinem damaligen Partner Thomas Hofmann als „Rödelheim Hartreim Projekt“ HipHop in Deutschland auf Deutsch zu veröffentlichen, änderte er die hiesige HipHop-Landschaft grundlegend. Das Rödelheim Hartreim Projekt machte seinem Namen alle Ehre und hatte sich als Lieblings-Ziel seiner Verbalangriffe die Fantastischen Vier ausgesucht. Das war für sich genommen noch nichts besonderes, denn die Stuttgarter erfreuten sich in „der Szene“ generell keiner hohen Beliebtheit. Im Gegensatz zum latent esoterischen, multikulturell betroffenen Rest der bunten HipHop-Gemeinde, in dem man das „eher nicht so dufte fand“, gab es von RHP verbal auf die Fresse. Auch wenn gerne darauf hingewiesen wird, dass Tone von Konkret Finn der wahre Vater des deutschsprachigen Battleraps ist, ist Moses P ganz ohne Zweifel derjenige, der die ungefilterte Wut im deutschsprachigen HipHop „kultivierte“.

 

Ob das nun positiv oder negativ ist und ob man Rödelheim mit der South Bronx vergleichen kann – all das kann man stundelang diskutieren, ohne auf den Punkt zu kommen. Man kann über Moses P auch viel sagen, zu Recht sicher auch, dass er wohl kein einfacher Mensch ist. Eines jedoch kann man nicht: ihm die Relevanz absprechen. Moses P hat dem deutschsprachigen HipHop mit seinem Style, seiner Attitüde sowie seiner bis heute kompromisslosen Art eine neue Dimension gegeben. Und das ist mehr als Grund genug, um mit dem „Dicken“ zu telefonieren, wenn er im Alter von mittlerweile 33 Jahren ein neues Album rausbringt. „Geteiltes Leid II“ heißt es und bildet den Nachfolger des vor sechs Jahren erschienen ersten Teils, der ursprünglich vom Kollegen „H“ kommen sollte.

rap.de: Erzähl doch erst mal ein bisschen über den Produktionsprozess – über welchen Zeitraum ist „Geteiltes Leid II“ entstanden?

Moses: Das ist schwer zu sagen, weil wir ja meistens an mehreren Dingen gleichzeitig arbeiten und Beats zunächst erst mal spielerisch entstehen, während man nebenher Sachen schreibt, von denen man noch gar nicht weiß, wofür die später gut sind. Irgendwann gab es dann aber natürlich schon den Punkt, an dem deutlich wurde, dass ich an einem Solo-Album arbeite. Die Phase, in der mein Album zur Top-Priorität wurde, dauerte vielleicht ein Jahr. Wir haben nun auch erst vor zwölf, dreizehn Tagen zu Ende gemischt. Vereinzelt sind allerdings auch Sachen auf dem Album, deren Skizzen oder Ansätze schon drei Jahre alt sind.
rap.de: Macht ihr das Mastering auch selbst, oder geht ihr dafür woanders hin?

Moses: Wir machen alles selbst. Wir haben das zweite Rödelheim-Album bei Bernie Grundman mastern lassen und fanden das Ergebnis auch gut. Es war aber eben auch nicht besser als das, was wir selbst hinbekommen haben. Für uns ist es gut, das selbst zu machen – vor allem, wenn einem gegen Ende noch mal etwas auffällt, das man ändern möchte. Mischen und Mastern gehört für mich einfach zusammen. Es ist ja oft so, dass einem beim Mastering noch mal dies und jenes auffällt, du dann aber in der Frequenz noch was anderes hast. Wenn du das seriös machen willst, bleibt dir nichts anderes übrig, als zurück in den Mix zu gehen, um das zu beheben. Von daher bin ich sehr glücklich, dass wir das selbst können, auch wenn es eine nervenaufreibende Sache ist. Wir sprechen gerne von Mischen Impossible, aber daran kann man ja auch wachsen.

rap.de: Du bist mittlerweile 33 – war für dich eigentlich immer klar, dass…

Moses: Ich 33 werden würde?
rap.de: …dass die Platte „Geteiltes Leid II“ noch kommen würde, oder hast du zwischendurch schon mal mit dem Gedanken gespielt, zumindest als MC aufzuhören?

Moses: Ich hab nie aufgehört zu schreiben, weil das für mich auch eine persönliche Möglichkeit ist, meine Sicht der Dinge festzuhalten, selbst wenn ich etwas Geschriebenes dann vielleicht gar nicht veröffentliche. Ich habe eine Zeit lang allerdings gar keinen Bock mehr auf Battlerhymes gehabt, weil ich überall denselben Dreck gehört habe und mich das nicht mehr interessiert hat. Da war es definitiv „Freunde der Sonne“, das meine Freude am groben Schwachsinn wieder geweckt hat (lacht).
rap.de: Musstest du dich für die Aufnahmen auf eine Art sozusagen wieder warmrappen? Deine letzte Solo-Platte liegt ja immerhin sechs Jahre zurück.

Moses: Ich rappe seit 20 Jahren, und mir ist das schon irgendwann in Fleisch und Blut übergegangen. Der Punkt, an dem ich dachte, ich müsste nun mal wieder trainieren, ist also ausgeblieben. Aber ehrlich gesagt hatte ich in der heißen Phase, in der ich Dinge dann fertig machen wollte, das Gefühl, mich noch mal etwas zu entwickeln.
rap.de: Gibt es einen bestimmten Song, an dem du das festmachen könntest?

Moses: Nah am Ende“ ist so ein Stück, bei dem mir das auffiel. Aber da meine ich eher das technische Ding, bei dem man sagen könnte „Das könnt ihr euch zum Üben mal reinziehen.“ Der Schritt, den ich für viel spannender halte, ist jedoch ein anderer. Es ist so, wie ich es in dem Stück auch sage: „Ich habe keinen Grund mehr, um zu lügen.“ Dieses völlige Loslassen und einfach mit letzter Kraft die Wahrheit aufzuschreiben – das war eine schöne Erfahrung.

rap.de: Sollte „Geteiltes Leid II“ nicht ursprünglich das Solo-Album von Thomas Hofmann werden?

Moses: Den Plan gab es nach „Zurück nach Rödelheim“. Es sollte zwei Solo-Alben geben, die zeitgleich veröffentlicht werden – „Geteiltes Leid I“ und „Geteiltes Leid II“. Da spielte dieses „Geteilte“ also auch noch mit dem geteilten Rödelheim Hartreim Projekt. Aber dieser Plan wurde ja mit der VÖ meiner Platte ad absurdum geführt, weil Hofmann weit davon entfernt war, eine Platte zusammenzuhaben. Schon damals war wohl klar, dass man Thomas nicht mehr auf der Bühne sehen würde.
rap.de: Was ist zwischen euch eigentlich passiert? Soweit ich weiß, war er ja auch ins Label eingebunden – wie versteht ihr euch heute?

Moses: Wir haben überhaupt keinen Kontakt mehr.
rap.de: Bereust du das, oder hast du damit völlig abgeschlossen? 

Moses (lacht): Ich bin total dankbar dafür. Ehrlich – das ist so eine Steigerung meiner Lebensqualität, das kannst du dir nicht vorstellen. Das war jetzt wahrscheinlich nicht das, was du hören wolltest. Wie du merkst, werde ich nach fünf Stunden Interview auch ein bisschen albern… Nee – in Wahrheit ist das natürlich eine traurige Geschichte, die mir leid tut. Aber das, was ich eben gesagt habe, wäre nicht so witzig für mich, wenn es nicht wahr wäre. Das sind für mich auch keine Aussagen, die sich widersprechen. Ich finde es eine super traurige Entwicklung. Wir haben uns aber einfach menschlich und in der Frage, wo wir hin wollen, wie wir mit Kunst, Künstlern, Menschen und diesem Unternehmen umgehen wollen, in so komplett unterschiedliche Richtungen entwickelt, dass es einfach das Schlauste war, sich zu trennen.
rap.de: Hast du eigentlich mal darüber nachgedacht, aus Frankfurt wegzugehen?

Moses: Die einzige Stadt, die mich in Deutschland interessiert, und in der ich mir vorstellen könnte, zu leben, ist Berlin. Berlin bietet auf den ersten Blick unglaubliche Vorteile. Wenn ich da unbedingt hinwollte, könnte ich das natürlich auch, aber meine sozialen Verpflichtungen und das Unternehmen machen das unsexy.
rap.de: Viele Leute denken bei der Produktion wahrscheinlich immer noch in erster Linie an dich, obwohl du die ja gemeinsam mit Martin Haas machst. Erzähl doch mal ein bisschen über ihn. Was ist das für ein Typ, wann und wie habt ihr euch kennen gelernt?

Moses: Ich war mal bei einer Plattenfirma namens Logic Records, auf der ja auch „Twilight Zone“ rauskam. Die hatten ihre Studios und Büros in einem Komplex am Kaiserlei-Kreisel, in dem auch andere Studios waren – unter anderem auch das damalige Studio von Martin und seinem damaligen Partner Bobby, die dort Film- und Werbemusik gemacht haben. Dort sind wir uns über den Weg gelaufen. Ich habe zu der Zeit mit drei, vier Produzententeams gearbeitet, und die beiden gehörten auch dazu. Damals gab es die Perspektive, meine Platte nach Amerika zu verkaufen, und ich war mit dem Dealen diesbezüglich auch schon recht weit. Das wäre dann die erste HipHop-Platte aus Deutschland gewesen, die in den Staaten auf einem Major veröffentlicht worden wäre, und es gab einige Leute, die Bock hatten, mit mir zu arbeiten. Als mir aber klar wurde, dass ich mit den Amis nicht einig werden würde, weil die Sachen von mir haben wollten, die für mich unmöglich waren, weil ich meine künstlerische Freiheit nicht beschneiden lassen wollte, ist das geplatzt. Das war damals wirklich tragisch, weil es dann natürlich auch kein Cash gab. Ich konnte da aber nicht mitmachen, weil mir klar war, dass ich einfach wahnsinnig werden würde, wenn ich mich in der Form versklaven würde. Als das dann feststand, hatte keiner mehr Bock, mit mir zu arbeiten. Die Einzigen, die das respektiert haben, waren Martin und Bobby. Die meinten damals „Moses – wir müssen auch überleben und dafür erst mal unseren Kram erledigen, also Werbe- und Filmmusik. Wir können uns aber gerne abends für ein, zwei Stunden zusammensetzen und anschließend kannst du dann die Nachtschicht machen.“ Ich kannte die damals auch erst ein dreiviertel Jahr, aber die haben mir dann den Schlüssel zu ihrem Studio gegeben. So bin ich an den Martin gekommen.

rap.de: Er ist ja seither offensichtlich eine Konstante in deinem Leben…

Moses: Absolut. Ich erzähle diese Geschichte auch immer gerne, weil diese Geste von Martin ihn als Menschen sehr schön beschreibt. Wenn man so eng zusammenarbeitet, geht es ja auch stark um Zwischenmenschliches, und das passt eben. Wir haben außerdem sehr unterschiedliche musikalische Backgrounds und Fähigkeiten und ergänzen uns daher grandios.
rap.de: Wie muss man sich eure Arbeitsteilung bei der Produktion denn vorstellen?

Moses: Das ist eine Frage, die man uns stellt, seitdem wir zusammen Platten veröffentlichen, und die sehr schwer zu beantworten ist. Wir haben das in Booklets ja schon versucht. Der Martin macht die meisten Programmierungen, ist Operator usw., aber so richtig kann man das nicht beschreiben, da müsstest du dich schon neben dran setzen. Bei den Amisachen steht ja oft sogar noch drauf, wer der Protools-Operator ist, da gibt es also offenbar Leute, die einfach nur für ´s Protools-Bedienen zuständig sind. Das gibt es bei uns natürlich nicht, das macht ein Mann in Personalunion. Manchmal ist das mit Martin schon hart. Da sage ich z.B. „Kannste mir da mal ´nen Delay drauflegen?“, und er meint dann „Ja, habe ich gerade gemacht.“. Wir haben eine gemeinsame Vision und auch schon so oft nach irgendwelchen Mitteln gesucht, die das machen, was wir uns an Sound vorstellen, dass ein blindes Verständnis da ist. Das geht dann manchmal auch so weit, dass ich im Spaß zu ihm sage „Du – ich kann mich auch mit dir unterhalten, ohne dass du dabei bist, da ich ja weiß, was du sagen wirst“.
rap.de: Mit welchem Equipment hast du angefangen? Das hat sich ja im Laufe der Zeit sicher auch geändert…

Moses: Haaaahaaaahaaaahaaaaaaaaa! Ja Mann, wirklich, das ist eine ganz andere Welt. Wir hatten am Anfang ´nen S 900 und Cubase aufm Atari. Und ´ne Fostex 8-Spur. Da hast du den Sampler dann vollgeklatscht, was relativ schnell ging, was immer du aus dem Sampler gebraucht hast, auf Band aufgenommen, ihn wieder leer gemacht und neue Samples reingenommen usw. Deshalb habe ich eben so gelacht. Das kann man sich wirklich überhaupt nicht vorstellen, was irgendwelche 15-Jährigen heute an Kraft auf ihrem PC haben, um Ideen umzusetzen. Das ist mit dem, was wir früher hatten, überhaupt nicht vergleichbar. Da ist man ständig an technische Grenzen gestoßen und hat viel seiner Zeit damit verbracht, sich Gedanken zu mache, wie man die denn überwinden könnte. Auch von der Bedienerfreundlichkeit ist es heute so, dass man viel intuitiver arbeiten kann.
rap.de: Spielen in deinen Produktionen Samples eigentlich noch eine Rolle?
Deine neue Platte klingt ja überwiegend nicht so.

Moses: Das ist auch so. Bei ein paar Sachen gibt es natürlich auch noch Samples – irgendwelche Vocal-Samples z.B.. Der Bereich lebt aber auch stark vom Ausprobieren. Viele der Ergebnisse, die man da erzielt, sind ungeplant. Man kann immer nur den Zufall provozieren, aus dem heraus das dann passiert, und sich dann anschließend entscheiden, ob man das auf seiner Platte haben will oder nicht. Wir arbeiten eigentlich sogar recht viel mit Samples, die meisten davon landen dann aber nicht auf der Platte.
rap.de: Wie muss man sich einen klassischen Moses Pelham-Tag vorstellen? Was machst du so nacheinander?

Moses: Kaffee machen, Kaffe trinken, eine Kippe rauchen, mir denken „Scheiße, warum rauche ich Idiot?“. E-mails checken, rasieren, duschen, in die Firma oder ins Studio fahren.
rap.de: Wie sieht das bei dir in der Produktionsphase aus? Bist du jemand, der versucht, das so 9-to-5 zu handlen, oder arbeitest du eher rund um die Uhr?

Moses: Mehr so die Rund-Um-Die-Uhr-Nummer. Das hat für mich auch ein wenig mit diesem Gefühl „Ich gebe alles“ zu tun, also damit, dass ich da keine Grenzen sehe. Das geht so weit, wie die Kräfte tragen. Es kommt natürlich auch der Moment, in dem du dir sagst „Ich kann es nicht mehr hören, für mich klingt alles matsch, ich muss hier raus“. An dem Punkt weiterzumachen, tut dem, woran du arbeitest, überhaupt nicht gut. Diese Erfahrung habe ich oft gemacht. Aber die Grundbereitschaft, alles zu geben, halte ich für eine wichtige Sache. Das hat auch mit der Ernsthaftigkeit zu tun, mit der ich das betreiben will. Musik ist einfach der Mittelpunkt meines Lebens.

rap.de: Ich habe gerade ein Interview mit Specter von Aggro Berlin gemacht, der sagte, dass man in Deutschland viel Zeit damit verschwendet hätte, auf Englisch zu rappen. Bei dir kam ja auch irgendwann der Übergang zu deutschsprachigem Rap…

Moses (lacht): Das ist natürlich leicht zu sagen für jemanden, der im Jahr 2004 ein Label aufmacht, und sich darauf stützen kann, dass es vor ihm anderthalb Dekaden Leute gab, die das erkämpft haben. Aber da hadder schon recht – so gesehen.

  rap.de: Was lag deiner Entscheidung zugrunde, das zu ändern? 

Moses: 88/89 war Rap in Deutschland noch wesentlich näher an der Dancemusik als heute. Rap war für die Leute in Deutschland damals nur ein weiteres perkussives Element in der Musik. Da hat sich keiner die Mühe gemacht, zu verstehen, was da gerappt wurde. Keiner hörte dir zu, niemand gab ´nen Scheiß darauf, was du sagst. Deshalb habe ich mir gesagt, dass der einzige Ort, an dem ich meine Sache mit der Ernsthaftigkeit hätte tun können, mit der ich sie tun wollte, Amerika gewesen wäre. Im Umkehrschluss gab es dann den Gedanken, dass man in Deutschland halt in der Sprache der Leute rappen müsste, wenn Rap hier den Stellenwert bekommen soll, den er in Amerika hat. Aber das erzählt dir auch jeder. Jeder Rapper, der von Englisch auf Deutsch geswitcht ist, bis hin zu Leuten wie Udo Lindenberg. Die erzählen dir alle dieselbe Geschichte: „Ja – das hat sich irgendwie peinlich angefühlt und war nicht so wie die Platten, die ich selbst gehört habe. Die Direktheit, die ich mir davon versprochen habe, konnte ich aber nur auf Deutsch erreichen, und deshalb habe ich es halt probiert.“ Das hat mich so geschockt, als mir das selbst der Udo erzählt hat, dem das ja dann schon 20 Jahre früher so ging. Aber direkte Kommunikation ist halt nur in der Sprache des Publikums möglich. Das Aha-Erlebnis für mich war wohl, Böhse Onkelz zu hören. Das war einfach das erste Mal, dass ich eine deutschsprachige Platte gehört habe, die nicht nach Karneval oder Schlager geklungen hat, sondern eine Platte, auf der jemand ernsthaft über seine Gefühle gesprochen hat. Da war die Wut drin, die ich in meinen Stücken haben wollte. So ist der Gedanke des Rödelheim Hartreim Projekts entstanden.
rap.de: Ich habe dich neulich auf MTV gesehen und da wurde thematisiert, dass du menschlich gereift bist. Aufhänger war dabei, dass die erste Single „Ein schöner Tag“ eine sehr positive Grundstimmung hat. Denkst du, dass dir eine Sache wie die mit Stefan Raab vom heutigen Stand aus nicht mehr passieren würde?

Moses: Das ist sehr schwer zu beantworten. Meine Grenzen und meine Mittel sind heute andere. Aber was passiert, wenn du einen Menschen an die Grenze treibst, ist im Vorfeld schwer einzuschätzen. Es kommt ja bei jedem der Punkt, an dem er sagt, man muss sich wehren. Eigentlich tut man mir und der ganzen Sache ein bisschen Unrecht, wenn man das in einen Topf wirft. Was ich mit „Ein schöner Tag“ verbinde, und der Umstand, dass du an einem bestimmten Punkt sagst „Pass ma´ auf, ich muss dir kurz mal zeigen, dass du das mit mir nicht machen kannst“ – das sind zwei unterschiedliche Dinge. Ich kann aber natürlich versuchen, das auseinander zu nehmen. „Ein Schöner Tag“ ist für mich ein Versuch, die erhaltenswerten Dinge aufzuzeigen, anstatt immer zu sagen, dies und das finde ich scheiße. Nicht, dass man etwas nicht scheiße finden dürfte – aber wenn du dauernd alles scheiße findest, lähmt das. Das ist in jedem Fall eine der Erfahrungen, die ich gemacht habe. Für mich war es wirklich immer eine Triebfeder, dass ich mit Dingen unzufrieden war, was ja grundsätzlich o.k. ist. Nur ist es eben ein Unterschied, ob du sagst „Cool – ich hab die Möglichkeit, Dinge zu verändern und besser zu machen“, oder ob du immer das Gefühl hast: „Alles ist Dreck, ich muss alles besser machen“. Das hat mir eine Zeit lang wirklich den Spaß am täglichen Leben verdorben – ich weiß schon, wovon ich rede, wenn ich sage „Ich will Dinge positiver sehen“. Ich möchte die Chance in den Dingen begreifen. Ich will einfach ein glückliches Leben führen…
rap.de: Das ist ja nachvollziehbar.

Moses: Ja – aber das ist eher eine menschliche als eine künstlerische Entwicklung. Das hat auch wirklich nichts mit diesem Fall zu tun, den du angesprochen hast. Ich war nie ein böser Mensch, der sich den ganzen Tag geschlagen hat und sich nun besonnen hätte. Das ist einfach nicht die Wahrheit, auch wenn das gerne so hingestellt wird, weil das ja leicht fällt. Das ist eine grobe Vereinfachung, die mir nicht gerecht wird. Das eine hat mit meiner Haltung, meiner Perspektive und meinem Umgang mit allem zu tun, und das andere war eine Extrem-Situation, in die ich getrieben wurde.
rap.de: Was sind die größten Fehler, die du deiner Meinung nach rein businessmäßig gemacht hast?

Moses: Auch das ist schwer zu sagen, weil es nicht leicht ist, die richtigen Schlüsse aus bestimmten Dingen zu ziehen, da sich die Situationen ja nie eins zu eins entsprechen. In der Regel kommst du nicht zweimal in dieselbe Situation. Es wird mir auch immer deutlicher, dass es einfach keine klaren Regeln gibt. Ich habe mich neulich mal mit Martin unterhalten, und da ging es um irgendwelche Rechtsstreitigkeiten. Er meinte „Das ist doch ein glasklarer Fall. Ich stelle mir vor, da so und so durchzukommen.“. Ich habe dann gesagt: „Ich bin kein Anwalt, denke aber, dass man das auch gut anders sehen kann“. Anschließend hat er dann rausgearbeitet, dass ich vor ein paar Jahren noch genauso argumentiert hätte wie er heute, aber heute offensichtlich durch diversen Erfahrungen, die ich halt gemacht habe, nicht mehr für glasklar halte.
rap.de: Was ist die letzte Platte, die du gehört hast?

Moses: Die letzte Platte, die ich gehört habe, war von irgendeiner Indie-Band aus Frankfurt. Und zwar nur zum Spaß, nicht in meiner Eigenschaft als A&R oder so was. Gestern Abend.
rap.de: Gibt es jemanden in der HipHop-Szene, den du im Moment gut findest?

Moses: Also ich hab´ das wirklich nie als Szene begriffen. 1986 konnte man vielleicht noch von einer Szene sprechen, aber das war ja auch die Zeit, als man die Leute, die sich für HipHop interessierten, noch am Äußeren erkennen konnte. Die paar Leute, die es in Deutschland gab, waren damals auch noch Deutschland-weit connected. Leute wie den Katmando habe ich z.B. nur über HipHop kennengelernt, weil bei den paar Events, die es gab, immer nur dieselben Leute waren. Heute von einer Szene zu sprechen, ist doch absurd. Da gibt es einfach verschiedene Menschen, die verschiedene Dinge tun, und ein paar davon verstehen sich halt, andere nicht. Wenn früher jemand Fatlaces hatte, wusstest du, dass der dieselben Filme gesehen hat und er diesen verdammten Schnürsenkeln wahrscheinlich ein Jahr lang hinterhergelaufen ist. Das Szene-Ding raffe ich gerade heute so gar nicht…
rap.de: Findest du im Moment trotzdem jemanden cool?

Moses: Gut – um mal ein Beispiel zu nennen, weil ich die auch gerade in der Hand habe: Die Franky Kubrick finde ich killer. Also richtig hammer. Der Typ ist wirklich so ein Talent, und ich finde es voll das Drama, dass das nicht abgeht. Ich hab´ die vor drei Monaten schon mal vom Strachi bekommen, hab die CD aber verloren. Deshalb habe ich sie mir jetzt noch mal gekauft.
rap.de: Danke für das Gespräch.