Beans

Normalerweise sind auf dem Podest, auf dem Beans gerade steht, Retro-Turnschuhe eines Sportartikelherstellers ausgestellt, die so klangvolle Namen wie „Samba“ oder „Grand Slam“ tragen. Der Laden, in dem das Podest steht, schreibt angeblich dicke rote Zahlen, aber auf Gewinne kommt es hier nicht an. Branding ist das Schlagwort, denn Image ist alles, und das darf kosten. Und es funktioniert: Auf der Straße vor dem Store wartet die Party-Crowd in Schlangen – die Geschichtsbewussten wärmen die Story von der Familienfehde der Gebrüder Dassler aus Herzogenaurach auf, andere erzählen, dass sie von der Veranstaltung gerade im Flugzeug aus Bangkok gelesen hätten.

Wie dem auch sei – Beans steht auf diesem weißen Podest in Berlin-Mitte und performt seine neue Platte „Tomorrow Right Now“. Wie schon zu Zeiten mit seiner Ex-Band Anti-Pop-Consortium gibt er alles. Sein Set beginnt mit dem Acapella-Track „Booga Sugar“, den das Publikum dankbar aufnimmt, weil ein Acapella „ja immer so anders ist“, wie ich neben mir höre. Ich muss an Wilson Wilson aus Tool Time denken, denke also: mmm-he, mmm-he, mmm-he… So oder so – Beans wird gefeiert, gerät zusehends in Fahrt, schießt seine bekannten Schnellfeuer-Wortsalven ab und beginnt zu schwitzen, bis er schließlich nur noch im T-Shirt mit dem flächendeckenden Logo des Veranstalters da steht. Das haben sie ihm am Vorabend geschenkt, genau wie die Schuhe – wäre einfach nicht passend gewesen, wenn er seine eigenen getragen hätte, denn auf denen prangt der „Swoosh“ von Phil Knight. Die versammelten David-Beckham-Frisuren Berlins verstehen kaum ein Wort (was bei Beans allerdings auch oft nicht leicht ist), aber darauf kommt es auch nicht an – Hauptsache, man ist drin…

Nochmal: „Tomorrow Right Now“ heißt die neue Platte von Beans, und veröffentlicht wird sie von dem Londoner Elektro-Kult-Label „Warp“, auf dem Beans mit seinem ehemaligen Freunden Priest und Sayyid („Wir sprechen nicht mehr miteinander“) bereits Scheiben des legendären Anti-Pop-Consortiums (zuletzt die LP „Arrythmia“) releaste. Groß geworden ist er in der Spoken-Word- und Poetry-Szene New Yorks, wo er außer Sayyid und Priest beispielsweise auch Mike Ladd kennenlernte, auf dessen Infesticons-Scheibe (Big Dada) er beispielsweise auch als Teil des APC mitgewirkt hat. „Tomorrow Right Now“ wurde dann letzten September fertig, zwei Monate, nachdem sich das große New Yorker HipHop-Experiment APC aufgelöst hatte. Basti und ich treffen den kleinen Mann mit dem Hinterkopf-Iro in einem Hotel unweit des Hackeschen Marktes in Berlin-Mitte.

Deine ehemalige Band Anti-Pop-Consortium ist ja noch nicht allzu lange aufgelöst, und schon hast du ein Solo-Album in der Hand. Wann hast du mit den Aufnahmen begonnen?

Beans: Ich arbeitete daran schon, als es das Anti Pop Consortium noch gab, oft auch neben den Albumproduktionen mit APC. Ich glaube, ich habe schon 98 damit angefangen. Es ist also eine Ansammlung von Tracks, die meine Entwicklung über die Jahre präsentiert, weniger ein Album, das klassisch am Stück geschrieben und recorded wurde. Das älteste Stück ist das Acapella „Booga Sugar“.
Einige Stücke des Albums sind reine Instrumentals – stammt alles von dir, oder gab es auch Kollaborationen?

Beans: Ich habe die meisten Beats selbst produziert und dabei mit einer Casio Drum-Machine, einem Korg MS 20, einer Moog Source und ein paar Gitarren-Effekt-Pedalen gearbeitet. Aufgenommen habe ich auf einer Four-Track-Maschine, ab und zu habe ich auch Sachen mit Synthesizern eingespielt. Ein paar der Sachen sind gemeinsam mit Earl Blaze [dem ehemaligen recording engineer des APC, Anm. d. Red.] entstanden – außerdem habe ich mit Chicky zusammengearbeitet, der ein Chief-Engineer im Manhattan Sound Studio war und in der in der Vergangenheit viel mit Timbaland gearbeitet hat – er hat auch das Engineering bei „Try Again“ von Aaliyah gemacht. Die Kollabos betreffen also eher den Post-Production-Bereich.

Weshalb hat sich das Anti-Pop-Consortium aufgelöst?

Beans: Wir sind eben Individuen, die zusammengearbeitet haben, aber dieselbe Individualität, die wir alle haben, und die uns besonders gemacht hat, war es, die uns letztlich auch auseinander brachte. Wir gehen nun alle in verschiedene Richtungen. Es gab verschiedene Dinge, von denen ich den Eindruck hatte, dass ich sie mit Anti Pop nicht tun konnte. Sie wollten definitiv einen ganz anderen Weg einschlagen, mit dem ich mich nicht anfreunden konnte. Es ist nichts falsch daran, wenn Musik eingängig ist – es geht aber darum, wie sie präsentiert wird und wie man damit umgeht…
Um ehrlich zu sein, hört sich dein neuer Stuff aber großteils noch ziemlich original nach APC an, weniger als Kontrapunkt zu den letzten APC-Veröffentlichungen…

Beans: Anti Pop war natürlich auch eine Reflektion meiner Person, und deshalb bestehen da logischerweise Ähnlichkeiten. Nun ist aber eben alles von mir – die Ideen und die Konzepte hinter den Tracks. Außerdem habe ich von dem gemeinsamem Anti Pop-Stuff auch nicht allzu viel produziert – eher meine Solo-Beiträge, der Großteil kam von Priest und Sayyid.
Wie wird sich die Veränderung live auswirken – bisher warst du ja immer integrierter Bestandteil einer Band?

Beans: Ich war zuerst etwas verunsichert, wie ich die Sachen präsentieren soll, weil eine Gruppe doch eine Art Komfort-Zone bietet, und die hatte ich ja nun eine ganze Zeit. Andererseits empfand ich einen Mangel an Improvisationsmöglichkeiten in der Gruppe für die Live-Performance. Um ehrlich zu sein – es ist nicht wirklich leicht, mit Menschen zusammenzuarbeiten, es ist schwer, mit ihnen auszukommen. So wie es jetzt ist, ist es gut – es ist easy, und es gibt keine Ego-Clashes, ich muss mich nicht mit den Eigenarten anderer auseinandersetzen.

Die Musik vom APC und deine Solo-Sachen sind teilweise bewusst etwas „weniger-zugänglich“ produziert – hat labelseitig jemals jemand versucht, deine Produktion zu beeinflussen?

Beans: Ich hatte nie ein Problem mit einem Label, seitdem ich Musik veröffentliche. Das interessante an Indie-Labels ist ja auch, dass die Leute dort in der Regel auf dich zukommen, weil sie etwas gehört haben, das du bereits veröffentlich hast, und weil sie mit dir zusammen arbeiten wollen. Deshalb kommt da auch selten jemand auf die Idee, dir Ratschläge zu geben, was du tun und lassen sollst.
Was erwartest du in Sachen Verkäufen? Platten wie „Tomorrow Right Now“ werden ja häufig außerhalb der Staaten interessierter aufgenommen, als da, wo sie entstehen…

Beans: Europa war immer stärker open-minded, was experimentelle schwarze Musik angeht – das kann man durch die gesamte Geschichte mitverfolgen, ob es da nun um Charlie Parker oder Jimmy Hendrix geht. So war es immer, ob das nun richtig oder falsch ist. Anti Pop hat ja auch mehr Platten in Europa als in den Staaten verkauft, obwohl wir auch da für eine bestimmte Form der Präsentation bekannt waren.
Ich habe gerade einen Artikel über New York gelesen, in dem festgestellt wird, dass es dort kein wirkliches kreatives Zentrum mehr gibt, weil sich die Kreativen mittlerweile über alle Bezirke verteilen. New York wird darin mehr als „Umschlagplatz“ von Kunst verstanden – wie siehst du das?

Beans: Aus meiner Sicht gehen die meisten Dinge in Brooklyn ab, aber es wird in New York immer diesen gesteigerten Kreativitäts-Level geben. Auch in Bereichen außerhalb des HipHop – es gibt z.B. ein paar interessante Electronic-Sachen, ein paar gute neue Rockbands, aber auch noch ein paar interessante Sachen im HipHop, wie DefJux oder Mike Ladd. Es ist schon richtig, dass es keine so kompakte Szene mehr ist, aber es ist immer noch ein Platz, wo Leute Inspiration finden und mit neuer Musik rauskommen.
Michael Moores „Bowling For Colombine“ hat hier gerade richtig Erfolg -.was hat dich an dem Film am meisten beeindruckt?

Art, wie er die verschiedenen Aspekte zusammenfügte – beginnend mit dem leichten Zugang zu Waffen, über die weltweite Massenproduktion, hin zur Paranoia des weißen Amerikas vor dem schwarzen Mann. Auch die Zusammenhänge zur selektiven TV-Berichterstattung. Als Einzelszene war der Teil cool, in dem er mit den Überlebenden des Massakers zu K-Mart geht und sie dazu bewegt, den Verkauf von Munition einzustellen. Einige der Informationen, die er im Film rüberbrachte, waren neu für mich, aber in erster Linie ist der Film einfach ein wirklich starkes Statement über den Geisteszustand der Vereinigten Staaten. Ich denke, es ist ein sehr gut zusammengefügter Dokumentar-Film.

Danke für das Gespräch.