Daim,Tasek

Zum dritten Mal findet in diesem Jahr die Urban Discipline Graffiti Art Ausstellung in Hamburg statt, organisiert von "getting-up". Die seit drei Jahren bestehende Ateliergemeinschaft von Daim (Mirko Reisser), Daddy Cool (Heiko Zahlmann), Tasek (Gerrit Peters) und Stohead (Christoph Hässler) versteht sich als Schaltstelle zwischen Graffiti-Künstlern, Kunstinteressierten und potentiellen Auftragebern in der Graffiti-Szene. Im Atelier an den Elbbrücken in Hamburg werden gemeinsame Projekte angedacht und realisiert. Als eines der Projekte entstand bald nach Zusammenschluss die Idee einer eigenen Ausstellung, die Graffiti-Kunst in einem angemessenen Rahmen zeigen sollte. Die Erfahrungen aus Ausstellungen, an denen die vier Sprüher teilgenommen haben, kommt "getting-up" und den von ihnen eingeladenen Künstlern dabei zu Gute: "Die Wichtigkeit, dass alle Künstler in der Stadt sind und dass hier auch Wandprojekte realisiert werden, die Freiheit, in der Ausstellung direkt auf die Wand zu malen, ist da, was man in keiner Galerie und in der Regel auch in keinem Museum hat. Entscheidend ist, was die Künstler daraus machen. Wichtig ist, dass wir ihnen die Freiheit bieten, und dann müssen sie selber gucken, wie sie sich präsentieren wollen", so Daim über den gesteckten Rahmen der Urban Discipline. Die Bedingungen in klassischen Ausstellungsräumen sind für Graffiti dennoch anders, trotzdem, so Tasek: Das ist auch eines der Dinge, die man im Auge behält, wenn man so eine Ausstellung macht, dass trotz der Tatsache, dass man als Szene ein sehr eigenständiges Ding ist, der Konsens mit den klassischen Richtungen gesucht wird." Das Konzept, für Graffiti einen angemessenen Ausstellungsrahmen zu schaffen und ein möglichst großes Spektrum zu zeigen, war von Anfang an Grundintention von "getting-up" – und die Spannbreite wird seitdem in jedem Jahr erweitert. Sprüher wie Shok, Ces, Per One, Darco, Neon, Shark oder Cemnoz nahmen 2000 an der Ausstellung in der ehemaligen Thomas-I-Punkt-Skatehalle in Hamburg teil. Die erste Urban Discipline wurde zum Erfolg und die Fortsetzung zur logischen Konsequenz. Im folgenden Jahr fanden sich in der historischen Postsortierhalle im Zentrum der Hansestadt unter anderem Gäste wie Sub, Mate, Won, Lazoo, Codeak oder Discom und Keramik ein.

"getting-up" suchen über die Urban Discipline den Austausch mit einer breiten Öffentlichkeit und wollen mit der Ausstellung ein Diskussionsforum schaffen, dessen Bedarf kaum zu leugnen ist, da die Öffentlichkeit Graffiti oftmals kritisch gegenübersteht. Dennoch, wie Daim betont:
"Sehr viele Leute sind ja inzwischen auch außerhalb der Szene von Graffiti beeinflusst. Die Sprache wird somit ein bisschen offener formuliert und von mehr Leuten verstanden. Das ist auch das, was wir fördern und suchen. Dieser Austausch, das Experimentieren und sich auch mal auf eine andere Sprache einlassen oder der Versuch, diese Sprache zu sprechen, die er oder sie vorher eben nicht verstanden hat. Früher war es ja überhaupt nicht nötig, sich zu präsentieren, weil man auf einen Zug oder eine Wand gemalt hat – das haben alle gesehen. Aber je mehr man im Atelier arbeitet, desto wichtiger ist es natürlich, ein Forum zu haben, um seine Arbeiten präsentieren zu können. Also müssen wir das schaffen, so wie wir uns eigentlich immer alles selber geschaffen haben".  
Tasek weist auf die Einbettung der Ausstellung hin:
"Man muss natürlich auch sehen, dass die Urban Discipline in ein Festival eingebunden ist, wo eigentlich von der Grundidee Maximum HipHop alle Aspekte des HipHop zeigt. Natürlich schildern wir mit Graffiti nur einen Aspekt, das geht aber auch wie letztes Jahr zum Beispiel so weit, dass wir eben auch Künstler wie Martha Cooper in der Ausstellung mit drin hatten, die HipHop einfach als Kultur fotografisch festgehalten hat."
Es geht sicherlich nicht darum, Graffiti auf der Straße, auf Trains oder auf Wänden auszuschließen, aber der Fokus der Ausstellung liegt darauf, Entwicklungen zu zeigen und die Variationsmöglichkeiten von Graffiti zu verdeutlichen. "getting-up" suchen in ihrer Rolle als Ausstellungsorganisatoren nach Künstlern, deren gemeinsamer Nenner die Arbeit mit der Dose im öffentlichen Raum ist oder war, aber, so Daim:
"Wir wollen gucken, wer sich in andere Richtungen orientiert und experimentiert, auch wenn die Qualität vielleicht so nicht so gut ist – es sind eben noch Experimente. Das ist aber auch in Ordnung, weil wir in gewisser Hinsicht ja alle noch am Anfang stehen. Nicht nur mit der Ausstellungsorganisation, sondern es sind auch Künstler dabei, die vielleicht das erste Mal eine Ausstellung machen und dann merken, dass das eine ernstzunehmende Perspektive für sie darstellt."

Der Name der Ausstellung ist Programm. Tasek:
"Sowas wie Graffiti, so eine Ausdrucksweise oder -form, hat natürlich gewisse Rahmenbedingungen, eben den urbanen Raum und das Interagieren mit ihm, was in der Großstadt entstanden ist und sich natürlich auch an solchen Grundpfeilern aufhängt wie: Ich will raus aus der Anonymität und meinen Namen präsentieren. In letzter Zeit setzten sich viele Graffiti-Sprüher viel bewusster mit der Architektur auseinander, mit der oder auf der sie arbeiten, was zur Folge hat, dass sie dadurch viel mehr Möglichkeiten für die Umsetzung ihres Bildes finden. Und das empfanden wir auch als wichtig, diese Erkenntnisse herauszustellen, weil es allen Leuten zeigt, dass Graffiti nicht nur einfach dein ‚Piece‘ malen ist, sondern auch viel mehr sein kann. Wichtig dabei ist: Augen auf und sich sein Umfeld genau betrachten, neue Perspektiven suchen. Man kann die Graffiti-Bewegung als eine Disziplin im öffentlichen Raum sehen, von der es natürlich wesentlich mehr Richtungen gibt." "getting-up" beweisen mit der Urban Discipline die Internationalität von Graffiti und suchen weltweit nach innovativen und experimentierfreudigen Künstlern. Auch in diesem Jahr sind unter den teilnehmenden Künstlern Gäste aller Kontinente: Os Gemeos, Vitche, Herbert und Nina (Brasilien), Puzle (Australien), Mear und Joker (USA), Banksy (UK), Zedz (Holland), CMP (Dänemark), Stak, HNT, André, AlexOne (Frankreich), Nami/La Mano (Spanien), Dare und Toast (Schweiz) und Loomit, Sat One, ECB, Viagrafik, Seak, Peter Michalski, Stuka und Esher aus deutschen Landen.  Natürlich nehmen Tasek, Daim, Daddy Cool und Stohead neben ihrer Arbeit als Ausstellungsorganisatoren auch als Künstler an der Ausstellung teil, denn, so Daim:
"Wir sehen uns selber in erster Linie auch als Künstler und erst danach als Organisatoren. Deshalb wäre es unser Wunsch, die ganze Planung und Organisation dieses Events irgendwann mal abzugeben, am liebsten in Hände von ehemaligen Graffiti-Sprühern, die sich vielleicht gesagt haben, das mit dem Sprühen ist für uns nicht mehr so wichtig. Früher hätte man gesagt, ich mache jetzt ein Graffiti-Magazin, und heute würden sie vielleicht sagen, ich werde Graffiti-Ausstellungen organisieren oder ich mache eine kleine Graffiti-Galerie auf." Urban Discipline ist als ein Angebot zum Verständnis von Graffiti zu verstehen. Sowohl Künstler – die meisten sind übrigens während der gesamten Ausstellungsdauer vor Ort – wie auch Gäste können und sollen sich darüber während der Urban Discipline austauschen – Daim:
"Jeder Künstler, der sich da präsentiert, muss sich und seine Arbeit selber erklären können, er sollte auch auf Fragen gefasst sein wie: Was ist in deinen Augen Graffiti? Jeder Künstler muss für sich seine Art von Graffiti definieren." Wer es nicht schafft, dort vorbeizuschauen, oder die Ausstellung auch in Ruhe zu Hause noch einmal betrachten möchte, hat – wie im Vorjahr – auch wieder die Chance, das Buch zu der Ausstellung zu erwerben (Urban Discipline 2002 Graffiti-Art, 29,- €, ISBN 3-00-009421-0).