Afrob

Am 13.08. hat Afrob in Berlin gemeinsam mit D-Flame unweit vom rap.de-Büro sein neues Video zur Single "Öffne die Augen" feat. D-Flame gedreht. Der Track selbst ist für Afrobs Album "Made in Germany" äußerst repräsentativ, da er erneut die Thematik Rassismus gegenüber Schwarzen in Deutschland behandelt. Das Video, welches mittlerweile auch auf den einschlägigen Musikkanälen zu sehen ist, setzt dementsprechend auf den Kontrast Schwarz-Weiß. Die beiden Protagonisten tragen wechselweise schwarze und weiße Klamotten und bewegen sich vor einem dazu jeweils im Kontrast stehenden Hintergrund. Das von Daniel Siegler gedrehte Video wartet außerdem mit häufiger verwendeten Splitscreen-Effekten auf und blendet Bilder und Videosequenzen bekannter Schwarzen-Aktivisten, aber auch Szenen von Übergriffen gegen Schwarze und Aufnahmen des KKK ein. Zu sehen sind u.a. Muhammad Ali, Malcolm X, Nelson Mandela und Mumia Abu Jamal. Der Videodreh gab uns die Möglichkeit, unser Gespräch mit Afrob fortzusetzen und die Post-VÖ-Sicht des Künstlers einzuholen:

rap.de: Dein neues Album "Made in Germany" ist ja jetzt schon eine Weile draußen – wie ist denn die Resonanz bisher?

Afrob: Also ich habe das Gefühl, dass die Leute, die mein erstes Album nicht cool fanden, das neue besser finden. Das Publikum nimmt es eigentlich auch gut auf. Natürlich gibt es ein paar kritische Stimmen, aber das ist normal. Für mich war das Album extrem wichtig – vergiss dabei mal Afrob als Privatperson. Viele haben ja gesagt: "Das ist schwierig, weil sich die Leute damit nicht identifizieren können". Ich frage mich aber, warum man sich immer mit allen Sachen identifizieren muss – man kann doch einfach auch der Sicht eines anderen Menschen und dessen Erlebnissen ihren Platz im HipHop geben.
rap.de: Hattest du deshalb auch Probleme in der eigenen Firma?
Afrob: Ich glaube, die haben verstanden, warum ich das Album machen musste. Die kennen mich ja auch und wissen, dass ich schon früher über solche Dinge gesprochen habe und dass das ein Thema für mich ist. Auch wenn wir so reden – wenn ich die sehe, reden wir auch nicht nur über Business, die wissen auch so über mich Bescheid und wissen, was mich beschäftigt.
rap.de: Unabhängig davon, dass dein Anliegen extrem wichtig ist, hatte ich bei deinem Album etwas den Eindruck, dass du in den letzten Jahren scheinbar wenig Spaß hattest, konnte mir das aber eigentlich auch nicht so richtig vorstellen. Hast du deine positiven Erlebnisse bewusst rausgehalten, um die Message deutlicher zu machen?

Afrob: Wenn du genau hinhörst, dann sind auf dem Album auch positive Dinge drauf – es ist nicht so, dass ich nicht mehr lachen kann. Ich hab´ die letzten zwei Jahre riesigen Spaß gehabt, habe aber eben auch viele Sachen erlebt, die mich einfach frustriert haben und die weniger direkt mit HipHop zu tun haben, dort aber eine Rolle spielen sollten. Wenn ich dann sehe, dass niemand solche Sachen anspricht und jeder sich nur um seine Battle-Rhymes kümmert und darum, wer wen gedisst hat, dann ist mir das einfach zu wenig, und dann muss ich es halt machen. Man muss das ja nicht mögen, aber man muss dem einfach einen Platz zugestehen im HipHop – es kann nicht sein, dass afrozentrische Themen im HipHop keinen Platz haben. Im Sommer 2000 sind wirklich wieder eine Menge schlimmer Dinge passiert, und mir ist aufgefallen, dass hier gesellschaftlich viel zu wenig stattfindet – deshalb sind solche Sachen wie Brothers Keepers einfach auch wichtig. Das ist zwar erst mal auch nur Musik, aber – wie Dead Prez schon sagen "It´s bigger than HipHop". Ich hab´ damals zu mir gesagt "Robbe, du bist in der gleichen Situation", und deshalb war es für mich einfach meine Pflicht, das zu machen – auch weil es nicht nur darum geht, dass ich irgendwelche Geschichten von Sachen gehört habe, die vorgefallen sind, sondern ich bin mittendrin. Ich muss zwar nicht um mein Leben fürchten, habe aber ´nen ganz anderen Struggle als die weißen Mitbürger. Wenn ich z.B. auf ´nem M.O.R.-Tape höre, dass Ronald MC Donald irgendwas sagt wie "Affen wie Afrob sind aus dem Zoo", dann ist das Rassisten-Scheiße, das ist Fascho-Zeug. Das letzte mal habe ich so etwas von ´nem Nazi gehört, von ´nem Skinhead. Und alle hypen die und finden die tight, aber niemand redet über diese Sachen. Oder ich gehe auf ´ne HipHop-Jam und Leute sagen "guck mal da – schon wieder ein Neger!" – so ´ne Scheiße muss ich mir anhören. So etwas frustriert mich einfach, und dagegen muss man vorgehen. 

 
rap.de: Ich habe gerade die Brothers Keepers bei Falk auf Viva2 gesehen, und da ging es u.a. um die Verwendung des Wortes "Nigger". Viele Schwarze nennen sich ja untereinander auch immer noch so, wogegen sich z.B. Chima ziemlich deutlich ausgesprochen hat. Wie stehst du dem gegenüber?

Afrob: Unter Schwarzen wird dieses Wort halt häufig benutzt, um einfach so ein "Wir"-Gefühl zu erzeugen. Es gibt ja z.B. auch Leute, die disabled sind, und die sich dann gegenseitig auch einfach "Du Krüppel" nennen und darüber lachen, weil sie damit über ihre Minderheitenzugehörigkeit hinwegkommen. So etwas macht einen dann eben auch stark. Ich denke mir, dass das in den Ghettos halt so gewachsen ist. Ich selbst hatte früher aber auch Probleme damit und habe mich gefragt: "Warum verwenden die das auf diesen Rap-Platten?". Für mich war das auch hier in Deutschland schlimm – Kiddies kamen zu mir und meinten "hey Nigger", und ich musste dann immer sagen "sag das nicht zu mir!". Das waren dann auch teilweise Leute, die du kanntest und die dann meinten "ej – das meine ich doch nicht ernst" und so. Aber darum ging es gar nicht – ich wollte einfach nicht so genannt werden. Und dann kam aber eben oft "ja – die Schwarzen sagen das doch selber". Ich verstehe halt nicht, weshalb man den Leuten erklären muss, dass sie dieses Wort nicht zu benutzen haben. Das ist ja keine HipHop-Floskel, sondern kommt aus einem ganz widerlichen Kontext – das kommt aus dem Kontext der Sklaverei, und die Leute müssen ganz einfach ihre Pflicht sehen, mit diesem Wort nicht unverantwortlich umzugehen. In Amerika ist das ganz klar – da sagt ein Weißer nicht einfach so Nigger. Jennifer Lopez hat ja jetzt richtig Stress gekriegt, weil sie das Wort Nigger benutzt hat – das geht eben nicht, und da wissen auch alle, warum. Die Schwarzen benutzen das untereinander, und damit ist es auch o.k..
rap.de: Du hast ja neulich ziemlich deutlich gesagt, dass du Stuttgart aus verschiedenen Gründen scheiße findest – hast du mal ans Umziehen, z.B. nach Berlin, gedacht?

Afrob: Ja ja klar – oft. Ich kenne ´ne Menge Leute hier. Da Fource, die Spezializtz, das ist ja kein Geheimnis. Ich kenne auch nicht nur die Jungs, sondern so viele Leute, dass ich sagen könnte, ich würde in Stuttgart kaum etwas missen. Ich denke schon oft darüber nach, aber ob ich letztlich da wegkomme, das ist noch mal was anderes. Ich hab´ auch Familie und viele Leute dort, die mir wirklich wichtig sind. Ich hab´ jetzt auch gerade ´ne Wohnung gefunden – ich hab´ so lange gesucht, und jetzt werde ich da auch erst mal bleiben. Aber nachgedacht habe ich da oft drüber. Köln oder Berlin – dort ist es cool.
rap.de: Wie geht es denn jetzt bei dir mit dem Brothers Keepers Projekt weiter – ihr wollt ja jetzt auch ein Album machen, und du hast ja eine Menge Tracks, die man dort auch verwenden könnte?

Afrob: Nee – Sekou und ich machen zusammen noch ´nen Extra-Track für das Brothers-Keepers-Projekt. Allgemein finde ich es gut, dass es in diese Richtung geht und dass Brothers Keepers so erfolgreich ist. Deshalb haben wir es ja gemacht – um so viel Aufmerksamkeit wie möglich für dieses Projekt zu bekommen und auch für die Leute, die davon profitieren. Das ist eben kein Spaß – weißte, da regen sich Leute auf, wer da alles mitmacht und warum die Leute so sind, wie sind. Mann – fuck it – ich meine, was soll das? Die sollen nicht die Leute in dem Projekt sehen, sondern das, worum es geht. Es geht um Leute, die getötet werden, und davor sollte man schon etwas Respekt haben.
rap.de: Wie findest du denn in dem Kontext den Track und das Video von Phillie MC?

Afrob: Ja, wie soll ich das finden? Er hat den halt gemacht, und ich nehme ihm schon ab, dass er keine Nazis mag. Eigentlich sollte man froh darüber sein, dass das erfolgreich ist. Man muss aber aufpassen, dass das Bild nicht verzerrt wird, so dass es auf einmal heißt, dass jeder um sein Leben fürchten muss. So ist es ja auch nicht, und dadurch würde das ganze auch sehr relativiert. Wenn er in ´nem Interview sagt, er müsste genauso aufpassen, dass er nicht auf die Fresse kriegt, dann ist das einfach nicht wahr – im Gegensatz zu uns Schwarzen hat er die deutlich besseren Chancen.