Ein deutschsprachiger MC, den alle kennen, aber nicht alle lieben – im Gegenteil: viele sogar wack finden, weil er sich dem derzeitigen Double-Rhyme- und Metaphern-Diktat nicht beugt – ist wieder auf der Plattform. Mit neuem Album steht er für alle sichtbar da und stellt mal wieder unter Beweis, dass auch in Deutschland HipHop Message heißen kann und dass es auch hier genug Themen gibt, die es anzufassen lohnt. Sicher werden das einige Leute in ihren Vorgärten wieder nicht kapieren und lieber weiterhin Porno- und Gangster-Klischees fröhnen, aber sollen sie doch. Ein gallisches Dorf namens Afrob steht mit Stimme und Flow dagegen. Lest, was er Jan Kage im Interview anvertraute.
rap.de: Was ich bei dir besonders schätze, ist zum einen der Flow, weil du für ´nen Deutschen so untypisch bist. Du hast so ´ne Energie, die an sich eigentlich eher Franzosen haben oder afrikanische Sachen. Und was ich richtig geil finde, ist, dass du auch über Schmerzen und Leiden sprichst. Inwieweit inspirieren dich diese Schmerzen oder das Überstehen von Schmerzen auch?
Afrob: Ich würde auch lieber ohne Schmerzen leben, aber es gibt eben viele Sachen, die mich einfach frustrieren, als Schwarzafrikaner in Mitteleuropa. Manche Leute – hab´ ich auch gerade gerappt – machen sich lustig über Leute wie Skills en Masse. Natürlich kommen wir nicht aus dem Ghetto, ich ja auch nicht. Aber es gibt schon bestimmte gesellschaftliche Ausgrenzungspraktiken, die nur auf uns greifen, und ich sehe auch Sachen, die manche Leute gar nicht sehen. Ich verarbeite da auch gar nichts, sondern versuche nur, ein Bewusstsein für Leute zu schaffen, denen es genauso geht wie mir. Aber nicht nur für Schwarze, sondern auch für Leute mit den gleichen Träumen und Schmerzen. Das kannst auch du sein oder was weiß ich wer – wir wollen da niemanden ausgrenzen. Ich wäre auch froh, wenn ich nicht über Schmerzen rappen müsste, und ich mache ja auch normale Sachen. Ich rappe auch mal ´nen Battletrack oder ´ne Story oder so. Aber hauptsächlich… das ist halt mein Leben, und davor kann ich mich auch nicht verstecken.
rap.de: Wahrscheinlich ist es, wie Meli sagt: ‚Alle Leute mit Schmerzen sehen aus wie wir‘, oder?
Afrob: Ja – im übertragenen Sinn. Ich meine, du kannst dich mit vielen Leuten cool unterhalten, und viele begreifen das auch. Das ist ja auch kein Spaß, hier werden ja Leute getötet. Das ist ja nicht einfach so dahergequatscht. Das trifft schon zu.
rap.de: Es gibt Leute, die ausgegrenzt werden – und ich denke, das kann verschiedene Gründe geben: Du kannst ´ne andere Hautfarbe haben, kannst uncoole Klamotten haben, der Klassendepp sein…
Afrob: Ja, du kannst uncoole Klamotten haben, oder deine Schuhe sind im Arsch und die Leute machen sich über dich lustig, z.B. in der Schule… das ist alles schlimm. So hart das jetzt klingt: Du musst trotzdem wissen, worüber es sich wirklich lohnt, zu rappen. Es reicht nicht, wenn du über die Mängel in Schulen oder pädagogische Mängel und sowas rappst, weil es nicht so wichtig ist, wie das Thema, das wir jetzt voranbringen.
rap.de: Du wirst ja auch nicht umgebracht für beschissene Schuhe oder so….
Afrob: Genau… ja, so ungefähr…
rap.de: Ich habe da neulich mit Harris von den Spezializtz drüber gesprochen, und der meinte, dass ihn diese Probleme und die Thematik ‚Schwarze in Deutschland‘ gar nicht interessiert. Ich glaube auch, dass es ein Unterschied ist, ob du jetzt in Berlin aufwächst oder in Süddeutschland. Die ganzen Türken, die ich aus Süddeutschland kenne, sagen z.B. alle zu sich selber ‚Ausländer‘, obwohl sie ja hier geboren sind. Das macht in Berlin keiner…
Afrob: …die sagen: ‚Ich bin Berliner!‘, und das ist auch cool. Das hat eben auch was mit der Lage zu tun, das sind ja alles Ideologien. Bei uns in Baden-Württemberg waren die Republikaner 10 Jahre lang mit über 10% im Landtag, von den 70%, die wählen gehen, wählen 10% diese Leute – das ist viel zuviel. Und deshalb kann man sich in Berlin vielleicht nicht vorstellen, was da los ist. Hier ist das ganz anders. Und wenn ich nach Hamburg, Köln oder Berlin komme, fühle ich mich wie ein Mensch. Du wirst nicht blöd angekuckt, das ist wunderschön.
rap.de: Das ist wirklich so, dass es in Süddeutschland ´ne andere Erfahrung ist.
Afrob: Das ist ´ne komplett andere Welt, richtig krass. Darunter leidet auch mein Lokalpatriotismus, ich kann nicht sagen: ‚Hier Stuttgart, Stuttgart!‘ – ich scheiß auf Stuttgart, weißt du. Ich scheiß auf den ganzen Apparat da, das interessiert mich einen Dreck. Da gibt’s meine Homies, mit denen ich aufgewachsen bin, das sind meine Leute. Aber die Stadt… die tun ´nen Scheiß für mich. Ich represente und represente und sag: ‚Yeah, Stuttgart ist cool!‘ , aber Stuttgart ist nicht cool, Stuttgart ist Scheiße. Und die Leute, die cool sind, die tun nichts dafür, dass sie ´ne coolere Atmo haben. Von denen geht auch keiner wählen, das interessiert die ´nen Scheiß. Wenn du auf Konzerten erzählst, es ist wichtig, dass ihr wählen geht, dann interessiert die das einen Scheißdreck. Und weißt du, warum? Weil die nicht betroffen sind. Du wirst sehen, wenn in Deutschland was passiert, so wie in Oklahoma… Mann, der hat einfach 168 Leute getötet, mit ´ner Bombe. Warte mal, bis hier das KaDeWe in die Luft geht oder sowas, dann werden die erst sagen: ‚Oooh, die tun ja auch was.‘ All die Leute dieser neuen Mitte mit ihrer Einwanderungspolitik und all dem. Dann überlegen sie, ob diese Parteien verfassungsfeindlich sind. Die rennen rum mit solchen Transparenten wie: ‚Nationaler Widerstand‘. Ich bitte dich! Also, da brauchen wir doch nicht drüber zu reden, ob die verfassungsfeindlich sind oder nicht. Das Schlimmste: Bei der Wahl jetzt haben die voll gelost. Aber die Leute, die die sonst wählen, wählen dann halt mal die SPD oder CDU. Das juckt die einen Scheiß. So ist das, und bis du da mal ´ne Wohnung gefunden hast als Neger, das kannst du dir gar nicht vorstellen. Am Telefon sind sie die Nettesten der Welt. Du sprichst super Deutsch ohne Dialekt, die stellen sich dich superjung vor, bis man vorbeikommt. Dann machen die vor dir die Tür zu und sagen: ‚Nee, mit dir hab ich nicht geredet!‘. Ich will jetzt auch nicht rumheulen, ich will auch nicht mehr dazugehören. Früher war das anders, als kleiner Junge. Aber ich hab´ schon so viel erlebt. Ich leb´ seit 24 Jahren hier. Und glaub mir, ich kenn´ dieses Land. Ich hab 7 Jahre in Niedersachsen gelebt, in Karlsruhe und in Stuttgart. Ich bin oft in Berlin und fahre auch oft rum, ich hab dieses Land echt aufgegeben.
rap.de: Lass uns mal über Doublerhymes reden. Es gibt ja viele Leute, die dich da anfeinden und sagen, Afrob nimmt immer nur die einfachen Reime…
Afrob: Die halten mich für blöd und denken, ich sei dumm und ungebildet und so ´nen Scheiß. Aber das ist o.k., die sollen ruhig denken, dass ich ein blöder Neger und ein blöder Tanzafrikaner bin, weil die keine Ahnung haben. Die haben überhaupt keine Ahnung. Ich hab mich auch nicht angestrengt und gedacht, ich muss jetzt hier die Doublerhymes machen… Mann, das ist mein Ding, mein Style. Ob mich die Leute dafür respektieren, interessiert mich einen Scheiß. Die sollen ihr Ding machen und ich mach meins.
rap.de: Ist es nicht so, wenn man mit mehr Inhalt schreibt …
Afrob: Ja Mann… ich will mich ja auch nicht entschuldigen… weißt du, ich hab mir auch überlegt, was ich machen will. Will ich mehr, dass es skillmäßig tighter ist, oder möchte ich was transportieren? Und so weiter. Und ich hab mir gedacht, ein bisschen von beidem wäre ganz cool. Ich denke auch, dass mir das gelungen ist. Ich meine, kuck mal, die Leute, die sind so wack… die hören meine Singles an und denken dies und das. Wenn die sich schon die Mühe machen, mich zu judgen, dann sollen die sich mal das Album anhören. Das muss denen nicht mal gefallen. Wenn die immer sagen, der benutzt nur einfache Wörter – ich weiß schon, wie das hier läuft, mir wird das hier alles zu faschistoid.
rap.de: Das ist doch auch so ein Ding, dass im deutschen HipHop Rap nicht als Kommunikation betrachtet wird, sondern einfach erst mal als ein technisches Spielchen. Hör mal, ich kann vier Silben aufeinander reimen…
Afrob: Genau – die sind schon intelligent, die da kommen. Aber ich persönlich steh´ mehr auf Typen. Für mich müssen das keine Megacannabisstyletypen sein: 8 Doublerhymes, weißt du. Ich bin ferrisgeil, Da Fource oder so Typen mag ich. Das ist immer Geschmackssache. Aber wenn die sagen, ich hätte weniger Skills, weil ich die einfachsten Rhymes hätte, ist das auch o.k., sollen die ruhig denken, dass ich keine Skills hätte. Ich mach mich nicht zur Bitch, nur um den Leuten zu gefallen. Ich bin zu alt für so ´ne Scheiße.