TTC

"Dies ist keine Platte" ist ein französisches HipHop-Album, das aus dem Rahmen fällt. Die Herangehensweise von TTC ist in jeder Hinsicht außergewöhnlich. Bei Konzerten stehen Cuisiniere, Teki und Tido beinah regungslos auf der Bühne und rappen mit fast geschlossenen Augen ihre in Gedankenbilder gepackten Texte.

rap.de: Erzählt den deutschen Heads, die euch noch nicht kennen, doch bitte zunächst mal kurz etwas über eure Hintergründe.

TTC: Cuisiniere und Teki sind Cousins. Also chillte man auch zusammen und rappte. Wir kennen uns, seid wir klein sind. Tido stieß über einen Freund dazu – er rappte schon länger solo. Irgendwann, ich glaube 1997, kamen wir als Gruppe zusammen. Wir haben auf vielen Mixtapes zuerst Präsenz gezeigt und mit vielen verschiedenen Leuten zusammen gearbeitet. Nachdem wir auf zwei Samplern vertreten waren, haben wir dann eine Heimproduktion gemacht: die Maxi "Game Over 99". Es ist in Frankreich so, dass man aufgrund der miesen Situation mit den großen Plattenfirmen zuerst selbst aktiv seine Musik voranbringen muss, gerade wenn man Musik macht, die der Markt angeblich nicht verlangt. Uns sagte man, nachdem wir die Maxi auch großen Firmen zeigten: "Ja, macht mal noch ´ne Maxi, und wenn das läuft…" Die gehen kein Risiko ein, und du machst im Endeffekt ihre Arbeit. Big Dada wurde auf uns aufmerksam: Mr. Flash (einer der Produzenten von TTC, Anm. d. Red.) stellte den Kontakt zu Will Ashon her, und der war direkt begeistert. Da hatten wir einen Deal.


rap.de: Warum habt ihr für den Titel und das Cover die Reminiszenz an Magritte gewählt?

TTC: Ich mag das Konzept (gemeint ist Magrittes Bild), es provoziert Fragen nach der dahinterstehenden Symbolik. Bei dem Magritte-Bild (Ceci n´est pas une pipe) geht es darum, dass Realität nicht unbedingt nur das ist, was man sieht. Wie das Beispiel mit dem Eisberg, von dem du auch nur ein Zehntel siehst. Der Rest des Eisberges ist unter Wasser. So ähnlich ist es auch mit der Realität: Es gibt nicht nur das, was man sieht, was man bewusst wahrnehmen kann, viel läuft ja auch nur im Kopf ab. Sie laufen nicht über die Bühne und suchen den Kontakt mit den Zuhörern, wie das ja eigentlich üblich ist. Nicht zuletzt ist die Publikumsbeschimpfung bei "Toi même" weit abseits der Norm. Alles anders machen, das stößt manche vor den Kopf. Daher polarisieren die drei Franzosen der Gruppe TTC vor allem in der Pariser HipHop-Szene. Und es gibt Leute, die ihnen absprechen, HipHop zu sein.
TTC: Manche Leute sehen HipHop als etwas Geschlossenes. Alles, was nicht diesen engen Vorgaben entspricht, so glauben diese Leute, tötet HipHop. Oft sind das die, die sich erst seit zwei Jahren damit befassen. Diese Kultur ist aber aus dem Experiment geboren. Insofern ist diese enge Sicht ein Paradoxon. Deshalb berührt uns das auch nicht – wir machen ungerührt weiter mit der Musik, wie sie uns gefällt. Man kann nicht jedem gefallen.

Ihre Texte sind eine Verbindung und Mischung aus jeglichen Eindrücken, die jeder von ihnen erworben hat, seit er auf der Welt ist. Gerade das macht sie so erfrischend anders und nicht so leicht schubladbar, wie die Bösen Buben aus den Banlieus.
TTC: Unsere Texte kann man in vielerlei Art verstehen und interpretieren. Wir versuchen, durch verschiedene Flashes an Gedanken und Bildern ein neues Universum zu erschaffen. Eine Atmosphäre. Eine Vision. Aber nicht nur abstrakt versuchen TTC zu punkten. In ihrem Stück "De pauvres riches" (Arme Reiche) stellen sie die Relationen wieder her, die bei vielen im HipHop verloren gegangen zu sein scheinen: Reiche Kinder, die vom Ghetto träumen, weil sich Langeweile im Kopf breit gemacht hat. Dafür haben TTC Sarkasmus en masse übrig.
TTC: Die Leute, die in den schlechten Vierteln leben, wollen da raus, und die Leute, deren Eltern ein schönes Appartement haben, wollen lieber ins Ghetto, auf die Straße, weil ihnen das als echter oder wahrer vorkommt. Darüber machen wir uns auf nette Art lustig. TTC repräsentieren das genaue Gegenteil dessen, was heute Kasse macht, was unter Marketing-Gesichtspunkten prima zu verwerten ist. Dass sie ihre Plattenfirma in England fanden bzw. gefunden wurden, überrascht da nicht mehr sehr. Big Dadas Will Ashon war sofort begeistert, obwohl sein Französisch nicht reichte, um den Text völlig zu verstehen. TTC bedeutet, zumindest für den französischen HipHop, die Reanimation, und ist ein Schlag ins Gesicht für all die Vielschwätzer und Realness-Idioten, die so viel von Musik verstehen, wie George W. vom Frieden.