Interview mit Sorgenkind

Im Interview erzählt uns Sorgenkind über die Entwicklung von seinem eher melancholischen Album „Von A nach X“ zur nicht mehr so sorgenvollen EP, genannt „Sommerloch“. Ausserdem wird nach dem Gespräch klar, inwiefern er denn eigentlich ein Sorgenkind ist.

Fotos: Lukas Richter

rap.de : Deine neue EP ist ein bisschen fröhlicher ausgefallen, als die letzten Sachen. Vor Allem das Album davor, „Von A nach X“ war ja ziemlich melancholisch. Wieso das? 

Sorgenkind: In erster Linie wegen Live-Auftritten. Ich bin mit dem „Von A nach X“-Zeug aufgetreten und hatte eigentlich immer super Laune, weil ich auf den Festivals war und habe mich voll auf den Auftritt gefreut. Und während des Auftritts steh ich auf der Bühne und merk, dass ich nur traurige Lieder dabei habe. Und in der Zeit, wo wir wirklich viele Auftritte haben, dachte ich, das kann ja nicht so weitergehen, dass ich mit guter Laune zum Festival gehe und dann nur traurige Lieder spiele. Das war so der erste Anstoss. Ich bin ja nicht immer nur schlecht drauf. Kann ja mal wieder was besser gelauntes sein, was neutraleres.

rap.de: Ist mit dem Namen Sorgenkind jemand gemeint, der sich ziehmlich viele Sorgen macht?

Sorgenkind: Ich bereite Sorgen. Ich bin derjenige, der nie erreichbar ist, und man öfter mal nicht weiss wo er gerade ist. Wenn man zum Auftritt fahren möchte und schaut wer fehlt, dann bin das natürlich ich. Und wenn man dann anrufen will, ist das Handy aus. Da hab ich ein Talent dafür. Ich mache das ja nicht einmal absichtlich, weil ich das jetzt feiere, den Leuten Sorgen zu bereiten, aber es passiert irgendwie einfach.

rap.de: Woran liegt das? 

Sorgenkind: Ich bin einfach ein verpeilter Typ. Ich denk halt eigentlich nie daran, mein Handy aufzuladen. Der Akku ist auch gerade wieder leer. Und die Prepaid Karte, die lade ich eigentlich auch fast nie auf, oder manchmal ist das Handy gesperrt. Oder es gibt Phasen, da habe ich keinen Strom Zuhause.

rap.de: Gibt es das öfter?

Sorgenkind: Ja, ich hab meine EP herausgebracht und hatte währenddessen keinen Strom.

rap.de: Gehst du dann mit Verlängerungskabel zum Nachbaren?

Sorgenkind: Ich gehe tatsächlich immer wieder mal zum Nachbaren hoch. Der Elias, der auch Gitarre auf meiner EP spielt, zu dem geh ich dann hoch und meine „hey, kann ich meinen Laptop vielleicht mal anschliessen und mir einen Kaffee machen?“. Ja und er macht das dann auch. Meistens. Eigentlich immer.

rap.de: Gilts das für die anderen Eypro-Jungs auch?

Sorgenkind: Ja, das trifft eigentlich auf ganz Eypro zu. Wir sind da schon ein bisschen verballert, aber das stört uns jetzt auch nicht gross. Wenn ich jetzt eine Zeit lang kein Strom hab, dann stört mich  das auch nicht so. Ich kann da ganz gut damit leben. Ich fühle mich in der Rolle als Sorgenkind nicht besonders schlecht. Dann hab ich die Rolle halt und komme damit ganz gut zurecht.

rap.de: Wie gehen deine Eltern damit um? Bist du für sie auch ein Sorgenkind oder vertrauen sie dir?

Sorgenkind: Das ist ein bisschen kompliziert. Zu meinem Vater habe ich zurzeit gar keinen Kontakt mehr. Bin ja auch schon mit knapp 18 ausgezogen und er wohnt noch in Bayern. Meine Mutter wohnt in Solingen, mit ihr ist eigentlich alles super. Sie erfährt von meinen Stromausfällen eher nichts. Ihr möchte ich keinen Kummer machen.

rap.de: Sie liest wahrscheinlich auch keine rap.de Interviews.

Sorgenkind: Die liest das Interview hoffentlich nicht! Wenn doch, dann macht sie sich auf jeden Fall Sorgen, was aber auch gar nicht so schlimm ist. Manche Dinge halte ich halt ein bisschen von ihr fern, wenns darum geht, dass es gerade nicht so gut bei mir läuft.

rap.de: Jezt hat ja einer von den Eypros, nämlich 3Plusss, einen richtigen Deal und so. Inspiriert dich und die anderen das, sowas auch zu machen?

Sorgenkind: In erster Linie inspiriert mich halt seine Produktivität. Der ist ja richtig krass dabei. Der hat ja sein letztes Album fertig und schon zum Release kam der mit einem vollen Textblock an und meinte, „Guck mal, ich habe schon wieder neue Sachen geschrieben und habe den und den Plan“, und ich steh daneben und denk mir, Alter, du hast gerade ein neues Album rausgebracht, was geht da bei dir ab? Da war er direkt schon am arbeiten und hat, während das  eine Album rauskam, schon neue Live-Tracks vom nächsten Album live gespielt. Und jetzt kam dieses Album raus und plötzlich noch eine Free-EP. Das inspiriert mich dann teilweise schon, dass man sich da wirklich mal am Riemen reissen kann und schneller was schaffen kann, wobei man natürlich auch gucken muss, dass die Musik auch gut wird. Weil irgendwas machen ist ja dann auch nicht die Lösung. Aber bei ihm, das läuft einfach, er hat so ein Workflow, da bin ich echt neidisch drauf.

rap.de: Wie ist es bei dir so? Musst du dich ein bisschen dazu zwingen?

Sorgenkind: Ich muss mich schon öfter hier und da mal zwingen. Oder brauche dann so meine Motivationspunkte. Und da sind auch der 3Plusss und der Patrick zwei Anlaufstellen, dann redet man mal mit denen und steigert sich ein bisschen in das Thema rein, dass da mal wieder etwas kommen muss. Dann geht man aus dem Gespräch raus und hat komplett die Motivation aufgetankt und versucht das dann direkt irgendwie umzusetzen in etwas Greifbares. Es ist eigentlich immer cool, wenn man sich unterhält, und die einem auch mal einen Arschtritt geben, weil das funktioniert bei mir auch tatsächlich.

rap.de: Wie eng ist denn der Zusammenhalt in diesem Eypro-Camp eigentlich?

Sorgenkind: Die Crew ist automatisch fest, weil wir mehr oder weniger beste Freunde sind. Wir sehen uns ja oft und reden auch nicht nur über Musik, und wenn es dann um die Musik geht, ist auch immer alles cool. Bei Eypro ist halt das Ding, dass Clayne eine Vollzeit-Arbeitsstelle hat, und jeder hat seine eigenen Vorstellungen und Pläne. Dann ist es halt sehr schwierig, bei so vielen Leuten alles unter einen Hut zu kriegen, so dass man wirklich ein Crew-Release machen könnte oder so.

rap.de: Ist so etwas geplant?

Sorgenkind: Das ist geplant. Wir sitzen auch drüber, aber nicht super intensiv, weil ich halt jetzt mit mein EP-Zeug noch ziemlich viel zu tun habe. ich muss mir noch Gedanken über Videos machen und so.

rap.de: Da gab es erst eines, oder?

Sorgenkind: Ja und jetzt gerade kam ein zweites raus. Um 16Uhr. Da bin ich auch wirklich damit zufrieden, denn es hebt sich qualitativ auch von den anderen Videos ab. Aber wir haben uns schon zusammengesetzt für etwas Gemeinsames, haben Ideen gesammelt, hier und da ein paar 16er  geschrieben, die dann so halb fertig sind. Geht halt nicht so schnell, wie wenn man selber an etwas dran ist, wo es keine Kompromisse gibt.

rap.de: Was denkst du, wo es bei dir persönlich hingehen wird? Von deinem melancholischen Album zur etwas sommerlichen EP, wie wird das Nächste sein?

Sorgenkind: Ich denke, die EP soll einen guten Vorgeschmack darauf geben, wie es weitergeht. Ich bin mit dem Sound gerade echt zufrieden, von der Stimmung und von der instrumentalen Umsetzung. Cop Dickie hat mir auch schon zugesagt, dass er  direkt das ganze Album für mich produzieren will, und wir haben schon Termine ins Auge gefasst, wann wir uns treffen wollen. Dann schliessen wir uns bei ihm in Mannheim ein. Dann gehts auch direkt los. Vielleicht will ich hier und da ein paar funky Elemente reinholen, aber so, dass man es halt auch schön auf der Bühne machen kann. Ich finde die Vorstellung schön, dass man die Lieder macht, um sie dann letztendlich auf der Bühne vorführen zu dürfen. Die letzten Live-Auftritte waren super und irgendwie ist das gerade so mein Ding, wo ich merke, dass das mein Zentrum ist, das was für mich im Vordergrund steht.

rap.de: Nur wegen Bierchen natürlich.

Sorgenkind: Ja, nur wegen Bier, sowieso. Erst mal hinkommen, mit einem Bier ein bisschen die Aufregung runtertrinken, dann auftreten.

rap.de: Was hörst du eigentlich im Moment gerade so?

Sorgenkind: Wenn man selber am Musik machen ist, dann vernachlässigt man irgendwie, sich in neue Dinge reinzuhören. Ich höre sehr oft Altbewährtes, ich höre immer noch die selben alten Clueso-Alben. Marteria feier ich auch. Ich feier überwiegend deutsche Sachen, muss ich sagen. Casper auch. Ich bin da nicht so der vorbildliche Musikhörer, der sich da tief in die Materie reinarbeitet, sondern ich höre auch echt viel oberflächliche Musik. Ich bin ein typischer Radiohörer. Ich schalte einfach das Radio ein und hör was kommt. Oder ich warte darauf, dass Kollegen mit neuer Mucke kommen und mir das zeigen. Ich höre auch viel Punk Rock, Sum41 und solche Sachen. Ich brauche ab und zu eine gesunde Pause von Rap.

rap.de: Gesungen hast du ja auch schon einiges. 

Sorgenkind: Ja, ich sing auch gerne mal.

rap.de: Aber ein reines Gesangs-Album kannst du dir nicht vorstellen? 

Sorgenkind: Nein, auf ein reines Gesangs-Album hätte ich keinen Bock, weil zu.. Ja gut, wobei, ich labere Quatsch, ich habe ja ein ganzes Gesangs-Album gemacht. Ich mache ja nebenbei auch Punk Rock. Quaterback 40, das habe ich komplett durchgesungen und das war eine ganz neue Erfahrung, weil wenn man einfach nur eine Hook singt, hat man die Melodiefolge, die man sich überlegt und dann ist cool. Aber ein ganzes Lied zu strukturieren, dass es auch spannend bleibt, das ist mein grösstes Problem. Ich rauche halt und trinke öfter mal. Aber im Rap-Bereich ein Album komplett singen würde ich nicht, nein. Ich fand gerade der frühere Clueso, als er noch gerappt und gesungen hat, super, das hat mich auch inspiriert.

rap.de: Wie findest du die neuen Sachen von Clueso? Die neue Single?

Sorgenkind: Die neue Single muss ich mir nochmal anhören, um mir da eine Meinung zu bilden. Die anderen Sachen feier ich ziemlich. Für mich ist er sprachlich so der kleine Grönemeyer.

rap.de: Du scheinst ein richtiger Clueso-Fan zu sein. Hast du ihn mal getroffen?

Sorgenkind: Nein, ich habe ihn nur einmal live gesehen, am Splash. Da hat es geregnet und der Grossteil war bei Olli Banjo auf der zweiten Bühne. Das war super! Aber ich hätte ihn gerne auch mit dem Live-Orchester gesehen.

Was hat es denn mit der Eypro-Party auf sich, die ja auch von rap.de präsentiert wird?

Sorgenkind: Ja, das ist quasi unser Geburtstag. Fünf Jahre Eypro und wir laden einfach unsere ganzen Wegbegleiter ein, die wir über die Jahre kennengelernt haben. Die geben dann jeweils 2-3 Tracks zum Besten, und wir wollen eine schöne Party mit Freunden. Das wird auf jeden Fall ein schöner, herzlicher Abend mit ganz vielen „Oh, wir haben uns schon so lange nicht mehr gesehen, lass mal was zusammen machen“. Da freue ich mich richtig darauf.

rap.de: Meinst du, aus diesen Ankündigungen wird irgendwas?

Sorgenkind: Najaich glaube 80% von diesen Versprechungen entstehen ja aus dieser Euphorie und am nächsten Tag ist das dann wieder ein bisschen abgeflacht, und dann denkt man sich, jetzt habe ich mir aber ganz schön viel vorgenommen!

rap.de: Ich habe gerade gelesen, dass du dein Studium geschmissen hast.

Sorgenkind: Nein, das läuft noch. Ich bezahle noch meine Studiengebühr und ich fahre noch schön mit der Bahn mit dem Studententicket. Ich habe das halt einfach zurückgestellt, weil viele Auftritte dazu kamen, und viel mit Mucke ansteht. Ich bin da eher ein bisschen „ganz oder gar nicht“-mässig unterwegs. Ich kann nicht studieren und nebenbei Musik machen. Das ist für mich schwierig zu kombinieren. Wenn ich mich um die Musik kümmern will, dann möchte ich auch komplett dafür leben. Damit das auch komplett gelebt und gefühlt wird.

rap.de: Ist es denn dein Plan, mit Musik Geld zu verdienen in Zukunft? 

Sorgenkind: Was heisst Plan, es ist halt die ferne Hoffnung, irgendwie ein bisschen etwas Regelmässiges reinzubekommen, die Hörerschaft zu vergrössern und viel auftreten. Es ist halt ein Traum und eine Hoffnung und ich lebe im Moment gerade nur, um mir diesen Traum eventuell zu erfüllen. Ich habe ja eine Ausbildung gemacht und studiere wieder, ich wäre also nicht komplett verloren. Irgendwann wird das Sorgenkind schon finden.