Am 15.August ist der Release von Ufo361 Debütalbum, „Ihr Seid Nicht Allein“, über Hoodrich. Wir haben mit ihm über seine Entwicklung seit der letzten EP „Bald ist dein Geld meins“ sowie über seine stilistische Ausrichtung gesprochen, welche sich deutlich von der der anderen abhebt. Er selbst legt zum Beispiel Wert auf die Feststellung, dass seine Videos „Kunstwerke“ sind. Ein Gespräch über Kreuzberg, 2Pac und Fragen, die einfach nicht sein müssen. Beginnen wir mit letzterem.
rap.de: Gibt es eine Frage, die dir echt auf den Sack geht?
Ufo361: Mittlerweile, die Frage die ich am meisten beantwortet habe, die nervt mich ziemlich, ist die mit dem Namen. Warum heisst du denn Ufo? Ich kann das ganze nochmal erklären, dann haben wir es hinter uns. Ich heiss Ufo weil ich eigentlich Ufuk heisse und wir bei uns in der Gegend die Namen mit O am Ende abgekürzt haben. Hab ich schon hundert Mal erklärt und die Leute fragen mich immer noch.
rap.de: Wie gut, dass ich das nicht gefragt habe. Deine EP „Bald ist dein Geld meins“ ist sehr gut angekommen. Hattest du das erwartet?
Ufo361: Ehrlich gesagt nicht. Ist einfach so zustande gekommen. Wir haben einfach Songs gemacht, da sind ein paar Songs echt gut angekommen. „Was du reydest“ ist zu der Zeit zum Beispiel sehr gut angekommen. Dafür dass ich halt auch ein kompletter No-Name in der Rap-Szene war. Auch vor der EP hatte ich was auf einem Ami-Beat gemacht, „Hard in the Paint“. Der ist auch sehr gut angekommen. Ich habe das nicht erwartet.
rap.de: Hat sich in deiner Herangehensweise an deine Musik für das Album etwas verändert? Gerade beim ersten Album macht man sich ja oft viel Druck.
Ufo361: Ich würde sagen, teilweise ist es die Stimmlage. Am Anfang habe ich viel tiefer gerappt und war verkrampft. Mittlerweile lasse ich es einfach raus und gehe auch mal eine Oktave zu hoch, und meine Freundin sagt manchmal „Mann, die Stimme nervt, warum machst du das so hoch“. Das Album war eine Art Findung für mich selbst und darüber, was ich in Zukunft machen will. Ich denke, dass ich jetzt ungefähr gepeilt habe, was ich machen will und was nicht.
rap.de: Jetzt wo alles fertig ist, und der Release von „Ihr seid nicht allein“ nächste Woche vor der Tür steht, wie ist es um deine Nerven bestellt ? Nervös?
Ufo361: Nein, nicht so wie ich dachte. Der Stress mit allem was ich zu tun habe ist hart , damit habe ich weniger gerechnet. Ich dachte, ich werde krass aufgeregt sein und nichts zustande kriegen, zuhause sitzen und buffen. Aber ist gar nicht der Fall. Ich buff seit drei Wochen nicht mehr, damit ich meine Termine wahrnehmen kann. Ich habe jetzt halt drei bis fünf Termine am Tag, das hatte ich vorher nicht. Zu den Interviews muss ich, dann designe ich meine Klamotten nebenbei noch und ich versuche die Auftritte zu organisieren. Ich bin nicht sehr aufgeregt, aber gestresst.
rap.de: Dann kannst du also Freizeit und Kiffen sehr gut mit der Arbeit vereinbaren?
Ufo361: Nein. Es war eigentlich ein gesundheitliches Problem, denn ich hatte vor drei Wochen einen Lungenkollaps. Das war der ausschlaggebende Punkt. Ich glaube, das war so ein Zeichen von Gott, dass er gesagt hat „Ey, du hörst nicht auf“. Ich bin ein Mensch, der auch oft gesagt hat: „Mom, bitte hilf mir, dass ich weniger rauche“ und dachte mir, ich darf nicht so viel buffen, ich sollte aufhören oder wenigstens weniger rauchen. Und dann war es so krass, dass ich komplett aufgehört habe und es hat sehr gut getan.
rap.de: Das „Ihr seid nicht allein“-Snippet ist schon draussen. Wo und wie habt ihr dieses Snippet gedreht?
Ufo361: Ich hatte ehrlich gesagt nicht viel Budget dafür. Ich hatte da nicht irgendwie 1000 Euro und habe gesagt, die hau ich jetzt für ein Snippet raus. Ich habe einen coolen Homie, Dj Bad Leroy, den kenne ich durchs Graffiti von früher. Der ist sehr kreativ und macht Graffiti-DVDs und schneidet immer so lustige Sachen rein, wie Robert De Niro, der eine Graffiti-DVD guckt und dabei weint. Wie bei der Szene aus „Reine Nervensache“. Ich fand das so lustig und habe ihn darauf kontaktiert. Dann haben wir das Snippet in einem Tag gemacht. Es war sehr einfach und hat sehr viel Spaß gemacht.
rap.de: „Ihr seid nicht allein“ kann man sehr vielfältig interpretieren – was ist deine Überlegung hinter dem Albumtitel?
Ufo361: Ich hatte mehrere Titelvorstellungen wie beispielsweise Area361.Und bei dem Titel war das erste Mal „Wir sind nicht allein“ , weil irgendwie das Gefühl habe, da ist noch was über uns. Dann habe ich mich mit Said zusammengesetzt und wir haben es noch auf die Rap-Szene bezogen. Da war es dann „Ihr seid nicht allein“, da kommt noch ein Rapper, nämlich Ufo361. Das war eigentlich an alle Rapper. Das war die Hauptüberlegung bei dem Titel. Aber es gibt mehrere Bedeutungen, man kann es auf alles beziehen. So alte Omis und Opas in einem Altersheim sind auch nicht allein. Oder ein Typ, der mit seiner Freundin im Bett liegt, sagt „Endlich sind wir allein, unsere Eltern sind im Urlaub!“ , dann machen sie das Licht aus und dann steh ich da mit Taschenlampe und sag „Ihr seid nicht allein!“ Deswegen fand ich den Titel gut und wir haben das durchgezogen.
rap.de: Die Videos „Atom“ und vor Allem „UFO“ sind ähnlich „surrealistisch“ wie beispielsweise das Video von „Was du reydest“.
Ufo361: Das liegt, glaube ich, an der Inspiration. Bei „Atom“ habe ich jetzt so viel Wert darauf gelegt. Da haben wir halt einfach mit Schriften und so gearbeitet, ist also ein typisches performance-Video. Aber Was du reydest und UFO finde ich, ist grosse Kunst, ehrlich gesagt. Von den Videoproduzenten her, das Gezeichnete, dieses Comic-Ding, die Animation mit der riesen Nase für den Wiedererkennungswert. Bei UFO war das Cheerleader-Ding, die in Alien-Masken rumtanzen. Auf solche Dinge lege ich viel Wert, weil ich dieses „An der Ecke stehen“ und hinter ihm stehen seine Jungs und er rappt und dann fährt gerade noch ein Polizeiauto vorbei, welches man filmen muss, nicht so mag. Das ist für mich schon sehr ausgenutzt mittlerweile. Ausserdem würde es nicht zur Musik passen. Bei UFO habe ich ein paar Mal die Hook gehört und dann sind mir so Cheerleaders eingefallen, die Buchstaben rufen.
rap.de: Planst du noch mehr Videos für das Album zu drehen, und wenn ja, für welche Tracks?
Ufo361: Ja, ich werde wahrscheinlich zu fast jedem Song ein Video drehen. Ich will mit diesem Album das Maximum rausholen, maximale Promo machen, die maximale Reichweite erreichen. Zunächst bin ich in Köln und werde was zum Buffersong GanjaBoi, drehen, dann für den 2pac-Song möchte ich auf jeden Fall noch was drehen. Beim GanjaBoi wird wahrscheinlich Ufo mit Rasta-Haaren und riesen Joints in einer Plantage sitzen, falls das klappt. Passt halt zum Song, ist klar. Bei Pac bin ich mir nicht sicher, ich wollte ein Animationsvideo machen und habe auch schon ein Drehbuch geschrieben aber das ist dann sehr teuer. Da warte ich besser auf die Verkaufszahlen, um zu gucken, ob sich das lohnt. Wenn nicht, dann werden wahrscheinlich einfach so 15 Leute mit Tupac-Klamotten rumlaufen.
rap.de: Das Skit „Gut“ klingt, als würde bei dir alles laufen wie es sollte. Ist das so?
Ufo361: Leo, ein Freund von mir, AT Beatz, hat mir den Beat gezeigt und ich habe gleich gute Laune bekommen. „Mir geht’s schlecht“ hätte überhaupt nicht gepasst. Ich hab mir einfach überlegt, mir geht es gut, was habe ich um mich herum? Ich habe geiles Weed und eine schöne Frau, das reicht schon. So ist das relativ schnell zustande gekommen. In 15 Minuten.
rap.de: Hast du selbst ein Lieblingslied auf dem Album?
Ufo361: „Kreuzberg 96“ ist jetzt nicht ein krass ausproduzierter Song, aber auf dem Song ist jemand der mich als Junge schon sehr inspiriert hat und zur Schule begleitet hat. Er lebt nicht mehr, möge er in Frieden ruhen. Er hat sich Boe B. genannt, von Islamic Force. Ich bin zu Derezon gegangen und habe ihm sie Sache erzählt und hatte halt schon aufgeschrieben „Komm, lauf mit Richtung Kotti/ zum Auftritt von Boe B.“ und Derezon war begeistert, dass ich das alles aufgeschrieben hatte und verkörpert hatte. Dann hat er mir eine Platte gegeben und die Rechte dazu von 1992, wo Boe B. auf Englisch gerappt hat. Das hört man am Ende des Songs. Das hat für mich einen unglaublich krassen Wert, zu wissen, dass ich mit ihm auf einem Song bin. Ich würde es aber nicht ein Feature nennen, sondern ich widme es ihm. 1996 in Kreuzberg habe ich so krass verkörpert und da war halt Boe B. sehr wichtig für mich.
rap.de: Wie war denn Kreuzberg 1996?
Ufo361: Ich kann mich daran erinnern, dass ich mein Hof nie verlassen durfte, weil ich eben noch klein war. Aber in meinem Hof waren halt auch schon viele ältere Kanaken, die dann mit den Butterflys rumgespielt und dazu einen gedreht haben. Und ich habe mich immer gefragt, wieso sie das machen. Und irgendwann, das weiß ich noch, habe ich die Grenze überschritten und bin raus aus dem Hof. Das war für mich wie eine riesige neue Welt, die ich noch nicht kannte. Ich war neugierig und meine Mutter hat mich gerufen, ich soll nach Hause kommen. Und ich bin kurz raus und habe alle die Kanaken gesehen, die türkische Rapszene, die Menschen hörten Islamic Force und so. Und die ganzen Punker und die Anarchisten-Flaggen, die überall hingen. Und überall hat es nach Pisse gestunken. Das war ein großes Erlebnis.
rap.de: Kreuzberg hat sich in den letzten Jahren sehr verändert, Stichwort Gentrifizierung. Gibt es für dich auch etwas Positives dabei?
Ufo361: Ja, es gibt jetzt ein paar krasse Restaurants.
rap.de: Was stört dich am meisten an dieser Entwicklung?
Ufo361: Mein Vater muss seine Wohnung verlassen, weil er die Miete nicht bezahlen kann. Er ist krank und kann deswegen nicht arbeiten. Wenn das passiert, werde ich auf jeden Fall eine Aktion starten. Dann werde ich sauer. Man kann nicht jemanden mit körperlicher Behinderung nach 35 Jahren aus Kreuzberg wegschicken.
rap.de: Der Track „Seit dem ersten Tag“ beschreibt, wie du mit dem Sprühen angefangen hast. Das scheint eine große Bedeutung für dich zu haben.
Ufo361: Graffiti war und ist immer noch sehr wichtig für mich, weil es mein erster Kontakt zur ganzen HipHop-Geschichte für mich war. Zehn Jahre habe ich Graffiti gemacht und dadurch habe ich auch die ganzen Leute kennengelernt. Im Winter werde ich wieder sprühen weil der eine Kollege, der viel für die Crew macht, jetzt auf Bewährung ist. Und früher, als die anderen im Knast waren, habe ich viel gesprüht, weil es die Crew am Leben erhält. Man macht es für sie.
rap.de: Auf deinem Album sind Hoodrich-Kollegen wie Greeny und Kalusha, aber kein Feature mit Said. Gibt es einen Grund dafür?
Ufo361: Wir sind ein bisschen eigene Wege gegangen. Wir haben einfach die Stimmung nicht gefunden. Bei drei Songs wollte ich ihn eigentlich drauf haben, aber es hat irgendwie nicht verpasst. Es war eine Schicksaalssache, wenn’s nicht passt, dann passt es nicht. Aber Said ist wie ein großer Bruder für mich und ich werde bestimmt noch viel mit ihm machen.
rap.de: Deine Videos sowie deine Texte sind sehr humorvoll. Würdest du dich allgemein als eine lustige Person beschreiben?
Ufo361: Auf jeden Fall. Ich mag es einfach, die Leute in Freude zu sehen. Wenn ich eine Oma auf der Straße sehe, frag ich oft, warum sie nicht lächelt und wenn sie dann lächelt, macht mich das glücklich. Ich bin ein sehr lebensfreudiger Mensch. Bei den Türken handelt die Musik meistens von Liebe und Trauer und damit bin ich aufgewachsen. Und ich habe mich gefragt, warum die immer traurig sind. Und ich will nicht, dass wenn jemand traurig ist, noch trauriger wird durch meine Musik. Er soll doch glücklich werden.
rap.de: Wie hat sich dein Leben in den letzten Jahren entwickelt, seit du professionell Musik machst?
Ufo361: Meine Ex hat mich mal wieder angeschrieben. (lacht)
rap.de: Wie siehst du dich in der Zukunft? Was für Pläne hast du?
Ufo361: Hängt von den nächsten Jahren ab. Wenn der Plan mit Said, Greeny und Hoodrich aufgeht und wir zusammen was reißen, möchten wir in Costa Rica unser Eigentum haben. Das wäre natürlich der Jackpot. ber das Leben steckt voller Überraschungen.