Sookee hat sich mit mittlerweile sieben Releases, darunter vier Soloalben, einen eigenen Platz in der deutschen Rapszene geschaffen. Sie und ihre Mitstreiter nennen das selbstbewusst Zeckenrap. Natürlich eckt sie damit in einer Szene, die insgesamt immer noch ihre Homophobie, ihren Sexismus und andere Vorbehalte pflegt, an. Das macht ihr auch nichts aus, trotzdem betrachtet sie HipHop als ihren kulturellen Heimatort, den sie gerne so schön wie möglich gestalten möchte. Und genau das tut sie auch, zum Beispiel mit ihrem neuen Album „Lila Samt„. Über das sowie über ihre Meinung zu politischem Rap, Gewaltphantasien im Battle-Rap, ihre Vorliebe für Subversives und Gegenkultur, Verschwörungstheorien sowie die Überwindung des Kapitalismus sprachen wir mit Sookee.
rap.de: Rap ist derzeit politischer als je zuvor. Oder täuscht dieser Eindruck?
Sookee: Woher nimmst du den? Nur weil Rap gerade politischer ist als zu anderen Zeitpunkten, heißt es ja nicht, dass es gleich das Superlativ sein muss. Wir haben locker 40 Jahre Hiphop-Geschichte, also global, und klar gab es da schon Punkte, die viel expliziter waren. Es gibt aber derzeit auch viele Referenzen und Bezugnahmen zu den Anfangszeiten, und nicht mal in einem „Good ol‘ days“-Sinne, einer Gründerzeitromantik, sondern tatsächlich auf die Inhalte. Und das finde ich schön. Mir macht diese Entwicklung Spaß, ich hoffe, dass sie anhält und noch ein Stückchen weiter wächst.
rap.de: Du warst dieses Jahr wieder in der Jury von Raputation, also diesem Castingsformat, das den politischsten Rapper Deutschlands gekürt hat.
Sookee: Ja, wobei mir diese Casting-Terminologie missfällt, überhaupt die Idee, nur eine Person zu finden, die das jetzt am besten können soll. Ein Konzept, das mir völlig fern liegt. Warum sollte ich nur einen suchen? Ich will doch viele davon. (lacht) Ich habe auch versucht, dagegen intern ein bisschen zu rebellieren und wollte, dass wenigstens die Top 3 sich den 1. Platz teilt. Aber insgesamt begrüße ich das, ob es jetzt die Raputation ist oder auch die Diskussion um „Contraband“ von Fard und Snaga, die ja recht weite Kreise gezogen hat.
rap.de: Wie bewertest du die verschiedenen Standpunkte, die in diesem Zusammenhang geäußert wurden?
Sookee: Es sind natürlich Positionen darunter, die ich komisch finde, aber so ist es nun mal in einer politischen Debatte. Es geht darum, Meinungen auszutauschen, wenn die einheitlich wären, müsste man die Debatte nicht führen. Deswegen macht mir das gerade tatsächlich ziemlich viel Spaß, auch zu beobachten, dass so langsam auch die ganze zwar nicht explizit politische, aber identitätspolitische queere HipHop-Welle. Eine rap.de-Redaktion weiß inzwischen, wer Mykki Blanco ist, oder Angel Haze. Das bedeutet mir total viel, weil ich schon seit Jahren davon erzähle und immer ein bisschen auf verlorenem Posten damit war. Und plötzlich sind das Topics, die stattfinden. Das finde ich tatsächlich sehr erfreulich.
rap.de: Topics, für die du mit sieben Releases schon die Trommel gerührt hast.
Sookee: Klar waren das immer Themen, die in unterschiedlichem Maße bei mir präsent waren. Unterschiedlich explizit, manchmal sehr, sehr offen, manchmal subtiler, manchmal sehr parolenförmig, manchmal nur in Andeutung oder der Form von Referenzen. Natürlich ist auf dem ersten Album weniger los als auf dem dritten meinetwegen, was politische Statements angeht, aber das ist schon einfach auch mein roter Faden.
rap.de: Dein lila Faden.
Sookee: Oh, wie schön! So lasse ich mich gerne korrigieren. Der Punkt ist eben, diese arge Wiederholung im Rap streckenweise… ich meine, dass HipHop ’ne Sample-Kultur ist, ist mir klar. Dass intertextuell und in Form von Zitaten gearbeitet wird finde ich auch soziokulturell spannend. Wenn bestimmte Sachen immer wieder aufkommen, spricht das ja für etwas. Was ist gerade da, was wandert aus Rap raus und schlägt sich anderswo nieder? Babo wird zum Jugendwort des Jahres und ein Kai Diekmann bezeichnet sich im Editorital seines schrecklichen Magazins als Babo. Das war hart. Das war wirklich schlimm. Er ist ja sowieso nicht mein bester Freund, aber da dachte ich mir, ganz ehrlich, du und dein scheiß Rassistenblatt, ihr seid alles so ’ne Kartoffeln, und dann nimmst du dir diesen Begriff, der ganz anders geprägt ist. Sehr, sehr merkwürdig.
rap.de: Aber doch auch eine interessantes Phänomen, dass gerade der Bild-Chef einen migrantisch geprägten Begriff benutzt.
Sookee: Naja, da greifen sich Leute eben so Coolness-Aspekte raus. An anderen Stellen wollen sie aber den Untergang einer zivilen Gesellschaft erkennen. Springer ist „Das wird man doch noch sagen dürfen!“-Mentalität, aber pickt sich dann so etwas heraus. Aber na gut, dieses Spannungsverhältnis interessiert mich tatsächlich. Klar meckere ich viel, aber es ist eben einfach eine Realität, mit der man umgehen muss, was ich auch versuche. Aber zurück zum Thema Wiederholungen: Das fünfzehntausendste Gangsta-Rap-Album zum gleichen Thema. Wo ich mich frage, wieso langweilt ihr euch nicht, wieso langweilen sich die Leute nicht damit? Es gibt Rapper, die haben zehn Releases mit drei Themen. Das ist wie ein Schauspieler mit anderthalb Gesichtsausdrücken.
rap.de: Tom Cruise kommt damit ja auch durch.
Sookee: Aber wie langweilig ist das? Das reicht mir nicht.