Interview mit Sookee

rap.de: Zeckenrap, wie du deine Musik nennst, könnte ja auch stinklangweilig sein und aus den immer wieder gleichen Parolen bestehen. Etwa so wie Deutschpunk in den späten 80ern.

Sookee: Kann es ja noch werden, geben wir der Sache noch 15 Jahre, mag sein, dass es auch irgendwie abgelatscht ist.

rap.de: Ist es nicht eher andersherum? War Zeckenrap nicht früher wirklich eher dieses Parolen-Geschrei? Mir kommt es so vor, als ob es sich davon weg entwickelt hätte. Auf deinem Album „Lila Samt“ ist der paroligste Song noch „Links außen“, obwohl auch der sehr selbstkritisch ausgefallen ist.

Sookee: Ja, was aber nicht heißt, dass, wenn man das 10 Jahre lang durchzieht, es nicht auch irgendwann zu einer Wiederholungstat wird. Es wäre natürlich schön, wenn wir überhaupt zehn Jahre Zeit hätten, so populär und frei zu werden, und so selbstverständlich mit unseren Inhalten, dass wir irgendwann auch langweilig werden und wieder abgelöst werden müssen. Fände ich ja schön. Das ist ja grundsätzlich meine Ansage: Ich höre auf, mit diesen ganzen Sachen zu nerven, sobald sie sich geändert haben. Mein heiliges Versprechen!

rap.de: Ist Zeckenrap denn grundsätzlich anders als Mainstream-Rap oder unterscheidet man sich nur durch die Thematik?

Sookee: Was uns auch unterscheidet, ist, dass wir diese Konkurrenzgefühle überhaupt nicht kultivieren. Stichwort Battle-Rap: Klar haben wir manchmal auch Bock, herumzumotzen, aber dann motzen wir nicht gegen irgendwelche anderen Rapper, sondern gegen staatliche Institutionen, die wir scheiße finden, gegen Nazis, gegen Polizeigewalt oder was eben sonst so für Ärger sorgen kann. Aber untereinander haben wir das gar nicht, nicht mal als Spielart oder als Ästhetik oder Stilmittel.

rap.de: Aber respektierst du das dennoch als kulturelle Ausdrucksform? Den sportlichen Gedanken hinter einem Battle?

Sookee: Es gibt verschiedene Wege herauszufinden, wer der bessere ist. Diese Beleidigungsthematik macht mir halt einfach keinen Spaß. Diese Welt da draußen ist schon sehr anstrengend. Na klar leben wir hier in Mitteleuropa relativ gechillt, ich habe zwei gesunde Beine, ich habe die Uni besucht, strukturell geht es mir ziemlich gut. Nichtsdestotrotz gibt es genügend Dinge, die ich sehe und die mich ankotzen. Da will ich es gerne schön haben. Wenn ich abends nach Hause komme, dann mache ich es mir auch gemütlich. Und wenn ich HipHop als mein kulturelles Zuhause betrachte, dann will ich mir nicht noch die ganze Zeit so eine Scheiße reinziehen. Ich hab Lust auf Kultur als ein Stück Regeneration und Inspiration.

rap.de: Als Rückzugsraum.

Sookee: Ja, natürlich. Weil ich da die Dinge sagen kann, die ich sagen will, in der Art und Weise, wie es mir ein Anliegen ist. Ich habe keinen Chef im Nacken, der mir irgendeine Scheiße vorschreibt. Ich kann mich da ausleben. Dann aber auf etwas zu treffen, wo Konkurrenzdenken sich fortsetzt, also das, was der Kapitalismus draußen schon die ganze Zeit macht, uns unter Zeitdruck setzen und uns nicht einfach in Ruhe Menschen sein lässt, kann ich zwar tolerieren, aber ich habe keinen Gefallen daran.

rap.de: Würde für dich beispielweise ein Tischtennisspiel auch schon diese Kriterien erfüllen? Da steht man ja auch unter einem gewissen Zeitdruck und in Konkurrenz zu einem Gegner, den es zu besiegen gilt.

Sookee: Das ist etwas anderes, weil beim Tischtennisspielen muss ich mir nicht anhören, dass irgendjemand irgendwen hart zerfickt und ich werde dir dabei auch nicht erzählen, dass ich Bock habe, dir mit meinem Schwanz ins Gesicht zu klatschen.

rap.de: Dich stört also nicht, DASS Leute battlen, sondern WIE sie es tun?

Sookee: Warum gibt es denn nicht auch den Gegenentwurf? Warum gibt es keine Möglichkeit, Battles zu veranstalten, bei denen es nicht darum geht, wer wem auf die Schnauze haut? Mein größtes Problem ist letztlich die Gewaltaffinität in der Sprache. Warum kann man stattdessen nicht besonders kreativ sein? Warum macht man nicht zum Beispiel besonders kreativ Komplimente? Ich weiß, das klingt schrecklich hippieesk, und ich bin schon gespannt auf die Kommentare, aber allen Ernstes: Warum gibt es das nicht? Was ist das für eine Welt, in der eine Beleidigung mehr zählt als ein Kompliment?