Sonne Ra aus Erfurt war auch schon als SS Häuptling, Jambo Asyl oder Tante Troll unterwegs und hat in der Post-DDR eine durchaus dunkle Zeit erlebt. Als Sohn einer Deutschen und eines Algeriers hatte er mit Rassismus zu kämpfen und entschloss sich irgendwann, zurückzuschießen. Heute ist der nach eigenen Angaben „entspannteste MC der Welt“ aber lockerer geworden. Über seine Geschichte und sein neues Album „Mula 4 Life“ sprachen wir mit Rashid oder Steffen Schmidt in Berlin.
rap.de: Du hast dich mal SS Häuptling genannt. Das ist ein, äh, ungewöhnlicher Name. Was steckte dahinter?
Sonne Ra: Das ist eine lange Geschichte. Aber gut, du wolltest es ja nicht anders. Also, mein bürgerlicher Name lautet eigentlich Rashid Jadla. Als Rashid Schmidt bin ich geboren worden, meine Eltern durften damals nicht heiraten, deshalb Schmidt. Mein Vater kam aus Algerien, das war in der DDR nicht so erwünscht. Später hat es sich durch öffentlichen Druck durchgesetzt, dass es sich nicht mehr vermeiden ließ, aber meine Eltern gehörten noch zu den Leuten, die nicht heiraten durften.
rap.de: Warum nicht?
Sonne Ra: Weil das einfach nicht erwünscht war. Integration von Ausländern in der DDR war nicht gewollt. Es gab Arbeitermangel, die brauchten Leute, um diese dicken Neubauten zu bauen. Männer vor allem. Da haben sie dann aus Mosambique, aus Algerien, aus Kuba, aus Vietnam Arbeiter geholt, die hatten aber so richtige Verträge, wo drin stand, dass sie nicht mit deutschen Frauen Beziehungen eingehen durften. Viele, die es dennoch gemacht haben, wurden abgeschoben. Teilweise wurden sie auch in ihrem Herkunftsland mit Sanktionen belegt oder sogar gefoltert. Dönerläden gab es auch keine. (lacht) Oder überhaupt Türken oder Afrikaner, die einen Shop hatten. Sowas gab’s nicht. Später gab es wie gesagt Hochzeiten, weil der öffentliche Druck zu groß wurde. Die DDR wollte ja nach außen hin auf solidarisch mit allen Völkern machen, Proletarier aller Länder, vereinigt euch!
rap.de: Das heißt, du bist in ein rassistisches Klima hineingeboren worden.
Sonne Ra: Ja. Ich habe es zur Wendezeit auch noch mal richtig dicke zu spüren bekommen, Gewalt in der Schule, Sachen, die richtig extrem waren, richtige Scheiße. Entführungen und richtig schlimme Gewalt. Meine deutsche Familie meinte dann, Mensch Rashid, so dunkel bist du nicht, du könntest auch als Deutscher durchgehen, mit ’nem deutschen Namen. Es ist besser für dich, wenn du dir einen deutschen Namen zulegst. Mein Vater war tot, der konnte mir nicht beiseite stehen oder sagen, Kopf hoch, Junge, da musst du als Schwarzkopf mal ein bisschen stolz sein. Und dann sind wir aufs Standesamt und haben den Namen geändert. In Steffen Schmidt. Das steht jetzt auf meinem Ausweis. Ich kriege meinen Namen aber irgendwann zurück, das ist ein schwieriges Ding mit dem Standesamt, da hängt ganz viel dran. Irgendwann ist mir aufgefallen, Steffen Schmidt, SS, das sind meine Initialen. Ich hatte zu der Zeit immer verschiedene Namen, ich wollte aber mal was ernstzunehmendes. Da dachte ich mir, SS, das ist schon irgendwie meine Geschichte, meine Initialen, ist natürlich auch hochprovolant, wir wissen ja alle, was SS noch bedeutet.
rap.de: Und wie kamst du auf den Häuptling?
Sonne Ra: MCs nennen sich King oder blabla. Ich hatte die Platte von Karat, „Der blaue Planet„, kennst du die?
rap.de: Nee.
Sonne Ra: „König der Welt ist das Herz, das liebt“ und so. Kennst du nicht? Wahnsinn. Das musst du dir mal anhören. Ich wollte aber nicht König nehmen, das klingt irgendwie bescheuert, ich mag die Indianer, hab selber bisschen andere Wurzeln und hier und da. Häuptling gibt es ja auch in Afrika und ich hab mir gedacht, das ist mein Ding. Häuptling der Welt ist das Herz, das liebt. SS Häuptling. Ich hab es dann verbunden. Aber ich habe damit schwierige Erfahrungen gemacht. Einmal bin ich in Rostock aufgetreten und schon als ich in die Stadt reingekommen bin, habe ich überall nur NPD-Plakate gesehen, kein bisschen SPD, nicht mal fucking CDU, hätte nie gedacht, dass ich mal nach so einem Plakat sehne. Dann ist der Auftritt, der Raum füllt sich, ich komme auf die Bühne und dann schreien die alle „SS! SS!“ Und dann schaue ich ins Publikum und sehe voll die Seitenscheitel-Muthafucka, mit Deutschland-Aufnähern – irgendwie ist das missverstanden worden. Teilweise hab ich auch Bookings nicht gekriegt wegen des Namens. Dako von Out4Fame meinte zum Beispiel, Bruder, mit dem Namen kann ich dich nicht nehmen, geht einfach nicht. Zuerst war ich eingeschnappt. Erst kommt es soweit, dass ich mich SS nenne, und dann muss ich mir von einem Afrikaner sagen lassen, dass ich wegen SS nicht auftreten kann. Da musste er selber lachen.
rap.de: Hast du deswegen deinen Namen letztlich geändert?
Sonne Ra: Zuerst habe ich Sternchen hingemacht, ** Häuptling. Sternchen Sternchen ist ja immer noch SS. Dann hat der Schaufel (von Schaufel & Spaten; Anm. d. Verf.) aber irgendwann mal einen Reim gekickt, irgendwas mit Rashid Sonne. Irgendwann hab ich Odd Job gefragt, welchen Namen er gut findet, Sonne Ra, ich habe es immer mehr gemocht. Die Sonne mag einfach jeder, die steht für das Leben und für eine bestimmte Essenz, Licht, das wir brauchen zum Leben – und mein Name nochmal, Ra. Hat also nichts mit Sun Ra, dem Jazzer, zu tun. Überhaupt nicht. Mit dem Ägyptenkram habe ich gar nichts zu tun. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.