rap.de: Aber auch das politische bleibt letztlich sehr persönlich. Du klärst den Hörer jetzt nicht darüber auf, wie die Ölgeschäfte im Irak mit der Krise im Kongo zusammenhängen, sondern es ist sehr emotional. Für mich spricht aus dem Album eher ein Gefühl des Nichteinverstandenseins, eine gewisse Wut auf bestimmte Zustände, die du zwar nicht konkret benennst, die man sich aber anhand der Referenzen wie Rosa Luxemburg oder Bertolt Brecht vorstellen kann.
Kobito: Die wirklichen Polit-Tracks auf dem Album sind „Tränen„, „Hoffnung“ und „Wut„.
rap.de: Vielleicht noch „Meine Leute“?
Kobito: „Meine Leute“ auch, ja. Aber die drei erstgenannten sind alle entstanden, als ich das Album schon mehr oder weniger fertig hatte. Da dachte ich mir, ich mache jetzt nur noch die Sachen, die ich so habe und alles ist gut. Dann kam aber eine Phase, in der ich ziemlich viel mit einem Freund in Sachen Bleiberecht gemacht habe. Er kommt aus Pakistan. Ich versuche immer noch, ihm bei der Erlangung eines Bleiberechts als Flüchtling zu helfen. Dabei bin ich auf so viele strukturelle Hindernisse gestoßen, die einfach dafür gemacht sind, einen resignieren zu lassen, weil es soviel Zeit und Kraft kostet. Und da sind relativ zackig diese drei Songs zusammengekommen, die irgendwie raus mussten. Im Nachhinein gesehen geben die der ganzen Platte noch viel doller einen politischen Turn als davor.
rap.de: Ich persönlich finde, dass es dadurch runder wird. Der Hintergrund der politischen Geschichten ist ja, wie du gerade geschildert hast, ebenfalls sehr persönlich. Auf mich machst du einen etwas naiven Eindruck: Du hättest gerne, dass alle Menschen glücklich zusammen leben. Du scheinst aber nicht so naiv zu sein, zu glauben, dass das in näherer Zukunft passieren wird.
Kobito: Ich bin weit davon entfernt. Ich fände es nicht interessant, einen Song zu machen, wo ich sage, alles ist scheiße. Genausowenig fände ich es interessant, einen Song zu machen, der sagt, komm wir packen es an und alles wird gut. Die Wahrheit liegt eben irgendwo in der Mitte. Auf „Wut“ heißt es „Denn es wird nicht leichter und du weißt erst, was Verzweiflung heißt/ Wenn dein Herz dich auffordert zu schreien, aber du schweigst„. Das ist für mich die Essenz von politischem Denken und Handeln für mich. Klar ist es viel einfacher, nicht politisch zu sein und sich nicht an Kämpfen zu beteiligen. Linke Politik ist auf jeden Fall frustrierend. Da zieht in der Regel weniger Kraft raus, als man reinsteckt. Deswegen ist es immer mein persönlicher Prozess, ich würde nicht dazu kommen, irgendwelche Phrasen zu spucken. Es ist als Ermutigung gemeint, gleichzeitig aber auch als realistische Beschauung, was überhaupt möglich ist. Bringt ja nichts, herumzuschreien „Revolution jetzt!„, wenn keiner mitmacht. Auf die Änderung von konkreten Zuständen hinzuarbeiten finde ich zum Beispiel total wichtig. Im Kleinen etwas zu ändern, was im Großen nicht stimmt – auch das ist eine Zeile aus „Wut“ – das liegt in meinen Händen. Alles umzukippen liegt nicht in meinen Händen.
rap.de: Also, diese radikale Perspektive von wegen „Es gibt kein richtiges Leben im falschen“ ist nicht die deine.
Kobito: Ist natürlich superverlockend, diesen Spruch anzunehmen. Ich renne ja auch gerne in Klamotten rum, die mir gefallen. Da könnte man jetzt auch sagen, das ist doch aber schlecht, weil das wird von unterprivilegierten, ausgebeuteten Leuten hergestellt. Darauf könnte man aber wiederum einfach erwidern, stop, es gibt sowieso nichts Richtiges im Falschen, also ist es nicht falsch, mitzumachen.
rap.de: Oder die klare Aufforderung ableiten, nur in selbsthergestellter Kleidung herumzulaufen.
Kobito: Genau, am besten zurück in die Steinzeit. Aber wenn du und ich uns dazu entscheiden, das zu machem, wird das System sagen, na, dann mach doch. Ist uns egal.
rap.de: Wie ich das verstehe, beantwortest du die Frage auf dem Album so, dass es richtig ist, kleine Sachen zu ändern anstatt an großen zu verzweifeln. Und, was in „Meine Leute“ geschildert wird, sich seine eigene Welt schaffen, mit den Leuten, die bereit dafür sind, ohne Diskriminierung und Unterdrückung zu leben.
Kobito: Genau – und selbst das sind ja Wunschvorstellungen. Ich würde nie behaupten, dass ich ein Mensch bin, der überhaupt nicht diskriminiert und überhaupt keine -istischen Gedanken im Kopf hat. Das kann nur behaupten, wer sehr naiv auf sich schaut. Denn wir sind alle in dieser Gesellschaft aufgewachsen und alle so geprägt worden. Es ist mir total suspekt, wenn Leute ihren Satz beginnen mit „Also, ich bin ja der Letzte, der rassistisches Gedankengut in sich trägt, weil…„. Ich finde den Anfang des Satzes schon falsch. Sowas wie „Meine Leute“ zeichnet natürlich auch die Utopie eines Freundeskreises, aber sehr von Herzen geschrieben, weil ich mich wirklich total wohl fühle in meinem Freundeskreis. Aber klar gibt es da auch Auseinandersetzungen und Probleme. Auch wir haben noch Verbesserungsbedarf, auch wir sind noch nicht da, wo Leute alles machen können und alle sich gegenseitig unterstützen. Aber wünschenswert ist es natürlich, so kleine revolutionäre Zellen (lacht), nee, aber so kleine Inseln, wo man sich sagen kann, wir passen ein bisschen besser aufeinander auf, als die Gesellschaft sagt, dass es cool ist. Das finde ich schon sehr erstrebenswert.