Nach „KIDS” und „TILT” beendet Maeckes nun mit „POOL” die Trilogie seiner Solo-Alben. Elf Jahre hat die Vollendung dieses Prozesses gedauert – elf Jahre, in denen nicht nur musikalisch eine ganze Menge passiert ist. Diverse Mixtapes und eine Reihe an Longplayern mit den Orsons erzählen die stilistische Entwicklung des Stuttgarters, der noch immer zu den am schwersten greifbaren Persönlichkeiten der hiesigen Hip-Hop-Szene gehört. Nicht erst seit „POOL” passiert die Musik, die Maeckes macht aber längst nicht mehr nur innerhalb der vermeintlichen Grenzen des Rap-Kosmos. Gesang, instrumentale Akzente und andersartige Kompositionen sind nicht mehr bloß Ausflüge, sondern machen mittlerweile den echten Maeckes-Sound aus. Natürlich stellt sich da zwangsläufig die Frage: Was ist denn nun Maeckes – und was nicht? Im Gespräch mit dem Wahlberliner haben wir versucht, dieser Frage auf den Grund zu gehen. Wieso Widersprüche schon immer ein so großer Teil seiner Kunst waren, wie er selbst die Entwicklung weg vom „Maeckes Dogma” wahrgenommen hat und wieso er es für unnötig hält, das Konzept eines Albums in den Vordergrund zu rücken, hat Maeckes uns im Interview verraten. Wie „POOL” in den Kontext der Trilogie passt und ob er schon weiß, was er als Nächstes vorhat, lest ihr im folgenden Text.
Dein letztes Interview mit uns ist ja schon fast fünf Jahre her. Seitdem ist viel passiert. Du hast dich immer schon als retrospektiver Beobachter deiner eigenen Gefühle ausgezeichnet. Macht dir die Welt eigentlich manchmal Angst?
Ja, jeden Tag (schmunzelt).
Und wieso merkt man das deiner Musik nicht an? Die scheint ziemlich angstfrei und selbstbewusst zu sein.
Wenn du in meinem Katalog weiter zurückschaust, wirst du merken, dass das nicht immer so war (schmunzelt). Ich glaube, das ist erst Stück für Stück so gekommen. Irgendwann habe ich für mich verstanden, dass ich lieber einen anderen Vibe erzeugen will, bei dem diese Ängste und Messages allgemein eher auf einer anderen Ebene stattfinden. Ich mache lieber Mucke, die sich gut anfühlt und nicht nur dystopische Terror-Musik, bei der man sich schlecht fühlt.
Widersprüchlichkeiten ziehen sich als Thema durch das ganze Album, eigentlich sogar durch deine gesamte Diskografie – Stichwort „Ich bin nicht Maeckes”. Hast du das bewusst als Thema auserkoren oder passiert das ganz natürlich?
Auf dem Album wollte ich das noch mal auf ein anderes Level bringen. Ich glaube, dass ich das jetzt auch nicht mehr so sehr machen muss. Auf „POOL” hatte ich aber einfach Spaß daran. Bei „1234” zum Beispiel fand ich es interessant, in der Melodie und im Refrain eine Einfachheit zu haben, die vom Vibe her ganz leicht und easy ist. Im Unterbau wird dann alles immer komplizierter. Die Rhythmik und die gesamte Struktur werden merkwürdig kompliziert und verschoben. Ich find’s lustig, ein so kompliziertes Lied zu haben, das sich aber leicht anfühlt. Bei „Calippo Vivaldi” fand ich lustig, dass sich derselbe Song gleichzeitig warm und kalt anfühlen kann. Früher ging es mir nur darum, Widersprüche in lustigen Textzeilen oder Punchlines zu verpacken, so wie bei „Gettin’ Jiggy With It”. Jetzt wollte ich auch die Musik dementsprechend aufbauen, das war eine besondere Challenge.
Auf deinem letzten Album „TILT” waren instrumentale Akzente eher Ausflüge, genauso wie dein Gesang. Auf „POOL” hast du dich fast komplett diesem Stil verschrieben. Im letzten Interview mit Oliver vor 4 1/2 Jahren meintest du noch, dass das nicht Maeckes wäre. Wie kommt’s, dass du dich in die Richtung entwickelt hast?
Auf „TILT” hatte ich noch ein viel strengeres Dogma, was Maeckes sein muss und was nicht. Für mich beschreibt „POOL” eine sehr große Offenheit. Falls man den Albumtitel auf die einfachste Art lesen möchte, ist es ein Pool an Songs. Wenn ich einfach einen Pool an Songs anlege, kann der eine Track ein Punk-Song sein, der andere ein Pop-Song und der andere ein Rap-Song. Wenn all das aus mir rauskommt und ich all diese Stücke interessant finde, dann will ich mich da nicht bremsen. Dann ist auch das Maeckes. Ich habe einfach keine Lust mehr, Sachen auszugrenzen. Wenn sich etwas gut anfühlt, ist es dann am Ende vielleicht doch auch Maeckes – und gleichzeitig nicht Maeckes (schmunzelt).
Also würdest du dich jetzt rückwirkend von deiner damaligen Aussage distanzieren?
Ne, die war zu dem Zeitpunkt genau richtig. Genau so habe ich „TILT” gemacht. Jetzt ist einfach eine weitere Tür aufgegangen. Und dass der Wille zu rappen noch immer da ist, sieht man ja an den ganzen Exclusives, die ich gemacht habe. Die waren ein Gegenentwurf zu dem, was ich auf „POOL” gemacht habe.
Glaubst du, du hast die Exclusives gemacht, weil du einfach Bock hattest, zu schreiben oder hast du irgendwo auch nach einem Ausgleich gesucht?
Das war bestimmt auch ein Ausgleich. Ich hatte das wirklich überhaupt nicht mehr auf dem Schirm, das ist während der Orsons-Promo durch dieses JamFM-Exclusive passiert. Da habe ich gemerkt, dass ich immer noch diesen Hunger habe. Ich hab dann aber auch nicht weiter drüber nachgedacht. Nach „POOL” habe ich noch keinen richtigen neuen Song geschrieben, sondern eigentlich die Füße still gehalten. Die Exclusives waren für mich sozusagen eine kleine Fingerübung. Ich muss nicht mal selber die Mucke machen, ich schreib einfach Leute an, die schicken mir ein Beat-Paket und ich suche mir einen aus. Dann überlege ich, worüber ich schreiben kann und dann schreibe ich einfach drauf los. Das Ganze ist dann wie ein ausführlicher Freestyle. Diese Einfachheit hat mir auf jeden Fall viel Spaß gemacht. Wenn du jahrelang immer wieder am Arrangement mancher Songs tüftelst, Worte umdrehst und alle möglichen Details anpasst, gibt es nichts Geileres als einen Beat zu picken und einfach zu schreiben, es aufzunehmen – und fertig.
Auf eine gewisse Art und Weise kannst du ja auch weniger verkopft an Songs herangehen, wenn du Themen nicht im Subtext, sondern ganz direkt ansprichst.
Das war auch so eine lustige Sache, die Singles mit den Exclusives so ein bisschen vorweg zu nehmen, indem ich einfach darüber rede. „Swimmingpoolaugen” ist halt ein klassischer Maeckes-Song. Der hat komische Zeilen und erzeugt das passende Gefühl. Wenn ich mich aber hinstelle und kurz sage, worum es eigentlich geht, ist das irgendwie witzig. Das Exclusive kann man jetzt dazu hören, das mag ich.
Auf „TILT” haben Tristan Brusch und natürlich Äh, Dings an einem Großteil der Tracks mitgewirkt. Jetzt ist noch Philipp Thimm dazugekommen. Inwiefern beeinflusst das deinen Sound?
Philipp hat bestimmt seinen Teil dazu beigetragen. Der kann jedes Musikinstrument spielen, die Sessions mit ihm sind daher auf jeden Fall offener. Er hat seinen Weg reingefunden, nachdem Tristan aus meiner Liveband ausgestiegen ist, weil er sich auf seine Solo-Sachen konzentrieren wollte. Philipps Einfluss merkt man auf dem Album bestimmt, aber ich glaube nicht, dass das der einzige Grund ist, warum die Platte jetzt so klingt. Aber er kam zur richtigen Zeit, weil ich eh Lust hatte, solche Sachen zu machen.
Der Song „Zu sensibel” sticht in vielerlei Hinsicht heraus. Kommt eine solche Idee komplett von dir oder hilft es, Leute dabei zu haben, die dich in so eine Richtung pushen und dir sagen, dass du beispielsweise Kurt Cobain auf die Hook packen sollst?
Ich sag dir jetzt hoch exklusiv, wie „Zu sensibel” entstanden ist. Die erste Beatskizze war von mir. Der Text war schon ungefähr derselbe, aber ich war nicht so aggressiv. Der Beat war aber eher wie eine Missy-Elliott-Skizze, wie so ein lower Timbaland-Beat, ganz ruhig und relaxed. Ich habe dann aber die ganze Zeit gedacht, dass das nicht stimmt – so ist es nicht sensibel zu sein. Ich wäre fast in die Falle getappt zu denken, dass sensibel zu sein bedeutet, Kerzen anzuzünden, ein Buch zu lesen und schöne Sachen zu seiner Freundin zu sagen. Den Gedanken habe ich dann aber direkt verworfen. Und dann kam King Äh, Dings. Der hat gesagt, dass der einzige Ausdruck für Sensibilität Punk ist. Wenn dir alles um die Ohren fliegt und sich alles richtig beschissen anfühlt. Er hat das Ding dann geflippt und ich fand’s richtig geil. Das muss ich alles ihm zuschreiben.
Beschreibt das für dich dann auch wieder diese musikalische Widersprüchlichkeit?
Ich finde, dass da überhaupt kein Widerspruch ist. Das ist eher eine andere Auslegung. Wenn du sensibel bist, dann prasselt die ganze Welt auf dich ein. Und genau das ist das Gefühl.
Das Intro „Mauern” fühlt sich ein Stück weit wie ein Outro-Track an. Täuscht der Eindruck oder hast du auch das Gefühl?
Ne, der hat genau das Gefühl von einem Outro. Für mich ist der Track das Bindungsstück zu „TILT”. Der hat diese Art von Selbstzweifel. Diese Stimmung war der Ausgangspunkt für das Album, das erste Gefühl bevor ich irgendwo anders hingekommen bin. Aber deswegen taucht das musikalische Thema ganz hinten in dem Skit vor dem letzten Song als Trance-Version ja nochmal auf (lacht). Da merkt man, dass das eigentlich dahinten aufgehoben ist. Inhaltlich war es aber der Startpunkt.
Du hast gerade selber die Verbindung zu „TILT” hergestellt. Wie würdest du „POOL” innerhalb deiner Album-Trilogie nach „KIDS” und „TILT” kontextualisieren?
„POOL” stellt für mich eine gewisse Art von Versöhnung dar. „KIDS” war eine komische, fantastische Dystopie, die aus einer tiefen Depression entstanden ist, in der nichts Menschliches drin sein sollte. Es sollte kalt kein, es sollte kein menschliches Instrument geben, sondern nur Synthies. Ich habe nur über diese Welt geredet und die auch nicht verlassen. „TILT” war dann der Moment, an dem der Zynismus und die Dystopie abgetragen werden und man schaut, was darunter liegt und wo das überhaupt herkommt. Es war auch der Versuch nicht dort zurückzubleiben, sondern nach hinten raus die Kurve zu kriegen und auf einem positiven Punkt zu enden – aber immer noch sehr dunkel, obwohl ich einen gelben Anzug getragen habe (schmunzelt). Und „POOL” hat für mich das versöhnliche Moment, so wie ich es auch im Song „Pik” beschreibe. Das ist wie nach Jahren wieder an ein Grab zu gehen, das den schlimmsten Schmerz verursacht hat, womit man jetzt aber seinen Frieden gefunden hat.
Du meinst die Versöhnung mit dir selber, oder mit was genau?
Ja, am ehesten mit mir selber. Ein Stück weit auch mit der Welt, aber ja, mit sich selber.
Du hast vorhin schon den japanischen Skit zum Ende des Albums angesprochen. Durch Google Übersetzer konnte ich herausfinden, dass der Titel „Das Ende der Welt” bedeutet. Was ist die Geschichte dazu?
Wer wäre ich, das zu erklären (lacht). Guck in Foren, was irgendwelche Leute darüber schreiben. Die haben alle recht und ich werd meine Unterschrift darunter setzen.
Du hast „POOL” vorhin als einen losen Pool an Songs beschrieben. Du verfolgst sowohl solo als auch mit den Orsons ohnehin häufig den Ansatz, eine Zusammenstellung loser Songs zu veröffentlichen. Am Ende scheinen deine Alben dann aber doch immer ein Konzept zu haben. Wieso gestehst du dir nicht ein, dass du ein Typ für Konzeptalben bist?
Weil ich das nicht als Drake-Tattoo auf meiner Stirn brauche. Früher hatte ich das wirklich auf der Stirn tätowiert und jeder, der es nicht verstanden hat, musste sich mit mir hinsetzen und acht Stunden darüber diskutieren, was alles da drin ist und wie man das zu hören hat. Wer bin ich das zu behaupten? Es sind einfach Songs. Wenn dir einer davon gefällt, dann hör nur den. Wenn du aber Lust hast, dich mehr damit zu befassen, dann kriegst du die Maeckes-Konzept-Garantie (lacht). Also dass da noch eine tiefere Story drunter ist, die Songs nicht zufällig in der Reihenfolge sind und da nicht zufällig ein Skit am Ende ist. Aber nur, falls du Bock hast, in diesen Kosmos abzutauchen. Und deswegen muss ich mir das nicht auf die Stirn tätowieren.
Auch wenn man sich auf deine Antwort auf diese Frage wahrscheinlich nicht verlassen kann – hast du in der nächsten Zeit irgendwas geplant, was du uns schon verraten kannst?
Ich arbeite mit Hochdruck daran, dass ein paar Wochen nach „POOL” die Exclusives gebündelt rauskommen. Das ist das Allererste, was ich am Anschluss machen möchte. Vor Kurzem haben wir mit den Orsons eine Woche lang eine Session gemacht. Ob und was dabei rausgekommen ist – kein Kommentar (schmunzelt). Sonst gibt es auf jeden Fall noch genug andere Dinge, die ich machen möchte, aber jetzt gilt es erstmal „POOL” nach Hause zu bringen, bevor ich mich in neuen Sachen verliere. That’s all the information you get, my friend.