Interview mit Crackaveli

rap.de: Das Mixtape hat ja ein bisschen den Tenor, dass sich nichts ändert. Es heißt ja schon „Immer noch“. Ist das mehr so gemeint, auf der Straße bleibt immer alles gleich, oder bezieht sich das auch mehr auf dein eigenes Leben?

Crackaveli: Das ist ’ne krasse Frage. Also ich denke, auf der Straße ändert sich jeden Tag irgendwie was, aber im Großen und Ganzen bleibt es immer gleich, weißt du, jeder jagt dem Geld hinterher. Mit Gewalt, ohne Gewalt, mit Bedrohung, ohne Bedrohung, es geht um Drogen, es ist immer das gleiche Ding, aber am Ende des Tages, wenn man mit den Leuten sitzt, sind das ganz normale Menschen wie du und ich. Aber es ändert sich immer wieder die Geschwindigkeit, wie die Leute jetzt schneller unterwegs sind, die werden immer jünger, immer radikaler. Du kommst gar nicht mehr dahinter, bevor du daran dachtest, es vielleicht zu machen, hat der Andere es schon gemacht. Also, man muss schon auf der Hut sein draußen, und wenn man irgendwas machen will, dann muss man echt schnell sein. Aber so an sich hat sich nicht viel geändert. Leute probieren immer noch, ihr Ding durchzuziehen und Geld zu machen. Natürlich, diese Klasse von der alten Schule, dieses „Wir gehen jetzt raus und bekämpfen uns mit den Fäusten und dann ist die Sache geregelt“, das gibt’s ja schon lange nicht mehr. Wenn früher mal geschossen wurde, dann war das geich „Oh Gott“, jetzt mittlerweile ist das schon so einmal in der Woche oder alle zwei Wochen, das ist nicht mehr so besonders. Bei mir selbst – zu Hause hat sich viel geändert, würd ich sagen. Ich als Mensch. Man wird älter und man guckt nach links, man guckt nach rechts, man wird auch n bisschen gelassener, weißt du, nicht gleich „Guck mal, n Opfer, ich fick ihn, was‘ das für n Spast“ oder mit den Kindern, ich bin früher immer schnell ausgeflippt, weißte. Jetzt – man hat ’ne gewisse Ruhe. Aber im Grunde genommen hat sich in der Sache auch nicht viel verändert, weißt du, was ich meine. Alles was ich tue, tu ich immer noch für meine Kinder. Das is so das… das Heiligste, meine Familie zu Hause. Alles was ich mache, ist für zu Hause. Bevor ich irgendwas esse, essen meine Kinder. Bevor ich mir irgendwas kaufe, kauf ich meinen Kindern was. Bevor ich mir etwas Gutes tue, tu ich meinen Kindern etwas Gutes. Und dann kommt wieder die Sache, am Wochenende saufen zu gehen, was total Schwachsinn ist, weil dadurch wird nichts besser – dadurch wird alles nur noch schlimmer. Für einen Moment hast du vielleicht gute Laune, aber dann ist gleich wieder alles schlimmer.

rap.de: Hattest du mal ein Problem mit Alkohol?

Crackaveli: Naja, nach Big Sals Tod hab ich richtig radikal angefangen zu saufen. Ich meine, jeder von uns hat seine Trink- und Partyzeit, wo du dann von 2 Gläsern ciao bist, aber nach Bigs Tod hab ich mir echt oft die Kante gegeben. Extrem. Und dann gab es dementsprechend auch mehr Probleme. Weil man macht sich damit mehr Probleme. Ob das bei den Freunden ist, der Familie, oder die Mutter „Was machst du denn da? Warum trinkst du so viel? Was ist los mit dir?“ Weißt du, du weißt es, aber irgendwann checkst du „Scheiße Mann, es geht nicht. Es geht nicht. Der ist wirklich tot.“ Bei mir kam erst so nach drei Monaten „Ey, der Typ ist wirklicht tot man!“ Ich war fünfzehn Jahre mit denen, nonstop, jeden Tag telefoniert, gemacht, getan, und dann stehst du da und der Typ bewegt sich nicht mehr. Du fasst ihn an, er ist kalt. Du peilst es nicht. Die sagen „Der ist tot„, du weißt es, du verstehst es, ja okay. Das ist so’n Prozess. Und er hat Crackaveli eigentlich gemacht. Er hat den Namen und alles, er hat sich immer Mühe gegeben. „Jugo Betrugo“ hätte ich auch nicht gemacht, wenn er nicht gewesen wäre. „Crackaveli, was machst du hier draußen rum, Mann. Komm mal jetzt zurück ins Studio und mach. Die Jungs wollen jetzt echt mal ein Album von dir da draußen, die Fans wollen wirklich n Album.

rap.de: Du hast es also lange zu locker genommen?

Crackaveli: Hätte ich diesen Kopf gehabt wie jeder andere zu der Zeit, dann hätte ich das so’n bisschen mehr auch gesehen, dass Rappen nicht nur Spaß machen soll und dass Rappen nicht nur um das geht, was die Amis uns in den Videos vorgelebt haben. Bitches und Rappen und Knarren und Spaß haben und Autos. Aber am Ende des Tages ist es wie Bruce Lee gesagt hat, es ist nur ’ne Scheinwelt. Nicht alles ist so, wie es scheint. Du lebst den Kindern was vor und sie denken dann echt es ist das Große. Ich war genau so, weil ich ein Riesenfan war seit ich 9 bin. Angefangen mit Run DMC, Beastie Boys, Black Moon, NWA, diese ganzen. Ich lass natürlich die Straße weiter raushängen, weil ich wüsste nicht über was ich anderes rappen sollte. Ich kann über viele Themen reden, aber das ist natürlich aus ’ner Straßenperspektive. Ich kann mich auch über Politik unterhalten. Vielleicht hab ich den großen Durchblick, aber ich denke jeder hat irgendwas beizutragen. Und ob es jetzt richtig oder falsch ist, das ist wieder was anderes. Meinung ist Meinung. Wenn ich mal Zeit hab zum Lesen, probier ich auch zu lesen. Diese Stern-Dinger oder Spiegel. Natürlich glaub ich auch nicht gleich alles, weil Medien sind auch so wie HipHop und Rap, die probieren dir auch zu viel reinzubuttern, aber es wäre auch sonst uninteressant. Das ist ja das Talent der Medien, das interessant zu gestalten, dass die Leute das auch gerne lesen und gerne hören.

rap.de: Du bist jetzt schon über zehn Jahre dabei. Wo siehst du selbst deine Perspektiven?

Crackaveli: Ich denke, man ist einfach reifer geworden, aber man ist natürlich auch jung geblieben, weil diese HipHop-Sache einen jung hält. Ich glaube das ist einfach nicht so ’ne reife Sache. Meine Mutter und die anderen sagen dann „Was soll diese Rapkacke? Verdammt noch mal, geh arbeiten wie’s sich gehört. Da ist was für die jüngeren Leute, das ist nix für dich„. Aber ich hab ’n Namen, Alter, und das ist Business und vielleicht kann man sich da noch was dazu verdienen. Ich hab natürlich auch noch Liebe für die Sache, aber es ist nicht nur noch Liebe, es ist auch ein Geschäft. Und das ist auf jeden Fall eine Sache, die ich die letzten Jahre noch mehr verstanden habe. Was mir früher natürlich durch die ganze Scheiße da draußen flöten gegangen ist. Über die Jahre haste ja gesehen wie schnell sich die Mucke auf ein mal ändert. Da lief grade noch das und man ist anfangs noch so „Oah, was ist das?„, aber dann lässt man das mal kurz zu und dann merkt man „Aah, das ist ja doch gut„. Wir haben das mal aus Joke probiert, mal ’ne HiHat, Klavier und n paar 808s rein. Und jetzt lass mich mal in die Kabine. „Scheiße, das klingt gut! Ich hab nur zehn Minuten dafür gebraucht und die scheiß Wichser kaufen sich Mixtapes“ Kein Wunder, dass so viele Mixtapes droppen. Ich mach so’n Song in 10 Minuten. Du hast dann keine hohen Erwartungen, da geht’s dann um Entertainment. Ist mir doch scheißegal, wie ich darauf singe, raus damit, geil! Die scheißen drauf. Man kann nicht mehr so viel Qualität erwarten und wenn die dann zu krass werden von der Qualität her, dann ist es schon wieder was anderes.

rap.de: Bei Rick Ross zum Beispiel sind die Mixtapes besser als die Alben.

Crackaveli: Genau, ich will lieber diesen dreckigen Rick Ross, wo die Stimme ein bisschen übersteuert ist und wenn dann alles wieder zu clean ist und zu sauber, nein Mann. Das kenn ich von Jay Z und so, ich will dieses rauhe. Die Mixtapes waren auf jeden Fall besser, das war auch bei Cam’Ron, Dipset genauso. Die Mixtapes waren immer geiler als die Alben, Mann.

rap.de: Hast du eigentlich viel Down South gehört als du das Mixtape aufgenommen hast? Ich habe da einen gewissen Einfluss herauszuhören geglaubt.

Crackaveli: Ja. Ich hatte so viel Songs, was soll ich machen, aber ich wollte auch noch nicht zu viel weggeben von „L.O.S.„, deswegen dachte ich „Okay, ich mache noch 3-4 auf das Mixtape rauf“ Da sind aber noch Tracks, die sind richtig on point.

rap.de: Und die sind dann auf „L.O.S.“?

Crackaveli: Das wird auf „L.O.S.“ sein, weil Headbutt Urban, deren Produzenten, die Hijackers, werden auf jeden Fall mit drauf sein. Ich meine da kannst du dir auf jeden Fall was ausmalen, die haben jetzt auch ein paar neue Sachen gemacht. Und mit Crackaveli, glaub ich, ist das ’ne gute Kombi. Da kann man sich auf jeden Fall musikalisch noch mal steigern. Das wird noch mal alles toppen.

rap.de: Danke für das Gespräch. 

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