eRRdeKa trägt sein Herz auf der Zunge und versteckt seine Gefühle nicht vor der Welt. Stattdessen schreibt er sie auf Papier, greift sich ein Mikro und rappt. Der Augsburger zeigt sich verletzlich und wirkt gerade dadurch selbstsicher und greifbar. Am 4. Oktober erscheint mit „Liebe“ sein viertes Album. Darauf stellt er sich seinen privaten Problemen und denkt über die Befindlichkeiten seiner Generation nach. Mit unserer Reporterin Krissi Kowsky diskutierte er im Interview die Inhalte aus fünf Songs des neuen Albums.
1. „Woah“
Worum geht es in „Woah“?
Das ist ein verballerter Drogentrack. (lacht)
Stimmt. Da wird aber auch deutlich, dass du ein ziemlich enges Verhältnis zu deiner Mutter hast. Sprichst du mit ihr auch über solche Abende?
Meine Mutter ist der wichtigste Mensch in meinem Leben. Sie tickt in vielen Sachen wie ich und dadurch nehme ich ihren Rat auch teilweise an. Sie weiß schon, was bei mir so abgeht, aber ich binde ihr auch nicht alles auf die Nase. Viele Sachen verstehen Mütter einfach nicht, was wirklich schade ist. Ich kann bei manchen Sachen nicht verstehen, warum sie sie nicht gut findet. Sie kann z.B nicht verstehen, warum ich Second Hand-Sachen oder eine Oberlippenbart trage.
Das ist einfach eine ganz andere Generation. Kennst du das, wenn du deinen Eltern eine Geschichte erzählst und nach der Hälfte merkst, dass bestimmte Teile daraus für einen ganz normal und nicht bedenklich sind, wobei sie eigentlich illegal oder zumindest nicht familientauglich sind?
Ja, total. Je älter man wird, umso eher kann man solche Geschichten dann auch erzählen. Dann verdrehen sie zwar ein wenig die Augen, aber sagen nicht mehr sowas wie ‚Sag mal, spinnst du? Das kannst du doch nicht machen!‘ Man ist ja selber erwachsen und den Eltern ist es glaube ich nur wichtig, dass man glücklich ist. Natürlich gibt es auch dominante Eltern, die keinen Freiraum lassen.
Absolut. Zurück zum Thema Feierei. Du sagst in dem Track, dass du deinen Rausch im Griff hast. Glaubst du, man bemerkt den Punkt, an dem man das nicht mehr im Griff hat?
Puh, schwierig. Genau dieses Thema hatte ich kürzlich mit ein paar Freunden. Wenn man einen Rausch hatte, geht es einem danach meistens ein paar Tage schlecht. In der Zeit denkt man ‚Ich mach das nie wieder‘, dann ist es vorbei. Das nächste Wochenende steht an und man findet sich wieder in der gleichen Situation. Ich denke darüber viel nach und bin reflektiert, aber trotzdem bei irgendeiner Party bis fünf Uhr morgens am Start. Wenn man da einmal drin ist, ist es schwierig, einen Cut zu setzen.
Du testest also gerne deine eigenen Grenzen aus?
Auf jeden Fall. Ich gehe schon länger auf Techno Partys, weil das meine Musik ist, ich die Gesellschaft mag und ich dort viele Leute kenne. Letztendlich ist man immer selber für sich verantwortlich. Für mich ist das Feiern eine Art Ventil. Nicht gerade das beste, klar, ich könnte auch Sport machen. Aber ich genieße es, unter Leute zu gehen, Musik zu hören und abzuschalten. Wenn man sich so viele Gedanken macht, braucht man das mal.
Einfach untertauchen. Die Leute auf Techno Partys sind meistens auch entspannter, als die Leute auf HipHop Partys.
Ja, bei HipHop geht es um’s Sehen und Gesehen werden. Viele gehen nur los, um ein Chick aufzureißen.
2. „Liebe“
Was ging dir beim Texten von „Liebe“ durch den Kopf?
Am Anfang stand dieser für mich ungewohnt fröhliche Beat, da ich sonst eher düstere, melancholische Sachen mache. Nun wollte ich mal versuchen, einen positiven Vibe zu verbreiten, was mir aber unglaublich schwer fällt. Das habe ich dann mit ein paar kritischeren Sachen wie zum Beispiel „Rettet Bienen“ vermischt. Jeder weiß, dass Bienen aussterben.
Machst du denn selber was für den Naturschutz?
Nee. (lacht) Man könnte immer mehr machen und sich einsetzen. Ich hab solche Gedanken im Kopf, aber durchziehen tue ich da noch nichts.
Du rappst: „Schon seit 1991 weiß ich was ich will.“ Wolltest du immer Rapper werden?
Rapper wollte ich da noch nicht werden, aber ich hab mich schon immer auf der Bühne gesehen und hatte Bock, mich mitzuteilen. Ich bin früher mit einer Taschenlampe in meinem Zimmer rumgehüpft und habe so getan, als ob ich der Frontmann von Limp Bizkit wäre. Dann habe ich mir vorgestellt, dass vor mir eine Crowd am Start ist.
Was reizt dich daran?
Das Feedback. Es freut mich zu hören, wenn mir Leute sagen, dass sie sich mit meiner Musik identifizieren können. Es ist natürlich auch geil, gefeiert zu werden.
Die Zeit in der Schule scheinst du dagegen nicht gerade gefeiert zu haben. Was hat dich gestört?
Ich war nie dumm, aber immer faul. Es wird einem die ganze Zeit eingetrichtert, dass man niemals etwas werden kann, wenn man die Schule nicht ordentlich macht. Die Schule kitzelt keine individuellen Talente aus einem raus, alles folgt einem Schema. Bis auf lesen und schreiben lernt man nicht gerade viele wichtige Dinge für das Leben nach der Schule. Für was brauche ich binomische Formeln? Warum wird mir mein Weg verbaut, nur weil Mathe nicht zu meinen Talenten zählt? Die Schule bereitet einen darauf vor, zu funktionieren.
3. „Schulden“
Worum geht es in „Schulden“?
Es geht darum, dass man oftmals nicht genug Energie oder Platz im Kopf hat, um die seelischen Strapazen des Partners auch noch zu lösen. Wenn man selber ein bisschen psychisch labil ist und der Partner erwartet, dass man die restliche Energie, die man noch hat, aufwendet, um ihn auch wieder auf den Dampfer zu bringen.
Meistens ist es ja eher so, dass man eine Zeit lang viel gibt und wenig nimmt und dann zu anderen Zeiten viel nimmt und wenig gibt. Das gleicht sich eher langfristig gesehen aus. Und sollte man nicht eigentlich nur geben, weil man es will und kann? Ohne Hintergedanken und ohne etwas zurück zu verlangen? Sonst ist es ja eigentlich auch eher nehmen statt geben.
Wenn es mir schlecht geht, ist meine Freundin immer für mich da und macht alles, obwohl bei ihr auch nicht alles zu 100% cool ist. Aber wenn es ihr schlecht und mir gerade total gut geht, fällt es mir schwierig, mich auf ihren Mood runter zu lassen. Ich wäre dann auch direkt wieder in ihrer Gefühlslage.
Du bist dann wahrscheinlich einfach froh, dass es dir wieder besser geht. Du willst, dass das auch so bleibt und reagierst auf die Sachen, die sie dir erzählt, wahrscheinlich mit Humor?
Ich sag dann eher sowas wie ‚Ach, das passt. Das wird schon alles wieder‘. Vielleicht habe ich auch einfach ein Ego-Problem. Im Endeffekt willst du, dass du in deiner Stimmung bleibst und dir das niemand versaut. Dann denkst du ‚Ach, das sind ja nur Banalität, die sie mit sich rumschleppt. Ich kann mich damit jetzt nicht beschäftigen‘.
4. „Distopia“
Welches Thema behandelt der Track?
Letztendlich geht es um diese typischen Pärchen: Man ist zusammen, spielt nach außen das perfekte Paar, nichts kann einen trennen, man postet tausend Bilder von sich und ist glücklich miteinander. Dann gibt es einen Cut, weil es so nicht mehr funktioniert. Man trifft einen neuen Partner und es passiert genau das gleiche. Es gibt diese Leute, die das genau so handhaben. Deshalb auch die Line „Ich hoff‘ ihr gebt euch süße Kosenamen“, weil die sich dann auch immer besonders nennen.
Was hilft dir gegen Liebeskummer?
Teilweise Texte schreiben. Ich finde, dass meine besten Texte in Zeiten entstanden sind, in denen es mir nicht so gut ging. In Zeiten, in denen es mir gut geht, bin ich innerlich weniger aufgekratzt und weniger inspiriert. Da mache ich mir nicht so viele Gedanken, weil alles passt.
Hast du ein Ritual, dem du nachgehst, wenn du nachdenken möchtest?
Ich denke eigentlich die ganze Zeit nach. Ich bin ein übelst nachdenklicher und sensibler Mensch. Wenn ich Leute auf der Straße sehe, die sich unterhalten, denke ich darüber nach, worüber die sich unterhalten könnten. Ich sauge einfach alles auf. Das würde ich teilweise gerne abstellen können, aber das begleitet mich schon mein ganzes Leben. Es ist Fluch und Segen zugleich. Ich kann Leute dadurch sehr gut einschätzen aber denke Sachen teilweise auch kaputt. Bevor ich irgendwo hingehe, denke ich schon darüber nach, was dort passieren könnte, anstatt dort einfach so hinzugehen. Das ist teilweise sehr belastend, aber ich kann das auch nicht ändern, außer ich würde mich jeden Tag dicht saufen und gar nichts mehr denken.
Für deinen Beruf ist das viele Nachdenken eine relativ gute Charaktereigenschaft.
Ja, voll. Meine letzten Alben waren auch total durchdacht und dadurch vielleicht zu sperrig. Ich hatte das Gefühl, dass der normale Hörer gar nicht checkt, was ich meine.
Klingt, als wärst du jemand, der alles gerne unter Kontrolle hat.
Absolut. Alleine mein Album-Artworks. Die habe ich erst abgeben, sodass Leute die Arbeit für mich machen und musste denen den Job dann wieder entziehen, um doch alles selber zu machen. In der Hinsicht bin ich ein Perfektionist. Es fällt mir schwer, Kontrolle abzugeben.
5. „Auf Kommando“
Du äußerst dich in dem Track negativ über Social Media, bist durch deinen Beruf aber quasi angewiesen, solche Plattformen zu nutzen. Wie geht das einher und wie geht es dir damit?
Heutzutage muss man als Künstler gewisse Dinge in den sozialen Netzwerken tun, um Promo zu machen. Wenn ich es mir aussuchen könnte, würde ich es lassen. Ich bin Musiker und es soll um meine Musik gehen. Ich habe keine Lust, die Leute die ganze Zeit zu entertainen. Das muss man aber anscheinend machen, wenn man ein krasser Star sein will. Mir wird das irgendwann zu nervig und ich will den Leuten auch nicht auf den Sack gehen.
Was stört dich an Social Media?
Mich stört eigentlich nichts krass daran, aber ich finde es teilweise planlos, wie sich Leute über Social Media verkaufen. Das ist deren Leben. Wenn man die dann in echt triffst, sind das Leute, die Null Charakter haben, aber 500.000 Likes auf ein Bild, wo sie ihre halbe Brust zeigen.
Meinst du mit „Null Charakter“ keine Individualität?
Nee. Die geben in ihren Kanälen vor, etwas zu sein, dass sie gar nicht sind. Alles wird komplett verfälscht. Natürlich findet man da auch nice Sachen, aber oft ist es einfach too much – man wird überladen. Oder auf Konzerten. Alle stehen mit ihren Handys da und wollen unbedingt der ganzen Welt zeigen, dass sie gerade hier sind. Manchmal habe ich das Gefühl, dass das der einzige Grund ist, warum sie da hin gehen. Das stört mich und trotzdem erwische ich mich auch manchmal in ähnlichen Situationen.
Du hast darin ein paar Lines, in denen es um Kommandos geht: „Bei euch kommen die Tränen auf Kommando. Alle eure Freunde gehen auf Kommando. Wissen längst zu wem sie stehen auf Kommando“ – welche Instanz gibt denn das Kommando?
Damit ist eher gemeint: auf Kommando, fertig los. Wenn wir nach langer Pause wieder einen Song rausbringen, dann wissen die Leute, die in der Zwischenzeit vielleicht in anderen Gefilden unterwegs waren, zu wem sie gehören. (lacht)
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